Sunset over Egypt von Sennyo (Even if tomorrow dies) ================================================================================ Kapitel 64: Meister? -------------------- Ein Angebot, das wohl verlockend hätte sein sollen. Ein Angebot, das die kühnsten Träume so manch eines Diebes weit übertroffen hätte. Seite an Seite mit dem König der Räuber, mit dem besten Jäger menschlicher Schätze und Trophäen, den es im ganzen Lande gab. Ein Angebot, das jeden aus der Gosse gezogen hätte um ihm stattdessen ein Leben im Luxus zu bescheren. Verborgen und verhasst zwar, doch erfolgreich und gefürchtet. Ein Angebot, das Akim dankend ablehnte. „Bedaure“, sagte er ohne danach zu klingen, „Aber ich ziehe es vor, mich niemandem zu unterwerfen.“ Sich Bakura zu unterwerfen hieße, ihm eine Macht zu leihen, die er noch nicht einmal überschauen, geschweige denn beherrschen konnte. Dies war kein gleichberechtigter Handel, nichts, das sich lohnte in Betracht gezogen zu werden. Bakura fürchtete ihn und wollte ihn deswegen unterwerfen. Gemeinsam würden sie dann kämpfen, Seite an Seite in der Schlacht, doch Akim wusste, dass Bakura, der sich selbst als König der Diebe bezeichnete, niemals einen anderen in einer machtvollen Position neben sich dulden würde. Akim wusste, dass er sich ihm niemals gleichstellen würde. Der Meisterdieb trat einige Schritte um ihn herum, umtänzelte ihn fast, wie die langersehnte Beute, die nur auf ihn gewartet hatte. „Das habe ich mir fast gedacht“, räumte er ein und änderte dann bewusst die Strategie. „Dann kommen wir zu einem anderen Punkt“, sagte er schlicht, „Wieso interessierst du dich für meine Tochter?“ Er verstand es nicht und das war sein Schwachpunkt. Akim wusste es und er wusste sein Spiel mitzuspielen. „Sagen wir es so“, antwortete er grinsend, aber dennoch sachlich, „Ich bin praktisch mit ihr aufgewachsen. Und im Gegensatz zu dir, kenne ich das Mädchen, das sie einst war.“ Recht ernüchtert war des Diebes Reaktion. „Das ist wahr“, gab er zurück, „Doch ist es nicht egal? Ob du sie kanntest oder nicht, spielt doch nun auch keine Rolle mehr, oder? Schließlich kann sie sich doch nicht an dich erinnern, wie schlimm muss das wohl sein?“ Er musterte ihn mit finsterem Blick, ganz so, als wüsste er, worauf diese Worte abzielen konnten, wenn sie an den Nebeljungen gerichtet wurden. Akim lächelte. „Du hast keine Ahnung, habe ich Recht?“, fragte er und war sich dessen vollauf bewusst. Bakura wusste es nicht. Bakura kannte es nicht. Er war ihm weit überlegen. „Was es bedeutet“, hauchte er finster und fast verführerisch, „Was für Möglichkeiten sich dahinter verbergen ...“ Bakura grinste, ohne zu verstehen, was den Jungen so sehr amüsierte. „Natürlich habe ich schon Überlegungen über die Möglichkeiten in Betracht gezogen“, sagte er leichtfertig, „Und ich denke, ich werde einiges davon haben, dass sie so hat leiden müssen“, er stoppte sich selbst und warf einen Blick zum Fenster hinauf, „Oder es wohlmöglich immer noch tun? Nun ja, eigentlich ist es nicht von Bedeutung. Wen interessiert schon die Kleine?“ Er zielte mit jedem seiner Worte ganz genau, legte es darauf an, Akim zu provozieren und ihn zu einer Dummheit zu bringen. Eine einzige Dummheit, die er für immer würde bereuen müssen. Das Mädchen kümmerte ihn nicht, doch ihre Position versprach Macht und Einfluss. Beides reizte ihn sehr. Seine Ziele jedoch würde er auch ohne sie erreichen können, so viel stand auf jeden Fall fest. „Meinetwegen kann sie draufgehen“, sagte er gelassen und musterte Akim aufmerksam, „Ich lege keinen Wert auf sie.“ Doch der Violetthaarige konnte ihm nicht zustimmen. Er schüttelte den Kopf. „Ich muss dich enttäuschen – schon wieder“, gab er bestimmend zurück, „Aber du wirst sie nicht bekommen.“ Es klang schlicht und fast wie leere Worte, doch er meinte es ernst. Noch immer war er vergnügt, Bakura schüchterte ihn nicht ein, auch sein lächerliches Messerspiel verfehlte seine Wirkung bei weitem. Als ob er ihn damit überraschen könnte, als ob er aus dem Hinterhalt hätte angreifen können. Akim hatte die Waffe schon gesehen, als Bakura sie in die Hand genommen hatte. „Wer sagt das?“, fragte der Meisterdieb kalt und spöttisch, „Wieso sollte ich das nicht?“ Er hielt inne damit, den Dolch in seiner Hand zu drehen, hielt ihn stattdessen fest in seiner Hand. Es war unsinnig, was der Junge versuchte, es war lächerlich und nutzlos. Und er würde es schon noch erkennen, bevor sein Ende gekommen war. Dies war ein Spiel und er war der Meister. Er kannte alle Regel, kannte alle Strategien und er wusste immer einen Ausweg. Deswegen hatte er überlebt, bis zu diesem Tag. Und auch einem nervigen Nebel würde er nicht unterliegen, seine stolze silberne Klinge hatte ihn noch niemals enttäuscht. „Hast du nicht gehört?“, fragte Akim unbeeindruckt und fast gelangweilt. „Ich habe das gesagt.“ „Dir liegt etwas an ihr, nicht wahr?“, das Grinsen auf seinem Gesicht wurde breiter, „Tja, schade.“ Es war wirklich bedauerlich. Bakura hob seinen Dolch und drehte ihn in seiner Hand. Es ging sehr schnell, wendig und geschickt, wie er es war, schleuderte er ihn direkt auf Akim zu. Sein Nebel würde ihm nichts nützen, sollte er es doch versuchen. Der Junge wurde nach hinten geschleudert, als der Dolch ihn traf. Glatt und widerstandslos hatte er die Nebelwand durchschnitten, ganz so, wie der Meisterdieb es geplant hatte. Die Seelen von Kul Elna standen ihm bei, sie allein besaßen einen Zauber, der ihren Meister beschützte. Und der tödlich sein konnte. Akim löste sich auf der Stelle auf. Umhüllt von weiten Schleiern ließ er sich nach hinten fallen, begeistert fast von Bakuras Kühnheit. Er lachte laut auf. „Du gefällst mir!“, rief er und seine Stimme erklang von der anderen Seite des Raumes, „Du setzt dich über Grenzen hinweg.“ „Das nehme ich als Kompliment“, gab der Weißhaarige zurück, verfolgte die Stimme und erblickte Akim, völlig unversehrt auf der anderen Seite des Raumes. „Du bist aber auch sehr interessant“, fügte er ehrlich hinzu, „Du scheinst nicht aufzugeben.“ Ihn betrachtend, trat Akim wieder dichter an Bakura heran. „Ich habe keinen Grund um aufzugeben“, antwortete er schlicht. „Da magst du Recht haben“, hauchte Bakura und drehte sich wieder zu ihm um, „Du bist flink und schnell.“ Doch kam er damit auch zurecht? Er zückte einen weiteren Dolch und zielte mit diesem erneut auf seinen Gegner. Ein weiteres Mal ließ Akim sich treffen, ein weiteres Mal verschwand er auf der Stelle und ein weiteres Mal tauchte er gleich darauf wieder auf. „Du hast es nicht verstanden, oder?“, er hauchte ihm die Worte in sein Ohr, so nahe war er ihm gekommen ganz ohne, dass Bakura einen Einfluss darauf gehabt hätte. Doch dieser ließ sich ebenfalls nicht beeindrucken. Ein finsteres Lächeln umspielte seine Lippen, als er sich zu ihm drehte. „Ich oder du?“, fragte er zischend und erregt. Der Dolch war weiter geflogen als er an seinem eigentlichen Ziel gescheitert war, und durchstach nun die Wand aus Nebel mit dem der Vioetthaarige den Raum verriegelt hatte. Die Schwaden wurden für einen kurzen Moment sichtbar, ehe sie in kleinen Wolken verpufften. Bakura war gegen die Macht der Nebel nicht schutzlos. Blitzschnell hatte der Dieb einen weiteren Dolch gezogen und präpariert, und rammte ihn ihm direkt in die Brust. „Unterschätze mich niemals!“, fauchte er den Jungen an, finster, voller Bosheit. Die Freiheit jedoch blieb nicht lange erhalten. Bevor der Weißhaarige auch nur daran hätte denken können zu fliehen, hatte Akim die unsichtbare Barriere wieder aufgebaut, und war dem Dolch auf die gleiche Weise entkommen, wie schon dem anderen zuvor. „Nein“, sagte er sichtlich amüsiert über Bakuras Wut, „Unterschätze du mich nicht!“ Wie ein kindlicher Streit und doch mit tödlichen Waffen trugen sie ihre Unterhaltung aus, versuchten sich gegenseitig zu Fehlern zu drängen. „Was hast du denn?“, fragte Akim ohne großes Interesse, aber voller Hohn, „Macht dir das hier etwa keinen Spaß?“ Es musste ein unglaublich befremdliches Gefühl für den Meisterdieb sein, einen wirklichen Gegner zu haben. Jemand, der sich ihm wirklich entgegenstellen konnte und auch wirklich eine Chance hatte. Der Kampf musste ihm unglaublich ungleich vorkommen, im Vergleich zu den Kämpfen, die er sonst kämpfte, im Vergleich zu der Überlegenheit, die er sonst gewohnt war. „Wie du willst“, brummte Bakura und ließ den Dolch ein weiteres Mal die Nebelwand zerstören, „Dann machen wir nun ernst. Und Spaß macht es mir alle mal!“ Es klang gestellt und keinesfalls überzeugend. „Der Spaß allein genügt dir nicht, habe ich Recht?“ Genüsslich führte Akim es weiter aus, schaute ihn aus überlegenden Augen an und leckte sich provozierend über die Lippen. „Du willst mich verletzen, mich unterwerfen ... Doch du kannst es nicht.“ Immer wieder ließ er den Nebel neu erscheinen, gleichgültig fast, ohne jede Anstrengung. Spielerisch mit einer einzigen Handbewegung. Die Seelen Kul Elnas besaßen eine große Macht, doch keine, die der Nebel nicht zu brechen wusste. Die Fäden ließ Akim sich nicht aus der Hand nehmen, egal, was der Meisterdieb auch versuchte oder anstellte. Er stieß Luft aus und verdrehte die Augen, verfolgte jeden Schritt, den der Kleinere tat um ihn zu reizen. „Du solltest besser darüber nachdenken, was du sagst“, brachte er wütend hervor, und lachte leicht auf. Bisher war noch jeder daran gescheitert, der ihn unterschätzt hatte. Und dies würde keine Ausnahme sein. „Große Worte“, sprach Akim und lachte ebenfalls, „von einem, der in der Falle sitzt.“ Es war so herrlich einfach ihn zu provozieren. Zu lange hatte Bakura dasselbe Spiel gespielt, zu oft dieselbe Taktik verfolgt. Festgefahren und verbissen – das waren die einzigen Worte, die dem Jungen nun dazu auf der Zunge lagen und nur darauf warteten, ausgespuckt zu werden um ihre volle Wirkung zu entfalten. „ICH – SITZE – NICHT – IN – DER – FALLE!“, zischte Bakura und ließ Akim wieder auflachen. Der Dieb war außer sich, er machte einen so einfachen Fehler. Er ließ sich auf das Spiel seines Gegners ein. So konnte er nur verlieren. So musste er verlieren. Akim wusste es genau und setzte genau darauf. Es war leicht. Gewohnheit und Regelmäßigkeit hatten den König der Räuber rosten lassen, er war gut, aber er war nicht spontan genug. Er arbeitete in Schienen, war festgelegt in seinen Handlungen. Die Geister von Kul Elna waren sein Trumpf gewesen, ausgespielt viel zu früh und letztendlich nutzlos. „Wieso bist du dann so gereizt?“ Jedes seiner Worte war pure Provokation. Provokation, die direkt ins Schwarze traf. In den Nebel greifend, ließ der Junge einen Ball in seiner Hand erscheinen, der in einem giftigen Grün leuchtete und warf ihn seinem Gegner direkt vor die Füße. Bakura blieb stehen und sah dem Nebelgeschoss relativ unbeeindruckt hinterher. Sollte er versuchen ihn mit dem Nebel anzugreifen, es würde sowieso nichts bringen. Von daher ließ es ihn kalt. Er wusste genau, dass die Seelen ihn vor dem Schlimmsten bewahren würden, genau wie der Nebel den anderen vor dem Schlimmsten bewahrte. Akim. Er regte ihn auf. Die Gelassenheit und die Langeweile, die er an den Tag legte, machten ihn rasend. „Weil du mir auf die Nerven gehst, Bursche!“, fuhr er ihn an, und verengte seine Augen zu Schlitzen, gefährlich blinzelnd. „Verschwinde! Ich kümmere mich ein anderes Mal um dich!“ Oh ja, er würde sich um ihn kümmern. Dies würde sich nicht wiederholen. Aber nun hatte er anderes zu bedenken. Sie waren immer noch im Palast und eigentlich hatte er noch nicht vor, aus seinem Versteck zu treten. Wenn er jedoch dazu gezwungen wurde sich selbst preiszugeben, dann nach seiner ganz eigenen Art. „Wir kriegen bald hohen Besuch, das will ich nicht verpassen!“ Langsam aber sicher schüttelte Akim den Kopf. „Ich denke“, sagte er und legte eine besondere Betonung auf jede einzelne Silbe, „Ich bleibe lieber hier.“ Seine Entschlossenheit war nicht zu überhören. Genervt verdrehte Bakura die Augen. „Dann bleib halt, ich gehe mir das Spektakel ansehen.“ Es war ein Jubel in den Straßen der Stadt zu hören, der nur einen einzigen Grund haben konnte. Die Truppen waren also zurückgekehrt. Letztendlich. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen. Doch wie teuer hatten sie dafür zahlen müssen? Er musste sich selbst ein Bild davon machen. Und Akim – der würde ihn sicher nicht aufhalten. Er schnipste kurz mit den Fingern und begann sich aufzulösen. Ein sanfter Staub regnete auf den Boden, als der Dieb immer undeutlicher wurde. Es hatte seine Vorteile, mit den Geistern in Verbindung zu stehen. „Oder willst du mich aufhalten?“ Die Frage war fast hämisch. Er grinste seinen Gegenüber an. Dieser schüttelte den Kopf, grinste dann ebenfalls. „Nein“, sagte er und betrachtete den Staub fasziniert. „Aber ich werde dich begleiten, wenn du nichts dagegen hast.“ Und er würde ihn auch begleiten, wenn er etwas dagegen hatte. „Wie du magst“, gab der Weißhaarige zurück, dem wohl auch klar war, dass es keinen anderen Weg gab. Er grinste noch immer, als schließlich auch sein Gesicht sich im Staub verlor. Im nächsten Moment war der Staubhaufen verschwunden, verweht durch einen Wind, der Verwirrung hätte stiften sollen, doch Akim ließ sich nicht täuschen. Bakura war nicht verschwunden und so folgte er ihm in die Unsichtbarkeit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)