Die Chroniken von Khad-Arza - Die andere Seite des Himmels von Linchan (Drittes Buch) ================================================================================ Kapitel 20: Brennender Himmel ----------------------------- Das System der schillernden Planeten hatten die Wissenschaftler einst Kwomha genannt. Yamuru dachte sich, hätte er als Kind immer brav das Studium der Alten Runen gepflegt, hätte er jetzt gewusst, was Kwomha bedeutete, denn es waren meistens Namen der alten Sprache, die den entdeckten Planetensystemen und Welten gegeben worden waren, als die Zuyyaner zum ersten Mal die Weiten des Alls erkundet hatten. Yamuru fragte sich, wieso eigentlich, denn zu der Zeit, in der diese Namen vergeben worden waren, war die alte Sprache längst eine Antiquität gewesen. Vermutlich waren die letzten Suchin'g-Kaiser sehr traditionsbewusst gewesen und hatten unbedingt die alte Sprache ehren wollen... es konnte ihm egal sein. Die Suchin'g-Dynastie war seit vielen Jahrhunderten erloschen. Alle Dynastien waren erloschen, denn das Imperium ward zerschlagen. „Bereust du irgendwas in deinem Leben, Kyeema?“ Er lächelte sie an, als er sprach, und lehnte sich lässig gegen die Wand ihrer Kammer. Die Lianerin hockte stoisch auf der Pritsche und sah ihn nicht an, sie umschlang ihre bebenden Beine mit den dünnen Armen. „Sollte ich etwas bereuen?“, war die monotone Gegenfrage und Yamuru feixte. „Du hast Eneela und ihre Mutter wissentlich in den Tod gejagt. Dumm nur, dass die Götter nicht wollten, dass Eneela stirbt, sonst wäre sie sicher genauso... umgekommen wie Kaiya. Bereust du gar nicht, dein eigenes Volk so hintergangen zu haben?“ Kyeema starrte noch immer an die Wand. Ihre Seele schwand, er konnte es spüren – noch nicht. Noch musste er sie festhalten, und wenn es sein musste mit Gewalt, denn Kyeemas Zeit war noch nicht gekommen. Yamuru fragte sich, wie weit er die Götter, die alles schufen und für alles verantwortlich waren, herausfordern dürfte. „Ihr Zuyyaner hängt an... eurem Volk.“, schnaubte die junge Frau dann und drehte tatsächlich das aschfahle Gesicht zu ihm. Er ließ ihr ihre eigenen Gedanken, wenn er mit ihr sprechen wollte; wenn er ihre Seele so weit beherrschte, dass sie ihm nach der Zunge sprach, war es ja langweilig. Sie war ihm ohnehin verfallen, selbst, wenn sich in ihren Gedanken ein Funken Widerstand gegen seine Kontrolle befunden hätte, er hätte ihr nichts genutzt. Er war an sich kein herausragender Seelenmagier, aber er war der letzte Erbe des Westclans, der Mirrhtyis. „Ihr Zuyyaner findet immer, euer Volk wäre etwas besseres als alle anderen.“, fuhr Kyeema fort, „Ich... habe dieses Volksdenken nicht, weil ich kein Volk habe. Ich bin Lianerin... aber ich bin nicht wie die Sklavinnen, die unterdrückt und entmachtet werden, bis sie irgendwann verrecken, sei es an Altersschwäche oder Folter oder beidem. Ich finde nicht, das ich ihnen ähnlich bin... ich bin keine von ihnen, ich bin anders. Und das war ich von Geburt an, es war meine Bestimmung. Warum soll ich sie nicht verraten, wenn ich sie nicht leiden kann? Würdest du es nicht tun, nur, weil sie auch Zuyyaner sind?“ Er sah Kyeema einen Moment an und lächelte dann. „Doch, ich würde. Wenn sie es verdienen, verraten zu werden.“ Aber wer es verdiente, verraten zu werden, gehörte in seinen Augen auch nicht zu seinem Volk. „Also.“, sagte Kyeema gedehnt, „Dann sind wir wohl vom gleichen Schlag, du und ich.“ Er belächelte sie. Vom gleichen Schlag? Vielleicht... allerdings mit dem gravierenden Unterschied, dass ihre Seele verkommen und machtlos war. „Meint ihr, er fickt sie?“, fragte Rok ungehalten und Kanau brummte, während er sich die Haare raufte. Dieser Vollidiot konnte nichts besser als zu reden, und das möglichst vulgär. Yatli war schwer von Begriff: „Was, wer fickt wen, Rok?!“ „Na, Yamuru Kyeema. Er hängt seit einigen Tagen an ihr, irgendwie. Ich hab neulich gesehen, wie er in ihr Zimmer gegangen ist, was werden die da schon machen? Schweinehund.“ „Was soll es?“, fragte Turo gereizt, „Was interessiert uns das, Rok? Daku ist tot! Ganz mysteriös, einfach so, keiner will es gesehen haben oder etwas wissen, ist klar. Und alles, was dich beschäftigt, ist, ob der Typ Kyeema bumst. Ich glaube, er hat Daku ermordet.“ „Vielleicht, und wenn schon.“, machte Kanau gelassener als seine Kumpanen, „Es nützt Daku nichts, wenn wir debattieren, wer ihn umgebracht hat. Da er keine äußeren Verletzungen aufweist, kann es durchaus Yamuru gewesen sein; Zuyyaner verfügen über Mittel zu töten, die weder Schwert noch Elementarmagie brauchen. Aber wie gesagt, was soll es?“ „Was es soll?! Daku ist tot, Himmel Arsch, Kanau, ist dir das egal?!“, empörte sich der Heiler wütend und verschränkte die Arme, „Mir ist es nicht egal.“ „Nein, mir auch nicht.“, seufzte der Rothaarige und war von seinen immerzu streitenden oder meckernden Kumpanen leicht genervt, „Ich meinte damit mehr... was schert uns Yamuru? Im Moment brauchen wir ihn vielleicht noch, er als Zuyyaner und so weiß wohl besser, wie die Trias funktioniert, als wir alle zusammen. Davon abgesehen kann er noch nützlich dabei sein, die Sieben abzumurksen, dann haben wir weniger Arbeit. Der Meister sagt, wir dürfen ihn töten, wenn wir ihn nicht mehr brauchen, denn keiner von uns will den Zuyyanertypen auf der neuen Welt... oder irre ich mich?“ Er grinste, als er von Rok und Yatli zustimmendes Lachen erntete, nur Turo seufzte gereizt und verfinsterte seinen Blick ziemlich. Rok stieß ihn an. „Hey, da steht wohl jemand auf den Schönling...“ „Halt die Fresse.“, stöhnte Turo und stieß den Telepathen angewidert von sich, „Ich frage mich nur, ob das so einfach wird, wie ihr euch das vorstellt, Yamuru töten. Wir wissen, was dieser Kerl ist.“ „Ja, eine verdammte, eitle Schwuchtel.“, schnaufte Rok und Yatli meckerte, Kanau ignorierte die beiden Deppen und sah auf Turo, der den anderen beleidigt den Rücken gekehrt hatte. Die nächsten Worte des Heilers stimmten ihn nachdenklich. „Er ist ein pragmatisches, gnadenloses Monster.“, schnarrte der nämlich, „Er ist ein gewissenloser Massenmörder, der nicht davor zurückgeschreckt hat, die verdammten Gletscher absichtlich schneller wachsen zu lassen auf Zuyya, wodurch hunderte oder tausende von Menschen früher und grausamer starben als sie es sowieso getan hätten. Vergesst das nicht... wenn ihr mit dem Schwert nach ihm zu schlagen versucht. Was immer eigentlich sein Ziel ist, er will es mit allen Mitteln erreichen. Das ist es, was ich an ihm so schauderhaft finde... er ist ein Zuyyaner mit Seele. Das ist wie eine Puppe mit Leben in sich. Es ist falsch... und er ist nur zu dem Zweck geschaffen worden, uns alle ins Verderben zu stürzen, da bin ich mir sicher.“ „Die Trias wurde geschaffen, um eine neue Welt zu bilden, eine neue Welt für die neue Ära der Himmelclans. Bist du, Tochter von Akando Jamali, nicht eine Erbin der Himmelclans? Bist du nicht die Erbin... der Trias als letzte Nachfahrin ihres Schöpfers Honuk Jamali? Ein Teil der... besseren Teilmenge der Sterblichen, für die die Trias geschaffen wurde, Thira? Törichtes Mädchen... läufst davon vor deinem Platz, den die Götter dir vorbestimmt haben.“ Thira antwortete nicht auf die Stimmen, die aus der Reikyu kamen. Nur sie konnte sie wahrnehmen, da es ihre Reikyu war, und sie war froh darum, denn die anderen, die teilweise mit ihr hier versammelt waren, wären entsetzt gewesen über die Enthüllung des wahren Zwecks der Trias. Wenn es wirklich so war, wie Yamuru sagte, dann war die Trias nie zu dem Zweck geschaffen worden, die ganze Welt oder gar zwei Welten zu retten. Es ging nicht um Khad-Arza, es ging um die Himmelclans; eine Elite der Bevölkerung einer der einstmals drei Welten des Bündnisses Khad-Arza. Thira fragte sich, ob es ein Khad-Arza überhaupt gegeben hatte... überhaupt gab. Ein Bündnis aus drei Welten, das nie ernsthaft eines gewesen war. Es hatte Tharr gegeben, Ghia und Zuyya. Jede Welt war für sich gewesen, aber verbunden waren sie nur durch den Schein geblieben... was hatte sie verbunden? Thira hatte auf Tharr den Hass der Tharraner auf ihr Muttervolk, die Zuyyaner, am eigenen Leib oft genug erfahren. Sie hatte auf Zuyya den Hass auf Tharr und auch auf Ghia erlebt, sie hatte die radikale Ausmerzung ganzer Ethnien miterlebt in der Reikyu – sie wusste sehr gut, dass Yamuru nicht log, wenn er Chenoa mitleidslos nannte, denn sie hatte die gesamte Ghia schamlos krepieren lassen, sie hatte initiiert, dass halb Tharr in einem Krieg gegen Ela-Ri draufging, letzteres war komplett ausgelöscht worden. Egal, wie grausam die Krieger von Ela-Ri gewesen waren, waren nicht auch sie Geschöpfe der Götter gewesen? Hatten nicht auch sie Frauen gehabt, die geweint hatten, als die Armada aus Tejal ihre kleinen Kinder zerschmettert und dann auch sie geschlachtet hatten? Sie hatte genug gesehen in der Reikyu. Hatte also irgendjemand, egal auf welcher Welt er aufgewachsen oder geboren war, jemals so etwas wie Verbundenheit zu einer anderen Ethnie als der seinen verspürt? Hatte jemals ein Tharraner Zuyyaner als Brüder und Schwestern betrachtet statt als Feinde? Oder andersrum? Und die Menschen von Ghia, die die Lianer, eine Ethnie von Tharr, so schamlos versklavt hatten, sie als Geschenk von Ulan Manha betrachtet hatten? Thira sah auf Simu und dachte an seine Eltern; einen zuyyanischen General und ein tharranisches Bauernmädchen, es gab wohl kaum eine Verbindung, die unmöglicher gewesen war als diese. Thira begriff, dass Nodin Ayjtana ein wirklich weiser Mann gewesen sein musste... einer, der sich über die Differenzen der drei Welten hinweg gesetzt und eine Frau geliebt hatte, die nicht von seinem Volk oder seiner Heimatwelt war. Simus Eltern waren der Inbegriff von Khad-Arza gewesen, stellte die junge Frau verblüfft fest; und damit waren sie eine der ganz, ganz wenigen Ausnahmen. Wo hatte es also das Khad-Arza gegeben, für das sie kämpfen sollten, sie, die Sieben? Letzten Endes hatte Yamuru recht behalten... die Trias war für die Elite geschaffen worden, nicht für ein Wunschdenken namens Khad-Arza, das nicht existierte. Die Gedanken machten sie wütend und unsicher. Sie wusste nicht, wofür sie einstehen sollte, wofür sie hier war... was ihr Platz war, wie es Yamuru ausgedrückt hatte. Ihr Cousin machte sie nur noch wütender und unsicherer und die Erinnerung an die Vereinigung, die sie beide geteilt hatten auf Yinnlhey, ließ sie innerlich schaudern. Sie war erschöpft... sie wusste nicht, wie lange sie ihre Selbstbeherrschung aufrecht halten konnte, die den anderen verschwieg, was sie so dachte und fühlte. In ihrem Kopf war mehr Yamuru als Karana, den Neisa da vorne gerade zu heilen versuchte. Dabei dachte sie nicht absichtlich an ihn... es kam einfach immer wieder zurück und alles, was er zu ihr gesagt hatte, rumorte in ihrem Kopf herum und wollte verarbeitet werden. Sie bebte, als Neisa sich erhob und sprach. Iana, die an Karanas Bettkante saß, auf dem er lag, sah die Heilerin an, ebenso Simu, Eneela, Yarek und Zoras Derran, die mit Thira um die kleine Heilerin herum standen. „Es sieht schlecht aus.“, sagte sie und wischte ihre Finger an ihrem Rock ab, „Ich kann keine Augen wieder einbauen, das geht einfach nicht. Ich weiß nicht mal, ob meine Mutter das könnte, und die ist Meisterheilerin... er wird zweifelsohne überleben, abgesehen von seinem rechten Auge ist nicht viel verletzt worden.“ Neisa sah auf ihren Ehemann, der etwas untröstlich wirkte, seinen Schwager so zerfetzt zu haben. „Seid vorsichtig mit Karana.“, murrte er nur, „Ich habe das nicht getan, weil mir langweilig war, er wollte mich umbringen. In seinem Blick war die pure Mordlust, und... und sie galt nicht mir direkt, sondern... einem Teil meines Geistes, dem Teil, der mich mit den Chimalis' verbindet.“ „Du hast gesagt, er ist Manha in der Nacht begegnet.“, sagte Iana dumpf, „Meinst du, der hat ihm den Kopf verdreht, Zoras?“ „Vermutlich. Jedenfalls ist es Kelar Lyras Schatten, der aus seinen Augen gesprochen hat. Was immer er tut, wenn er aufwacht, seid wachsam. Das gilt für euch alle.“ Die Kameraden begannen zu diskutieren und Thira zog es vor, sich jetzt zurückzuziehen. Mit einem gemurmelten Abschiedsgruß an Yarek, der der Tür der Kammer am nächsten stand und an dem sie folglich als letztes vorbei kam, verließ sie die Meute, weil in ihrem Kopf noch immer die Gedanken um die Trias kreisten. Oder um Yamuru, oder um beides. Sie wollte Ruhe... sie wollte einen klaren Kopf bekommen, irgendwie. Tayson steuerte; bald würde sie ihn ablösen müssen und bis dahin müsste sie die Dinge geregelt haben. Es war nicht mehr lang... der Abgrund war schon zum greifen nahe. Und mit ihm die Trias... die sie alle retten sollte und es vielleicht gar nicht zu tun gedachte. Sie durchquerten das Kwomha-System. An einem der Fenster im hinteren Korridor am Heck blieb Thira stehen und sah hinaus. Laut Karte war das die letzte Station vor dem Yirana-Nebel... dem Unort aller Unorte. Die Karte. Der Mistkerl hat sie noch immer und ich hatte nicht den Schneid sie mir zurückzuholen. Vielleicht war es das, was den Ausschlag dafür gab, dass sie die Tari Randora verließ. Sicher war sie sich nicht, denn vermutlich waren es bloß ihre verdammte Gedanken, die immer wieder zu Yamuru zurückkehrten. Sie wollte ihn sehen... nicht wegen der Karte. Nicht wegen ihres Stolzes. Sie wollte ihn sehen weil ihre Seele, an der er allein Schuld war, sie zu ihm zog... „Ich habe ja gesagt, du wirst kommen, Thira.“ Sie strafte seinen Hochmut mit einem Mörderblick, der ihm bloß warm werden ließ, als er seine Cousine mit angebrachter, nicht wirklich ernst zu nehmender Gewalt am Oberarm packte und in die nächste Kammer am Heck des Schiffes schubste. Dieses Mal achtete er darauf, mit der Sanhari einen Riegel aus Eis vor das Türschloss zu nageln, damit nicht wieder irgendjemand herein platzte wie Daku neulich. „Ich bin nicht gekommen, weil ich dich vermisst hätte, du weißt, warum ich komme.“, schnarrte Thira erbarmungslos und Yamuru mochte ihre Erbarmungslosigkeit. Natürlich wusste er das. Als er ihr Gesicht hochzog und sie küsste, zog sie ihre Waffe und schlug nach ihm, er hatte aber damit gerechnet und mehr Kraft im Arm als sie, so war es nicht sonderlich schwer, ihr mit einem Hieb seiner eigenen Waffe die Kouriha aus der Hand zu schlagen. Thira zischte und versuchte sich in seinem Griff zu winden, gab aber schneller auf als er gedacht hätte, und sie küssten sich erneut. Da sie unbewaffnet war, hielt er es für fair, seine Sanhari wegzulegen, stattdessen griff er mit beiden Händen Thiras Wangen, indem er sie gegen die Wand drückte und sie stöhnend ein Knie anzog, um es gegen seinen Schritt zu pressen. Yamuru keuchte, als er den Kuss löste. „Unnachgiebig, Herrin von Okothahp...“, raunte er gegen ihre bebenden Lippen, und die Art, in der sie die Luft einzog und dann den Kopf zurück gegen die kahle Wand der Kammer lehnte, steigerte nur sein Verlangen nach ihr. Ja, er hatte gewusst, sie würde von selbst kommen, und der Grund dafür war der Grund für alles, was sie in Bezug auf ihn tat... Nur ein Wort... Neugierde. Sie küsste ihn. Er wusste, sie war zu stolz, um in Worten zuzugeben, dass sie es genoss, wenn er sie auf diese Weise berührte, dass es ihr gefiel, wenn er mit ihr schlief, und Yamuru würde es auch nicht von ihr verlangen. Das hier genügte... sie würde sich mit ihrer Zunge immer sträuben, aber ihr ganzes Verhalten verriet sie und ihren Stolz hinterrücks. Sie darauf hinzuweisen wäre sicher sein Tod gewesen, und sie wusste selbst gut genug, dass sie nicht zu ihren Worten stehen würde. Es an der Wand zu tun war zu anstrengend auf die Dauer, deswegen wechselten sie schnell die Position und landeten auf dem Fußboden. Sie ließen sich Zeit beim Liebesspiel, und als sie es taten, war in Yamurus Kopf die Gewissheit, dass dies sein Platz war, den Katari ihm zugedacht hatte, für den er geboren war. Sie keuchte unter ihm, bewegte sich mit ihm, nahm ihn in sich auf und umklammerte ihn, und er konnte in ihrem so mühsam emotionslos gehaltenen Antlitz ihre schöne Seele sehen, wie sie aus allen Poren ihrer bleichen Haut schimmerte – er wusste, dass nur er sowas sah, weil er die Reikyu seines Vaters im Auge hatte, eine zweite Seele, mit der er Dinge sehen konnte wie keiner außer ihm, vielleicht ausgenommen Chenoa oder Ryanne von den Yalla. Nichts an Thira war schöner als ihre Seele... dieser Teil an ihr, den er selbst sorgsam gepflegt und geweckt hatte, nachdem Chenoa sie beinahe für immer zerplittern lassen hatte. Chenoa war eine berechnende Hexe... er hasste sie für alles, was sie war. Er hasste sie und er liebte Thira und ihre hübsche Seele. „Warum?“ Yamuru keuchte noch etwas und fuhr sich befriedigt durch die violetten Haare, als Thira sich neben ihm hoch zog und sich dann zu ihm auf den Boden setzte, sich gegen die kalte Wand lehnend. Die Vereinigung war gut gewesen und er hatte gute Laune; wenn Thira sie auch hatte, ließ sie es sich wie immer nicht anmerken. Ihre Seele war stark... und das würde sie auch sein müssen bei dem, was er in ihrem Schicksal gesehen hatte. „Warum was?“, fragte er, als er sich neben ihr gegen die Wand lehnte und sie kurz betrachtete. Sie war noch nackt und ihre Haut war von einem ganz zarten Schweißfilm überzogen, ihre grünen Haare unordentlich nach der Vereinigung und ihre Augen unruhig. „Warum... alles.“, murmelte sie, „Alles, was du tust, Yamuru. Du hast dir die Seele deines Vaters ins Auge transferiert... warum? Hattest du Probleme mit deinem Vater, dass du so etwas demütigendes tust, seine Seele als Waffe zu benutzen statt ihn zu ehren?“ Er sah sie verblüfft an und sie wich dem Blick aus. Einen Moment schwieg er, dann musste er lächeln. „Du verstehst nichts von dem, was ich tue, Thira.“, stellte er klar. „Nein, deswegen frage ich ja. Ich verstehe es nicht... die Trias ist... für die Vier Reiche da. Für den Wiederaufbau der Goldenen Ära. Ist alles... alles, was du tust, nur dafür? Dein ganzes Leben, dass du uns, Chenoa, die ganze Gesellschaft, verrätst und mit dem Schattendämon gemeinsame Sache machst... das du mich benutzt, was weiß ich, damit ich deine Frau und Mitbegründerin deines Clans werde? Ist es nicht das, was du von mir willst, Yamuru? Oder warum sonst schläfst du mit mir, hängst an mir... machst mich abhängig von dir, mit jedem Atemzug, den du tust, mehr?“ Er musste sie belächeln für ihre Denkweise. „Du glaubst, ich benutze dich? Bitte, Thira, ich habe auch Gefühle.“ „Wer es glaubt. Pragmatischer Spinner.“ Es hatte wohl wenig Sinn, ihr seine Gefühle zu erklären. Noch nicht jetzt zumindest. Er beugte sich zu ihr und küsste zärtlich ihre Schläfe. „Du bist... so schön.“, sagte er leise und sie sah ihn skeptisch an. „Deine... Seele. Ich begehre sie... Thira. Und am meisten von allem an dir sie.“ Seine Cousine sagte nichts; sie sah ihn nur an, und er sah, dass sie seine Worte akzeptierte und stumm wertschätzte. „Warum, Yamuru?“, flüsterte sie dann, „Warum willst du... all das tun? Für eine Ära, die vorbei ist? Weißt du, ob sie wieder dieselbe würde, würden wir sie wirklich... neu gründen?“ „Dieselbe natürlich nicht; und was das anbelangt, das weiß nur Katari.“, sagte er, „Aber es war der Wille unserer Ahnen, Thira, es ist das, wofür unsere Ahnen seit Jahrhunderten kämpfen.“ „Die Ära ist zerfallen, Yamuru!“, zischte sie, „Hat es etwa keinen Grund gehabt, dass die Vier Reiche damals gefallen sind? Es war ein Zeichen Kataris, dass sie beendet waren, ich denke nicht, dass es richtig wäre, etwas altes, das vorbei sein soll, wieder empor zu zwingen!“ „Nun, und was wäre besser deiner Meinung nach? Ein neues Imperium?“ Das glaubte er nicht wirklich, aber ihre Antwort verblüffte ihn etwas. „Ein neues... Khad-Arza, Yamuru.“ „Khad-Arza.“, seufzte er, „Ein Hirngespinst, das es nie gab, oder nicht? Waren die drei Welten wirklich jemals verbunden, waren sie eins, Thira?“ „Sie wurden gespalten im Zorn der Götter – so war doch deine Geschichte?!“, zischte sie, „Aber einst waren sie eins... und die neue Welt, die Trias... kann eine ganze Welt sein, Yamuru. – Lass mich ausreden, ich verstehe, dass du nicht daran glaubst. Ich weiß auch nicht, ob ich an Khad-Arza glauben soll... aber ich habe begriffen, ich muss es, denn ich... bin der lebende Beweis dafür, dass es es gibt. Ich bin eine der Sieben. Wir Sieben vereinen das Blut der Götter, die Khad-Arza schufen – wir... vereinen Khad-Arza, oder nicht? Ich weiß, es klingt idiotisch. Aber wenn ich daran denke, dass diese Aufgabe der Götter, Geister, Katari, wessen auch immer, mich dazu gebracht hat, mit Tharranern und Ghianern, Schamanen, Menschen und Lianern gleichermaßen so zu kooperieren, dann muss das für etwas gut sein.“ Er hörte sie reden und fand sie irgendwie gleichzeitig töricht und reizend für das, was sie da sagte... wie utopisch. „Dann willst du eine neue Welt bauen und daraus eine... ideale Welt für alle Rassen machen?“, schmunzelte er, „Eine Welt, in der Zuyyaner, Schamanen, Nichtmagier und Lianer gemeinsam in Frieden leben? Klingt etwas nach einem Bilderbuch für Kinder. Das ist Utopie, Thira, das ist nicht möglich. Vielleicht für eine Weile, aber dann werden sich die Völker wieder gegenseitig an die Gurgel gehen. Es sind zu viele humanoide Rassen, Thira, zu viele Ethnien. Die können nicht alle nebeneinander koexistieren.“ Sie sah ihn kurz an und sagte dann nichts, drehte den Kopf nach unten. Yamuru seufzte. „Du bist wahrlich... bei den Tharranern aufgewachsen. Kein Zuyyaner würde je so etwas denken oder glauben.“ „Ich bin ein Teil der Sieben.“, murmelte sie, „Vielleicht bin ich anders.“ Das war sie definitiv... und er liebte sie dafür. Mit einem matten Lächeln strich er ihr über den Kopf, durch ihre Haare, und sie sah geradeaus, als sie sprach. „Erzähl es mir, Yamuru. Dein... dein Warum.“ Er zögerte einen Moment und atmete einfach nur. Als er sprach, war seine Stimme dumpf. „Was ich will, Thira, ist leben. Egal um welchen Preis. Ich bin ein Prinz von Ngurrha, deswegen beharre ich natürlich auf den alten Traditionen der Vier Reiche und kämpfe für sie. Meine Familie war eine Kämpferfamilie, alle von ihnen. Keiner der Mirrhtyis starb je kampflos und ich blicke mit Stolz ins Antlitz meiner Ahnen, wenn ich daran denke. Deswegen kämpfe ich, statt herum zu sitzen und abzuwarten, dass etwas passiert, für die Ehre meiner Familie.“ „Ich kenne die Moral der Mirrhtyis.“, sagte sie, „Meine Mutter war die Schwester deines Vaters.“ Er lächelte. „Ich habe Tante Pavati immer geschätzt, sie war voller Güte – die so sterblich und menschlich ist, und voller Stolz dennoch.“ Sie unterbrach ihn. „Ich will dein Warum hören, Yamuru. Warum... für alles. Doch wohl nicht nur, um deiner Familie Ehre zu erweisen.“ Er seufzte. Als er sprach, streckte er seine Beine von sich. „Nein, in erster Linie ist das Warum, dass ich meiner großen Schwester Ngnhana etwas versprochen habe, als sie in meinen Armen starb.“ Seine Mutter war im Kindbett wenige Wochen nach seiner Geburt gestorben. Als einziger Sohn von Chihnii Mirrhtyi, dem Herrscher des Clans und der Familienprovinz Ngurrha war Yamuru automatisch der Thronfolger, denn das einzige andere Kind, das der Herr zu Stande gebracht hatte, war Yamurus neun Jahre ältere Schwester Ngnhana, und eine Frau würde nicht Herrin eines Clans werden, das verboten die Gesetze. Da es keine Mutter gegeben hatte, hatte Ngnhana ihren kleinen Bruder zusammen mit der Amme und Hauslehrerin quasi selbst erzogen und Yamuru war sie der wichtigste und liebste Mensch der Familie. Es gab niemanden in Ngurrha, oder auf der ganzen Welt, der wichtiger war als Ngnhana, niemanden, den er mehr liebte als sie. Und sie beteuerte ihm jedes Mal, dass sie ihn ebenso liebte... wenn sie nicht gerade anderweitig zu tun hatte. „Warum darf ich nicht mit zu der Versammlung?! Alle gehen hin, ich bin der Erbe der Familie, Ngnhana!“ „Du bist noch ein Kind, Yamuru.“, widersprach seine Schwester mit einem bedauernden Lächeln, „Alle, die alt genug sind, kommen, Yamuru. Das schließt dich leider aus.“ Der Junge schmollte. „Ich bin schon acht!“ „Damit leider noch keine drei Hände voll alt, die dafür nötig wären.“, sagte sie und streichelte ihm den Kopf. Er hasste es irgendwie, wenn sie das machte, denn es war demütigend. Es war eine Geste, die hieß, dass er mal wieder zu klein dafür war und warten sollte, bis er älter wurde. Und er hasste es, wenn er zu klein war. Ngnhana war mit siebzehn schon erwachsen und sie war wichtig. Sie war eine begnadete Magierin und konnte wundervoll mit ihrer Reikyu und mit Eismagie umgehen – im Gegensatz zu Yamuru, der bei seinen Übungen immer eher ein Versager war. Was der Grund war, weshalb sein Vater ihn kaum bis nie beachtete... „Du ruinierst meine Frisur!“, meckerte der Kleine also beleidigt, als seine Schwester ihm den Kopf streichelte, und er schlug ihre Hand weg, worauf sie lachte. Mit einer Liebe und Sorgfalt, wie nur Ngnhana sie besaß, entfernte sie seine Haarnadel und richtete seinen Haarknoten von Neuem. Sie war die einzige, die das durfte – nicht mal die Amme ließ er an seine Haare, denn keiner konnte seinen Haarknoten so schön und sanft machen wie seine Schwester. Er errötete, als sie ihm die Frisur richtete, weil er sich jetzt blöd vorkam, sie angeschrien zu haben, wo sie doch so lieb zu ihm war. „Sei nicht zornig, Yamuru.“, flüsterte sie, sich zu ihm herab beugend, „Morgen habe ich wieder Zeit für dich. Diese Versammlung der Himmelclans ist sehr wichtig heute, sie alle kommen. Jamalis kommen, Chenoa Jchrrah kommt, unsere ganze Familie kommt ins Stammhaus. Es gibt Veränderungen in Himmel und Erde... du hast sie doch auch gespürt in deinen Träumen, Yamuru.“ Er nickte – das war es ja, deswegen wollte er so gerne mit dabei sein, wenn die Erwachsenen das alles besprachen! Er war nervös... in seinem Inneren sagte ihm etwas, dass es eine Veränderung geben würde, und zwar schon bald. Es war der Kälbermond des Jahres 989, kurz vor dem Ausbruch des Riesenvulkans, der halb Zuyya in die Luft sprengen und Millionen von Menschen töten sollte. Nachdem Ngnhana ihn abgespeist hatte, begegnete Yamuru auf dem Weg durch das Anwesen zu seinen Gemächern seinem Vater, Chihnii Mirrhtyi. Das Oberhaupt der Familie war ein groß gewachsener Mann mit wundervollen, langen violetten Haaren, die oberen davon auf seinem Kopf band er genau wie es alle in Ngurrha taten zum traditionellen Ngurrhaschen Haarknoten zusammen, der mit einer edel verzierten Haarnadel festgehalten wurde. Lange Haare galten als Schönheitsideal sowohl bei Männern als auch bei Frauen, Yamuru ärgerte sich manchmal, dass seine nur so knapp bis zu seinen Schultern reichten und einfach nicht länger wurden. „Vater.“, grüßte der Junge seinen Erzeuger ordnungsgemäß mit einer knappen Verneigung und Chihnii Mirrhtyi würdigte ihn keines Blickes. Er ging einfach weiter und Yamuru blieb stehen, irgendwie enttäuscht; andererseits, was hatte er erwartet? Seinem Vater war er egal, wenn nicht schlimmeres. Vermutlich hasste der ihn, weil er nutzlos war, weil er unbegabt im Zaubern und allem anderen war und weil bei seiner Geburt seine Mutter, des Vaters geliebte Ehefrau, gestorben war. Einmal hatte Yamuru ihn mit Ngnhana darüber sprechen gehört. Sie hatte versucht, den Vater zu bitten, sanfter zu ihm zu sein. Was der Vater darauf gesagt hatte, hatte sich tief in Yamurus Herz gebrannt und es fraß an ihm, jedes Mal, wenn er seinen Vater traf. „Ich wünschte, eure Plätze wären vertauscht... dass du der Sohn wärst, den ich brauche. Und dass Etsuya die Geburt überlebt hätte und das Baby gestorben wäre.“ Überraschend sprach der Mann ihn doch an und Yamuru fuhr vor Schreck herum, als er die dunkle, aber angenehme Stimme hörte. Angenehm, aber kalt und hart wie immer. „Was streunst du hier herum, Yamuru? Sei brav und lerne deine Lektionen der Alten Runen. Wir haben eine Besprechung und ich erwarte, dass wir nicht gestört werden. Und dass du deine Runen morgen kannst, wenn ich dich abfragen lasse.“ „Ja, Vater.“ Das war alles, was er von seinem Vater zu hören bekam. Lerne die Runen. Sei keine Schande. Übe, trainiere, sei eine Ehre. Er hörte nie Ich liebe dich, mein Sohn. Er hörte nie Ich bin stolz auf dich, mein Sohn. Er war es gewohnt... er war es nicht wert, Erbe Ngurrhas zu sein und einstmals die Sanhari zu tragen, das älteste und mächtigste Erbstück seines Clans, das nur derjenige tragen durfte, der das Oberhaupt war. Er lernte seine Runen nicht, denn er hasste Alte Runen, es gab nichts schlimmeres. Der Saal der Versammlung hatte an der Decke Fensterluken, die auf den oberen Korridor des Anwesens zeigten; die Klappen waren meistens offen, sodass der Junge ungestört vor den offenen Klappen sitzen und herunter sehen konnte auf die Versammlung, der er gerne beigewohnt hätte. Es gab so viel wichtigeres als die blöden Runen! Und durch das offene Fenster konnte er jedes Wort hören und jeden sehen. Die ganze Verwandtschaft war da, alle seine Onkel ersten bis sechsten Grades, seine Cousins ersten bis sechsten Grades, seine Neffen zweiten bis vierten Grades, seine Großonkel. Ein paar Frauen auch. Die Jamalis waren da; die Jamalis, der Clan des Nordreiches Okothahp, waren nur zwei Personen, von denen eine eigentlich eine Mirrhtyi war – Yamurus Tante Pavati, die jüngste Schwester seines Vaters. Ihr Gemahl war Akando Jamali, der letzte Erbe des Nordclans. Akando Jamali war ein seltsamer Kerl. Waldgrüne, kurze Haare hatte er und er hatte fast ständig eine Pfeife im Mund – Männer mit kurzen Haaren waren an sich nur die, die der Armee gedient hatten, und der Mann seiner Tante war tatsächlich ein Kader der Provinz gewesen einige Jahre. Damit hatte er zwar dem Imperium gedient – das Schlimmste überhaupt, was man als Angehöriger eines der vier Himmelclans tun konnte – aber er hatte es zum Schutz seiner Familie tun müssen, denn der Kaiser wusste genau, dass die vier ältesten und mächtigsten Clans der Zuyya nicht erfreut über seine Regentschaft waren. Yamuru fragte sich, ob sie planten, den Kaiser zu stürzen. „Katari zürnt uns, Chihnii.“, sagte Akando Jamali unten, stopfte irgendwelche Krümel in seine Pfeife und sah dann seinen Schwager an. „Entweder wir vernichten das verfluchte Imperium vor Beginn des Kirschmondes oder es wird uns sehr schlecht ergehen. Auf der anderen Seite des Himmels habe ich Tod und Schande gesehen, und es kommt sowohl von unten als auch von oben.“ Der Mann von Yamurus jüngster Tante war ein guter Seher. Ngnhana sagte, Akando würde aber nicht durch die Reikyu so viel sehen, sondern durch das komische Zeug, das er in seiner Pfeife rauchte, Yamuru verstand das nicht. „Wie soll das gehen?“, fragte Chihnii Mirrhtyi beunruhigt. „Keine Ahnung.“ „Wie sollen wir das Imperium so schnell vernichten?“, fragte einer von Yamurus Onkeln, „Das wird nicht möglich sein, Jamali, ihr seid immerhin diejenigen, die schon zweimal versucht haben, die Vier Reiche wieder aufzubauen, als eure Vorfahren einst Kaiser waren! Und sie sind gescheitert.“ „Es funktioniert selten mit Gewalt.“, entgegnete der Herr von Okothahp scharfsinnig. „Wir müssen rasch sein, Genossen. Was immer Katari vorhat, es wird verheerend sein, und es kommt rasch.“ Yamuru spürte sein Herz klopfen – das klang schlimm. Dass es richtig schlimm war, wusste er, als Chenoa sprach. Chenoa Jchrrah, die einzige Überlebende des Clans des Südreiches Yamxieh, war unvergleichbar schön. Er war erst acht, er verstand nicht so viel von Frauen, aber er wusste, dass sie bildschön war, und dass viele erwachsene Männer das ebenso sahen. Dennoch war Chenoa unverheiratet, es hieß aber, dass all die Männer, die sie begehrten, trotzdem mal eine Chance bekämen, so zu tun, als wäre sie ihre Frau... was immer das heißen mochte. „Kataris Strafe wird die Zuyya vernichten.“, sagte sie dann und lenkte so die Aufmerksamkeit aller auf sich. „Ich habe es gesehen. Wir werden fliehen mit der Tari Randora und die Trias suchen, das ist unser Schicksal.“ „Und was wird aus Oola Ar-Khajh und ihrem Sohn?“ „Sie haben andere Möglichkeiten. Wenn wir nicht die Tari Randora nehmen, wird sie vielleicht vernichtet und dann sind wir verloren. Es war mein Vater, der sie gebaut hat, und sie dient nur diesem Zweck.“ Die anderen sahen Chenoa eine Weile an. Dann sprach Yamurus Vater. „Chenoa hat immer recht!“, sagte er ernst. „Und sie spricht klug, wenn sie Flucht sagt. Das verdammte Imperium wird auch ohne uns zum Himmelsdonner gehen.“ Er erntete zustimmendes Gemurmel. „Wann, Chenoa?“ „In einer Woche.“, sagte die Weise Frau kalt, „Dann beginnt der Kirschmond. Länger können wir nicht warten.“ Thira unterbrach ihren Cousin mit einer Handbewegung. „Was wurde denn aus Ar-Khajhs?“, fragte sie, „Die Leute vom Ostclan sind nicht dabei gewesen, als ihr das geplant habt?“ Yamuru schüttelte den Kopf. „Der Kaiser hat sie so sehr reduziert, dass nur noch die Alte und Kwok übrig waren – Kwok ist im selben Jahr geboren wie ich, er ist ihr jüngster Sohn. Den Vater und die beiden älteren Kinder ließ der Imperator hinrichten, und er hat ihr gedroht, wenn sie es wagt, sich auch nur mit einem Wort dem Imperium zu widersetzen, würde er ihr auch den letzten Sohn nehmen. Sie hat gespurt. Vermutlich haben sie die zwei beschatten lassen, sie hatten keine Möglichkeit, mit uns anderen Kontakt aufzunehmen.“ Thira sagte nichts, nickte dann aber. „Und was ist aus Kwok Ar-Khajh und seiner Mutter geworden? Sind sie auf Zuyya?“ Er sah sie kurz an. „Keine Ahnung, ob sie noch leben.“, meinte er kaltblütig. Es scherte ihn im Moment nicht – er log sie an, denn er wusste sehr gut, dass sie beide am Leben waren. Und er mochte den jungen Erben des Ostclans nicht so richtig, obwohl er ihn niemals getroffen hatte... er konnte nicht erklären, wieso. „Was haben sie gemacht?“, wollte Thira wissen, „Sie haben es durchgezogen... aber sie müssen gescheitert sein, denn der Tag des Vulkanausbruchs war der, an dem ich nach Tharr geschickt wurde. An dem meine Eltern verhaftet und dann später hingerichtet wurden... niemand hat die Tari Randora benutzt.“ Er nickte. „Genau so ist es. Niemand hat die Tari Randora benutzt... und das Land war pures Feuer und Verderben.“ Der Tag, an dem Katari die Welt in Stücke riss, brannte sich in Yamurus Gedächtnis ein für immer, das wusste er schon in dem Moment, in dem noch alles geschah, in dem er zusammen mit Ngnhana und vielen seiner Tanten und Cousinen ersten bis wie-auch-immer-vielten Grades Ahrgul erreichte, das Herz des Imperiums. Er konnte kaum denken, weil alles voller Feuer und Lärm war, er sah Menschen schreiend durch die Stadt rennen, hinein, hinaus, in alle Richtungen, er sah die Garden des Imperators, die hochrangigen Generäle und Soldaten und Kader, völlig die Kontrolle über die Panik im Volk verlieren, und Yamuru wusste, als er die schreienden, fliehenden Menschen sah, als er die bebende Erde unter seinen Füßen spürte und das Feuer vom Himmel regnen sah, dass die Welt untergehen würde. Das war Kataris Strafe an die Zuyya, von der die Erwachsenen auf der Versammlung gesprochen hatten. Ngnhana packte ihn an der kleinen Hand und zerrte an ihm. „Trödele nicht, Yamuru!“, rief sie, „Wir müssen uns beeilen! Wenn die Krieger von unserer Familie und Akando Jamali die Tari Randora gesichert und bereit gemacht haben, werden wir alle zum Hohen Berg rennen und fliehen! Hast du mich verstanden? Egal, was auch geschieht, bleib auf jeden Fall hinter mir!“ Er konnte kaum atmen. Die Luft war heiß und voller Tod, als seine Schwester ihn im Eilschritt durch die panikende Stadt riss, um sie herum alle Tanten und Cousinen und kleineren Kinder des Clans. Bei ihnen waren kaum erwachsene Männer, die meisten davon waren als Krieger voraus gegangen, um die Garden des Kaisers zu erschlagen, die die Tari Randora bewachen sollten. Ngnhana hatte ihm erzählt, dass alles geplant war – während die Männer sich durchkämpften, hatten die Frauen und Kinder der Himmelclans später freie Bahn zum Raumschiff, das sie alle retten sollte. Auf dem Weg dahin wurde jeder Soldat des Imperiums, der versuchte, sie aufzuhalten, erschlagen, soweit es ging. Yamuru sah auch von seinen Cousinen und Tanten welche im Kampf niedergemetzelt werden, er hatte keine Zeit und keine Nerven, das zu bedauern. Alles war aus Feuer und in ihm war eine blinde Panik, die es ihm schwer fallen ließ, irgendetwas anderes als sie wahrzunehmen – und Ngnhanas Hand in seiner, die seine fest umklammerte. Sie würde ihn beschützen, das wusste er – und er hatte trotzdem panische Angst. Seine Schwester hielt an, gemeinsam mit dem Pulk aus Menschen, die von ihrem Clan zusammen mit ihnen nach Ahrgul gekommen waren. Dann fuhr ein Schreien durch die Menge und Yamuru erkannte erst wieso, als von vorne einer seiner Onkel zweiten Grades auf sie zu gerannt kam, eilig, erschrocken, und er winkte mit den Armen. „Verschwindet!“, schrie er, „Es hat nicht geklappt, man hat uns verraten! D-der Kaiser wusste Bescheid, sie haben die Kämpfer auf dem Hohen Berg niedergemetzelt, fast keiner konnte entkommen, lauft! Lauft, die Tari Randora wird uns nicht überlassen, vergesst den Plan! Lauf-...!“ Er wurde im Satz abgeschnitten – wortwörtlich, denn als nächstes flog sein Kopf von seinem Hals und der enthauptete Körper stürzte vor Ngnhanas Füße. Sie keuchte und fuhr zurück, stieß Yamuru rückwärts; und er konnte die Soldaten des Imperiums sehen, die dem Onkel gefolgt waren und sich jetzt auf sie stürzten. Sie konnten nicht fliehen, denn sie waren schneller umzingelt als die Frauen und wenigen Männer begreifen konnten, wie der Plan hatte scheitern können. Yamuru wurde von einem Kerl gepackt und von Ngnhanas Arm losgerissen. Er schrie nach ihr, aber dann wurde er von dem Soldaten zu Boden geschlagen und spuckte Blut; irgendetwas in seinem Arm knackte, als er mit brutaler Gewalt auf die steinernen Straßen Ahrguls geschmettert wurde, und kurz war ihm schwarz vor Augen – als er wieder sehen konnte, war vor ihm seine einzige Cousine, die nicht Mirrhtyi hieß. Sie war Tante Pavatis Tochter, die einzige Tochter von Akando Jamali, und ihre grünen Haare zeichneten sie; das kleine Mädchen, kaum fünf Sommer alt, sah ihn nicht mal, es schrie nach seiner Mutter und wurde von einem der Soldaten gepackt und zurück geschubst. Weiter denken konnte der Junge nicht, denn während er noch am Boden lag, erklang plötzlich die donnernde, gewaltige Stimme des Mannes, der die Macht hatte, das alles hier sofort zu beenden. „Halt, sagte ich!“ Die Kader gehorchten und standen stramm, in ihrer Mitte die Gruppe aus hauptsächlich Frauen und Kindern der Mirrhtyis – die einzigen Jamalis unter ihnen waren Tante Pavati und ihre kleine Tochter. Yamuru sah seine Tante, die sich bebend nach ihrer benommenen Kleinen bückte, und es war in dem Moment, dass er wusste, dass Akando Jamali oben auf dem Berg erschlagen oder zumindest gefangen worden sein musste. Und gefangen war so gut wie erschlagen, denn von ihrer Sorte würde der Kaiser, der jetzt in den Kreis seiner Soldaten trat, niemanden übrig lassen. Ngnhana zerrte Yamuru auf die Beine und schubste ihn hinter sich. Er fragte sich, ob sein Vater auch gefangen oder tot war. „Ihr lehnt euch gegen mein Regime auf – gegen das Regime des Imperiums, nicht das meiner Person – seit die Ära eurer Vorfahren vorbei ist.“, schnarrte der Kaiser und Yamuru hustete, weil er Rauch eingeatmet hatte. Um ihn herum brannte das Land. Um sie herum schrien immer noch Menschen und die Welt ging unter – und der Imperator hatte alle Ruhe und Zeit der Welt, hier noch über Blasphemie zu reden. „Aber eine derart offene... Herausforderung bin ich ehrlich gesagt nicht... gewohnt von euch, Mirrhtyis. Die Tari Randora, das Geschenk Kataris, ist ein Heiligtum des Imperiums und eine Insignie der Glorie – allein die Gedanken daran, sie zu stehlen, sollten euch alle pfählen lassen für eure... Blasphemie, euer Vergehen an Katari selbst, dem Schöpfer unserer Welt!“ Ngnhana spuckte dem Imperator vor die Füße und Yamuru bewunderte sie für ihren Mut – in dem Moment, in dem der Kaiser seine Schwester voller Bosheit und Zorn anstierte, wusste er, Ngnhana würde für diese Frechheit einen grausamen Tod sterben. Noch heute Nacht. „Blasphemie, sagt er!“, rief sie und die Verwandten murmelten zustimmend, „Wir, die Erben der Vier Himmelclans, sind die Kinder Kataris – wer übt sich denn hier in Blasphemie, dass er Kataris Kindern die Köpfe abschlagen lässt in purem Wahnsinn?!“ Die Verwandten riefen laut, stimmten ihr zu – manche sprachen laut miteinander. „Wie konnte er es überhaupt erfahren?! Sollte Chenoa sich nicht darum kümmern, dass er abgelenkt ist, sollte sie nicht als seine persönliche Beraterin die beste Position haben, um ihn aufzuhalten, damit wir freie Bahn haben?“ „W-was ist schief gelaufen?!“ „Wie kann es angehen, dass Chenoa versagt hat? Sie ist doch Chenoa, sie kann alles!“ Yamuru fragte sich das auch – aber nur einen Moment, denn dann tauchte Chenoa hinter dem Imperator auf. Und augenblicklich verstummten alle Gespräche, alle Stimmen. Selbst das Dröhnen des Himmels, selbst das tödliche Feuer und das Beben schienen einen Moment lang die Luft anzuhalten... und Yamuru sah im Gesicht der Weisen Frau keinerlei Barmherzigkeit, keinerlei Güte. „Das Schicksal... der Vier Reiche liegt nicht in meinen Händen.“, sagte sie mit einer Stimme, die nicht menschlich klang – nicht einmal sterblich, und Yamuru fürchtete sich vor ihrer Stimme, vor ihrem so entsetzlich schönen Anblick, denn der Eindruck war einfach zu mächtig. Er taumelte und Ngnhana hielt ihn am Arm fest, als sie rückwärts trat. Sie zitterte. „Du hast... uns verraten, Chenoa!“, keuchte sie, „Du hast nichts gemacht... um ihn aufzuhalten, oder? Und du hast gewusst, wir würden ins offene Messer laufen!“ Chenoa sagte nichts, aber allein ihr Anblick und wie sie in einer unmenschlichen, gnadenlosen Kälte das bildschöne Gesicht empor reckte, war Antwort genug. Ngnhana schrie. „Bringt sie alle um! Lauft – wenn ihr könnt!“ Es war ein Signal zum Angriff und der erfolgte direkt darauf. Plötzlich schossen Yamuru Feuer- und Eiszauber um die Ohren, er sah das Blitzlicht von Reikyus, gleichzeitig bebte die Erde mit einem wütenden Brüllen und mit einem ohrenbetäubenden Lärm krachte ein brennender Felsbrocken von der Größe eines Palastes auf die Stadt. Yamuru spürte, dass er gepackt und herum geschleudert wurde, es ging alles zu schnell. Die Gruppe löste sich auf, durchbrach die Umzingelung. Der Kaiser tobte. Was war mit Chenoa? Er hatte noch immer ihr kaltes, herzloses Gesicht vor Augen und ihm wurde kalt, als er daran dachte, dass diese Frau sie alle verraten hatte – und Schuld war an den Toden so vieler am heutigen Tag, wenn es wahr war. Er wusste nicht mehr, wann es vorüber war... irgendwann hörte die Erde auf zu Beben und das Herabfallen von Feuer, Lava und Steinen aus dem Himmel ließ nach. Es war laut um ihn herum, als er auf dem Boden lag und irgendetwas Weiches auf ihm. Yamuru wurde sich erst bewusst, dass es Ngnhana war, die auf ihm lag, als sie über ihm keuchte und sich zitternd aufzurichten versuchte. „N-...Ngnhana!“, schrie er panisch, „W-was hast du, bist du verletzt?! Sind sie weg?!“ „Shht...“, keuchte sie, „Beweg dich... n-nicht, Yamuru. Die Kader sind fort... offenbar ist dem Kaiser doch wichtiger... sich selbst vor dem In-...ah... Inferno zu retten-...“ Sie keuchte und Yamuru starrte sie panisch an. Sie presste sich die Hand auf den Bauch und er sah, dass sie blutete. Ohne ein Halten fing er an zu weinen, er wollte nach ihr tasten, aber in seinem vermutlich gebrochenen Arm pochte bei der bloßen Bewegung seiner Hand ein so übler Schmerz, dass er aufschreien musste. Ngnhana setzte sich keuchend auf und Yamuru kam mühsam ebenfalls zum Sitzen. Der Schmerz betäubte ihn und er wimmerte, als seine Schwester heftig atmend nach seinem Arm fasste. „Shht... nicht weinen. Er ist gebrochen, das... das müssen wir... schienen...“ Sie lächelte, während sie sprach, aber aus ihren Augen quollen Tränen, die über ihre mit Blut und Schmutz verschmierten Wangen rannen. Um sie herum lagen Yamurus Verwandte, zerstückelt, verbrannt, erschlagen. Tanten, Cousinen, Cousins, sie alle gleichermaßen. Er konnte Tante Pavati und die kleine Thira nicht sehen – manche hatten es offenbar geschafft zu fliehen. Oder waren eine Ecke weiter von des Kaisers Soldaten eingeholt und geschlachtet worden. Um sie herum war ein Chaos der Verwüstung und Zerstörung... von der prächtigen Stadt war kaum etwas übrig und immer noch rannten die Menschen panisch umher, schrien, weinten um die Toten, flehten Katari um Gnade an. In Yamurus Kopf pochte es. Seine Schwester sackte in sich zusammen und ihr Kopf kippte gegen seinen Bauch. Er weinte. Ngnhanas Finger krallten sich in seinen Unterarm und sie zitterte, als sie wieder lag und den Kopf heftig atmend zur Seite drehte. „Versprich mir etwas...“, flüsterte sie, „Yamuru... bitte. Sieh mich an.“ Er wimmerte und sie hob die Hand bebend, streckte sie nach seinem Gesicht aus. Er sah in ihre purpurnen Augen und erkannte den Schmerz darin... nicht den Schmerz der Wunde, sondern den des Abschieds. „Mein süßer... kleiner Yamuru. Ich war dir... keine gute Mutter. Ich war dir... alles, was ich sein konnte. Versprich mir, dass... du weiterlebst, ja? Du wirst leben für... f-für die Familie und... für dich selbst, Yamuru. Versprich es mir... lebe. Egal wie. Lebe.“ „Aber du... du wirst doch bei mir sein!“, wimmerte er und sie sah ihn an und lächelte; ihre Hand sank zu Boden. Er wusste, dass sie sterben würde... und es brach ihm das Herz, denn ohne seine Schwester war er verloren. „Ich werde bei dir sein.“, flüsterte sie. „Auch, wenn du mich nicht sehen kannst. Ich werde… in deiner Seele weiterleben, Yamuru.“ Das waren die letzten Worte seiner Schwester. Er versprach ihr, was sie verlangt hatte, als sie die Augen für immer schloss. Thira starrte ihn an und er wusste, ihr Entsetzen galt weniger dem Tod seiner Schwester. „Chenoa hat uns nicht verraten!“, keuchte sie, „Wie kannst... wie kannst du das sagen?! Sie tut alles, was sie tut, für Khad-Arza, für die-...!“ „Jetzt mach mal halblang.“, unterbrach er sie forsch, „Ich sagte dir doch, Chenoa ist eine berechnende Hure. Sie hat uns verraten, du kannst es leugnen oder mir glauben, ich weiß, was ich gesehen und erlebt habe. Ich habe kürzlich darüber nachgedacht und möchte einräumen, dass es vielleicht... nur teilweise ihre Schuld ist. Ich komme später noch mal zu ihr zurück... Chenoa und mich verbindet eine Geschichte die etwas intensiver ist als dieser Augenblick im Inferno, glaub mir.“ Sie stierte ihn an, abschätzend, aber sie schwieg und duldete seine Worte. „Was ist mit deinem Vater passiert?“ „Mein Vater war am Leben. Er kam, nachdem Ngnhana tot war; er hatte als einer der wenigen vom Hohen Berg fliehen können und soweit ich bis heute weiß ist er der einzige, der das überhaupt überlebt hat. Was mit deinem Vater geschah weißt du, und mit deiner Mutter, nachdem sie dich in eine Fähre mit Fliehenden nach Tharr gestoßen hatte. Ich habe an dem Tag einfach alles verloren. Ngurrha war verbrannt, meine ganze Familie verreckt, die Welt lag im Sterben. Aber ich habe auch etwas gewonnen... seltsamerweise. Und zwar meinen Vater.“ Er machte eine Pause, um zu Atem zu kommen. „Er kam und fand mich in den Trümmern, und er nahm mich mit. Und ich weiß noch, wie glücklich ich war, ihn zu sehen... ich war noch nie in meinem Leben froh gewesen, diesen Mann zu sehen, für den ich nichts als eine unfähige Schande war. 'Ich bin froh, dass du da bist, Vater.', habe ich zu ihm gesagt, und er hat mich angesehen. 'Das hast du noch nie zu mir gesagt, denn ich war... ja nie für dich da, mein Sohn.' Das hat er gesagt und ich war glücklich... weil ich zum ersten Mal sein Sohn war.“ Die Flucht vor dem Kaiser führte sie nach Westen, immer weiter, und durch totes, verbranntes Land. Yamuru bekam nur sporadisch etwas von der Reise mit, denn sein gebrochener Arm schmerzte so wahnsinnig, dass er kaum etwas anderes im Kopf hatte als die Schmerzen. Sein Vater eilte ihm voraus und er musste ihm folgen, wenn er ihn nicht verlieren wollte. Aber sein Vater war auch angeschlagen, er machte oft langsamer für ihn, das wusste der Junge, und dann schämte er sich, dass er so nutzlos war und nicht mithalten konnte. Chihnii Mirrhtyi sprach kaum ein Wort, aber jetzt empfand Yamuru sein Schweigen als angenehm. Er wollte nicht sprechen. Wenn er nicht an seine Schmerzen dachte, dachte er an Ngnhana, die ihn mit ihrem Leben beschützt und für ihn gestorben war. Sie kam zu ihm in seinen Fieberträumen, wenn er zu schwach zum Weitergehen war und sein Vater ihn auf seinem Rücken trug. Sie rief nach ihm und Yamuru wollte ihr antworten, aber aus seiner Kehle kam kein Ton. „Halt durch.“, hörte er seinen Vater irgendwo in der fiebrigen Dunkelheit seiner Träume murmeln, und er spürte seine Hand schwer auf seiner glühenden Stirn ruhen. „Bitte, halt durch. Wir müssen fort, weit fort, so weit wir nur können. Der Imperator wird nicht dulden, dass wir noch leben, wenn der uns findet, sind wir erledigt... Ngurrha ist gefallen. Wir müssen unser Heimatland verlassen... und das so schnell wir nur können.“ Das war alles, was Yamuru von seinem Vater hörte, manchmal, wenn er bei Bewusstsein war – und das wurde immer seltener, je länger sie unterwegs waren. Er hatte kein Zeitgefühl mehr und er wusste nicht, wie lange sie gebraucht hatten, bis sie zum ersten Mal in ihrer Odyssee nach Westen auf Menschen trafen. Er hatte mitbekommen, dass sie das Meer überquert hatten, aber er wusste nicht, was hinter dem Meer sein sollte. Wo waren sie gelandet, wenn sie das Meer überquert hatten und jetzt an Land waren? Wie weit waren sie von Ngurrha weg, ihrer Heimat, ihrem Anwesen... von Ngnhana? „Ngnhana... ich vermisse dich so sehr.“, murmelte der Junge, und er spürte die betäubenden, brutalen Schmerzen, die sich inzwischen nicht nur in seinem Arm, sondern überall in ihm befanden, und wie sein Vater ihn an sich presste. Es verschlimmerte die Schmerzen und ein heißer Stich ging durch Yamurus Körper. Er dachte, er würde schreien, aber vermutlich stöhnte er nur, weil er keine Kraft zum Schreien hatte. „Bitte helft uns, ich flehe euch an!“, hörte er den Vater dumpf, weit weg, irgendwo sagen. Warum klang er so weit weg, wenn er ihn doch gegen seine warme Brust presste? Als Yamurus Bewusstsein endgültig seinen Dienst versagte, war das Letzte, das er wahrnehmen konnte, die Hand eines Fremden, die auf sein Gesicht zukam und ihn an der Stirn berührte. Dann war es dunkel. Als er erwachte, fand er sich auf einer Bastmatte liegend, mit einer kratzigen Decke zugedeckt. Die Schmerzen waren fast weg und sein Kopf fühlte sich komisch an, wieso, konnte er nicht erklären. Er hatte keinen Schimmer, wo er war und er setzte sich desorientiert auf – da fing er die Aufmerksamkeit von zwei Kindern, einem Jungen mit flammend roten Haaren und einem kleinen Mädchen mit rosa Zöpfen, die an der komischen Matte knieten, auf der er jetzt saß. Sein Arm war verbunden worden und er trug keine zerfetzte, blutige Kleidung mehr – genau genommen trug er gar keine Kleidung und keuchend riss er die widerlich kratzige Decke wieder höher über seine entblößte Brust. „Wo bin ich?! Wer seid ihr, w-was... was ist hier los?!“, pflaumte er die fremden Kinder ungehalten an – das hier war nicht Ngurrha. Die Einrichtung war schlicht, wenn nicht gar barbarisch, das hier war eine Art kleiner Verschlag. An den lehmigen Wänden stapelten sich Töpfe, Krüge, Gefäße und Säcke, es gab einen Vorhang, der wohl eine Tür ersetzte, und keine Fenster. „Langsam, Bursche.“, sagte der Junge zu ihm; er war etwas größer als Yamuru und musste knapp älter sein. „Du bist in Sicherheit und dein Fieber ist weg. Alles wird gut! Ich bin Shihaya, das ist meine kleine Schwester, Rymhah. Unsere Mutter hat dich verarztet, weil dein Vater sie darum gebeten hat.“ „Deine Mutter? Was, wie, w-wo sind wir denn?!“, schrie Yamuru panisch und irgendwas an seiner Stirn störte ihn. Die beiden neben ihm waren schlicht gekleidet – oh, Katari, das waren Bettler, garantiert! Schäbige, dreckige Obdachlose, und von solchen ließ er sich verarzten?! Er war ein Prinz von Ngurrha, wie konnte er nur so tief sinken? „Wir sind in Rayiya.“, lachte Shihaya, oder wie er hieß, „Also, in dem, was von dem Land übrig ist nach der Explosion. Können von echt großem Glück reden, dass wir überlebt haben, um uns herum ist alles in die Luft geflogen. Das ist ein Zeichen von Katari, genau. Er sprengt des Kaisers Ländereien, aber nicht unser Quartier, na, wenn das kein Omen ist.“ Yamuru verstand nichts von dem, was der Kerl sagte – er fasste nach seiner Stirn, um zu prüfen, was ihn da so störte, und er fand Haarsträhnen, die ihm ins Gesicht hingen. Es waren seine eigenen... wieso waren da Haarsträhnen? Und vor allem, warum so kurz, dass sie ihm auf die Stirn hingen? Ein gellender Schrei ließ Shihaya und Rymhah zurückfahren, als Yamuru auf seinen Kopf fasste. „M-meine... meine Haare!“, kreischte er aufgebracht, als er plötzlich bemerkte, was passiert war. „Mein Haarknoten, w-wo ist mein Haarknoten?! Wo sind meine Haare?!“ Er sprang auf und plötzlich war ihm egal, dass er splitternackt war und diese Barbaren seine nackte Haut sehen konnten. Er rannte zu einem der riesigen Töpfe aus Messing oder Kupfer, darin sah er sich verschwommen gespiegelt. Seine Haare waren ruiniert! Diese Barbaren hatten seine schönen Haare abgeschnitten, jetzt war auf seinem Kopf nur noch ein Durcheinander aus violetten Fransen, die nicht mal mehr ernsthaft seine Ohren bedecken konnten, so schrecklich kurz waren sie. „Was... was habt ihr Bastarde getan?!“, fluchte er und fuhr wütend herum, „Was habt ihr verfluchten, verdammten-...?!“ Er wurde unterbrochen, als der Vorhang, der die Tür war, aufgezogen wurde und da eine Frau stand. Sie hatte die gleichen Haare wie Rymhah, vermutlich war das die Mutter. „Ach, er ist wach!“, lächelte sie freundlich, „Du solltest lieber noch liegen bleiben, Yamuru, deine Verletzung und das Fieber haben dich sehr schwach gemacht...“ „Ihr Barbaren!“, flennte der Junge, „Meine Haare, ihr habt meine Haare abgeschnitten, ihr elenden...!“ „Das haben sie getan, weil ich es angeordnet habe, Yamuru... es war nötig, mein Sohn.“ Er erkannte Chihnii Mirrhtyis Stimme – aber er hätte seinen Vater beinahe nicht erkannt, denn dessen Haare waren auch verschwunden und fast genauso kurz wie seine eigenen. Kein Haarknoten, keine edlen, gepflegten, langen Haare wie es schön war in Ngurrha... nur Fransen. Yamuru heulte und warf sich an Vaters Beine, der Mann seufzte und strich ihm über die hässlichen Fransen. „Was hat er denn bloß?“, fragte Rymhah, das Mädchen, im Hintergrund scheu, „Ich finde, er sieht viel hübscher aus so als mit seinem komischen Zopf...“ „Deine Haare sind ja auch weg, Vater!“, flennte der Junge, immer noch nackt, und sein Vater seufzte erneut. „Ja, das ist nötig, Sohn. Wir sind nicht mehr in Ngurrha, Ngurrha ist gefallen. Niemand vom Clan is übrig außer dir und mir... und wir sind hier freundlich aufgenommen worden. Wir sind hier keine Herren, Yamuru, wir sind zwei von vielen, genauso viel oder wenig wert wie alle hier. Genau wie alle... Feinde des Kaisers, Geächtete des Imperiums. Nicht mehr. Deswegen gibt es keine Extrawürste mit Frisuren mehr.“ Die Nachricht schockierte ihn irgendwie; er löste sich von seines Vaters Beinen und sah die beiden Kinder und dann die Frau an, die lächelte. „Was... w-was ist das für ein Ort, Vater?“ „Ein Quartier einer Rebellengruppe.“, antwortete Chihnii Mirrhtyi ernst. „Nichts besseres hätten wir finden können – diese Menschen stammen aus hunderten Familien, aus vielen Ländern, und sie haben sich hier zusammengetan, um gegen den Kaiser zu kämpfen. Und da auf unsere Köpfe – oder wenigstens meinen – sicher ein Lohn ausgesetzt ist, ist es das, wozu ich berufen wurde, Yamuru, und du ebenso. Wir sind eine Kämpferfamilie... uns wurde zwar unser Land genommen, unser Titel, unsere Familie. Aber niemand nimmt einem Mirrhtyi seinen Kampfgeist. Ich habe beschlossen, diesen Rebellen zu helfen im Kampf gegen das Imperium... es wird untergehen, das ist unbestreitbar. Wenn es einen Weg gibt, Kataris Zorn zu besänftigen, dann diesen... das Imperium zu zermalmen für das, was es den wahren Kindern Kataris angetan hat.“ Yamuru starrte seinen Vater an, und was er sagte klang gut... alles, was den Kaiser hasste, war gut! Er sah entschuldigend zu den beiden Kindern, de er zuvor angeschrien hatte, und errötete, als ihm einfiel, dass er immer noch nackt war. Was niemanden zu kümmern schien, ihn aber trotzdem beschämte. „Der Kaiser hat meine Schwester ermorden lassen.“, murmelte Yamuru, „Und so viele andere.“ Shihaya lächelte ihn verständnisvoll an. „Ich weiß. Er hat meinen Vater auch ermorden lassen vor ein paar Jahren. Mein Onkel Quaias führt diese Rebellengruppe an. Wenn ich groß bin, werde ich ihr Anführer, dann werde ich meinen Vater rächen. Und die Millionen anderen Menschen, die das Imperium sinnlos geschlachtet hat.“ Yamuru fand, das war eine gute Sache... er würde Ngnhana genauso rächen, wenn er groß war. Thira sah ihn einen Moment an. „Dann bist du... bei den Rebellen aufgewachsen seitdem?“, fragte sie und Yamuru nickte. „Ich habe bei ihnen gelebt bis der Ela-Ri-Krieg kam auf Tharr. Vom Land Rayiya ist nach dem Vulkanausbruch nicht viel übrig geblieben, es war eine recht große Insel, auf der das Quartier stand. Meistens haben sie die Provinzkader angegriffen, die Jawohlmänner des Kaisers, die im ganzen Imperium postiert waren und seine Interessen verfochten. Die Rebellen waren keine gnädigen Menschen, sie waren radikal in dem, was sie taten, erwarte also nicht die ultimativen Gutmenschen. Sie kämpften für ihre Freiheit, teilweise für die Rache an denen, die ihre Familien und Besitztümer geschlachtet hatten... als die Gletscher nach Rayiya kamen, sind sie weiter nach Süden geflohen. Ich war damals schon nicht mehr bei ihnen, aber meine Reikyu hat mir gezeigt, dass sie zumindest noch unbeschadet waren, als wir Zuyya verlassen haben.“ Seine Cousine sah auf den Boden. „Was ist aus Shihaya und Rymhah geworden?“ „Shihaya wurde mir ein guter Freund, vielleicht der beste und einzige, den ich je hatte. Dasselbe... na ja, quasi, gilt für Rymhah. Hat mir leid getan, die beiden und auch Quaias, ihren Onkel, zurückzulassen, sie waren wundervolle Menschen.“ „Hattest du was mit dieser Rymhah?“ Die Frage überraschte Yamuru nicht ernsthaft – mehr aber der bissige Unterton in Thiras Stimme. Er schmunzelte. „...willst du das wirklich wissen?“ „Das heißt wohl Ja.“ „Ich denke, du hasst mich und denkst, ich würde dich sowieso bloß benutzen? Warum dann die Eifersucht, Thira?“, neckte er sie und sie schenkte ihm einen Mörderblick, für den er sie am liebsten noch einmal genommen hätte, jetzt sofort. Sie erregte ihn, wenn sie so guckte und er in ihrer Seele eindeutig das pulsierende Verlangen sehen konnte, das sie gerade zu verstecken versuchte. „Ich bringe dich um, du Armleuchter.“ Die Welt war in den Schatten gefallen, seit die Explosion gewesen war. Asche und Qualm verdeckten fortan die Sonne und der ewige Winter begann auf Zuyya. Dass es Zuyyas letzter Winter sein sollte, dass es Zuyyas Ende einläuten sollte, wusste Yamuru damals nicht... er wuchs zum Mann heran und jedes Jahr hoffte er, genau wie so viele andere, dass sich die Asche wieder auflösen und die Sonne wieder freigeben würde. Aber Katari erhörte ihre Gebete nicht und es blieb Winter. Es war das Jahr, in dem Yamuru siebzehn geworden war, in dem die Imperialisten das Quartier der Rebellen in Rayiya fanden. Die Hauptarbeit der Rebellen, die sich nicht an den Staatsstreichen und Überfällen auf die Kader beteiligten, galt dem Schutz der Insel, die sie bewohnten. Doch sie konnten so viele Wachen aufstellen, wie sie wollten, dass der Kaiser sie eines Tages entdecken würde war vorprogrammiert gewesen; als sie dann kamen, war es zwar nicht unerwartet, aber dennoch machte es allen Angst. Alle hatten befürchtet, dass das Lager früher oder später gefunden würde, aber mit dem Aufmarsch, den der Kaiser ihnen bot, hatten sie nicht gerechnet. „Schiffe?“, machte Quaias der Rebellenführer entsetzt, als die Späher von der Küste gerannt kamen, um Bericht zu erstatten. „Tausende.“, keuchte einer von ihnen. „Eine ganze Armada von ihnen, Quaias. Sie haben das Quartier entdeckt, das ist sicher… und sie kommen nur, um uns alle dem Erdboden gleich zu machen! Sie kommen von überall her, das ganze Meer ist voll von ihnen!“ Die anderen starrten die Späher fassungslos an, Quaias erbleichte, ebenso tat es Chihnii Mirrhtyi. Yamuru sagte kein Wort, während er neben Shihaya und Rymhah im Hintergrund stand und mit anhörte, was die Späher berichteten. Das war ihr Untergang – und er konnte tief in seinem Inneren mit Hilfe der Reikyu spüren, dass sie Tod und Verderben erwartete... sie alle. „Das können wir nie aufhalten.“, war Quaias‘ Kommentar, und die anderen sahen sich beunruhigt an. Rymhah schlug die Hände vor ihren Mund. „D-das heißt, wir werden alle…?!“ „Nein, niemand stirbt.“, sagte Quaias, „Wir fliehen durch den Tunnel auf die andere Insel. Rasch, packt das Nötigste zusammen und wir brechen sofort auf, ehe sie hier landen! Los doch!“ Nach seinem Schrei brachen Hektik und Panik aus im Lager. Die Menschen rannten durcheinander, sammelten ihre wichtigsten Sachen, Lebensmittel und die kleinen Kinder ein. Quaias beauftragte seinen Neffen Shihaya damit, die Menschen durch den Tunnel zu führen. Schon vor langer Zeit hatten sie einen Tunnel gebaut, der ihr einziger Fluchtweg aus dem Quartier war. Er führte zu einem anderen Flecken des Landes Rayiya; bei der Explosion war ein Teil der Landoberfläche über diesem Fluchtweg weggefegt worden, sodass er jetzt halb unter Wasser lag. Die ersten waren gerade in den Tunnel gerannt, als plötzlich ein ohrenbetäubendes Krachen die Luft erfüllte und die, die noch draußen waren, herumfuhren. „Sie greifen an!“, rief Quaias, „Schnell, lauft! Ich gehe zuletzt und vernichte das Quartier von hier aus, damit sie den Tunnel nicht finden und uns nicht folgen! Lauft, rasch!“ „Aber was wird aus dir?!“, rief Yamuru und etwas in ihm schlug Alarm, als er in Quaias' verhärtetes Gesicht sah. Der Mann war tapfer, mutig und ein guter Anführer. In den Jahren, die er hier gelebt hatte, hatte Quaias oft gemeinsam mit Yamurus Vater viele Staatsstreiche geführt... er war ein guter Mann, es wäre schlimm, würde er umkommen. „Du könntest dabei sterben oder sie erwischen dich!“ „Pff!“, machte Quaias, „Du rennst jetzt auch – hey, wo willst du denn hin?!“ Letzteres galt nicht Yamuru, sondern seinem Vater, der plötzlich vor Quaias trat. Er hatte die Sanhari gezogen. Und Yamuru starrte seinen Vater an, inzwischen mit ihm und Quaias der letzte im alten Quartier, während das Volk durch den Tunnel floh, und er spürte das Gefühl von nahendem Tod und Verderben erneut, dieses Mal heftiger, schmerzhafter. Er keuchte und wusste genau, was sein Vater vorhatte... und er brachte kein Wort heraus, er konnte nur starren in das noch immer nicht recht alte Antlitz seines Vaters, der ihn als Kind so verabscheut hatte. Der ihn alles gelehrt hatte, den Umgang mit Waffen, den Umgang mit Magie, den Umgang mit der Reikyu. „Das tust du nicht, Vater!“, war alles, was er hervorbrachte, und er wusste, dass es ungehörig war für einen Sohn, der noch nicht mal verheiratet war, so mit seinem Vater zu sprechen. Chihnii Mirrhtyi würdigte ihn keines Blickes und sprach zu Quaias. „Ich beherrsche das Eis. Wenn sie über das Wasser kommen, ist das für mich von Vorteil. Ich habe viel bessere Möglichkeiten sie zu töten als du. Außerdem…“ Und jetzt verfinsterte sich sein Gesicht zu einer furchteinflößenden Grimasse, die Yamuru erstarren ließ; etwas veränderte sich in seinem Vater, das spürte er. Er konnte es nicht beschreiben, aber es war da. „Außerdem habe ich lange schon auf den Tag gewartet, an dem ich mich beim Kaiser erkenntlich zeigen kann dafür, dass er… vor Jahren meine gesamte Familie ausgelöscht hat!“ Er fuhr herum und Yamuru starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an, ebenso wie Quaias. „Sohn! Ab jetzt… wirst du das Oberhaupt des Mirrhtyi-Clans sein. Und du wirst es mit Stolz und unserer Familie ein würdiger Erbe sein. Das sind keine Anforderungen eines Vaters an seinen Sohn, das… sind Fakten.“ Yamuru fand seine Sprach wieder und schrie ihn an. „D-das kannst du nicht, Vater! I-ich will das nicht, ich lasse nicht zu, dass du-...!“ Er wurde unterbrochen – erstaunlicherweise dadurch, dass sein Vater ihm die Sanhari gab, das wertvollste Familienerbstück, das Schwert des Clanoberhauptes. Er starrte auf die Waffe und Chihnii Mirrhtyi zischte. „Nimm sie, Yamuru!“, fuhr er ihn an, „Das Oberhaupt trägt die Sanhari – ich werde sie nicht mehr brauchen. Nimm sie und verehre sie, wie sie von den Ahnen verehrt wurde!“ „Du darfst nicht sterben, Vater!“, schrie Yamuru panisch, als er gegen seinen Willen die Waffe ergriff, die sein Vater ihm gab, der ihm den Rücken zukehrte. Er hob die Hände und Yamuru stutzte, als er zusah, wie sein Vater aus seiner Tasche eine alte Haarnadel zog und seine inzwischen wieder recht langen Haare zum traditionellen Haarknoten band. „Wenn ich sterbe, dann als Herrscher von Ngurrha, auch wenn ich weit weg von meinem Land bin.“, gab er zu hören, „Und die Ahnen werden mich sehen und stolz sein. Ich wünschte, ich wäre dir ein besserer Vater gewesen. Wir waren nicht immer derselben Meinung, aber… ich möchte dir noch eines sagen, bevor ich gehe. Ich habe mir… niemals wirklich gewünscht, dein Platz und der deiner Mutter wären vertauscht. All das war… Kataris Wille, den ich respektiere. Und ich war froh… dass nach Etsuyas Tod dein kleines Gesicht mich… jeden Tag an sie erinnern konnte.“ Ein Beben erschütterte die Insel und es krachte erneut. Quaias fuhr herum, als plötzlich mit viel Lärm eine Feuerkugel auf das Dach des Quartiers krachte und es in Brand steckte. „Rasch!“, schrie er, „Yamuru, geh jetzt! Ich werde das Quartier sprengen… es ist ein ehrenhaftes Ende für meinen guten Freund, Chihnii… Respektiere seinen Entschluss, ich tue es auch, wenn auch schweren Herzens. Aber die Kontrolle über das Eis könnte allen anderen Rebellen das Leben retten.“ Er sah seinen Freund an, der ihm zunickte und sich dann noch einmal an seinen Sohn wandte, der von Quaias zum Tunnel gezerrt wurde. „Nein, Vater!“, schrie er, „Du darfst das nicht!“ „Wenn du kannst, komm zurück, sobald es vorüber ist, und nimm meine Reikyu an dich, wenn ich tot bin, Yamuru. Ich werde dich nicht allein lassen, versprochen. Lass nicht zu, dass meine Seele zu einer Batterie verarbeitet wird. – Jetzt verschwindet endlich, ihr beide!“ Es krachte erneut und der Schein des Feuers erhellte die Gesichter der Männer. Yamuru schrie, als Quaias ihn gewaltsam zum Eingang des Tunnels zerrte und ihn hinein stieß. „Nein! lass mich los, Quaias! Lass mich raus! Vater! Vater, nicht!“ Ein Beben der Erde riss sie beide von den Beinen und sie stürzten schreiend zu Boden. Quaias rappelte sich auf, packte Yamuru und warf ihn sich über die Schultern. Der Junge zappelte und strampelte und versuchte mit aller Kraft und lauthals schreiend, sich loszureißen, als der ältere Mann mit ihm den Tunnel entlang rannte. „Du kannst nicht umkehren, Yamuru!“, rief er laut, „Sei vernünftig und hör auf zu zappeln!“ „Nein, lass mich runter! Lass mich sofort runter, Quaias!“, schrie Yamuru außer sich und zappelte und strampelte, bis sie den Tunnel durchquert hatten und er von dem Mann hinaus gestoßen wurde. Er stolperte hustend zu Boden und spürte, dass jemand nach ihm griff, an ihm zog, vermutlich war es Rymhah. Als er herum fuhr, schleuderte Quaias einen gewaltigen Feuerzauber mit bloßen Händen zurück in den Tunnel, durch den sie gekommen waren, sodass das gesamte Gerüst des Fluchtwegs in Flammen aufging und zusammenfiel; jetzt war der Weg hierher für alle Verfolger vernichtet, und ebenso für Yamurus Vater, denn seine Rückkehr war nicht zu erwarten. Der junge Mann starrte auf das Loch, aus dem er gerade noch gestoßen worden war und das jetzt mit einem Grollen in sich zusammen fiel, dabei spuckte es Erde und Rauch und Funken aus. In der Ferne dröhnte der Donner des Krieges, als die Schiffe des Imperiums die Insel angriffen und sein Vater irgendwo dort war, um die Ehre ihrer Familie zu verteidigen... und das Leben jener zu beschützen, die für ihn und Yamuru da gewesen waren, als sie es am dringendsten gebraucht hatten. Und wieder hatte ihn der liebste Mensch, den er auf der Welt hatte, mit einem Versprechen zurückgelassen. „Ich verstehe.“, war Thiras Kommentar, als er eine Pause machte. „Dann hast du deines Vaters Reikyu also wirklich nach der Schlacht geholt und... sie dir mit einem Zauber ins Auge gesetzt.“ Er nickte ermüdet vom vielen Reden. „Es war sein Wille und ich habe mich dem gebeugt, weil ich keine Wahl hatte.“ Sie hatte begonnen, sich anzuziehen, und er sah ihr einen Moment zu. „Ich begreife aber noch immer nicht, warum du hier bei Manha bist. Warum du... zur Trias willst, warum du das alles tust. Du willst leben, weil du es Ngnhana versprochen hast, aber dafür hättest du auf Zuyya bleiben können.“ „Wie gesagt... ich komme aus dem Mirrhtyi-Clan und der ist eine Kämpferfamilie. Ich bin nicht der Typ, der herum sitzt und wartet. Aber ehrlich gesagt war der oberste Grund, der Hauptgrund dafür, dass ich Manha die Pläne gezeigt habe, dass ich ihm diese Tari Randora Zwei ermöglicht habe, der, dass ich Chenoa niemals wieder vertrauen werde. Und sie... hatte nun mal die Obhut über euch Sieben. Als ich von der Legende erfuhr und über das, was diese Wahnsinnige so getrieben hat, war mir klar, dass ich nicht Chenoas Plänen die Zukunft der Vier Reiche überlassen konnte... Kwok Ar-Khajh war nirgends aufzufinden und du warst bei den Sieben... Die einzige warst du also, mit der ich mich hier zusammentun konnte, die ich überzeugen kann von dem, was wichtig ist. Was sollen wir machen, Thira? Du bist ein Kind der Vier Himmel, genau wie ich... während Chenoa uns verraten hat und Kwok Ar-Khajh nicht da ist, bleiben nur wir zwei übrig, oder?“ „Chenoa hat uns nicht verraten!“, zischte sie unnachgiebig, indem sie sich fertig anzog, „Sie hat mich alles gelehrt was ich weiß – fast. Sie war mir wie eine Schwester, als ich auf Zuyya bei ihr gelebt habe! Würdest du zulassen, dass man deine Schwester als Verräterin beschimpft?!“ „Wenn Chenoa also keine Verräterin ist, warum hat sie dann den Kaiser damals nicht aufgehalten, als wir bei der Explosion fliehen wollten, so wie es abgemacht war?“, schoss er zurück, „Schweig, ich kenne die Antwort inzwischen vermutlich selbst. Dennoch hast du Chenoa zu verdanken, dass ich jetzt bei Manha sitze und euch das Leben schwer machen muss.“ Sie sagte nichts und er seufzte, als er seine Hosen ebenfalls anzog und ein letztes Mal zum erzählen ansetzte. „Ich bin zu ihr gegangen, als ich die Rebellen verließ; das war während des Ela-Ri-Krieges, kurz bevor sie aufgebrochen ist nach Tharr, um mit Saidah Chimalis nach Tejal zu reisen. Es war das erste und einzige Mal, dass ich in ihrem Haus gewesen bin.“ Der Salon war groß, aber nicht riesig. Er war edel eingerichtet mit sündhaft teuren Möbeln und Teppichen, und nach all den Jahren bei den Rebellen erschien es Yamuru seltsam, wieder in dem Haus reicher Leute zu sein. Es fühlte sich dennoch nicht vertraut an... das hier war nicht sein Haus, es war Chenoas Haus, das Haus der Verräterin, die Schuld war an allem Übel. An Ngnhanas Tod, indirekt, das würde er ihr niemals vergeben. Er umklammerte die Sanhari, die an seinem Gürtel steckte, obwohl die Weise Frau nicht aussah, als würde sie sich gleich auf ihn stürzen. Sie war emotionslos wie immer, als sie ihm gegenüber stand, ein Stück überragte er sie jetzt, da er erwachsen war. Und Chenoa sah genauso aus wie damals, als das Feuer vom Himmel gefallen war... genauso entsetzlich bildschön, auf eine betörende, ungute Weise schön. Verdammt, er war auch nur ein Mann, und diese Frau war verdammt noch mal erregend, er konnte es nicht ändern. „Du greifst nach deiner Waffe.“, stellte sie fest und sah nicht mal herab an ihm, sondern starrte ihm kalt ins Gesicht. „Wenn du beabsichtigst, mich zu töten, Yamuru Mirrhtyi, muss ich dich enttäuschen. Ich sterbe nicht so leicht.“ „Ich komme, um mit dir zu sprechen, Chenoa.“, schnarrte er, „Als Erbin... des Südclans, als Teil der Vier Himmel. Du bist genau wie ich ein letzter Nachkomme eines der vier Himmelclans. Eigentlich wollte ich dich tatsächlich gern töten... für deinen Verrat von damals hast du nichts besseres verdient, du Schlampe. Aber ich habe in meiner Reikyu Dinge gesehen, die mich verwirren... und ich weiß, dass nur du die Antworten auf die Fragen kennst.“ Sie zog eine Augenbraue hoch und ein weiterer Blick in ihr makelloses Gesicht machte ihn nervös. „Die Zeit der Zuyya nähert sich dem Ende, Chenoa. Wir beide wissen das, du sicher besser als ich. Und damit rückt die Zeit der Tari Randora näher – die Zeit der Trias, die du 989 vereitelt hast.“ Jetzt verengte sie die gelben, dämonischen Augen, dann schloss sie sie und seufzte. „Ja, die Zeit wird kommen, Yamuru, ganz ohne Zweifel.“ „Das Imperium muss fallen, bevor wir aufbrechen. Ich werde im Namen meiner Familie und auch im Namen der Ar-Khajhs und der getöteten Jamalis nicht zulassen, dass das Imperium sich der Tari Randora bemächtigt, die dein eigener Vater für einen Zweck gebaut hat, den du vernichtet hast. Sag mir wieso, Chenoa... vielleicht hilft es mir, mein schlechtes Gewissen auszuschalten, dass ich dich leben lasse.“ Sie lächelte humorlos. „Du verstehst nichts... von meiner Seele, Yamuru. Du verstehst nichts von dem, was ich tue, denn alles hat seinen Grund. Auch das damals... du verstehst das nicht.“ „Warum?!“, blaffte er sie an, „Hat Akando Jamali dich nicht selbst bei sich aufgenommen, dich beherbergt, als du als junges Mädchen weg wolltest aus Ahrgul?! Du hast ihn genauso verraten wie Ngnhana, genau wie mich, wie uns alle, du hast ihn und Tante Pavati zum Tode verurteilt! Warum, verdammt?!“ Es regte ihn auf und er schrie sie an. Chenoa blieb die Ruhe selbst. „Kein Grund, zu schreien.“, sagte sie monoton, „Das ändert nichts an dem, was geschehen ist. Du... bist zu emotional, Sohn von Chihnii und Etsuya. Du solltest lernen, deinen Zorn, deine Seele zu beherrschen, sonst läuft sie dir weg.“ Er spuckte ihr vor die Füße, ein Zeichen purer Verachtung. „Du kannst mich mal, du hast ja nicht mal eine Seele, Chenoa! Du hast sie wissentlich sterben lassen, Menschen, die dich unterstützt haben, und jetzt tust du so, als wäre ich der Dumme!“ „Dann wirst du scheitern an deiner Aufgabe, Yamuru... wenn du deine Seele nicht beherrschst. Gefühle sind... Dinge, die uns verletzlich machen, Yamuru, hast du den Lehren deines Vaters nicht zugehört?“ Er wollte nicht über seine Erziehung sprechen, sondern über die Zukunft. „Ich habe Schriften gelesen. Über die Sieben, die Legende. Du weißt davon, nicht wahr? Ich habe es in Träumen gesehen... ich habe gesehen, dass das Schicksal der Sieben mit dem meinen, dem deinen und noch vielen anderen verknüpft ist. Was... tun die Sieben, Chenoa?“ „Sie tun das, was die Legende besagt... sie suchen eine neue Welt. Dies ist nicht dein Schicksal, Yamuru Mirrhtyi. Ebenso wenig der Untergang des Imperiums... er wird kommen, und das bald.“ „Ich habe lange genug auf den Tod des Kaisers gewartet!“, fuhr er sie an, „Ich habe lange genug gewartet und ich werde ihn töten, wenn du es nicht tust und uns, deinen Vorfahren, Katari, allen den Rücken kehrst!“ Chenoa sah ihn lange an und schien etwas zu erkennen; was, verriet sie ihm nicht, aber sie sprach. In ihrer Stimme lag kein Mitleid und kein Bedauern, aber eine Art Müdigkeit, die ihm seltsam vorkam bei ihr. „Dann wirst du sterben... Yamuru. Wenn du den Kaiser tötest... wirst du ganz sicher auf unnatürliche Weise den Tod finden.“ „Durch deine Hand?“, spottete er, und sie lächelte wiederum humorlos. „Nein, das nicht. Sterben dennoch... höre auf meine Worte, Yamuru. Du magst anders denken, aber ich bin nicht dein Feind oder der der Himmelclans. Des Imperators Tod würde ich genauso begrüßen wie du, glaub mir. Es ist nicht unsere Aufgabe, Yamuru.“ Er zischte – er wollte von ihrem Gefasel nichts mehr hören. „Dann warte auf das Ende, Chenoa. Ich tue es nicht, denn von warten alleine kommt nichts. Ich bin ein Sohn Kataris, ein Sohn von Ngurrha. Und ich werde nicht kampflos aufgeben... nicht einmal dann, wenn ich sterben muss.“ Er wandte sich ab, um zu gehen – sie hielt ihn mit Worten auf, die ihn tief in seinem wütenden, aufgebrachten Inneren verletzten. „Dann wirfst du das Versprechen an deine Schwester in den Wind... ist das nicht derselbe Verrat, dessen du mich beschuldigst?“ Er ließ ihre Worte unbeantwortet, beschloss aber im Inneren, dass er nicht einfach sterben würde. Dann würde er ums Überleben kämpfen... egal mit welchen Mitteln. Er hatte es Ngnhana versprochen... und es gab niemanden, für den er sterben würde, außer seiner geliebten Schwester. „Ich finde heraus, was du im Schilde führst und was die Aufgabe der Sieben ist, Chenoa.“, schwor er ihr verbiestert, „Ich finde das mit oder ohne deine Hilfe heraus. Nur ohne dauert es vielleicht länger. Verlass dich darauf, ich... vergebe dir nicht, seelenlose Kreatur.“ Das waren bis auf weiteres die letzten Worte, die er mit Chenoa Jchrrah der Wahnsinnigen sprach. „Du hast gesagt, du wüsstest inzwischen die Antwort auf Chenoas Verrat.“, sagte Thira und ihre Stimme war unsicher. Er wusste nicht genau, ob sie aufgegeben hatte, ihm zu widersprechen, was Chenoa anging, oder ob sie ihm wirklich glaubte. Er seufzte, inzwischen wieder komplett angezogen, als sie sich zum kleinen Fenster der Kammer wendete und verbissen hinaus starrte. „Die Antwort ist einfach. Sie ist eine Göttin, Thira. Oder zumindest hat sie die Seele einer Göttin, sie ist eine Seherin. Seher sind auf die Welt gekommene Götter, unsterbliche Seelen in sterblichen Hüllen. Die Seelen sind zu mächtig und zu groß für die Sterblichen, deswegen zerbrechen alle Seher an ihrer Bestimmung und werden auf irgendeine Weise früher oder später wahnsinnig – sieh dir Ryanne an. Für Chenoa gilt dasselbe.“ „Du meinst, sie hat den Kaiser damals nicht aufgehalten, weil sie wahnsinnig ist?“, fragte Thira, „Das klingt mir etwas zu einfach für eine Entschuldigung, wenn du sie akzeptierst.“ Yamuru schüttelte den Kopf. „Nein, es ist schlimmer. Ich meine – Chenoa hatte eine Seele, eine sterbliche Seele, und als sie geboren wurde, kam die göttliche Seele quasi dazu und seitdem hat sie zwei. Die Seherin in ihr ergreift Besitz von ihr, übernimmt die Kontrolle, in manchen Momenten, und die Seele eines Sehers ist purer Pragmatismus in unseren Augen. Keine Güte, keine... Entscheidung für eine Seite, sie sind neutral, sie vertreten nur ihren eigenen Willen. Und der Wille der Götter – Kataris – war nicht, dass wir an jenem Tag die Tari Randora benutzen. Vermutlich wegen der Legende der Sieben... das heißt, ich vermute, dass in dem Moment, in dem Chenoa uns helfen sollte, einfach die pragmatische, unsterbliche Seele die Kontrolle ergriffen und sie daran gehindert hat. Die Götter sind weder für uns aus den Himmelclans noch für das Imperium, sie vertreten weder Tharr noch Zuyya noch Ghia, sie vertreten nur sich selbst – höchstens Khad-Arza als Ganzes, denn das war ihr Baby, ihre Schöpfung. Ich habe es begriffen, als ich mir vor Augen führte, wie sie mich angesehen hat... damals, als sie kam mit dem Kaiser, als wir umzingelt waren, als Ngnhana mich schützte. Chenoas Blick war nicht sterblich, er war... ein Zusammenspiel aus purer, reiner Macht und absolutem Wahnsinn. Und in Verbindung dazu dachte ich an deine Eltern, die Chenoa als jungem Mädchen geholfen haben. Von Tante Pavati hat sie ihre Naginata bekommen, ihre Waffe, die sie in höchsten Ehren hält. Deinen Vater hat sie verehrt wie einen großen Bruder. Ich meine damit... ich vermute, dass es sie wahnsinnig gemacht haben muss, als sie die Kontrolle über sich selbst zurück hatte und feststellte, dass sie diese Menschen, die sie gemocht hat, selbst auf den Scheiterhaufen gebunden hatte... ich weiß nicht, ob ich ihr ernsthaft die Schuld an allem geben kann, Thira. Vergeben habe ich ihr nicht, aber ich bin unsicher.“ Seine Cousine schwieg und starrte aus dem Fenster. „Denkst du, sie hatte recht und du wirst sterben? Du hast den Kaiser getötet, oder nicht?“ Ja, das hatte er. Ihre Frage ließ ihn schmunzeln und er wartete mit seiner Antwort, bis sie ihn wieder ansah. „Ich denke, du willst mich sowieso töten, Thira? Dann hat sich die Frage ja beantwortet.“ Sie errötete ertappt und er grinste – als sie schnaubend an ihm vorbei stampfte in Richtung der Tür, folgte er ihr und löste mit Hilfe der Sanhari den Eiszauber von der Klinke, der die Tür verschlossen hatte. Er würde sie nicht gegen ihren Willen festhalten, das machte keinen Spaß. Außerdem wusste er, dass sie an ihn gebunden war und wiederkommen würde. „Ja, ich werde dich töten.“, schnarrte sie mit unverhohlener Bosheit und er lachte leise. „Irgendwann. Aber nicht jetzt.“ Statt sie darauf hinzuweisen, dass sie ihre dumme Karte immer noch nicht zurück hatte, küsste er sie auf die Lippen. Sie wollte seinen Kuss erwidern, aber er ließ schon wieder von ihr ab, denn in dem Moment schlug irgendetwas in ihm Alarm – im selben Moment ertönte plötzlich in unmittelbarer Nähe ein ohrenbetäubendes Krachen und danach das Brüllen von mehreren Männern, die offenbar kämpften. Thira fuhr zurück und Yamuru blinzelte. „Ich vermute, du kriegst Besuch, meine Liebe.“, feixte er und sie starrte ihn an. Er musste die Tür nicht öffnen, denn sie flog mit einem lauten Krachen wie von selbst auf und ihnen entgegen, und mit der Tür fiel Simu Ayjtana in ihre Kammer, zusammen mit einem Schwall Wasser, der aus seiner Waffe kam, und irgendwelchen Pflanzenranken von Yatli. Yamuru amüsierte der Blick des Blonden, der sich keuchend vom Boden aufrappelte, während auf dem Korridor alle Kämpfe und Geräusche verstummten. Er sah die meisten der Sieben und Scharans Niemande, und alle, allen voran Yatli, der direkt vor der Tür stand und offenbar Simu hatte bekämpfen wollen, starrten Yamuru und Thira entgeistert an. Dann war es Yarek Liaron, der Beschützer, der sprach, dabei drehte er völlig gelassen seine Zigarette in seinem Mund. „Ah. Da bist du, Thira. Wir haben dich gesucht.“ ____________________________ Öh... ja? :'D Hatte das schon fertig und keinen Bock zu warten.... Yamurus Kindheit kriegt noch immer eines der längsten Kapitel, aber es wurde extremst gekürzt. Da war so viel Randomkack drin... wen interessiert wie der im Rymhah rummacht oder wie seine Kumpels drauf sind und so? o_O Das war ja n ganzer Filler-Arc damals ey oô' Als ob Fm noch Filler bräuchte, es ist so schon lang genug! Hatte ich erwähnt dass mein eigentliches Hatefuck-OTP Yamuru und Chenoa sind....? wtf ey oô Aber irgendwie springen die mich jedes Mal an wenn ich mit denen hier lese x___x All the black romance! ALL of it! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)