Die Chroniken von Khad-Arza - Das Blut der sterbenden Welten von Linchan (Erstes Buch) ================================================================================ Kapitel 8: Herr der Schattenvögel --------------------------------- Das Lianerdorf stand in Flammen. Zoras hatte keine Angst vor dem Feuer, das er zum größten Teil selbst verschuldet hatte mit dem Blitz, den er auf das Dorf geschleudert hatte, als die Krieger – oder Bauerntrampel – zum Angriff geblasen hatten. Die Flammen waren sie Töchter von Vater Himmel, der sie mit seinem Blitzspeer gezeugt hatte, und Mutter Erde, von der sie sich ernährten. Er konnte das Feuer zügeln und verschwinden lassen, wenn er wollte... es gab keinen Grund, sich zu fürchten. Aber dennoch jagte ihm der Anblick des besiegten Dorfes einen Schauer über den Rücken und versetzte ihm einen schmerzhaften Stich, als er durch die Trümmer eilte auf der Suche nach Arlon Zinca. Er stolperte über am Boden liegende Trümmer und Leichen, größten Teils Lianer, aber auch von den Männern aus Kamien waren welche getötet worden von den wenigen Beschwörern, die geistesgegenwärtig genug gewesen waren, um sich zu wehren. Der junge Mann fuhr sich erzürnt durch die schwarzen Haare und strich sie sich aus dem Gesicht, während er an einem weiteren Trümmerhaufen vorbei stampfte und dem notgeilen Rammler davor keinerlei Beachtung schenkte, der dabei war, irgendeine am Leben gebliebene Lianerfrau zu vergewaltigen. Das konnten sie gut in Kamien. Frauen schänden und Gewalt anwenden, wo es nur ging. Die ganze Bagage widerte ihn derartig an in dem Moment, dass er das Gefühl hatte, sich übergeben zu müssen. Der Geruch von Blut und verbranntem Fleisch lag in der Luft, in seinen Ohren rauschte noch das Blut des vorangegangenen Kampfes, das sich jetzt mit dem verzweifelten Schreien der armen Frauen und dem lüsternen Stöhnen der siegreichen Kerle mischte. Seine Glieder schmerzten noch vom Lenken der mächtigen Geister von Himmel und Erde und behinderten ihn dadurch leicht am Gehen. Er hasste es... aber die großen Mächte hatten auch ihren Preis. Wenn er viel gezaubert hatte, fing sein Körper irgendwann an zu streiken – das war normal, das hatten alle Schamanen. Und wessen Körper nicht stark genug war, dem mächtigen Druck der Geisterwinde standzuhalten, wurde von der Macht zerschmettert, sobald er versuchte, sie zu rufen. Den nächsten Mann, dem er begegnete, packte Zoras am Kragen und zerrte ihn wutentbrannt an sich heran und etwas hinab, um mit ihm auf einer Augenhöhe zu sein. „Wo ist Arlon Zinca aus Holia?!“, fauchte er ungehalten, „Sprich, du elender Mehlwurm, oder ich zerreiße dich im Namen der Geister in tausend Fetzen!“ Der Bauer schnappte fassungslos nach Luft und zeigte panisch nach rechts. „D-der Häuptling von Holia ist irgendwo in dieser Richtung, ich habe ihn gesehen mit seinem Sohn! Himmel noch mal, brate mich nicht, Zauberer!“ Zoras stieß den Kerl von sich und zischte angewidert. „Keine Sorge, ich esse kein Gammelfleisch.“ Mit diesen Worten beeilte er sich, in die besagte Richtung zu kommen – er fand Arlon tatsächlich samt Loron knapp außerhalb des zerstörten Dorfes. Seine Mutter war bei ihnen und offenbar unversehrt, wie sie vor einem Trümmerhaufen am Erdboden kniete und verbittert zur Seite starrte und Loron hinter ihr hockte und ihre schwarzen Haare streichelte. „Aah, da ist ja unser Kampfzwerg.“, grinste er dann und hob den Kopf, und Pakuna keuchte, während ihr Sohn sich wutentbrannt vor Arlon aufbaute. „Gebt mir meine Mutter.“, verlangte er, „Ich habe getan, was ich für euch tun sollte, jetzt ist sie frei! Das Lianerdorf ist Geschichte, Arlon, wir hatten eine Abmachung.“ „Nein, halt, nicht so hastig.“, antwortete Arlon barsch und der Jüngere starrte ihn an, „Ich habe nicht gesagt, dass du nur das Lianerdorf zermalmen sollst. Schalte das Netzwerk aus, sagte ich. Und der Kopf des Netzwerkes lebt noch, nämlich in Lorana. Das bedeutet, wenn wir Lorana als nächstes kalt machen, sind die Sagals Geschichte und wir können uns... etwas mehr Zeit lassen. Vor allem mit den Frauen.“ Er grinste schäbig und Zoras hörte Loron hinter sich schon erregt grunzen, entweder weil er Pakuna befummelte oder ob der Vorstellung, sich mit den gefangenen Frauen genügend Zeit lassen zu können. Angewidert verzog der Schamane das Gesicht und verfinsterte bitter seinen Blick. „Das ist abartig, Arlon. Ich sehe nicht ein, dir bei deinen Machenschaften zu helfen, verdammt! Sucht euch einen anderen Magier, der euch die Füße küsst!“ Er wusste, dass er umsonst sprach, als er Loron hinter sich kichern hörte – sobald Zoras sich herum drehte, sah er, wie sein verhasster Mitbewohner seiner Mutter ein Messer an die Kehle drückte, sie dabei am Haaransatz zurück reißend und gegen sich pressend, sodass sie japste. „Verdammt, Loron!“, keuchte der Schwarzhaarige auch, „Lass sie auf der Stelle in Frieden oder ich zerschneide dich in tausend Stücke und verfüttere dich an die Schweine!“ Mit diesem Brüllen riss er bereits drohend die Arme hoch, obwohl er genau wusste, dass es nichts brachte... Loron wusste genau, dass er ihn nicht angreifen würde, solange er Pakuna bei sich hatte. Abgesehen davon war Zoras jetzt nicht in der Lage, viel zu zaubern, nachdem er mit der Macht der Vogelgeister ein ganzes Dutzend oder mehr der Sagals ausgeschaltet und mit einem Blitz ein Dorf zerschmettert hatte. Er hasste diese Leute. Er hasste die Leute und die Gegend, in der er aufgewachsen war. Durch die Bahn weg war er nur schlechten Menschen begegnet in Senjo. Ob es die Männer in seinem Geburtsort Chayneh waren, die Räuber aus dem Wald, die ihn und seine Eltern mondelang gefangen gehalten hatten, oder die Männer aus Holia... Zoras hatte gelernt, dass die Menschen von Natur aus schlecht sein mussten. Eines Tages würde er die Macht besitzen, die alle zu vernichten, und es wäre richtig so. Er spürte, dass Arlon hinter ihn trat, während er bebend vor Wut Loron und seine Mutter anstarrte. Er fühlte den warmen Atem des abartigen Häuptlings neben seinem Kopf und hörte seine raue Stimme zischen: „Du solltest dir das gut überlegen, Zoras Derran... ihr wart es, die zu uns gekommen sind, wir waren so gütig, euch eine Bleibe zu gewähren in Holia... dafür solltest du dankbar sein! Dein Schussel von Vater hat es begriffen... nur du nicht.“ Der Magier knurrte wütend. „Das war nicht mein Wille, glaub mir.“ „Wenn du uns jetzt angreifst, stirbt Pakuna mit uns... das willst du doch nicht?“, feixte Arlon gehässig, „Es wäre ja ein Jammer um die schöne Frau... liegst du eigentlich auch bei ihr, wenn dein Vater mal nicht will? Oder wieso hängst du so an ihr in deinem Alter?“ Er weitete die Augen in blankem Entsetzen und sah, wie Pakuna vor ihm nach Luft schnappte, während Loron sie immer noch festhielt. Arlon grinste gehässig und trat neben Zoras, um ihn anzusehen. „Was denn, das entsetzt dich wohl? Aber da sie offenbar die einzige Frau ist, die dich interessiert, müssen doch solche Gerüchte entstehen... wie die, dass du auf Männer stehst, gibt es auch die, dass du deine Mutter fickst, wenn gerade keiner hinsieht...“ Ein Schlag ins Gesicht ließ Arlon schreien und dann zu Boden stürzen, und Zoras zog keuchend vor Wut seine Faust zurück. Loron knurrte. „Alter! Reg dich ab, oder ich überlege mir etwas Tolles für Pakuna...“ „Töte ihn, Zoras!“, japste Pakuna, und Zoras fluchte ungehalten, ehe er Arlon am Kragen seiner Felljacke wieder hoch zerrte. „Das sind Lügen, du Unhold!“, knurrte er finster, „Was willst du von mir, damit ich meine Mutter zurück bekomme?!“ „Das habe ich dir gesagt.“, zischte der Ältere und rieb sich die blutende Nase, die sicher gebrochen war, „Wir ziehen nach Lorana! Vernichte das Netzwerk, du wirst zu Ende bringen, was wir begonnen haben. Wenn das Land unser ist und wir genügend zu Essen haben – und genug Frauen – kannst du Pakuna wieder haben. Dabei fällt mir ein...“ Arlon grinste dreckig und Zoras zischte, während er ihn losließ und sich angewidert die Hände an der schwarzen Hose abklopfte. „Wohnte nicht euer Schulfreund Prinz Lyra in Lorana?“ Loron lachte schon los, ehe Zoras antworten konnte. „Ja, stimmt! Von wegen Freund, Alter. Wenn wir ohnehin nach Lorana gehen, gehört dem Schönling mal so derbe die Fresse poliert, dass keine Frau mehr freiwillig für ihn die Beine breit macht...“ Der Schwarzhaarige sparte sich einen Kommentar. Natürlich war das der wichtigste Punkt bei der ganzen Aktion, Karana Lyras Arroganz und Überheblichkeit waren da natürlich weniger wichtig, geschweige denn die Tatsache, dass der Sohn des Senators sich selbst offenbar für den König der Welt hielt – ähnlich wie Loron, nur war Karana in seiner Rolle weitaus überzeugender und allen ernstes auch beliebter. Zoras hatte ihn und seine Anhänger schon in der Schulzeit nicht leiden können... das war wohl der einzige Punkt, in dem er mit Loron einer Meinung war. Murrend kehrte er Arlon den Rücken und fixierte dessen Sohn mit einem scharfen Blick. „Gut, in Lorana spiele ich für euch den Hampelmann. Danach bekomme ich meine Mutter wieder! Und wehe, ihr tut ihr ein Leid an, Loron... ich warne dich nur ein einziges Mal.“ Er sah seiner bleichen Mutter ins Gesicht, dann erregte Lorons Kichern seine Aufmerksamkeit, als er sich schon abwandte, um zu gehen. „Oh ja, und in Lorana wohnt auch Karanas Schwester. Mann, die wollte ich schon seit Jahre mal ordentlich durchnehmen... darauf freue ich mich schon.“ Der Magier ballte grimmig die Fäuste, ehe er sich zur Ruhe zwang und den Widerlingen und Pakuna den Rücken kehrte. „Du bist abscheulich, Loron. Ich wünsche dir, dass dir eines Tages der Blitz in die Eier schlägt und sie dir abschneidet!“, sagte er grimmig, „Und wenn du Neisa Lyra tatsächlich nimmst, werden die Geister dir nicht nur zürnen, sondern dich auf ewig verfluchen... du weißt, wer sie ist. Ich an deiner Stelle würde mich vor ihr fürchten.“ Sie würden am Morgen aufbrechen – jetzt, wo die Nacht hereingebrochen war, waren die Männer erstens zu trunken von ihrem Triumph und zweitens zu beschäftigt damit, sich über ihre ergatterte, weibliche Beute herzumachen, um sich weiterhin Mühe zu geben. Zoras hasste es, sich lange mit diesen Rüpeln aufhalten zu müssen... jetzt noch in dem zerstörten Lianerdorf eine Nacht zu verbringen war makaber. Zum Glück hatten sie nicht viel Zeit zum Rasten... wenn er nicht nur sinnlos herum saß oder lag, konnte er sich besser ablenken von dem Grauen, das hier passierte... an dem er mit Schuld war. Er hatte kein schlechtes Gewissen, wenn er tötete; er hatte es schon öfter getan, bereits als kleiner Junge, und es war recht so. Das einzige, was ihm sauer aufstieß, war der Grund, aus dem er es tat... und für wen er es tat. Eines Tages würde er Kamien zerschmettern, schwor er sich verbiestert, als er rastlos durch die verbrannten Grasländer nahe der Ruinen streifte. Die verkohlten Grashalme färbten seine Unterschenkel grau und die Asche verdreckte seine mühsam von Pakuna angefertigten Schuhe. Er brauchte eine neue Hose... die, die er trug, trug er seit Jahren schon, und obgleich er für einen Mann viel zu klein war, war er zu groß für die Hose, sodass er sie am unteren Saum hatte aufreißen müssen und sie ihm nun so gerade über die Knie reichte. An Lorons dämlichen Spitznamen Kurzhöschen, der daher rührte, hatte er sich schon gewöhnt... besser das als dass man verbreitete, er hätte was mit Männern oder seiner Mutter. Angewidert dachte er flüchtig an die Nacht seines Blutrituals, in der er zum Mann geworden war; das erste und letzte Mal, dass er jemals bei einer Frau gelegen hatte, und das auch nur, weil er gemusst hatte. Er hatte generell kein Problem mit Frauen... aber mit dieser einen hatte er sich nie vereinen wollen. Ein weiterer Punkt in seinem Leben, den er seinem Vater niemals vergeben würde, der das zugelassen hatte. Die Rituale der Geister mussten geehrt werden... wie jedes Mädchen bei ihrer ersten Blutung zur Frau gemacht werden musste durch einen erfahreneren, möglichst mächtigen Mann, so machten auch die Jungen ihre ersten Erfahrungen im Bett mit Frauen, die älter als sie waren, die ihnen zeigten, wie man es richtig machte. Normalerweise... mit Pech artete es auch nur in einer Orgie zweier sturzbetrunkener, apathischer Leute aus. Er wollte nicht weiter über die Rituale oder Vereinigungen nachdenken – von letzten bekam er so schon genügend mit, wenn er sich so das Stöhnen der Rammler im Dorf anhörte. Seufzend blieb er abseits der Kriegerhorde bei einem üppig gewachsenen, knorrigen Baum stehen, ehe er sich schließlich zwischen die Wurzeln kauerte und sich mürrisch gegen den Stamm lehnte. Es war dunkel geworden... oben sah er den grünen Mond Ghia, der hell strahlte. Er war ungewöhnlich groß in jener Nacht, Zoras fragte sich verwirrt, was das heißen mochte... ein Rascheln neben ihm riss seine Aufmerksamkeit zurück auf die Erde. „Das Ende der Welt wird kommen mit dem Schatten aus dem Osten.“, sprach der Vogelgeist, als der Mann die Krähe wieder erblickte, die neben ihm auf einer hoch ragenden Wurzel gelandet war. Er stöhnte kraftlos. „Du schon wieder.“ „In der Tat. Du schuldest uns deinen Preis, Zoras Derran.“ „Muss ich jetzt sterben?“, brummte der junge Mann und fuhr sich abermals durch die schwarzen Haare. Der Vogel antwortete nicht. „Wenn du stirbst, wird dein Geist einer von uns. Aber du hast noch Aufgaben zu erfüllen in dieser Welt, ehe du das wirst... Seelenfänger.“ „Wieso nervst du dann jetzt schon, dass du meine Seele willst? Ich will schlafen, verdammt. Ich bin vollkommen erschossen nach diesem Tag... und morgen wird schlimmer.“ Er dachte flüchtig daran, dass er mehr als nur Herumzaubern vor sich hatte, wenn er beabsichtigte, den Kopf der Sagals in Thalurien zu töten. Von der Erscheinung her mochte Dasan Sagal nicht den Eindruck erwecken, als wäre er ein mächtiger Magier – wer fürchtete schon einen alten Mann, der am Stock gehen musste, weil sein seines Bein kaputt war? - Aber Kopf seines Clans war er wohl nicht unverdient. Und die Sagals waren ein Telepathenclan... sie konnten hellsehen, das hieß, er musste schneller sein als der Alte, wenn er etwas erreichen wollte. Er suchte in seinem Inneren das Gefühl der Vorfreude, das Verlangen nach dem Triumph über einen derartig mächtigen, bedeutsamen Mann... er fand es nirgends. Er fand nur ein schwarzes Loch der Erschöpfung, in das er sich fallen lassen wollte... als Zoras wieder nach links sah, war der Vogel verschwunden. Stöhnend lehnte er sich wieder zurück und schloss unruhig die Augen, um etwas Schlaf zu finden. Die Geister ließen ihm keine Ruhe. Er hörte den Himmel über sich finster grollen, während die Windgeister in seinem Kopf wisperten und von Unheil sprachen. Vor Zoras' Augen brannte die Welt. Er spürte das Beben der Erde, als würde sie wirklich erzittern, und schließlich brach sie unter ihm auf und versuchte, ihn in ihrer gähnenden Schwärze zu verschlingen. Über ihm stürzte der Himmel auf die Erde herab, während er fiel, und er wollte schreien – aber kein Ton kam aus seiner Kehle, stattdessen war es das Krächzen einer Krähe. „Mit Feuer und Schatten... wird das Bündnis der Drei Welten zerbrechen... und dann kommt das Ende der Welt.“ Noch während er sprach, ergoss sich plötzlich ein gleißendes, brennendes Licht über der Vision und Zoras fuhr aus dem Schlaf hoch, als die Geister in seinem Kopf in schallendes Gelächter ausbrachen. „Fürchtest du dich... vor dem, was kommt, Zoras, Herr der Schattenvögel?“, raunten sie amüsiert, „Ja, fürchte dich... vor deiner Bestimmung, die dir schon lange vor deiner Geburt auferlegt wurde. In den Schatten wirst du fallen, Zoras...“ „Verdammt, verschwindet!“, zischte der Mann und sprang grimmig auf die Beine, um die kichernden Stimmen aus seinem Kopf zu vertreiben. Als es still wurde, grollte der Himmel erneut und Zoras seufzte, während er sich wieder hinsetzte und gegen den Baum lehnte. Ging die Welt eigentlich tatsächlich unter? Er träumte so oft davon... so oft sah er die Flammen, die gefolgt von Schatten kamen und die Welt verschlangen. Und was war jetzt die Bestimmung, von der die Geister sprachen? Sicher hatte es etwas mit den Vögeln zu tun, denen er befehlen konnte... er hoffte nur, dass es etwas war, das ihm die Macht gab, das Ungeziefer auf der Welt zu vernichten, das nur Unheil brachte... und das dafür sorgte, dass er seine Mutter beschützen konnte, wenn sein Vater in diesem Punkt schon versagte. Und der erste, den er mit dieser Macht töten würde, war Arlon Zinca; der es wagte, seine Mutter wieder und wieder zu beschmutzen mit seiner abartigen Abscheulichkeit. Der Morgen graute und überzog den Himmel mit einem matten, finsteren Grün, als die selbsternannte Armee von Kamien – Zoras zog es vor, es Haufen von randalierenden Wilden zu nennen – sich aufmachte, um durch Thalurien nach Norden zu stapfen und am Abend Lorana zu erreichen. Lorana, das Heimatdorf von Dasan Sagal – und das Heimatdorf der Lyras. Zoras war nie dort gewesen; die Schule, die er gemeinsam mit Loron und auch den Lyrakindern besucht hatte, war im Dorf Mitonha; es lag dichter an der Grenze zu Senjo als Lorana. Mitonha würde sicher als nächstes dran glauben müssen, grübelte der Schamane angestrengt, während sie marschierten und er die Umgebung an sich vorbeiziehen ließ. Das Pferd, auf dem er ritt, trug ihn gehorsam den anderen Reitern nach. Neben sich erblickte er ein weiteres Reittier, auf dem zwei gefesselte Lianerinnen saßen, die man wohl erbeutet hatte; da einige Männer gefallen waren beim Dorf, waren diverse Pferde reiterlos und konnten somit die Beute tragen. „Wenn wir nach Lorana kommen, sorgst du besser schnell dafür, dass wir keinen Widerstand bekommen, Kurzhöschen.“ Der Schwarzhaarige drehte sich grimmig nach links, als er Lorons Stimme hörte. Der hässliche Sohn des Dorfoberhauptes grinste ihn mit seinem schiefen Gebiss herrisch an – hinter ihn auf das Pferd gebunden saß eine weitere Lianerin, die das Gesicht bebend abgewandt hatte und vor Zorn zu kochen schien. „Was willst du schon wieder, Loron?“, brummte der Schamane argwöhnisch, als Loron weiterhin grinste. „Na, dass du irgendwelche bösen Geister auf das Dorf hetzt – wir sind hier in Thalurien. In Kamien gibt es so gut wie gar keine Zauberer, aber hier gibt es viele davon, in Lorana wohnen diverse Schamanen, oder nicht? Und es wäre sehr schade um die hübsche Pakuna, wenn unsere Invasion...“ Zoras war verblüfft, dass Loron so ein Wort überhaupt kannte, „Schief laufen würde, weil uns Sagal oder gar die Oberbonzen namens Lyra in den Weg kommen...“ Zoras zischte. „Willst du mir drohen?“ „Vielleicht... weil es Spaß macht, deine Gesichtszüge entgleisen zu sehen, haha.“ Der Ältere lehnte sich grinsend zurück gegen die Lianerin, die darauf nach Luft schnappte. Zoras schwieg einen Moment, ehe er wieder nach vorne sah, sein Pferd vorantrieb und dabei wie zufällig den Griff seines einen Dolches am Gürtel streifte, Loron keines Blickes würdigend. „Ja, Loron, präge dir meine Gesichtszüge gut ein. Eines Tages werden sie das Letzte sein, das du auf dieser Welt sehen wirst.“ Als das Dorf Lorana in Sicht kam, dämmerte es längst wieder. Sie hatten den kleinen Fluss überquert und auf ihrem Weg nach Norden jeden einzelnen niedergestreckt, der ihnen begegnet war. Der Zaun von Lorana war aus Holz, wie es bei den meisten Dörfern üblich war; nur die größeren Städte konnten sich Steinmauern leisten, selbst in Thalurien war das so. In Kamien war an Mauern nicht mal zu denken. Die Holzzäune hielten wilde Tiere ab, aber einer Armada von Wilden konnten sie nie standhalten. Vermutlich war Lorana auch seit mit Zuyya Frieden herrschte nicht mehr angegriffen worden... normalerweise war Thalurien eine friedliche Provinz. Dafür sorgte der alte Sagal mit seinem Netzwerk normalerweise, indem er jeden Störenfried beseitigen ließ, ehe er Unheil anrichten konnte... Dieser Mann verdiente gebührenden Respekt und keinen Meuchelmord, dachte Zoras sich verbiestert, als er die Arme in die Luft riss und den Blitzspeer des Himmels zu sich rief, um das Dorf in Brand zu stecken. Ein grollen erfüllte die heraufziehende Nacht, das von den panischen Schreien der Dorfbewohner durchschnitten wurde, als der Zaun Feuer fing und mit einem lauten Krachen die Erde erzitterte. Zoras schloss bebend die Augen und ließ die Macht seine Adern durchströmen wie kochendes Blut, die Energie der Himmelsgeister ließ jede Faser seines Körpers erzittern, während er versuchte, das Grauen auszublenden, das er mit einem einzigen Hieb seiner Arme in Richtung Boden verursachte. Dumpf hörte er das Grölen der Barbaren, die sich auf das Dorf stürzten wie geifernde Raubtiere, irgendwo stieß Arlon Zinca irgendeinen Kampfschrei aus, der die Männer aus Kamien noch mehr anstachelte, jeden niederzumetzeln, der ihnen in den Weg käme. Sie rannten an Zoras vorbei, vor ihnen krachte der Zaun, der zerschmettert wurde. Der Schamane spürte zu seinen Füßen die zornig bebende Erde; es war nicht verwunderlich, dass sie zürnte, wenn ihre friedlich auf ihr lebenden Kinder getötet wurden wegen des Wahnsinns dieser geistlosen Horden, die das Leben nicht verdienten... weniger jedenfalls als die Bewohner von Lorana. „Hast du jetzt ein schlechtes Gewissen?“, neckten die Geister ihn innerlich und kicherten, „Erst rufst du das todbringende Gewitter des Himmels herab und tötest Massen von Menschen, dann tut es dir plötzlich leid? Entscheide dich... auf wessen Seite du stehen willst, Zoras Derran.“ „Ich stehe auf der Seite, die die Geister mir vorgeben!“, zischte er in dem Moment, in dem er die grünen Augen wieder öffnete, ehe er die gackernden Stimmen aus seiner Seele verdrängte und heftig nach Luft schnappte. Er hatte noch etwas zu tun... und er musste es schnell machen. Wenn er Pakuna zurück hatte, würde er mit ihr davon rennen, weit weg von Kamien, irgendwo hin in den schützenden Schatten der Erdgeister, in den die Barbaren ihm nicht zu folgen wagen würden. Mit einem Fluchen riss er seine beiden Dolche hervor und lenkte das Pferd durch das brennende Dorf. Das Tier scheute und stieg panisch ob der Flammen, es bedurfte einiges an Kraft und Willen, um es überhaupt voran zu treiben. Ihm kamen flüchtende, panische Menschen entgegen, Männer, Frauen und Kinder, die aus ihren in Brand gesteckten Häusern rannten und versuchten, ihr Leben zu retten. Ein Baby weinte auf den Armen seiner Mutter, die es schützend an sich presste. Einer der Männer aus dem Dorf schlug wütend schreiend mit einer Axt nach Zoras' Pferd, gerade noch rechtzeitig konnte der Jüngere das Tier herum reißen und dem Angriff entkommen. Das Pferd wieherte panisch. „Ihr Hurensöhne!“, blaffte der Mann am Boden ihn an und schwang seine Axt erneut, „Wir haben euch verdammt noch mal nichts getan! Die Geister werden euch verbrennen für diese Untat, ihr Meuchler!“ „Hüte deine Zunge, du Wurm!“, zischte Zoras und funkelte ihn grimmig an, „Nimm dein Weib und deine Kinder, sofern du welche hast, und lauf, so schnell dich deine Beine tragen! Glaub mir, ich bete, dass der Tag tatsächlich kommt, an dem die Barbaren brennen werden.“ Er konnte das verblüffte Gesicht des fremden Mannes nicht weiter beobachten, er hatte keine Zeit. Brummend wendete er das Reittier erneut und lenkte es eine weitere, kleine Gasse hinab, weg von der größten Feuersbrunst. An ihm stolperten weitere, panische Flüchtlinge vorbei, und schließlich bremste Zoras grantig und drehte das Pferd planlos im Kreis. In der Ferne hörte er das Krachen von einstürzenden Häusern und irgendwo schrie ein Kind nach seinen Eltern. „Sagal!“, brüllte er dann so laut er konnte, die Dolche nervös umklammernd, „Komm, wenn du dich traust, alter Mann! Ich zerreiße dich und dann ist dein... verdammter Clan Geschichte! Zeig dich, du Feigling!“ Er wusste, dass es waghalsig war – er korrigierte sich und wusste jetzt, dass es lebensmüde gewesen war, als er plötzlich eine scharfe Klinge auf sich zukommen sah, der er nur ausweichen konnte, indem er sich geistesgegenwärtig vom Pferd zur Seite fallen ließ. Das Tier wurde getroffen und ergriff panisch wiehernd die Flucht, davon in die Dunkelheit. Zoras hustete, als er hart auf den Boden aufschlug, und sofort rappelte er sich wieder auf die Beine, um die Klinge jetzt an die Brust gehalten zu bekommen, sodass er augenblicklich still hielt. Vor ihm stand zweifelsohne der Kopf des Sagal-Clans – er trug das Emblem seiner Familie auf seiner Kleidung, in der einen Hand hielt er ein gutes, scharfes Schwert, mit dem er ihn jetzt bedrohte, die andere Hand stützte sich auf einen Gehstock. Obwohl er sein eines Bein nicht gebrauchen konnte, wirkte dieser Mann keinesfalls schwächlich oder panisch. Er war vollkommen gefasst und strahlte eine dermaßene Überlegenheit und Autorität aus, dass Zoras beinahe selbst in die Knie gegangen wäre, als ihn der Blick aus den blauen Augen traf, die so viel gesehen hatten. „Einen Feigling nenne ich einen Mann, der hinterrücks andere überfällt und ihnen ein Chance lässt, sich zur Wehr zu setzen... Zoras... Derran. Wähle deine Worte sorgfältig, wenn du mit mir sprichst, denn eines Tages werde ich sie an dein Grab schreiben.“ Der Jüngere erzitterte und zischte, als er einen Schritt zurücktrat, um dem Schwert zu entkommen. „Ihr seid Dasan Sagal... der Kopf des Sagal-Clans. Ihr kennt meinen Namen, Ihr müsst ein großartiger Seher sein.“ „Dazu bedarf es keinerlei Größe.“, war die kaltblütige Antwort, „Ich sehe in dein Gesicht und weiß, wie dein Name ist. Bist du gekommen, um mit mir zu plaudern? Ich würde dir ja Kaffee anbieten, aber der ist leider verbrannt... so fürchte ich.“ Der Schwarzhaarige zischte, sprang zurück und packte seine Dolche. „Ich bin gekommen, um Euch zu töten!“, versicherte er, „Und da Ihr ja so auf Ehre besteht, tue ich es nicht mal... hinterrücks, so war doch der Begriff? Nein, alle Welt soll wissen, dass ich... Euch getötet habe, dass ich die Macht der Geister genug lenken kann, um das zu beenden... was ich begonnen habe an den Grenzen!“ Dasan Sagal verengte seine Augen zu grantigen Schlitzen. „Tu, was du nicht lassen kannst... es ist vergeudete Zeit. Dir ist etwas anderes bestimmt als das nutzlose Niedermetzeln von Menschen... die dir nie ein Leid getan haben. Du weißt das... du fühlst dich doch selbst fehl am Platz in Holia... ist es nicht so?“ Zoras knurrte und riss die Arme empor, bereit, anzugreifen. Der Kerl wusste eine Menge – und er hasste es, wenn Leute einfach so Dinge über ihn wussten, die sie nicht wissen konnten. Mit einem Schrei stürzte er sich nach vorne, um den Mann zu erstechen, doch der andere war schnell genug, ihn mit seinem Schwert zurückzustoßen. Zoras schlug mit dem zweiten Dolch nach ihm und nach einer geschickten Handbewegung hatte er dem älteren Mann die Waffe aus der Hand geschlagen. Dasan Sagal machte keinerlei Anstalten, zurückzuweichen oder sich sein Schwert wieder zu holen, als Zoras ihn abermals angriff, und in dem Moment, in dem er ihn beinahe an der Kehle erwischt hätte, hob der Alte kommentarlos seine Hand und schleuderte den Schwarzmagier mit einem gekonnten Telekineseschlag gegen die brüchige Wand eines brennenden Hauses. Mit einem Poltern stürzte Zoras zu Boden und fluchte, ehe er sich aufrappelte. Ein weiterer Angriff mit Telekinese riss ihm seinerseits den einen Dolch aus der Hand, und zischend riss Zoras die nun leere Hand empor und ließ den Himmel zornig grollen über dem brennenden Dorf. „Ich habe... keine Angst vor dir, Sagal!“, brüllte er, „Ich lenke... den Zorn des Himmels über euch alle, wenn es mir passt! Komm, Blitz, dienen sollst du mir, Speer des Himmels, wenn ich es befehle! Zerschmettern sollst du all jene, die es wagen... sich deiner Macht zu widersetzen!“ Mit einem ohrenbetäubenden Krachen schlug der Blitz aus dem Himmel in seine Hand ein, und als wäre es Wasser tauchte er den verbliebenen Dolch in die geballte Magie in seiner Hand, worauf auch die Klinge zu glühen begann, sobald er sie empor riss. Er spürte, wie die Macht ihn durchströmte wie flüssiges Feuer, wie es seinen Körper erhitzte und wie die Ladung des Blitzes in seiner Hand in seinem Inneren zu schmerzen begann. Sagal rührte sich nicht, außer dass er seine freie Hand abermals hob und dem gewaltigen Zorn des Himmels entgegen starrte, als wüsste er genau, wann der Tod auf ihn wartete. Warum lief er nicht weg oder machte irgendetwas, um sich zu schützen? Es war nur ein kurzer Moment, in dem beide Männer einander starr ins Gesicht sahen, in dem beide inne hielten und Zoras das Rauschen des Blutes in seinem Kopf stärker hörte als das Donnern des Himmels über ihm... dann riss er beide Arme nach vorne und schleuderte sowohl die Macht des Blitzzaubers als auch den aufgeladenen, glimmenden Dolch auf sein Gegenüber, mit jeder Faser seines Körpers bereit, ihn zu vernichten. Er war nicht wirklich überrascht, dass der Ältere sich als Telepath rechtzeitig mit einem Schutzschild das Leben retten konnte – Schutzschilde aus Magie waren eine Spezialität, die nur Telepathen beherrschten, und da Sagal ein überaus begabter Seelenmagier war, war es kaum ein Wunder, dass sein Schild mächtig genug war, einen Zerstörer aufzuhalten und mit einem Krachen ins Nichts explodieren zu lassen. Die Erde erzitterte, als die konzentrierte Magie des Blitzes verpuffte, und die Druckwelle der Macht riss beide Kontrahenten gewaltsam von den Beinen. Zoras war schneller wieder oben und sammelte fluchend seinen zweiten Dolch wieder auf, ehe er sich wieder voran stürzte, Sagal packte, der noch darum kämpfte, wieder auf die Beine zu kommen, und ihm den Dolch blitzschnell an die Kehle presste. Der Ältere hielt stillschweigend inne, während Zoras über ihm keuchte und heftig nach Luft schnappte. „Ihr... seid tot, Sagal!“, zischte er dabei mit vor Wut verzerrter Stimme, während er ihm die Waffe an den Hals hielt. Sagal schnaubte. „Worauf wartest du dann noch? Ich habe keine Waffe mehr und dank meines verflixten Beines kann ich nicht so schnell aufstehen wie du. Du hast leichtes Spiel, nicht wahr? Warum tust du es dann nicht?“ Zoras schrie ihn an. „Halts Maul! Ich tue es, verdammt, ich reiße dir die Eingeweide heraus und werfe sie Arlon ins Gesicht, wenn er mir dann meine verfluchte Mutter zurückgibt!“ Er zitterte. Er tat es nicht... er wollte es tun, aber der Blick des Mannes unter ihm machte ihn wahnsinnig. Er wusste zu viel... es war eine Schande, einen so begnadeten Magier einfach niederzustrecken... die Geister würden ihn dafür lynchen... „Das... ist nicht dein Platz, Zoras.“, sagte Sagal unter ihm in einer Seelenruhe, die garantiert keinem Todgeweihten stand. Er wusste, dass er zweifelte – Zoras war sich ganz sicher, dass der Typ genau spürte, dass er zögerte. Jetzt war es zu spät... jetzt wurden die Zweifel zu groß, seine einzige Chance war vertan. Er stöhnte kraftlos, als er bebend den Dolch fallen ließ und auf die Füße sprang, während ihn das Gefühl der Ohnmacht zu erdrücken schien. Er hatte plötzlich das Bedürfnis, hysterisch zu heulen anzufangen. „Ich... ich hasse Euch, warum seht Ihr mich so an?!“ „Es ist nicht Wille der Geister, was du hier tust... du weißt es doch selbst.“, sagte der Telepath und rappelte sich mit etwas Mühe hustend auf die Beine. „Dir ist Größeres vorbestimmt... Herr der Schattenvögel.“ Das war der Moment, in dem Zoras seinen Hass vergaß und ihn nur noch anstarrte. „Warum wisst Ihr von den Vogelgeistern?“, fragte er stimmlos und Sagal brummte. „Ich traf einst deinen Namensvorgänger, als ich noch ein Junge war. Er war ein weiser Mann und ein großer Schamane, der Großvater deiner Mutter, nach dem du benannt worden bist. Die Macht der Kondorgeister... die Macht der Aasgeier liegt dir im Blut, deshalb ist es deine Bestimmung. Aus dem Osten kommt der Tod bringende Schatten von Ela-Ri über uns... die Zeit ist gekommen, in der du deinem Schicksal... folgen solltest. Ich habe dich gesehen in meinen Visionen... ich sah dich als Herr über den Schatten, vor dem wir sonst weglaufen, in deiner Hand der Speer der Macht... der dein Schicksal mit dir tragen wird.“ Zoras taumelte. „W-wovon redet Ihr da?! Ich – was meint Ihr damit?!“ „Die Antworten, Zoras Derran, kommen immer dann, wenn du aufhörst, nach ihnen zu suchen. Merke es dir... ich vermute, sie wird bald kommen und dir deinen Speer bringen.“ „Was?! Sie?! Wer, zum Henker?“, keuchte der Jüngere und wurde panisch, als der Telepath sich abwandte, um zu gehen. „Deine Waffe hat sie schon gefunden... sie weiß nur nicht, dass du es bist, dem sie zusteht... den die Geister auserwählt haben als ihren Träger. Der letzte Erbe, heißt es, soll sie tragen... die Hellebarde von Yamir, die in den Schatten fiel und verschwand.“ Mehr sprach er nicht, ehe Zoras ihn aufhalten konnte, löste der Mann sich vor ihm in Luft auf und war verschwunden. Der Schwarzmagier fluchte wütend und sah sich rasch um. Er hatte weder Sagal getötet noch hatte er noch sein Pferd. Was sollte er jetzt machen? Knurrend sammelte er seine Dolche wieder auf und steckte sie ein, ehe er sich daran machte, zurück zur Dorfmitte zu rennen. Er würde Arlon im Inferno finden und ihm Pakuna wegnehmen, und wenn er es mit Händen und Füßen tun würde. Er würde sich schon etwas einfallen lassen... er musste. Allerdings kam er nicht weit, weil er auf dem mittleren Dorfplatz urplötzlich eine Warnung seines Geistes vernahm, ehe er mit einem mal einen kräftigen Schlag in den Rücken erhielt, der ihn zu Boden schleuderte. Wutentbrannt fuhr Zoras herum und riss seine Hände empor, bereit, jedem Angreifer mit dem Blitzzauber Demora das Gesicht explodieren zu lassen, dann hielt er inne, als er sein Gegenüber erkannte. „Du wagst es, Zoras... ich habe dich stumm im Geiste gewarnt, die Sache am Lianerdorf war ja wohl mehr als genug! Und jetzt wagst du es, hier aufzutauchen und mein Heimatdorf anzuzünden...?! Du verfluchter, elender, geistloser Bastard von einem Hurensohn, ich werde dich in tausend Fetzen reißen, dass du es wagst, die Luft zu atmen, die verdammt noch mal mir als Geisterjäger zusteht!“ Der Schwarzhaarige war für einen Moment unfähig, sich zu rühren – er hatte Karana Lyra sehr lange nicht gesehen, und dank seines vor Zorn verzerrten, furchteinflößenden Gesichtes hätte er seinen ewigen Rivalen beinahe nicht wiedererkannt. Aber seine Worte bewiesen genug, dass es Karana war... nur Karana traute sich, so arrogant zu sprechen. Karana war nicht dumm. Die Geister hatten ihn plötzlich gewarnt, als das Inferno begonnen hatte, und die Seherin aus Fann zur Seite stoßend hatte er sich sofort daran gemacht, Zoras Derran zu finden... es war unwahrscheinlich bis unmöglich, dass irgendein anderer für dieses Desaster verantwortlich war als er. In Kamien gab es sehr wenige Schamanen, und dass zufällig zwei von derartig großer Macht dort herum liefen, war doch sehr unwahrscheinlich. Es hatte ihn also nicht überrascht, als er seinen größten Rivalen endlich gefunden hatte, und er musste sich schwer beherrschen, um ihn nicht einfach auf der Stelle in Fetzen zu reißen. Größter Rivale war dabei gut gesagt – eigentlich war dieser Bauerntrottel aus Holia tatsächlich der Einzige, der wirklich jemals eine ernsthafte Konkurrenz für Karanas Position gewesen war. Der Einzige, der die gleiche, furchtbare Macht besaß, die Geister von Himmel und Erde zu rufen und zu lenken, wie es auch die Geisterjäger taten. Und das, obwohl seine Herkunft alles andere als ehrwürdig war, im Gegensatz zum Clan der Lyra war die Familie Derran eigentlich absolut unbegabt in Sachen Magie, soweit Karana wusste. Nicht, dass er je einen getroffen hätte abgesehen von Zoras und seinen Eltern. Er bebte vor Zorn, als er die Arme empor hob und zusah, wie sein Gegner sich blitzschnell wieder aufrappelte, zischend seine beiden Dolche ziehend. „Karana.“, brummte er dabei, „Auf dich habe ich beinahe schon gewartet, seit ich hörte, dass sie Lorana überfallen wollen. Du bist recht spät dran!“ Karana fluchte und schleuderte einen Windzauber nach ihm, dem der Schwarzhaarige aber gekonnt auswich. „Was denn... so wütend? Haben die Geister dich verraten und dir nicht rechtzeitig... Bescheid gesagt?“ „Halt deine Fresse, oder ich reiße dir die Zunge auf die brutalste Weise heraus, die mir einfällt!“, schwor der wenig Ältere bebend, „Du brennst mein Heimatdorf nieder, und ganz davon abgesehen, dass es mein Heimatdorf ist, was haben wir euch getan?! Dieses hirnlose Gemetzel kann ja wirklich nur aus Kamien kommen, einer von allen Geistern verlassenen Drecksprovinz! Sollen die Himmelsgeister euch verfluchen... und dann schicke ich dich persönlich zum Himmelsdonner, Zoras!“ Zu seiner Verblüffung zeigte der Kleinere ein dämonisches Grinsen, ehe er seine Dolche hoch riss und ihn aus seinen ungewöhnlich schmalen Raubtieraugen anstarrte. „Ja, Karana. Ich... zittere vor Furcht.“ Karana zischte und spuckte ihm vor die Füße, ehe er die Hände nach vorne riss und mit einem Krachen aus dem Himmel einen weiteren Windzauber produzierte, den er auf sein Gegenüber warf. „Ich reiße dir deine verdammten Eingeweide heraus für das hier!“, brüllte er, „Ich bringe dich verdammt noch mal um! Und bevor es zu Ende ist, wirst du vor mir auf Knien rutschen und um einen schnellen, schmerzlosen Tod betteln!“ Er hörte das ohrenbetäubende Krachen, als Zoras seinen Blitz aus dem Himmel rief und damit den Windzauber zerschmetterte, mit dem er angegriffen hatte. Im nächsten Moment war es Karana, der dem Blitz ausweichen musste, und fluchend sprang er zur Seite und entkam der geballten Himmelsmagie, ehe er abermals herum fuhr und sein Gegenüber erneut angriff. „Katura!“ Zoras schleuderte einen seiner Dolche auf ihn, dem er durch einen weiteren Hechtsprung zur Seite ebenfalls ausweichen konnte, aber als er wieder herum wirbelte, traf ihn der zweite Dolch mit einer Wucht in die Seite, dass er aufschrie und zu Boden kippte. Er war schnell... er war unheimlich schnell, das würde ihn das Leben kosten, wenn er das unterschätzte, kam ihm, und keuchend rollte er sich zur Seite, als Zoras sich mit einem wutentbrannten Schreien auf ihn stürzen wollte. Ein weiterer Blitzzauber traf krachend die Erde neben Karana und er spürte die Spannung, die im Boden entstand, als er zischend den Dolch aus seiner Seite zerrte und keuchend nach der Wunde fasste, die entstanden war. Sie blutete ziemlich heftig, aber die Klinge schien nur das äußere Fleisch verletzt zu haben. Glück gehabt... Karana hatte keine Zeit, erleichtert auszuatmen, denn prompt war sein Kontrahent abermals über ihm, packte ihn am Kragen und zerrte ihn wütend empor, mit einer Hand ausholend und darin eine gleißende Blitzkugel entstehen lassend. Der Ältere japste und kniff von dem grellen Licht geblendet die Augen zusammen, als Zoras ihn noch anbrüllte: „Du kannst mich mal, Karana! Ich habe verdammt noch mal keine Angst vor dir und knien werde ich sicherlich nicht... nicht einmal dann, wenn du deines Vaters Platz als Herr der Geister einnimmst! Knien werde ich... vor einem Mann, den die Geister zu ihrem König gemacht haben, aber nicht vor einem größenwahnsinnigen Snob wie dir!“ In dem Moment schleuderte er seinen Blitzzauber auf Karana, und er hätte ihn unweigerlich getroffen, hätte der Ältere nicht in dem Augenblick die Hände nach vorne gerissen und seinen Gegner mit solcher Wucht in den Magen geboxt, dass dieser rückwärts taumelte und sein Zauber daneben ging. Zoras fluchte und ließ ihn augenblicklich los, worauf Karana sich wieder auf die Füße rappeln konnte und einen von Zoras' Dolchen aufsammelte, die Waffe empor reißend. Er zwang sich, nicht den Verstand zu verlieren – nicht jetzt, in diese Moment. Wenn er Zoras beseitigen wollte, brauchte er einen kühlen Kopf... er konnte Lorana nicht mehr retten, das Dorf brannte lichterloh. Aber er hatte die Pflicht, denjenigen zu zerreißen, der Schuld daran war, dass so viele unschuldige Dorfbewohner im Inferno starben... er wusste nicht, wo seine Mutter und seine Geschwister waren... oder Niarih. Die Gedanken daran, dass auch nur einer von ihnen umgekommen sein könnte, machten ihn wahnsinnig, und er schrie wütend, als er sich frontal auf den Schwarzhaarigen stürzte und ihn mit seinem eigenen Dolch zu erstechen versuchte. Zoras war davon nicht sonderlich überrascht und es kostete ihn nicht mehr als eine simple Handbewegung, um Karana den Dolch aus der Hand zu schleudern und ihn mit einem weiteren Blitz wieder zurück zu Boden zu werfen. Hustend fuhr Karana noch am Boden liegend herum, als der Gegner seinen Dolch wieder selbst packte und sich dann die Waffe voran seinerseits auf ihn stürzte. Gerade noch schaffte er es, an seinen Gürtel zu fassen und das Knochenmesser herauszuziehen, das er der Hühnerdiebin beim Lianerdorf abgenommen hatte, ehe er es mit einem Schwung seines Arms quer über Zoras' Oberkörper riss und ihn damit zur Seite schleuderte. Sein Gegner schrie auf, als das Messer seine Kleidung zerfetzte und sich auf seiner Brust ein unschöner, blutender Schnitt auftat. Karana zischte und rappelte sich auf, dabei das Knochenmesser umklammernd, verblüfft von seiner ungewöhnlichen Schärfe. „Na? Noch mehr so großkotzige Sprüche oder war es das, Kurzhöschen?“, brummte er dann, als der Kleine fluchend über seine blutende Wunde wischte und die Hände dann abermals hoch riss, in einer hatte er noch immer seinen Dolch. „Töricht, Karana...“, zischte er bebend, „Dieses Mal... werde ich dich erledigen. Und die Geister werden über den Tag jubeln, an dem sie... deine Fratze und dein abartiges Grinsen nicht mehr ertragen müssen!“ Damit warf er den Kopf in den Nacken und riss die Arme in den Himmel hinauf, ehe er die Geister anbrüllte. „Vater Himmel! Gib mir deinen Zorn, deinen Schatten, damit er diesen Unwürdigen verschlingt und niemals wieder ausspuckt! Kommt, Himmelsgeister, und dient meinem Befehl!“ Es krachte aus dem dunkel bezogenen Himmel und Karana taumelte rückwärts, als er beobachtete, wie sein Gegner den Kopf wieder herab riss und ihn angrinste mit einem Blick so voll von Schatten und Bosheit, dass der Größere einen Augenblick lang nicht fähig war, sich zu regen. In seinem Blick war die Macht, nach der Karana immer suchte... das war die bodenlose, Tod bringende Macht eines Geisterjägers, eine Autorität in diesen grauenhaften Schlitzaugen, die der eines Dämonenkönigs gleichkam. Karana schnappte fassungslos nach Luft und ließ prompt das Knochenmesser fallen, um die Arme selbst zu heben und die Windgeister zu rufen, damit sie ihn davor bewahrten, seine Seele an diese Kreatur des Todes abgeben zu müssen. Hinter Zoras wurde die Welt schwarz, als würde er aus dem Nichts einen fürchterlichen, fliegenden Schatten beschwören, der seine Schwingen über dem Inferno ausbreitete auf eine Weise, die Karana nicht nur wegen ihrer Furchtbarkeit übel aufstieß – das waren die Schwingen eines Vogels. Er hatte diese Macht schon mal gesehen... aber bei einer anderen Person. Und der Vergleich löste in ihm plötzlich einen dermaßenen Brechreiz aus, dass er nicht mehr fähig war, dem Himmel zu befehlen. „Das ist nicht möglich... wie kannst du... den Schattenvögeln befehlen, Zoras...?! Gerade du...?!“, japste er entgeistert, und er hörte die Himmelsgeister in seinem Inneren auflachen. „Knie, Karana... so, wie du es sonst immer verlangst! Demut sollen sie dich lehren, die fürchterlichen Krähen, die nur den Großkönigen gehorchen... fürchtest du dich?“ In dem Augenblick, in dem Zoras seinen Schatten auf ihn hetzte und er spürte, wie die Welt um ihn herum in Bosheit explodierte, überkam ihn auch eine seltsame Kälte, die er nicht erwartet hatte, während er stürzte. Irgendetwas packte seinen Arm und zerrte ihn aus dem Schatten, und das Letzte, was er hörte, bevor er das Bewusstsein verlor, war das Kichern der Geister. „Schicksal, Karana... es wird dich immer wieder einholen. Du kannst nicht davonlaufen... versuche es nicht erst.“ Dann wurden ihre Stimmen dumpf und rückten in weite Ferne, schließlich war es angenehm still. _____________________________ Die Geister dissen Karana xD hahahaha xD Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)