Sunset over Egypt von Sennyo (Even if tomorrow dies) ================================================================================ Kapitel 41: Sonnenaufgang ------------------------- Es war ein Versprechen, das er Mana gegeben hatte. Vor allem für die Haare. Er hatte ihr Rache geschworen, so schwer es jetzt auch war. Und auch wenn es vielleicht schon zu spät war, die Beiden würden trotzdem dafür zahlen. Sie würden ihm nicht entkommen. Sich von ihr zu verabschieden stellte sich als schwieriger heraus, als er es vermutet hatte. Ihr zu sagen, dass er fortgehen musste, würde nicht einfach sein, das hatte er auch nicht erwartet, doch ihr dann tatsächlich gegenüber zu stehen, in ihre großen, fragenden Augen zu sehen, und dabei optimistisch zu klingen, damit sie sich nicht fürchtete – all das stellte eine enorme Herausforderung dar. Eine Herausforderung, der er sich nicht gewachsen fühlte, die aber unaufschiebbar nahe gerückt war. „Ich muss gleich fortgehen“, hatte er zu ihr gesagt, ohne zu wissen, wie er es hatte erklären sollen. Es war doch unausweichlich. Das Mädchen hatte ihn angesehen, dann genickt. Sie lächelte. „Und dann kommt Seth gleich wieder!“, schloss sie fröhlich. Doch der Priester schüttelte den Kopf. „Nein, Mana. Ich komme wieder... Aber es wird ein bisschen dauern...“ Sie verstand nicht. Was wollte er ihr sagen? Wusste er es selbst denn wirklich? „Dauern?“, fragte sie nach, ihre Stimme unsicher und brüchig. Seth nickte. „Ja, es wird ein wenig dauern.“ Er gab sich alle Mühe, das Ganze so harmlos wie möglich klingen zu lassen, obwohl er genau wusste, dass es eine Sicherheit im Krieg niemals geben konnte. Doch er wusste auch, dass sie nicht wusste, was es bedeutete in den Krieg zu ziehen und allein darauf musste er vertrauen, nur so konnte er sie beruhigen. „Dann komme ich wieder. Ich habe eine Aufgabe zu erfüllen. Und wenn die fertig ist, dann komme ich zurück...“ So konnte man das formulieren, dachte der Hohepriester verbissen, er durfte ihr auf gar keinen Fall Angst machen, sie durfte nicht glauben, er würde sie allein lassen. Nichts lag ihm ferner als das. Er sah sie an, sie schwieg. „Bis ich wieder da bin, passt Adalia auf dich auf, in Ordnung?“ Sie hatte genickt, sie hatte verstanden. Und sie hatte gelächelt. Das war mehr als Seth hatte erwarten können. Alles weitere lag nun in Adalias Händen. Er konnte sich auf sie verlassen, sie hatte es ihm schon mehrfach bewiesen. Und er war gegangen. Seine Aufgabe zu erfüllen und zu ihr zurückzukehren. Das hatte er versprochen. Sein Gesicht hatte sich verfinstert. Niemand, der ihm über den Weg gelaufen wäre, hätte erkannt, dass er sich soeben von seiner Verlobten verabschiedet hatte. Es lag nichts als kalter Hass in seinem Blick, eine undurchdringliche Mauer aus eisiger Wut, die ihn beherrschte, als seine Schritte ihn durch die dunklen Gänge trugen. Als er sein Ziel schließlich erreichte, war er erfüllt von einer grimmigen Vorfreude, ein Gefühl, das ihn zu überwältigen drohte, ihn in eine Gier versetzte, die er selbst einem Raubtier zugeordnet hätte. Sein Blick fiel auf eine Zelle, und auf die beiden Gestalten, die darin hockten. Natürlich hatten sie ihn gehört, wie hätten sie das tiefe Echo der sicheren Schritte durch die schweren Mauern missverstehen sollen? „Sieh an“, säuselte Karim, der als erster erkannte, wer da kam, „Der Hohepriester persönlich erweist uns die Ehre.“ Trotz seiner misslichen Lage war er offensichtlich zu keiner Einsicht bereit. Auch Shada ließ sich nicht beeindrucken, abfällig starrte er Seth an. Dieser hatte große Mühe sich zu beherrschen, sie auf der Stelle zu zerfleischen, hätte eher dem entsprochen, was er sich wünschte für sie, doch er hatte anderes mit ihnen vor. Sie würden es nicht einfach haben, sie würden nicht einfach mit dem Tod davon kommen. Er hatte es versprochen. Sie würden leiden. Und sei es nur für die Haare. Er holte seinen Millenniumsstab hervor und noch bevor einer von Beiden reagieren konnte, hatte er sie zu Sklaven seines Willens gemacht. Puppen, die alles taten, was man ihnen sagte. Grimmig starrte er sie an. „So gefallt ihr mir schon viel besser“, zischte er, ließ sich dann von einer Wache den Schlüssel für die Zelle geben und befreite sie aus ihrem Gefängnis. Sie folgten ihm stumm. Laufende Körper, mehr waren sie nicht im Augenblick und Seths Zauber war stark genug, um dafür Sorge zu tragen, dass es so blieb. Sein Hass war gerade zu grenzenlos, und erfüllte ihn mit einer grimmigen Energie, die ihn mehr als alles andere beflügelte. Es war Kisara, die ihn aus seinen Gedanken riss. Die weißhaarige Frau stellte sich direkt vor ihn, als er durch die Gänge lief, die beiden Sklaven im Schlepptau. Sie hatte ihn eigentlich nur zufällig getroffen, doch nun, da sie ihn sah wollte sie sich wenigstens von ihm verabschieden. Auch wenn er sich von ihr längst verabschiedet hatte. Sie schluckte ihre Verbitterung darüber herunter, dies war nicht der passende Augenblick. Die gesamte Eigentümlichkeit der Situation breitete sich vor ihren Augen aus. Seit wann ließ sich der Hohepriester von anderen Priestern flankieren? Das passte nicht zu ihm, er, der zwar gern protzte, und doch nur sich selbst vertraute. Verwirrt blickte Kisara ihn an. „Guten Morgen?“, versuchte sie ihn in ein belangloses Gespräch zu verwickeln, auf diese Weise konnte er selbst entscheiden, wie weit das hier gehen sollte. Es war nur allzu deutlich, dass er nicht viel von der Idee hielt nun aufgehalten zu werden. Dennoch antwortete er ihr, wenn auch ohne viel Enthusiasmus. Kisara ließ leicht den Blick schweifen. „Der Krieg ist fast in vollem Gange“, sagte sie leise, besorgt. „Trotzdem gratuliere ich dir...“ Sie stockte und schluckte leicht, ehe sie fortfuhr: „Zu deiner Verlobung. Wo ist sie denn?“ Verwundert blickte sie an ihm vorbei, sicher würde die kleine Mana es sich nicht nehmen lassen, ihn so lange es ginge zu begleiten? Als ihr Blick schließlich wieder auf ihn fiel, wusste sie sofort, dass etwas nicht stimmte. „Das wird sicher kein leichter Krieg“, antwortete Seth ihr ausweichend, was Kisaras Verdacht nur noch verstärkte, „Aber die Libyer werden sich noch wünschen, uns niemals begegnet zu sein...“ Drohend klang seine Stimme, doch sie wusste es besser. „Da bin ich mir sicher...“, sagte sie lächelnd, durchbohrte ihn mit einem entschlossenen Blick aus ihren eisblauen Augen. Augen, die den seinen so ähnlich waren. „Du hast nicht auf meine Frage geantwortet.“ Es war eine Feststellung, nichts anderes. Seth senkte den Blick. „Wo ist Mana?“ Tief durchatmend hob der Priester den Kopf. „Ich habe mich bereits von ihr verabschiedet. Sie ist zurückgeblieben, um ihr den Abschied nicht schwerer zu machen“, erklärte er stumpfsinnig. Er wollte nicht darüber reden, das war völlig klar, doch die zurückgewiesene Frau hatte nicht vor, ihn einfach so entkommen zu lassen. Nicht jetzt, da er so offensichtlich etwas verschwieg. „Wieso bist du nur am lügen?“, fragte sie ihn, ohne Wut, absolut ruhig. Auch dies war mehr eine Feststellung als eine Frage. Und doch erwartete sie eine Antwort. „Was geht dich es an?“, fuhr er sie an, viel zu emotional, als dass Kisara es dabei belassen hätte. Sie kannte ihn einfach schon viel zu lange, um seine billige Ausrede einfach so zu schlucken. Doch langsam aber sicher wurde sie ungeduldig. „Es tut mir Leid, dass es mich interessiert“, knurrte sie ungehalten. „Was ist passiert?“ Sie würde ihn hundertmal fragen, wenn es sein musste, sie würde ihn nicht gehen lassen, ehe er ihr nicht eine Antwort gegeben hatte. Er wollte etwas verheimlichen? Er war noch nie gut darin gewesen. Und auch dieses Mal würde er damit nicht durchkommen. Nicht jetzt, da er seine Aufmerksamkeit im Krieg doch brauchen konnte. Sie konnte es nicht riskieren, nicht zu wissen, was ihn möglicherweise zu sehr ablenken könnte. Des Hohepriesters Augen waren noch immer von Zorn gezeichnet, als er ihr schließlich nachgab. Mit kurzen verbitterten Worten schilderte er ihr, was geschehen war, ganz so, wie er zuvor Adalia eingeweiht hatte. „Sie kann sich an nichts mehr erinnern“, schloss er seinen eintönigen Monolog. Kisara war einige Schritte zurück getreten, sah ihn erschrocken an. War das der Preis für ein Leben an des Hohepriesters Seite? Nein. Sie wollte nicht so denken. Sie war fassungslos. Ihr ungläubiger Blick blieb an Shada und Karim hängen, sie brachte kaum ein Wort heraus, schüttelte einfach nur den Kopf. Mana mochte ihre Rivalin gewesen sein, doch das hatte sie nicht verdient. Eine Wut erwachte in der jungen Frau, die sie selbst zwar kannte, aber sonst so gut es ging unterdrückte. „Was hast du jetzt mit ihnen vor?“ Sie wusste genau, Mitleid brachte ihn im Augenblick nicht weiter und Mitleid war auch kein Gefühl, das sie gern bereit war zu akzeptieren. Mitleid allein änderte nichts und das passte ihr nicht. Es gefiel ihr nicht. „Du kannst sie gern mir überlassen“, sagte sie stattdessen und blickte Seth direkt in die Augen. Dieser jedoch schüttelte grimmig den Kopf. „Sie werden mit in den Krieg ziehen“, erklärte er mit einem finsteren Lächeln im Gesicht. Sie sah ihn an. Zuerst wollte sie widersprechen, doch wieder entschied sie sich dagegen. Sie kannte ihn zu gut, niemals würde er seine Rache abgeben und egal wie gern sie sich den Beiden angenommen hätte, so wusste sie doch, dass Seth diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen würde. Sie nickte und für eine Sekunde war wieder deutlich, was sie einst verbunden hatte. Kisara kannte Seths hasserfüllte Seite, und auch sie konnte so fühlen. Sie wusste genau, was er dachte, wusste, was sie von ihm zu erwarten hatte. Sie wollte kein Mitleid, sie wollte Taten. „Ich werde auf Mana achten, wenn du in den Krieg ziehst“, sagte sie bestimmt und leicht bedrückt. Es war kein Vorschlag, es war eine Abmachung. Völlig unbewusst hatten sie eine stille Übereinkunft getroffen. Seth sah sie an, nickte. „Ich danke dir“, sagte er und so meinte er es. „Mehr Probleme kann sie im Moment nicht gebrauchen“, erklärte Kisara sachlich, „Und du auch nicht. Pass auf dich auf, ja?“ Zum ersten Mal in ihrem Gespräch war sie unsicher. Sie wusste, dass Seth auf sich aufpassen konnte, doch sie kannte auch die Grausamkeiten, zu denen Menschen fähig waren. Ein flüchtiger Blick zu den willenlosen Hüllen ließ sie versteinern. Welche auch immer es sein mussten. Seth atmete tief durch, nickte schließlich. „Das werde ich...“ Sie trat zurück um ihn vorbei gehen zu lassen. Es stand ihr eigentlich gar nicht zu, ihn aufzuhalten und doch war sie froh, es getan zu haben. „Zeige es ihnen!“, hauchte sie ihm hinterher. Er schritt an ihr vorbei. Gerade als er auf ihrer Höhe war, hielt er ein letztes Mal inne. Er lächelte. Und das Lächeln war echt. „Dieser Krieg wird schnell und grausam sein“, sagte er und es klang wie eine Prophezeiung. Sie erwiderte sein Lächeln, trat zurück und verbeugte sich leicht. „Solange dir nichts geschieht und bald wieder Frieden herrscht, sind mir alle Mittel recht.“ Er wusste, dass sie nicht scherzte und sie wusste, dass er es wusste. „Kisara?“, seine Stimme war nun belegt und fest, nicht mehr verzehrt von Wut und Schmerz, sondern klar und gefasst. „Würdest du mir einen weiteren Gefallen tun? Würdest du mir bitte Bescheid geben, wenn hier irgendetwas nicht stimmt?“ Für einen Augenblick war sie überrascht, wusste nicht, wieso er sich ausgerechnet an sie wendete mit dieser Bitte. Doch dann verstand sie. Sie war die einzige Möglichkeit. Der Drache... Sie nickte zufrieden. Also wurde sie doch gebraucht, sie war nicht umsonst geblieben. „Das werde ich“, sagte sie mit einer Würde, die sonst nur eine der Priesterinnen hätte aufbringen können, „Verlasst Euch auf mich... mein Priester.“ Er hatte sich von ihr verabschiedet, ihr versichert, dass alles gut gehen würde und doch standen ihr die Tränen in den Augen, als er sich schließlich umdrehte. Das war wohl der Preis dafür, Pharao zu sein. Er konnte das Land verteidigen, in dem sie lebte, doch er konnte nicht verhindern, dass Teana weinen musste. Seine geliebte Teana. Er konnte sich nicht hier verstecken, er hatte zu handeln. Und auch wenn er den Zeitpunkt als alles andere als passend empfand, nun da es soweit war, war er fest entschlossen. Er würde sein Volk nicht im Stich lassen und er würde auch Teana nicht im Stich lassen. Die Truppen waren versammelt. Die Heerschau hatte die halbe Nacht angedauert, aber schließlich waren alle gekommen, die die Möglichkeit dazu gehabt hatten. „Bereit?“, richtete er sein Wort an Seth, der inzwischen auf einem Pferd neben ihm saß, noch immer von Shada und Karim begleitet. Der Pharao fragte nicht nach ihnen. „Auf geht's“, gab der Hohepriester nur zurück. Viele Worte zu verlieren zögerte den Augenblick nur heraus und ab jetzt zählte jede Sekunde. Beide blickten mit stolzem Blick auf die Menge herab. Ihre Anwesenheit allein reichte aus, um die Moral der Männer zu heben. Es waren so wenige, dachte Seth, und doch war dies die beste Schlagkraft, die Ägypten aufbringen konnte. Es würde ein harter Kampf werden, doch sie würden sich nicht brechen lassen. Auf gar keinen Fall. Atemu richtete sich auf, und ritt den Männern entgegen. Er konnte nur wenig Motivation in ihren Gesichtern erkennen, doch er war nicht gewollt, es dabei zu belassen. Edel sah er aus, die Krone, die sein Haupt schmückte und sein Haar aus seinem Blickfeld fernhielt, thronte majestätisch auf seinem Haupt und niemand hätte es gewagt, seine Autorität anzuzweifeln. „Meine Freunde“, sprach er laut, richtete sein Wort an sein Heer. „Uns steht ein harter Kampf bevor, gegen einen Feind, den meine Vorfahren schon vor Jahren besiegt haben! Die Libyer kennen unsere Stärke, sie wissen, dass wir in einem Kampf überlegen sein werden, denn unsere Waffen sind stärker! Unsere Herzen sind reiner! Und die Götter sind auf unserer Seite!“ Er hob seinen Arm, stieß ihn mit all seiner Kraft gen Himmel. „Also folgt mir, für Ägypten, für unsere Frauen und Kinder und unser aller Leben!“ Seine Begeisterung war ansteckend, seine Worte entfachten den Hass in den Herzen der Krieger, die nötige Entschlossenheit, die sie brauchten um diesen Test zu bestehen. Ägypten würde frei sein. „Auf in den Krieg!“, brüllte der Pharao und alle taten es ihm gleich. Sie ritten los, gerade als die ersten Sonnenstrahlen das Land in Schatten hüllten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)