Sunset over Egypt von Sennyo (Even if tomorrow dies) ================================================================================ Kapitel 77: Hinterhalt ---------------------- Die Geister hatte er sofort erkannt, doch eine Gelegenheit zu reagieren war ihm nicht geblieben. Er konnte sich nicht um Adalia kümmern, er hatte sich um sich selbst zu kümmern. Bakura stand vor ihm, wie aus dem Nichts war er aufgetaucht und grinste ihn finster an. So schnell hatte er wirklich nicht wieder mit ihm gerechnet, langsam wurde er lästig. Immer und immer wieder langweilte er ihn mit seiner Anwesenheit, auch wenn er durchaus bemüht war, sich immer wieder etwas anderes einfallen zu lassen. Akim sah ihn uninteressiert an. „Du schon wieder...“, beklagte er sich, „Hast du noch nicht genug?“ Eine erneute Provokation war es und doch war es das Einzige, das Sinn machte in Anbetracht der Hartnäckigkeit des Meisterdiebes. Dieser wirkte alles andere als begeistert. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst“, gab er kühl zu, zuckte mit den Schultern und drehte sich um. Adalia stand im Grunde direkt vor ihm, doch sie konnte sich dagegen nicht wehren. Sie war gefesselt und unfähig sich zu befreien. Was wollte er nun von ihr? Im Grunde war es ihm gleich. Bakura bückte sich, hob einen Fetzen auf, der aus Adalias Gewand gefallen war und studierte ihn für einen Moment, ehe er mitleidig den Kopf schüttelte. „Glaubst du, das bringt irgendetwas? Es zu verbergen?“ Er spukte ihr vor die Füße. „Lass mich sofort frei!“, befahl sie kreischend, zerrte an ihren Fesseln und versuchte sich loszureißen, doch ohne Erfolg. In ihren Augen glühte es, sie starrte den Fetzen an, starrte Bakura an. „Wieso sollte ich?“, gab der jedoch nur zurück. Der Violetthaarige wusste nicht, um was es sich bei dem Pergamentstück handelte, doch offensichtlich sagte es den beiden anderen etwas. Auch das war ihm gleich, er wartete immer noch auf eine Antwort des Diebes. „Ich habe noch etwas gut bei dir“, wendete dieser sich schließlich wieder an ihn, „Das war wirklich nicht nett vorhin.“ Giftig hauchte er seine Worte in Akims Gesicht, kniff die Augen scharf zusammen und runzelte die Stirn. Im selben Moment spürte Akim einen heftigen Stich in seinem Hals, genau an der Stelle, an der der Splitter des Dolches seine Haut durchschnitten hatte und fühlte, wie eine fremde Macht ihn zu Boden drücken wollte. Seine Knie knickten ein und Akim verlor das Gleichgewicht. Es war ein eigenartiges Gefühl so beherrscht zu werden, ein Gefühl, das er unter keinen Umständen tolerieren konnte. Ein einziges Mal nur war er so unterworfen worden und er hatte sich geschworen, dass es nie wieder geschehen sollte. „So gefällt mir das schon viel besser“, verkündete Bakura, doch der Angesprochene konnte ihm nicht zustimmen. „Das gefällt dir?“, sagte er grimmig, enttäuscht. „Du bist weit niveauloser, als ich erwartet hätte.“ Hätte Seth sich über eine solche Demütigung gefreut? Vermutlich schon. Im Grunde war Akim sich da sicher. Aber dass Bakura so einfach zu erfreuen war... nun, er hatte ihn überschätzt, wie es aussah. Doch dieser Splitter machte wirklich mehr Ärger, als gut war. Der Junge fasste sich an den Hals, grummelte und hob dann den Kopf. So leicht würde er es ihm nicht machen… Wenn Bakura glaubte, ihn so einfach beherrschen zu können, dann war er naiver, als er gedacht hätte. Auf der Stelle löste Akim sich in einem blauen Nebel auf. Der Splitter fiel dabei herunter, dem Angreifer vor die Füße. Er selbst tauchte hinter Bakura wieder auf, was dieser jedoch erst in dem Augenblick realisierte, als ein Dolch aus Nebel ihm an die Kehle gehalten wurde. „Das hast du dir so gedacht…“, zischte Akim säuerlich, „Du magst Dolche, nicht wahr?“ Der Weißhaarige zuckte zusammen, fast unmerklich und doch deutlich spürbar. Er zeigte also doch Nerven. Na bitte, es ging doch. Der Bedrohte nahm sich einen Moment Zeit, die Waffe zu betrachten, dachte nach. „Natürlich mag ich sie“, hauchte er fast zärtlich, unschuldig, bevor er selbst einen solchen zog und ihn in Akims Seite rammte. Es war ihm gelungen, sich so zu bewegen, dass er der fremden Klinge nicht näher kam, als er es sowieso schon war und durch das Überraschungsmoment schaffte er es sogar, sich vollkommen zu befreien. Er war keinesfalls ein Anfänger, der sich alles bieten ließ. „Und ich bin nicht niveaulos!“, setzte er wütend hinzu. Wieder verschwand Akim im Nebel, dieses Mal fiel auch der Nebeldolch zu Boden und löste sich auf. Unbeeindruckt erschien er wieder neben dem Räuber, unversehrt und etwas genervt. „Aber du bist nicht sehr einfallsreich.“ „Ebenso wenig wie du“, war die einzige Antwort, die er darauf bekam. Der Dieb hatte sich inzwischen wieder der Priesterin zugewendet, die noch immer versuchte, ihre Handgelenke aus den Ketten zu ziehen. Tiefrote Schlieren zeichneten sich über ihre Haut, doch sie schien es nicht zu bemerken. Sie zog weiter, versuchte krampfhaft, sich irgendwie zu befreien, zerrte an den Ringen, die sie gefangen hielten. Es war inzwischen ziemlich dunkel geworden, doch Adalias Wut tat das fehlende Licht keinen Abbruch. Es war nur allzu offensichtlich, dass sie Bakura in Stücke reißen wollte, dass sie ihm Schmerzen zufügen wollte, die selbst jemand mit einer Vorgeschichte wie der Seinen, noch nie zuvor gespürt hatte. Der Dieb trat einen Schritt auf sie zu. „Es ist eh zwecklos, etwas gegen diese Fesseln tun zu wollen…“, sagte er genervt, ihre Schreie störten ihn, sie konnte den gesamten Palast dadurch alarmieren. „Versuch-“ Er stockte, Akim sah auf. Als er die Priesterin erblickte, wusste er sofort, wieso Bakura zögerte. Adalias Gewand hatte sich vollständig gelöst und war zu Boden gefallen, der zerrissene Stoff hatte keine Chance gehabt, an ihrem Körper zu bleiben, während sie so sehr damit beschäftigt gewesen war, aus ihrer misslichen Lage zu entkommen. Ihr entblößter Körper irritierte sowohl Akim als auch Bakura, doch wesentlich auffälliger noch waren ihre verzweifelten und zum Scheitern verurteilten Versuche, den Stoff wieder in die Finger zu bekommen. „Was tust du?“, fragte Akim, der völlig perplex wirkte. Ebenso ungläubig starrte sie zurück. „Meinst du, ich mach‘ das mit Absicht?!“, fauchte sie entgeistert, „Hilf mir lieber!“ Weiter zog sie an den Fesseln, die sie peinigten, versuchte Bakura zu ignorieren, der sie eine ganze Zeit lang nur anstarrte, ehe er seinen Blick mit den Worten: „Wie lächerlich...“, abwendete. Akim fühlte sich wie auf der Stelle eingefroren. Er war schlicht und einfach peinlich berührt. Adalia zu helfen erschien ihm als das logischste von all dem, das er nun tun konnte, doch er rührte sich nicht. Um ihr zu helfen hätte er ihr sehr nahe kommen müssen – zu nahe. Kopfschüttelnd und mit vor Unglauben aufgerissenen Augen starrte Adalia zurück. „Worauf wartest du noch?“, schrie sie empört, „Du IDIOT!“ Sie war ohne Zweifel ziemlich sauer, Bakuras Bemerkung trug nicht gerade zur Besserung ihrer Laune bei. Die Drohung in ihren Augen war so eindeutig, dass der Nebeljunge sich ernsthaft fragte, wieso Bakura nicht auf der Stelle das Weite suchte. Dieser jedoch verschränkte demonstrativ die Arme, grinste und nickte Akim aufmunternd zu. „Nun mach schon!“, wies er ihn an, „Hilf ihr!“ Doch so ließ der Violetthaarige nicht mit sich reden. Völlig ungeachtet der Situation und der Forderung stellte er sich dem anderen entgegen, fixierte ihn mit seinem Blick und hob zweifelnd eine Augenbraue. „Meinst du, ich mache, was du sagst?“, fragte er überheblich und kalt; wenn der Dieb wirklich daran glaubte, hatte er sich aber eindeutig getäuscht. „Ich werde ihr garantiert nicht helfen!“, fauchte Bakura ungeduldig zurück. Anscheinend meinte er es tatsächlich ernst, das überraschte ein wenig. Doch worum es ihm eigentlich ging, wurde sehr schnell klar. „So können wir unsere Diskussion nicht weiterführen! Mach!“ Diskussion war wahrlich eine interessante Bezeichnung für ihre Auseinandersetzung, die nicht selten wertvolles Blut kostete. Adalia tat ihm Leid. Sie war ihm immer vorsichtig gegenüber getreten, war stets misstrauisch, doch sie hatte ihn eine Position einnehmen lassen, die er selbst gewählt hatte. Er hatte keinen triftigen Grund, sie auf diese Weise quälen zu lassen, abgesehen vielleicht von der Tatsache, dass sie Seth völlig hörig war. Tat es ihr nicht möglicherweise gut, erkennen zu müssen, dass der Hohepriester denen, die ihn anbeteten, nicht zur Hilfe eilte? Ihr zorniges Gesicht war rot vor Wut. Doch. Er wollte ihr helfen. Gleichzeitig jedoch hielt ihn ein Impuls zurück. Wenn er ihr nun zu nahe kam, dann würde sie ihn umbringen, das stand ohne Zweifel fest. Sie war gefährlich. Belustigt nahm er es zur Kenntnis, ihr Hass war geradezu beeindruckend. Doch ihre Schreie und ihr Gekreische ging auch ihm auf die Nerven und auf die Ohren und auch er hatte nicht viel Interesse an zu viel Publikum. Und so setzte sich Akim in Bewegung, hob ihr Gewand vom Boden auf und gab ihr den Stoff in die Hand. Es war nicht zu fassen. Es war nicht echt, einfach nicht real. Es war nicht möglich. Sie träumte, es musste so sein. Es machte einfach keinen anderen Sinn. Dies war ein Traum. Nein. Dies war ein Alptraum. Ein Alptraum ohne die Möglichkeit des Erwachens und Adalia wusste genau, dass sie nicht schlief. Wie jedoch konnte es angehen? Es war so unglaublich, so unfassbar absurd, dass ihr der Mund offen blieb. Erst diskutierten die beiden schüchternen Herren scheinbar stundenlang sinnlos miteinander nur um den jeweils anderen zu übertrumpfen und nun DAS. War es nicht schlimm genug, dass sie, völlig entkleidet und in Ketten gelegt, hier stand? Musste man sie da auch noch zu einem Gespött machen?! Ja, sie gab zu, dass es dumm gewesen war, zu hoffen. Als Akim ihr Gewand, oder vielmehr das, was davon übrig war, aufgehoben hatte, war in ihr für einige Sekunden ein Funke von Erleichterung entflammt. Dieser Funke war längst wieder erloschen. Die Priesterin starrte auf den Stoff in ihrer Hand, schaffte es nicht, ihren Blick davon abzuwenden. Sie war fassungslos. Sie war völlig entgeistert. Endlich gelang es ihr wieder sich zu regen. „HAT DIR SCHON MAL JEMAND GESAGT, DASS DU EIN TOTALES ERBSENHIRN HAST?! WIE SOLL MIR DAS DENN JETZT WEITERHELFEN?!“ Bakura lachte auf, lachte laut auf. Sie versuchte ihn zu ignorieren, doch sie schaffte es nicht. Er regte sie so unglaublich auf, und nicht nur er, sondern auch Akim. Wie konnte es einem solchen ... Wesen ... überhaupt erlaubt sein zu leben? Die Dummheit tat schon weh! Wie sollte es ihr gelingen, sich darüber nicht aufzuregen?! „Halt endlich deinen verdammten Mund, du Miststück!“, erklang des Diebes fauchende Stimme, offensichtlich regte sie ihn genauso auf, wie er sie. Gut so. Er würde schon noch sehen, was es ihm brachte. „DAS HÄTTEST DU WOHL GERN!“, entgegnete sie schreiend, so laut sie konnte. Sie würde ihm niemals verzeihen, sie würde niemals nach seiner Nase tanzen. „SO BRINGT MIR DAS AUCH NICHTS!“, rief sie laut und ließ das Gewand fallen. Hatte sie etwas davon? Nein. Sollte es halt so sein, sollten sie sich halt amüsieren. So einfach ließ sie sich nicht versklaven. Sie zerrte weiter an den Fesseln, mit aller Kraft, schrie dabei voller Anstrengung nur um Bakura zu ärgern. Es tat weh. Es tat höllisch weh. Die metallenen Fesseln schnitten in ihre Haut wie stumpfe Klingen, die dennoch schnitten. Sie biss die Zähne zusammen. Plötzlich stand Akim wieder vor ihr. Sie hatte ihn nicht kommen gesehen, so sehr hatte sie sich darauf konzentriert, freizukommen. Es war eine solche Demütigung! Sie konnte es nicht hinnehmen. Feige und aus dem Hinterhalt hatte Bakura angegriffen, sonst hätte er sie niemals gefangen. Sie hatte selbst genügend Kenntnisse der Magie um sich zu wehren, doch blinde Wut behinderte sie darin klar zu denken. „Du solltest vorsichtig sein...“, hauchte Akim ihr zu, er wickelte den Stoff um ihren Körper und sicherte ihn mit einem festen Knoten. „Er bringt dich sonst um...“ War es Besorgnis, die er ihr entgegenbrachte? Glaubte er wirklich, dass eine solch große Gefahr von dem Dieb ausging? Natürlich, er war unberechenbar, doch in seiner Unberechenbarkeit war er wieder berechenbar. Reichte es wirklich aus um selbst jemandem wie Akim Respekt einzuflößen? Sie warf einen Blick über Akims Schulter hinüber zu Bakura. Wäre sie nicht so unglaublich sauer auf ihn gewesen, hätte sein Ausdruck ihr vermutlich Angst gemacht. Er sah sie an, finster und böse. „DU BIST JETZT RUHIG!“, schrie er zu ihr, lauter als sie es getan hatte, was vielleicht daran lag, dass seine Stimme ohnehin voluminöser war als ihre helle Stimme. Sie sah es, noch bevor sie es spürte. Einer der Geister, die den Meisterdieb scheinbar immer und überallhin begleiteten, tauchte hinter ihm auf, schwebte auf sie zu, einfach über Akim hinweg und schneller als er hätte reagieren können. Er kam ihr immer näher, entsetzt sah sie mit an, wie er auf ihr Gesicht zu kam, sich um ihren Hals schlängelte und ihr dann den Mund zudrückte. Sie verstummte auf der Stelle, die Augen weit aufgerissen. Sie konnte nicht mehr atmen. Und als die silberne Klinge des Diebes ihr Bein durchstieß, konnte sie noch nicht einmal mehr schreien. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)