Sunset over Egypt von Sennyo (Even if tomorrow dies) ================================================================================ Kapitel 87: Götterdämmerung --------------------------- !!! Achtung: Nächste Woche (also am 25.2.2010) gibt es KEIN Kapitel! Ich steh kurz vor der Abgabe meiner Bachelorarbeit, deswegen muss das mal pausieren. Danach gehts aber weiter, drückt mir die Daumen! *zitter* !!! Viel Spaß mit diesem Kapitel! ^.^ Kapitel 87 – Götterdämmerung Es war eine erschreckend schwere Nacht gewesen, in der ihre Nerven mehr als einmal kurz vor dem Zerreißen gewesen waren. Es war eine unruhige Nacht gewesen, in der er den Pharao mehr als einmal besorgt gebeten hatte sich etwas Ruhe zu gönnen. Selbst das Versprechen ihn sofort zu benachrichtigen, sollte eine Veränderung eintreten, hatte Atemu nicht von Teanas Seite weichen lassen. Sie hatte die ganze Nacht um ihr Leben gekämpft. Fast durchgehend hatte Qadir den Zusammenbruch des Pharaos befürchtet, doch Atemu hatte nicht aufgegeben. In regelmäßigen Abständen hatte er die Nerven verloren und seine Verzweiflung in Form von Wut auf alles und jeden, insbesondere aber auf die Götter und den Arzt, der nicht mehr tun konnte, als über sie zu wachen und jederzeit zur Stelle zu sein, ausgelassen, doch dabei war es geblieben. Qadir konnte es ihm nicht verübeln. Erst in den frühen Morgenstunden war er ruhiger geworden. Er war körperlich und psychisch völlig am Ende, doch er bestand darauf dort zu bleiben. Sein Kopf lag inzwischen gebettet auf Teanas Kissen, er saß auf einem Stuhl daneben und hielt stumm ihre Hand. Ein wenig Ruhe war eingekehrt. Noch immer überwachte Qadir die Prinzessin praktisch durchgehend, doch seine Besorgnis nahm langsam aber sicher ab. Sie schien stärker zu sein, als er hatte befürchten müssen, schien den Kampf um ihr Leben zu gewinnen. Diese Entwicklung war der einzige Grund, der Atemu auf den Füßen hielt, das war dem Arzt und all seinen Helfern zu jeder Sekunde bewusst. Doch auch Atemu musste sie spüren, die Veränderung, die in Teanas Zustand zu sehen war, die Ruhe, die langsam zurückkehrte. Die Sonnenstrahlen, die auf ihre Haut fielen, spendeten ihr Wärme und verschleierten ihren gespenstisch blassen Teint ein wenig. Schwach lächelnd trat der Arzt hinter seinen Herrscher. „Mein Pharao...?“, sprach er ihn zurückhaltend an, ohne zu wissen, was ihn erwarten mochte. Würde Atemu wieder schreien, weil er es gewagt hatte, das Wort an ihn zu richten? Der junge König jedoch blieb ruhig, drehte sich nur ein winziges Stück zu ihm und sah ihn aus abwesenden Augen an. „Ja?“, fragte er leise, richtete seinen Blick jedoch sofort wieder auf Teana, damit er nur nichts verpasste. Der Ausdruck auf seinem Gesicht zeugte von einer tiefen Bitterkeit und doch war es ein eindeutiger Beweis dafür, dass Atemu die Realität nicht verlassen hatte. „Ihr Zustand verbessert sich“, sprach Qadir die Worte aus, auf die sie alle die ganze Nacht über gewartet hatten, „Sie schläft ruhig und ihr Körper scheint auch endlich Erholung zu finden. Ich denke, sie hat den Kampf gewonnen. Wie es aussieht“, und er hauchte die Worte nur, so sehr hoffte er, dass sie wahr waren, „waren unsere Sorgen und Zweifel nicht gerechtfertigt.“ Die Wirkung, die diese Worte auf Atemu hatten, war gerade zu atemberaubend. Als wären plötzlich alle Lebensgeister in ihm zu neuem Leben erwacht, richtete er sich auf, lächelte Teana hoffnungsvoll an und festigte den Griff um ihre Hand. Erleichtert atmete er durch, als er spürte, dass ihre Haut nicht mehr kalt war und sie endlich wieder Regungen zeigte. Waren seine Gebete doch erhört worden? „Ich danke Euch“, flüsterte der Pharao, schaffte es jedoch nicht den Angesprochenen dabei auch anzusehen, doch Qadir kümmerte es nicht. Nach einer solch turbulenten Nacht wie der letzten, in der mehr als Teanas Leben auf dem Spiel gestanden hatte, hatte er nicht damit gerechnet, Dankbarkeit entgegengebracht zu bekommen. Und trotzdem hatte Atemu die Worte ausgesprochen. Er lehnte sich vor und hauchte seiner Liebsten einen Kuss auf die Stirn – Qadir sah es mit Wohlwollen. Es konnte ihrer Genesung nur zugute kommen. Atemu schien tief versunken in seinem Ritual der Liebkosungen, strich zärtlich über Teanas Wange, küsste ihre Lippen und wich nicht von ihrer Seite. Es konnte beiden nur gut tun. Zum ersten Mal seit Stunden konnte Qadir ein wenig durchatmen. Das Schlimmste war überstanden, da war er sich sicher. Das Licht wärmte ihre Glieder, schien auf ihr Gesicht und spendete Wärme, wo zuvor nur Kälte gewesen war. Sanfte Berührungen konnte sie auf ihrer Haut spüren, doch sie konnte sie nicht zuordnen. Was war das? Woher kam diese Geborgenheit, die ihr Bewusstsein nicht richtig erfassen konnte? Sie wusste nicht, was es war, doch etwas hatte sie gehalten, hatte sie immer wieder gerufen, als alles dunkel gewesen war. Eine zarte, aber ausdrucksstarke Stimme, die sie immer wieder aufgehalten hatte einfach aufzugeben, einfach der Dunkelheit nachzugeben, einfach in der Ewigkeit zu verschwinden. Es war so friedlich gewesen, so ruhig und ohne jegliche Verpflichtungen. Keine Schuld. Keine Trauer. Keine Wut. Keine Angst. Aber auch keine Freude und keine Liebe. Einfach nur das Nichts, das auf sie gewartet, die fest an sich gehalten hatte. Dies hier war etwas anderes. Das Licht ließ es ihr ganz deutlich bewusst werden. Dieser Ort war nicht der, den sie zu verlassen gedachte. Hier, wo jemand auf sie wartete. Ein schwaches Lächeln legte sich auf ihre Züge, angedeutet nur, weil sie nicht genügend Kraft besaß und doch wusste sie, dass es genau dorthin gehörte. Atemu. Ja, sie hatte die Stimme inzwischen erkannt, konnte sagen, wer so sehnsüchtig nach ihr gerufen hatte. Immer und immer wieder. Immer wieder nur er. Je mehr Zeit verstrich, desto mehr nahm sie wahr und desto mehr konnte sie auch einordnen. Er war hier. Atemu war hier bei ihr, trotz allem, was sie nicht zu leisten geschafft hatte. Sie hatte auf ganzer Linie versagt, die hohen Erwartungen, die er an sie gestellt hatte, weit unterboten und sein Vertrauen furchtbar verletzt. Und trotzdem rief er noch nach ihr. Nach allem, was sie verschuldet hatte, stand er noch immer an ihrer Seite. Sie verdiente ihn kaum. Auch jetzt war sie sich da sicher, doch sie konnte es ihm nicht sagen. Sie brauchte ihn. Ohne ihn würde sie es nicht ertragen. Sühnte man denn nicht genug, wenn man unter den Konsequenzen seiner Taten litt? Wieder wusste Teana es nicht. Sie wusste nur, dass es wehtat darüber nachzudenken. Und sie wusste, dass Atemu noch immer nach ihr rief. Ob nun, um sie zu richten, oder aus einem anderen Grund, war letztendlich auch egal. Wichtig war lediglich, dass er sie bei sich haben wollte. Und vielleicht konnte er sie auch noch lieben... Oder es zumindest wieder erlernen. Sie musste daran glauben. Sie musste es jetzt tun. Sie musste sich der Welt stellen. Und sie musste endlich die Kraft aufbringen ihn zu erlösen. Teana atmete tief ein. Es war ein eigenartiges Gefühl die Atemmuskulatur bewusst zu belasten, es war ein eigenartiges Gefühl sich auf ihre Handlungen zu konzentrieren. Irgendwie gelang es ihr, ihre Augen ein ganz kleines Stück zu öffnen. Sie blinzelte, als das Licht sie blendete, konnte zunächst kaum etwas sehen. Doch sie wusste, dass er da war. Er war schon immer da gewesen um sie aus ihren finsteren Träumen wachzuküssen. Und er war auch jetzt da. Jetzt und für immer. Sein Gesicht – es war ihr so nahe. Und doch schien es eine Weile zu dauern, bis er merkte, dass sie erwacht war. Gerade, als er sich ihres schlafenden Blickes hatte versichern wollen, öffnete sie die Augen. Er erschrak, konnte es im ersten Moment kaum glauben. War es wirklich wahr? Träumte er auch nicht? Nein. Ein freudiges Lächeln legte sich auf seine verbitterten Züge, gab ihm ein wenig seiner jugendlichen Schönheit zurück. Zitternd erhob er seinen Arm, strich ihr sanft über die Wange und ließ dennoch ihre Hand nicht los. „Guten Morgen, mein Schatz...“, sagte er und er musste sich anstrengen, damit seine Stimme nicht brach. Ihre Augen waren so schön, hatten eine solch intensive Farbe, während sie das einfallende Licht reflektierten. Wie lange hatte er sie nicht mehr so leuchten gesehen? Viel zu lange war es her gewesen... Zärtlich strich sein Daumen über ihren Handrücken, er lehnte sich nach vorn und küsste sie auf die Stirn. Er war so froh. So unendlich erleichtert, dass sie wieder bei ihm war, dass er selbst die Tränen kaum zurück halten konnte. Waren die Götter wieder gnädig gestimmt? Hatte das Opfer seines einzigen Kindes den Preis gezahlt, den er zu sühnen gehabt hatte? Er konnte es nur hoffen. Das Kind zu verlieren war eine Sache, etwas ganz anderes war es Teana – er konnte den Gedanken nicht einmal denken, so schmerzhaft war er. Nein. Teana würde für immer bei ihm bleiben. Er hatte nicht vor ihr irgendwelche Vorwürfe zu machen, hatte nicht vor irgendeine Schuld auf sie abzuwälzen. Die Götter hatten ihn bestraft, viel zu sehr hatte sie schon darunter gelitten. Doch sie hatten ihm auch eine neue Chance gegeben. Die Reinheit von Teana würde er nicht aufs Spiel setzen um den Willen der Götter zu erklären. Er blickte in ihr Gesicht. Sie war noch immer recht blass und man sah ihr die Erschöpfung deutlich an. Trotzdem war die positive Entwicklung nicht zu übersehen. Sie erwiderte seinen Blick, lächelte leicht. „Warst du etwa die ganze Zeit über hier?“, fragte sie gerührt und anklagend zugleich, fast lautlos, doch er verstand jedes ihrer Worte. Nun, da er sich so lange nach einem einzigen Ton von ihren Lippen gesehnt hatte, erschien auch der noch so stille Ton wie ein heller, glockenklarer Hall. Gedankenverloren strich er über ihr Haar. „Ja, war ich“, gab er seufzend zu, lächelte aber für sie. „Ruhe dich gut aus“, bat er. Sie deutete ein Nicken an, übte einen ganz leichten Druck auf seine Hand aus, als sie ihre Finger um die Seinen legte. „Das werde ich“, versprach sie und fügte besorgt noch hinzu, dass auch er Ruhe brauchte. Natürlich, sie hatte selbstverständlich recht. Doch wie hätte er die Nacht über schlafen können, wo doch so vieles im Unklaren gelegen hatte? Sie sollte gar nicht darüber nachdenken. Sie sollte einfach nur daran denken, sich auszuruhen, sollte egoistisch sein, nachdem die Götter ihren Willen schon auf ihrem Rücken ausgetragen hatten. Sie sollte jetzt einfach nur an sich denken, damit sie wieder ganz gesund werden konnte und damit er sie endlich zu seiner strahlenden Königin machen konnte. Wieder lehnte er sich zu ihr, stupste mit seiner Nasenspitze die Ihre an und schüttelte leicht den Kopf. „Nein, ich habe mich genug ausgeruht hier“, flüsterte er, und obwohl er wusste, dass das nicht gerade der Wahrheit entsprach, fühlte er für sich, dass es die richtigen Worte waren. Er konnte nur hoffen, dass sie von seinen Ausbrüchen in der Nacht nichts mitbekommen hatte, er wollte sie nicht beunruhigen. „Liegst du bequem?“, wechselte er das Thema, „Soll ich dir noch ein Kissen holen lassen?“ Teana schüttelte den Kopf, und ihr Blick verriet nur eins: sie hatte ihn sofort durchschaut. „Es ist schon in Ordnung so“, sagte sie, wechselte dann aber ihrerseits zurück zum vorherigen Thema. „Du hast nicht eine Sekunde geruht“, stellte sie fest und fing sich dafür seinen schuldbewussten Blick ein. Zunächst wollte er widersprechen, doch er wusste auch, dass es sinnlos war. „Da magst du recht haben“, gab er nun doch zu, „Aber ich musste auf dich aufpassen...“ War es eine Erklärung für sie? Oder eine Ausrede für ihn? War es nicht Schönrederei? Was hatte er denn schon getan? Er hatte an ihrem Krankenbett gewacht, das war wahr. Aber reichte das schon aus? War das allein schon eine helfende Tat? Es war Qadir, der ihn aus seiner Grübelei riss. Er sah die Prinzessin aufmerksam an und auch er konnte das Lächeln nicht unterdrücken. „Es freut mich, dass Ihr erwacht seid“, mischte er sich ein und wandte sich dann direkt an den Pharao, „Aber ich denke, es ist das Beste, wenn sie jetzt Ruhe bekommt.“ Er schickte die Diener weg, die, wie sie es schon die ganze Nacht getan hatten, noch immer im Zimmer standen, bereit jederzeit Befehle entgegen zu nehmen. „Ich danke dir“, sagte Teana lieb zu Atemu und stimmte ihrem Arzt dann zu. Sie musste es wohl am besten wissen, doch der Pharao wusste es besser. Sie tat es vor allem, weil sie wollte, dass er endlich zur Ruhe kam und ihm blieb nichts anderes übrig, als ihr im Stillen dafür zu danken. Er musste sich wirklich dazu zwingen, nicht gleich wieder zu protestieren, musste sich zwingen, den guten Willen anzunehmen und der Tatsache, dass auch er nach dem Krieg und nach der letzten Nacht völlig entkräftet war, ins Gesicht sehen. Er schluckte. „Sag aber sofort Bescheid, wenn irgendetwas ist, ja? Ich bin sofort zur Stelle. Schlaf gut, meine Königin“, hauchte er in ihr Ohr, küsste sie sanft. Es fiel ihm schwer, ihre Hand loszulassen und sich abzuwenden. Doch er wusste auch, dass es sein musste. Er durfte sie nun nicht beunruhigen, sie sollte all ihre Kraft nur in ihre Genesung stecken und nicht in Sorgen um ihn. Trotzdem wollte er noch einen Moment mit ihr allein sein. Er erhob sich, trat Qadir entgegen und sah ihn kurz an. Er zögerte erst, doch dann schickte er ihn aus dem Zimmer. Qadir verbeugte sich vor ihm und erfüllte seinen Wunsch, auch als Arzt konnte er keine Einwände haben. Er besaß einen Raum nur wenige Zimmer von diesem entfernt, konnte also auch weiterhin problemlos regemäßig nach der Brünetten sehen. Atemu sah ihm nachdenklich hinterher. Er war dem Mann dankbar. Er war ihm ehrlich dankbar. Er wusste nicht, ob er die Nacht ohne ihn so glimpflich überstanden hätte. Vermutlich nicht. Wenn er niemanden gehabt hätte, an dem er seine Verzweiflung hätte auslassen können – nur die Götter allein wussten, wozu er dann im Stande gewesen wäre. Leicht lächelnd wandte er sich wieder seiner Liebsten zu. Er legte seine Hand auf ihre Wangen. „Ruh' dich aus...“, sagte er einfühlsam und zärtlich. „Ich liebe dich.“ Er wollte sie nicht allein lassen, doch er wusste genau, dass sie ebenfalls darauf bestehen würde, dass er sich schonte, wäre alles anders herum gewesen. „Ich liebe dich auch“, entgegnete Teana, ein Glitzern in den Augen. War es Erleichterung? War es Rührung? Was war es? Was war es, das er mit ihr allein lassen würde? Er würde immer bei ihr sein, nichts auf dieser Welt konnte sie trennen. Sie würden alles zusammen überstehen. Der Verlust ihres Kindes bildete da keine Ausnahme. Er wusste genau, sie würden es gemeinsam schaffen. Und nur deswegen konnte er jetzt die Kraft finden, den Raum zu verlassen. Nur deswegen konnte er akzeptieren, dass sie Zeit für sich brauchte, damit sie jede Chance bekam, wieder sie selbst zu werden. Damit sie alles verkraften konnte. Und er auch. Damit sein Land gemeinsam mit Teana wieder erblühen würde. Dafür würde er kämpfen. Dafür würde er sorgen. Er schritt langsamen, aber festen Schrittes aus dem Gemach und sah den Arzt noch einmal eindringlich an. Er vertraute sie ihm an – wieder. Qadir würde in ihrer Nähe bleiben, während er seinen Pflichten nachging. Viel zu lange schon hatte er sie vernachlässigt. Es war an der Zeit, sich nicht mehr zu verstecken. Er hatte eine Aufgabe. Er war der Pharao. Für sein Volk war auch er ein Gott. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)