Die Chroniken von Khad-Arza - Das Blut der sterbenden Welten von Linchan (Erstes Buch) ================================================================================ Kapitel 1: Unruhe ----------------- Buch Eins Das Blut der sterbenden Welten Karana war noch nicht aufgestanden. Eigentlich war das kein Wunder, fand Simu, der Morgen graute ja erst. Und es wäre wirklich verwunderlich gewesen, seinen Bruder um diese Tageszeit anzutreffen… aber jetzt, in diesem Moment, wäre es einfach nur praktischer gewesen. Der Blonde seufzte, während er seine Schuhe zuschnürte und einen Blick auf seinen Rucksack warf, als könnte er plötzlich wegrennen. Einen Moment wartete der junge Mann noch, ob sich etwas tat, dann hörte er aus dem oberen Geschoss des Hauses ein dumpfes Poltern. „Gut.“, sagte Simu sich, „Aufgestanden ist er nicht, aber wach offenbar. Dieser Idiot… kaum sind unsere Eltern mal außer Haus, führt er sich auf wie ein Wilder.“ Mit einem resignierten Seufzen nahm er seinen gepackten Rucksack, setzte ihn auf und ging dann zügig die Treppe hinauf bis zur Zimmertür seines Bruders. Er konnte nicht länger warten, er musste jetzt los. Und es erschien ihm nicht gut, abzuhauen ohne Bescheid zu sagen. Er zögerte, zu klopfen, und lauschte stirnrunzelnd den eindeutigen Geräuschen aus Karanas Zimmer. Jemand kicherte mit heller Stimme, dann hörte er Rascheln von Laken und das enthusiastische Stöhnen einer Frau. Karana, du bist echt ein Stecher. So dachte der Blonde, verdrehte wohlwollend die Augen und klopfte hart gegen die Tür. Sofort verstummten die Geräusche drinnen – um nach kurzer Pause wieder anzufangen. Simu hörte jetzt auch Karana stöhnen. Er zischte und klopfte noch mal. „Karana!“, rief er dabei empört, und wieder verstummten das Gekicher und das Stöhnen drinnen. Dann ertönte ein genervtes Brummen, wieder Rascheln und einen Moment später ertönte das Geräusch eines sich drehenden Schlüssels, ehe sich die Tür halb öffnete. Karana stierte ihn zornig an. „Ich hoffe, du hast einen wirklich dringenden Grund für diese Störung!“, meckerte er los, „Wenn ich gleich keinen mehr hoch kriege, mache ich dich dafür verantwortlich, du Armleuchter!“ Simu sah kurz an seinem Bruder herunter, der nichts trug als seine Haut. Er zog eine Braue hoch bei dem Anblick. „Na, darum würde ich mir keine Sorgen machen, wenn ich dich so ansehe…“ „Jetzt rede, was willst du?!“, zischte der andere, raufte sich murrend die braunen Haare und gab Simu dabei Zeit, ins Bett zu spähen, das der Tür gegenüber stand. Aus den Laken lugten zwei splitternackte Mädchen und grinsten gespielt unschuldig. Simu brummte. „Gleich zwei auf einmal? Himmel, Karana, jetzt wirst du aber übermütig. Du kannst doch nicht zwei Frauen zugleich beglücken.“ „Du würdest staunen.“, grinste sein Bruder gehässig, „Wenn du nicht so ein schwuler Sack wärst, der nie ein Mädchen abbekommt, würde ich dir ja was beibringen, aber ich glaube, das hat keinen Zweck.“ Der Blonde grinste nur amüsiert über den Seitenhieb zurück. Er war das ja gewohnt. „Wie auch immer. Ich wollte mich abmelden, ich verreise. Weiß noch nicht genau, wann ich zurückkomme, könnte länger dauern. Denk daran, dass Mutti und Neisa heute Nachmittag zurückkommen, bis dahin solltest du mit deinem… Damenbesuch hier fertig sein. Du weißt ja, was Vati dazu sagt.“ Karana verdrehte die Augen. „Vati soll mal friedlich bleiben, wenn er mal daheim ist, höre ich ihn auch ziemlich laut…“, schnaufte er, dann grinste er flüchtig und schloss die Tür wieder. „Viel Glück dann, Simu, komm heil zurück!“ Mehr sagte er nicht, und Bumms, war die Tür zu und Simu stand wie bestellt und nicht abgeholt im Flur. Und schon hörte er das Kichern und Seufzen wieder, so verdrehte er die Augen und machte, dass er wegkam. Der Sommer war so gut wie vorüber. Als Simu das Elternhaus verließ, den Rucksack auf dem Rücken, und das kleine Dorf Lorana in Richtung Tor durchquerte, wärmten ihn die noch warmen Strahlen der aufgehenden Sonne aus dem Osten. Er wusste nicht, wie lange er weg sein würde... die meisten seiner vielen Reisen dauerten länger. Immerhin musste er sie nicht selbst bezahlen, dafür, dass er dem alten Sagal bei seiner Rückkehr berichtete, was in der Welt so los war. Das Anwesen der Sagals war für die Verhältnisse der einfachen Dorfhäuser ziemlich pompös und respekteinflößend, genauso wie die Familie, der es gehörte. Im alten Anwesen selbst lebten eigentlich nur noch der Alte, das Oberhaupt, und seine Tochter und deren Tochter, seine Enkelin. Simu fand die kleine Niarih vor dem Anwesen auf der Veranda sitzen und Obst schneiden, als er vorbei kam. Das zierliche, blonde Mädchen lächelte ihn freudig an. „Simu! Du gehst wieder fort? Wohin schickt mein Großvater dich denn dieses Mal?“ Er blieb kurz stehen und lachte. „Eigentlich bin ich es, der entscheidet, wohin es geht. Hauptsache, ich kann deinem Großvater berichten, was so los ist draußen. Das ist total praktisch, wir beide tun uns gegenseitig einen Gefallen. Er ermöglicht mir, viel zu reisen, und ich ermögliche ihm Einblicke in die Welt. Ein besseres Angebot hat er mir wirklich nicht machen können.“ Das Mädchen widmete sich wieder seinem Obst und kicherte. „Das freut mich, dass du zufrieden bist. Du weißt ja, dass mein Großvater ein ziemlicher Kontrollliebhaber ist... er muss immer wissen was überall auf der Welt vorgeht. Du ahnst gar nicht, wie groß unsere Familie ist. In jedem Dorf, in jeder Branche, in jedem Zipfel des Landes – und nicht nur das – sind irgendwo Verwandte von uns.“ Simu lachte. „Na ja, das ist doch was Schönes. Dann bist du quasi überall, wo du hin kommst, daheim, oder?“ Er betrachtete Niarih eine Weile, wie sie lächelnd Obst schnitt. Ihre langen, hellen Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, über ihrer Kleidung trug sie eine Schürze, die schon bist dem roten Saft von Beeren und Kirschen bedeckt war. Sie war groß geworden, fiel ihm verblüfft auf, während er sie so ansah. Sie war etwa drei Jahre jünger als Karana, im selben Alter wie seine Schwester Neisa. Aber im Gegensatz zu Neisa würde Niarih niemals eine Frau werden… das war bedauerlich. Er fragte sich manchmal, ob es in Ordnung war, dass ihr Großvater ihr das so wichtige Blutritual verwehren wollte, das Mädchen zu Frauen und Jungen zu Männern machte unter den Schamanen. Es hing damit zusammen, dass Niarih ein uneheliches Kind war und niemand wusste, wer eigentlich ihr Vater war. Uneheliche Kinder galten in der Provinz als wirkliche Schande und Niarih sollte froh sein, dass sie überhaupt leben durfte, so hieß es. Manche Sitten waren wahrlich barbarisch. Sie riss ihn aus seinen Gedanken, als sie wieder strahlend in sein Gesicht sah. „Hast du heute schon mit Karana gesprochen? Ist er daheim?“ „Ja, also… er ist theoretisch da, aber im Moment ziemlich beschäftigt. Wenn du ihn besuchen willst, solltest du das später tun.“ Er hüstelte und hätte das gar nicht gebraucht; sein kleineres Gegenüber las seine Gedanken schon vorher und gluckste amüsiert. Sie war Telepathin, genau wie ihr Großvater und der Großteil des ganzen Sagal-Clans. Eine Magierin, deren Fähigkeiten sich auf Hellsehen und Teleport spezialisierten. Sehen ohne Augen konnten viele Schamanen, auch Schwarzmagier wie Karana oder Heiler. Für gewöhnlich waren die Telepathen darin aber begabter als die anderen. „Verstehe.“, sagte Niarih feixend, „Welche ist es denn dieses Mal? Die Brünette mit den großen Brüsten aus Thuran? Oder die Blonde mit den langen Wimpern aus Mitonha?“ Simu lachte dämlich. „Ehrlich gesagt, keine Ahnung, es waren zwei, die ich nie zuvor gesehen habe.“ „Gleich zwei? Himmel noch mal, Karana ist wirklich ein furchtbarer Stecher.“ Simu stimmte ihr mit verdrehten Augen zu, ehe sie wieder kicherte. „Aber was erwartest du, Simu? Er ist schließlich von Lyra-Clan. Und die Männer des Lyra-Clans sind grundsätzlich bildhübsch, begabte Magier und klug… vielleicht sind sie dann ja auch grundsätzlich gute Liebhaber.“ „Zumindest hat Karana viel Übung, sagen wir so.“, murmelte der Junge, dem das Thema jetzt doch zu lästig wurde, so verneigte er sich kurz vor der liebenswerten Enkelin von Dasan Sagal. „Ich muss jetzt wirklich los... vergib mir, Niarih. Grüße Karana von mir, falls du ihn siehst, oder auch Neisa, sie ist schon gestern gemeinsam mit Mutti aufgebrochen, um Medizin nach Umray zu bringen. Und richte deinem Großvater aus, ich werde zurückkehren und ihm berichten.“ „Lebe wohl, Simu! Gute Reise!“, rief die Blonde ihm fröhlich nach, während er ihr und dem Anwesen der Sagal den Rücken kehrte, um Lorana endlich zu verlassen. Er schlug die Straße nach Osten ein, in Richtung der Reichshauptstadt Vialla. Die Stadt war zentral und von dort aus gab es viele Möglichkeiten, in alle Richtungen zu gelangen. Das war vorerst ein guter Plan. Er hatte genug Verpflegung mit, um ohne Sorgen nach Vialla zu gehen. Zu Fuß dauerte es ganz schön lange... sein Vater, Puran Lyra, fuhr normalerweise mit der Kutsche nach Vialla, und schon das dauerte lange. Puran Lyra war nicht wirklich sein Vater. Seine Frau, Leyya, war auch nicht Simus Mutter, ihre einzigen leiblichen Kinder waren Karana und Neisa. Simu selbst war als sehr kleines Kind zu ihnen gestoßen, unter seltsamen Umständen, die bis heute niemand verstand. Am allerwenigsten der junge Mann selbst. „Ein Mann in Lumpen kam plötzlich in das Dorf, er war sehr in Eile. Er hat mir dich in die Arme gedrückt und mich angefleht, ich solle auf dich aufpassen. Er hat weder seinen Namen gesagt noch sonst irgendwas... dann ist er davon geritten und ward nie mehr gesehen.“ So hatte seine Ziehmutter es ihm einmal erzählt, und die Geschichte ließ Simu keine Ruhe. Er hatte schon als Kind gewusst, dass er nicht Karanas echter Bruder war. Die Lyras waren Schamanen. Puran und sein Sohn und Erbe waren Schwarzmagier, Leyya und Neisa waren Heiler. Und Simu war kein Magier. Der schwere Unterschied hatte den Blonden nie daran gehindert, seine Familie wie eine leibliche Familie zu lieben. Er war auch ein Lyra, er fühlte sich so und wusste genau, dass Puran und Leyya ihn ebenso wie ihren eigenen Sohn liebten und ihm Karana in keinem Punkt vorziehen würden. Das ehrte ihn sehr... aber gerade um dieser großen Ehre gerecht zu werden, wollte er unbedingt herausfinden, was mit dem Mann von damals geschehen war. Und wer seine wahren Eltern waren. Vielleicht lebten sie noch irgendwo? Wahrscheinlicher war, dass sie tot waren... der Mann damals war von Kriegern der Zuyyaner verfolgt worden. Und die Bewohner des blauen Mondes Zuyya waren ein skrupelloses, blutrünstiges Volk, das keinerlei Gnade mit seinen Opfern kannte. Wenn dieser Mann, der Simu zu Lyras gebracht hatte, sein Vater gewesen war, war er unter allergrößter Wahrscheinlichkeit längst tot. Der junge Mann seufzte und rückte sein Gepäck zurecht, während er der Sonne entgegen schritt. Er war schon so viel gereist... in fast jedem Winkel seines Landes Kisara war er gewesen, nirgendwo hatte er auch nur einen Hinweis auf einen Hinweis gefunden, was damals geschehen sein könnte. Er hatte bereits überlegt, ob er einfach mit der Raumfähre nach Zuyya fliegen und dort fragen sollte. Aber er hielt es für eine dumme Idee... die Zuyyaner galten generell als unkooperativ und würden ihm sicherlich keine Antwort geben, wenn sie ihn nicht sogar gleich strangulierten. Vielleicht sollte er es einmal auf der Ghia probieren, dem zweiten, viel größeren und grünen Mond Tharrs. Selbst auf Ghia hatten die Sagals Verwandte, hatte er mal gehört, eine Möglichkeit wäre es; denn als Gesandter von Dasan Sagal bekam er natürlich bei jedem Familienmitglied kostenlos Unterkunft, egal, wohin er kam. Das Netzwerk der Sagals war riesig. Es schien keine Information zu geben, die ihnen entging, und wenn am anderen Ende der Welt etwas passierte, waren Sagals gewiss die Ersten, die davon erfuhren. Und selbst der so große und mächtige Telepathenclan wusste nichts über Simus Herkunft. Das war ernüchternd. Der Blonde verspürte eine eigenartige, innere Unruhe, während er die Straße nach Vialla entlang ging. Kutschen fuhren ab und zu an ihm vorbei oder Reiter galoppierten dahin. Er sah Wagen der Bauern aus den noch kleineren Dörfern, die ihr geerntetes Korn und Gemüse auf den nächsten Wochenmarkt brachten. Während er die Menschen der Provinz beobachtete, stellte Simu fest, dass nicht nur er nervös war. Viele der anderen Menschen wirkten ebenfalls angespannt oder aufgeregt. An sich war das Fühlen von bösen Dingen, die bevorstanden, eine Eigenart der Magier. Aber manche Menschen hatten wohl so etwas wie einen sechsten Sinn dafür, und Simu war offenbar einer davon. Zumindest hatte er schon als Kind oftmals instinktiv gewusst, wenn etwas Schlimmes passieren würde, nicht so stark wie sein Bruder Karana, aber merkbar genug. Jetzt ließ es ihn die Stirn runzeln, während er an einem Wagen vorbei ging, dessen Rad gebrochen war. Der Fahrer stand schimpfend und meckernd am Straßenrand mit dem kaputten Gefährt, aufgeladen waren Massen an geerntetem Obst. Ein paar Passanten waren ebenfalls stehen geblieben, um ihre Hilfe anzubieten oder zu fragen, was geschehen wäre. „Diese verflixte Straße!“, schimpfte der Obstbauer, „Diese elenden Schlaglöcher, Himmel noch mal! Können diese elenden Aristokraten das nicht endlich mal beheben?! Seit Jahrhunderten ist diese ätzende Straße so fürchterlich! Kein Wunder, dass da die Räder brechen!“ Simu blieb ebenfalls stehen und betrachtete das Desaster. Nein, die Politiker waren ausnahmsweise mal nicht Schuld daran. Puran Lyra war immerhin selbst im Senat, hasste die Straße genauso sehr wie jeder Bauer und hatte schon des Öfteren versuchen lassen, sie zu sanieren – mit wenig Erfolg, weil die Straße sich offenbar wehrte und durch leichte Beben in der Haut von Mutter Erde immer wieder Risse und Löcher entstanden. Offenbar war sie einfach nur ungünstig angelegt und man konnte tausendmal alles neu machen, nichts half. Das dem Bauern zu predigen war jetzt aber sicher keine gute Idee. „Die Straße, ach!“, schnaufte gerade ein anderer, „Wenn das unser einziges Problem wäre, würde ich Purzelbäume schlagen! Wir werden vielleicht bald alle überrannt und du moserst über die Straße. Komm, wir nehmen alle ein paar Säcke und helfen dir, sie zum Markt zu tragen.“ Simu zog eine Braue hoch, als der Sprecher sich um wandte, um nach dem Obst zu greifen, und ihn dabei anblickte. „Moment – überrannt?“, entfuhr es dem Blonden, „Wieso überrannt, Mann?“ „Hast du es noch nicht gehört?“, fragte eine Bauersfrau, während nach und nach alle Anwesenden einen Sack Obst vom Wagen nahmen und der meckernde Bauer sich höflich bei den Helfern bedankte. Simu runzelte die Stirn erneut. „Ähm, nein, was denn gehört?“ „Es kam gestern ein Bote aus dem Osten der Provinz, er hat gesagt, Ela-Ri hat Dhimorien eingenommen! Und es heißt, als nächstes werden sie in Dobanjan landen! Dann wären sie im Süden unseres Landes, stellt euch das vor! Die Monster und Ungeheuer aus dem Ostreich werden uns alle zerfleischen, heißt es! Die Geister sagen nichts Gutes für die Zukunft...“ Der Blonde klappte wortlos den Mund auf. „Was?! Dhimorien ist gefallen?!“ „Das haben die Soldaten behauptet, die wir getroffen haben, man hat es wohl auch schon dem König in Vialla berichtet.“, antwortete ein anderer Mann beunruhigt, „Ist das nicht furchtbar?“ Da konnte der Jüngere nur fassungslos zustimmen. Ela-Ri, das Reich hinter dem Schlangenmeer, das man gemeinhin als Ostreich kannte, galt als Land der Barbaren, Schlächter und Bestien. Genau konnte man das nicht sagen, weil niemand lebend von dort zurückgekehrt war. Alles, was Simu mit Sicherheit wusste war, dass Ela-Ri einst ein sehr kleines Reich auf dem Ostkontinent gewesen war und dass es sich seit Jahrhunderten Stück für Stück immer mehr vergrößert hatte. Land um Land war an das Ostreich gefallen, und wenn Dhimorien, der Inselstaat ganz im Süden, jetzt auch dazu gehörte, blieb als einziges Land auf dem ganzen Ostkontinenten Tejal im Norden, das nicht gefallen war. Und das Zentralreich fürchtete seit Jahrhunderten den Tag, an dem das Reich der Bestien, die ihre Toten fraßen und die Schatten verehrten, tatsächlich angreifen würde. Er wusste jetzt, woher das schlechte Gefühl kam, das er gehabt hatte. „Der Schatten wird kommen… und uns alle fressen. Dann kommt das Ende der Welt... wenn das Zentralreich fällt, werden sie knien, die Maden.“ Karana fuhr aus dem Schlaf hoch, als er plötzlich Geräusche im Haus hörte. Er verdrängte die kichernden Stimmen der Himmelsgeister, die zu ihm sprachen, und hatte keine Zeit mehr, sich über ihre Worte zu wundern, denn just in dem Moment, in dem er sich in seinem Bett aufsetzte, flog die Zimmertür auf und Neisa steckte den Kopf herein. „Karana!“, brüllte sie, „Du sollst aufstehen!“ Ehe er richtig wach werden konnte, kam sie herein und schloss die Tür wieder, um murrend zum Fenster zu rennen und es sperrangelweit aufzureißen. „Verdammt, hier riecht es dermaßen nach Sex, dass es mich echt wundert, wieso Mutti und Vati nicht längst wissen, dass du in ihrer Abwesenheit hier deine Spielchen treibst, Bruder! Himmel noch mal. Wie lange pennst du hier? Die Sonne geht unter, du Trottel.“ Er blickte aus dem jetzt offenen Fenster und gähnte herzhaft, ehe er sich wieder in sein Kissen fallen ließ. „Ach, verdammt... ich hab die Mädchen gegen Mittag fortgeschickt, als wir fertig waren, und hab mich wieder hingelegt, weil ich todmüde war...“ „Kein Wunder, wenn du die ganze Nacht irgendwelche Tussen genagelt hast. Kriege ich eigentlich jemals sowas wie ein Danke, weil ich dich decke und nicht großkotzig heraus posaune, was du so treibst?“ „Es ist nicht so, dass ich keinen Sex haben dürfte, Neisa... ich bin ein Mann. Ich bin erwachsen und ich bin nicht verheiratet, habe also theoretisch jedes Recht, mit jeder willigen Frau zu tun was ich möchte. Betonung auf willig, ich vergewaltige niemanden, klar?“ Seine jüngere Schwester zischte, stampfte zu seinem Bett, in dem er immer noch lag, und riss ihm die Decke weg. Er brummte, jetzt komplett nackt, und sie zog mit spitzen Fingern ein Höschen aus seinem Bett. „Hey, lass mir die Decke, Neisa...“ „Wem gehört das jetzt wieder?“, fragte die kleine Schwester und betrachtete das Höschen eingehend, „Wie kann eine deiner Schlampen hier ihre Unterwäsche vergessen? Rennt sie jetzt unten herum nackig einher?“ Er grinste dreckig. „Wäre doch nett, spart Zeit... braucht man bloß noch schnell die Hose aufmachen.“ Er erntete eine nicht ernst zu nehmende Ohrfeige. „Schwein. Los, steh auf, Mutti war gerade sehr grantig, als wir heim kamen und niemand geantwortet hat. Wo ist Simu, der Penner?“ „Woher soll ich das wissen...“, stöhnte der Bruder und setzte sich auf, um sich über das Gesicht zu reiben. „Ach, warte... er ist weg, irgendwo hin, keine Ahnung... so eine seiner Spionagereisen für den alten Sagal, nehme ich an.“ Sie wurde jetzt ruhiger, seufzte tief und sah zum offenen Fenster in den Sonnenuntergang. „Apropos Sagal. Niarih lässt dich grüßen, ich habe sie eben im Dorf getroffen. Ihr... Großvater ist in Taiduhr, irgendetwas Schlimmes soll passiert sein. Es heißt, die Schatten aus dem Ostreich kämen, um uns zu zerfleischen.“ Sofort war der Mann auf den Beinen. „Was? Wiederhole das!“ „Seit wann muss ich dir zweimal sagen, wenn ein Mädchen nach dir fragt?“ „Ach, doch nicht mit Niarih, das danach! Was ist mit dem Osten?“ Sie warf ihm einen langen, dumpfen Blick zu. Ihre Augen waren verschieden... eins blau, eins grün. Karana faszinierte das bildhübsche Gesicht seiner kleinen Schwester, obwohl er genau wusste, dass sie seine Schwester war. Es war nicht so, dass er sie begehrte... das durfte er schließlich nicht. Außerdem war sie noch ein Mädchen... obwohl sie schon vierzehn war, hatte sie ihre Blutung noch nicht bekommen. Erst, wenn sie die bekäme, würde sie das Blutritual erhalten, das sie zur Frau machen würde. Sie war spät dran... wenn er daran dachte, dass ihre Mutter in diesem Alter bereits einen Sohn geboren hatte. Manchmal, wenn sie badete und er ins Bad wollte, sah er sie an und wünschte sich, sie wäre eine Frau und nicht ausgerechnet seine Schwester. Und dann ohrfeigte er sich innerlich für die Gedanken. „Die Schatten aus dem Ostreich.“, sagte das blonde Mädchen dumpf, ohne den Blick von ihm zu wenden, „Sie kommen. Dann kommt das Ende der Welt. Das Zeitalter von Khad-Arza ist so gut wie vorbei.“ Er senkte den Kopf, ehe er anfing, sich anzuziehen. „Davon habe ich geträumt. Die Geister haben zu mir gesprochen vorhin, sie sagten das auch. Ich habe es... gesehen, Neisa.“ Sie sagte nichts, als ihr Bruder sie ansah und seine grünen Augen auf ihre verschiedenfarbigen trafen. „Dhimorien ist in den Schatten gestürzt... habe ich recht?“ Da Neisa mit Niarih befreundet war, kannte Karana das blonde Sagal-Mädchen schon seit sie Kinder gewesen waren. Seine Bindung zu Niarih war kein wahlloses Begatten wie das, was er mit den anderen Mädchen aus den umliegenden Dörfern so trieb. Die anderen bedeuteten ihm nicht mehr als eine kurzzeitige Befriedigung seiner Triebe. Und sie erwarteten auch nicht mehr von ihm, das war das Gute daran. Sie wussten genau, er würde nie eine von ihnen bitten, seine Frau zu werden... es gab nur eine, die er darum gebeten hätte, und die war weit weg und würde seiner Bitte vielleicht nicht mal folgen, selbst wenn er sie stellte. Er wollte nicht an sie denken, während er zu Niarih ging, um sie und sich selbst auf ähnliche Weise zu erleichtern wie alle anderen Frauen. Mir Niarih war es kompliziert, weil sie genau genommen gar nicht bei einem Mann liegen durfte. Offiziell war sie noch ein Mädchen, eine Jungfrau, obwohl sie längst ihre Blutung hatte auf ewig dazu verdammt, alleine zu bleiben. Ihr Großvater – Karana legte die Stirn in Falten bei den Gedanken an das Oberhaupt des mächtigen Clans – würde ihr das nie erlauben. Und der wahre Grund dafür war nicht, dass sie ein uneheliches Kind war. Karana brauchte nie zu klopfen, wenn er Niarih besuchte, denn sie als Telepathin wusste im Voraus, dass er käme, und öffnete ihm so bereits die Tür. „Du bist gekommen.“, stellte sie lächelnd fest, „Simu war heute morgen ziemlich empört darüber, dass du es mit zwei Frauen zugleich getrieben hast.“ Er grinste. „Ja, der Spinner sollte sich vielleicht endlich mal selbst eine nehmen, dann würde er das besser verstehen. Aber du kennst ja Simu, unser Unschuldslamm. Ich glaube, der weiß gar nicht, wozu er seinen Mannknochen benutzen soll. Dabei wären die Mädchen in Thuran sicher nicht abgeneigt, ich meine, ist ja nicht so, dass er nichts zwischen den Beinen hat. Ich beneide ihn, ehrlich gesagt.“ Niarih verdrehte die Augen und zog ihn in das düstere Anwesen, die Tür schließend. „Du bist so eine Quasselstrippe!“, tadelte sie ihn, „Soll ganz Lorana hören, was du über Simus Sexleben zu sagen hast?“ Karana schnaufte. „Wenn er eins hätte, meinst du wohl. Ich wünsche ihm ja, dass er eines Tages eine Domina findet, die ihn richtig durchnimmt.“ Er ließ sie nicht antworten, weil er sie an den Oberarmen packte, rückwärts gegen die Tür drückte und gierig küsste. Das junge Mädchen, das gar kein Mädchen mehr war durch seinen Verdienst, zuckte nur kurz, ehe es seinen innigen Kuss mit derselben Leidenschaft erwiderte. Als er mit der Zunge forsch zwischen ihre weichen Lippen drang, entfuhr ihr ein leises Seufzen. Das, was er an Niarih so viel lieber mochte als an allen anderen Nutten, die er so in sein Bett holte, war, dass ihre Hingabe eine ehrliche, liebevolle Zuneigung war und nicht bloß die animalische Lust auf Befriedigung. Sie hatte ihn gern... und er hatte sie gern, deswegen hatte sie ihn vor einiger Zeit gebeten, sie hinter dem Rücken ihrer Eltern zur Frau zu machen. Er war bereits ein Mann, und jeder Schamane, der das Ritual schon bekommen hatte, war befugt, es auch für einen Jüngeren zu machen. So war Niarih vor den Geistern jetzt eine Frau... nur die Sterblichen wussten nicht darum, dass das kleine Mädchen längst erwachsen war. „Wo ist deine Mutter?“, fragte Karana, als er den Kuss keuchend beendete und mit den Händen bereits erhitzt an ihrem hübschen und doch noch so zierlichen Körper entlang glitt, dabei ihre Bluse geschickt aufschnürend. „Bei meiner Tante zu Besuch, sie kommt erst morgen zurück. Die Geister haben dir auch furchtbare Dinge erzählt, oder? Mein Vater war ziemlich grantig, als er sich nach Taiduhr teleportiert hat. Die Bestien aus dem Osten... denkst du, sie werden herkommen?“ Karana drehte brummend den Kopf zur Seite, als er ihre Bluse aufgeschnürt hatte und nun ihren nackten, blassen Oberkörper freilegte. Ihr Vater, hatte sie gesagt. Manchmal fragte er sich, wie sie so schamlos davon sprechen konnte. Oder wie sie es schaffte, das immer nur dann zu tun, wenn sie sicher war, dass niemand es hören konnte, der es nicht hören sollte. Er war wirklich sprachlos gewesen, als sie ihm damals, als sie ihn um das Ritual gebeten hatte, gebeichtet hatte, was der wahre Grund für ihre so spezielle Behandlung war. Damals hatte er gelernt, dass sie sehr, sehr viel ärmer dran war als er angenommen hatte. Uneheliche Kinder hatten es immer schwer. Aber das, was sie war, war viel abscheulicher und bemitleidenswerter. „Lass uns in dein Zimmer gehen.“, sagte er zu ihr, „Ich... will jetzt nicht über diese beunruhigenden Dinge nachdenken. Wenn mein Vater aus Vialla heimkehrt, wird er sicher Neues zu berichten wissen... über Dhimorien, das in den Schatten fiel.“ Dass er sich gerne mit Frauen vergnügte, war kein Geheimnis in der Provinz. Aber mit Niarih tat er es so viel lieber als mit allen anderen… sie war keine notgeile Hure, die sich von ihm besteigen ließ, um befriedigt zu werden, sie bekam während sie mit ihm schlief das Gefühl, sie wäre normal. Ein normales Mädchen wie alle anderen auch, kein Bastard und keine Blutschande, gezeugt von ihrem eigenen Großvater, den das irgendwie zu ihrem Vater machte. Karana beneidete sie um ihre Standhaftigkeit. Er war sicher, wäre er an ihrer Stelle und würde erfahren, dass sein Großvater eigentlich sein Vater war, er könnte weder ihn noch seine Mutter bedingungslos lieben. Er hätte beide verachtet für das Schicksal, das sie ihm beschert hatten, für die Schwäche, die sie gezeigt hatten, nachdem sie nun schon Inzucht betrieben hatten die ungeborene Frucht nicht einfach zu vernichten, bevor daraus ein bemitleidenswertes Kind werden konnte. Niarih dachte nie so... sie liebte ihre Eltern beide. Das einzige, das sie hasste, war dass sie ihren Vater immer nur heimlich Vater nennen durfte. Sie schliefen zweimal miteinander. Die Geister flüsterten in seinem Kopf und Karana versuchte verärgert, sie zu verdrängen, während er mit der jungen Frau vereint war und sie sich stöhnend an seinen verschwitzten Oberkörper klammerte. Er wollte jetzt nichts hören... er wollte verdammt noch mal seine Ruhe, während er bei Niarih lag. Aber die Unruhe war zu drängend und zu wichtig, als dass er sie einfach hätte wegwischen können, und er tat etwas, das er selten tat: er verfluchte die Mächte, die in ihm wohnten, und seine Bestimmung, einmal ein großer Magier und Geisterjäger zu werden wie sein Vater es war. Nachdem er sich dank der Anspannung nur etwas lieblos in ihr erleichtert hatte und sich zurückzog, um sich murrend von ihr herunter zu rollen, schnappte die junge Frau verwirrt nach Luft, ihn anstarrend, der ihr den Rücken kehrte. „Verdammt, die Geisterstimmen machen mich verrückt...“, stöhnte er und griff an seine Schläfen. Sein Schädel pochte, während das Flüstern jetzt abflaute und er sein eigenes Herz dank der vorangegangenen Vereinigung noch schnell schlagen hörte. „Tut mir leid, Niarih... vielleicht warten wir noch ein bisschen und versuchen es noch mal...“ Er hörte, dass sie sich hinter ihm aufsetzte, dann spürte er sie sich über ihn beugen und ihn zärtlich umarmen. Ihre nackten, kleinen Brüste drückten gegen seinen Oberarm und er zog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein, als ihr noch heißer Körper an seinem die Flamme in seinen Lenden urplötzlich wieder aufweckte. „Ich sehe... die Schatten auch...“, wisperte Niarih ihm leise ins Ohr und jagte ihm damit einen Schauer über den Rücken. Ihre Stimme war belegt, entweder von der noch anhaltenden Lust oder weil die Geister zu ihr genauso sprachen wie zu ihm. Sie war Telepathin und stammte, das musste man ihrem perversen Vater lassen, aus einer sehr mächtigen, ehrwürdigen Familie der Schamanen. Die Geister sprachen oft mir ihr... „Aber ich sehe sie nicht nur im Osten, Karana... mit Feuer und dem Zorn des Himmels werden sie Lorana zum Himmelsdonner jagen... ich habe es gesehen...“ Er drehte jetzt perplex den Kopf zu ihr und sah in ihre unsicheren, apathischen Augen. „Lorana? Wer wird uns zum Himmelsdonner jagen, Niarih? Sprich!“ Sie richtete sich wieder auf, ehe er sich auf den Rücken drehte und zuließ, dass sie sich breitbeinig über ihn setzte. Das Feuer kehrte mit einer ungeahnten Heftigkeit zurück und der Anblick ihres im bleichen Mondlicht glänzenden, nackten Körpers über ihm ließ ihn erneut vor Erregung hart werden. Unruhig zischend packte er ihre Hüften. „Wer, Niarih?!“, blaffte er sie an, und sie beugte sich lächelnd über ihn, ebenso erfüllt von der erregten Hitze wie er selbst, als sie sprach. „Die armseligen Sterblichen, Karana... wir müssen den Sonnenuntergang fürchten. Und die Geier des Todes, die kommen werden, um uns zu blenden.“ Er verstand ihre in Trance gesprochenen Worte nicht. Und er war nicht fähig, sie in sich aufzunehmen, weil das Verlangen nach ihr jetzt so viel realer und greifbarer war als irgendwelche seltsamen Dinge, die die Geister durch den Mund dieser Frau zu ihm sprachen. So erwiderte er nichts auf ihre Warnungen, als er sich seiner Erregung und dem Verlangen nach ihr hingab und sie ungeduldig zu sich herab zerrte, um ihre Hitze erneut zu spüren. ____________________________________ so! Seid ehrlich: zu viele Infos? Zu wenig Inhalt? Beides?^^' Was haltet ihr von den 'neuen' alten Charas?^^ Karana, Neisa, Simu...? Sind sie anders? Negativ anders oder positiv?^^' Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)