dark. von irish_shamrock ================================================================================ Kapitel 1: prologue. -------------------- dark. ☽Prologue.☾ Einsam und verlassen lag das große und anmutig wirkende Bauwerk vor ihr. Der kalte Dezemberwind pfiff ihr um die Ohren, während die junge Frau den warmen Kaschmirschal enger um ihren Hals zog. Grübelnd legte sie die Stirn in Falten und erlag dem Versuch, sich nochmals ihrer Notizen zu versichern. Mit elegantem Schwung zog sie den kleinen Block aus ihrer Manteltasche, befeuchtete ihren linken Zeigefinger und bemühte sich, der plötzlich wild durcheinander flatternden Papierschar Herr zu werden. »Highcliffe Manor«, murmelte sie leise und sah von der Schreibe auf. »Birmingham?« Das alte Herrenhaus schien eine Anziehung auf sie auszuüben, deren Ursprung sie sich nicht erklären konnte. Warum in aller Welt hatte man sie ausgerechnet hierher geschickt? Jede andere Reporterin hätte diesen Artikel ebenso schreiben können, doch bestand ihr Vorgesetzter darauf, dass sie, Katie Bell, über die Reichen und Schönen der Zauberwelt schreiben sollte. Murrend strich sich die junge Dame eine widerspenstige, blonde Strähne hinters Ohr, doch ihr Vorhaben stellte sich als unnützes Unterfangen heraus. Erneut wallte ein bitterkalter Hauch auf, um an ihren Haaren zu zerren. Tief holte sie Luft und beließ es bei dem Versucht, ihre Mähne in Zaum halten zu wollen. »Vergebene Liebesmüh«, seufzte sie und trat mit langsamen Schritten die vielen, aus feinstem Marmor bestehenden, Stufen hinauf. Bereits zu Schulzeiten hatte sie Interesse an der Schreiberei gezeigt. Es war ihr Ausgleich neben dem Sport und da es mit einer Profi-Karriere bei den »Manchester Magpies« nicht klappen wollte, entschied sich Katie dazu, Literatur und Englisch am Trinity-Collage, einer nicht-magischen Universität im Herzen Dublins, zu studieren. Ein dummer Unfall hatte ihr die Chance genommen, eine der besten Spielerinnen zu werden. Für die junge Dame jedoch kein Grund, in Trübsal zu verfallen, auch wenn der Verlust und der Traum einer großen Spielerkarriere für sie ein für alle Mal zunichte gemachte worden war. Andere Wege wurden gesucht und alsbald, nach ihrem erfolgreichen Abschluss an Irlands bekanntester Uni, bot man ihr eine Stelle als Reporterin für den »Tagespropheten« an, der Zeitung in einer Welt bestehend aus Magie und Zauber. Doch manchmal, in einem stillen, kleinen Moment, schweiften die Gedanken Katies ab und kreisten um einen eventuellen Lebensweg, der ihr, trotz aller Liebe zu Papier und Druckerschwärze, mehr Freude bereitet hätte. Die »Manchester Magpies« gehörten, ebenso wie die »Holyhead Harpies«, zu den wohl bekanntesten Frauen-Quidditch-Mannschaften Englands. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge hatte Katie die Geschehnisse zu akzeptieren gelernt und war schon lang nicht mehr wütend auf die Mädchen, die freudestrahlend Interviews gaben und den Sieg der jeweiligen Mannschaft gebührlich zu feiern wussten. Sehnsüchtig seufzend schob Katie die »was wäre wenn«-Gedanken beiseite und rügte sich selbst, da diese eine Richtung genommen hatten, die sie missmutig und traurig stimmten. Je näher sie der imposanten Pforte kam, desto mehr Unbehagen machte sich in ihrem Inneren breit. Die Anfängliche Begeisterung über das Anwesen schwand mit jedem Schritt, den sie näher kam. Oben, am Fuße der langen Treppe angelangt, waren es nur noch ein paar Meter, die sie dem großen, hölzernen und weiß lackierten Portal entgegeneilen musste. Die Absätze ihrer Stiefel klangen schwer auf dem Marmor. Katie kehrte der Tür ein letztes Mal den Rücken und besah sich die weitläufigen Ländereien, die zu diesem Gehöft gehörten. »Reiche Pinkel«, entkam es ihr knurrend und leise. Eine Spur von Neid wallte in ihr auf, doch sie war sich durchaus bewusst, dass Geld und Reichtum nicht das waren, was sie vom Leben erwartete. Ein Lebensstil, simpel und vielleicht mit ein paar wenigen, finanziellen Vorzügen, würde ihr schon reichen, hatte Katie für sich beschlossen. Nur allzu gut wusste sie um die ärmlichen Verhältnisse der »ach-so-reichen«-Oberschicht, die vielleicht jeden Tag in Champagner badete, aber Gefühlsmäßig völlig verhärmt schien. Mit Grauen krochen die Erinnerungen an »Hogwarts« durch ihren Kopf. Den zweiten, großen Krieg hatten Hexen, Zauberer und magische Wesen so gut es ihnen möglich war, überstanden. Sie hatten überlebt und es hatte eine neue Ordnung in der magischen Welt gegeben. Doch für manche Familien war es noch immer von Vorteil, die Sprösslinge einander zu verheiraten, um den, in manchen Köpfen noch immer verankerten, Irrglauben nach reinem Blut zu entsprechen und diesen zu wahren. Selbst nach so einer schweren Zeit wurden Ehen, vorzugsweise von den Reichsten der Reichen, arrangiert, damit diese zu noch mehr Ansehen, Ruhm und Geld kamen. Katie konnte so etwas nicht passieren. Sie war nur zur Hälfte ein Muggel - ein magisch-begabtes Kind, dessen eine Hälfte der Familie besondere Fähigkeiten aufwies und der andere Teil der Sippe »Normalos« - Muggel - so genannte »nicht-Magier« waren. Abermals holte die junge Frau tief Luft, sog die schwere, kalte Luft in ihre Lungen und entließ diese leise und langsam zischend. Sie nahm all ihren Mut zusammen, trat auf die große Tür zu und betätigte den eisernen Klopfer, dessen Aussehen stark an eine Natter erinnerte, die sich in den Schwanz biss. Kapitel 2: DARK SIDE OF THE MOON. --------------------------------- dark. 1. Kapitel DARK SIDE OF THE MOON.☽ Dumpf schlug das Metall gegen das in die Jahre gekommene Holz, während der eiserne Ring in der Verankerung quietschte. Langsam fuhr Katie mit dem Daumen die feinen Schuppen der Schlange nach, die sich in ihre Hand schmiegte, als wollte sie sich dort zusammen rollen. Schlangen, schon wieder, ein tiefer Seufzer entkam ihr. Katie fiel auf, dass ihr nur sehr wenig über die Personen bekannt war, deren Leben nun ein Teil in der Sonderausgabe des Tagespropheten finden sollte. »Die schönsten, vornehmsten, einflussreichsten und wohlhabendsten Zauberer Großbritanniens« lautete der Titel der speziellen Artikel, deren Erscheinen alle zwei Wochen dem Propheten zu mehr Bekanntheit verhelfen sollten, auch über die Landesgrenzen Englands hinaus. Mehr Bekanntheit ergab folglich mehr Profit und zu allem Übel konnte man sich über die »gut situierten« Zauberer und Hexen das Maul zerreißen, so oft man es für nötig erachtete. Ein lautes Klicken brachte Katie dazu, sich wieder der Situation zu widmen. Quietschend wurde die schwere, helle Pforte nur einen winzigen Spalt geöffnet. Nervös wagte es die junge Frau, um sich zu blicken, ehe sie einen Schritt auf die Tür zu trat und dem Versuch erlag, durch den schmalen Spalt zu linsen. »Sie wünschen«, die piepsende, etwas wackelig klingende Stimme ließ Katie kaum merklich zusammenzucken. Ein Hauself, natürlich, stellte sie nüchtern fest. Hätte ich mir ja denken können, dass zu so einem Anwesen auch die nötige Dienerschaft gehört. Bitter schlängelte sich die Erkenntnis durch ihren Kopf. »Miss Bell, vom Tagespropheten«, meinte Katie und versuchte noch immer denjenigen durch den dunklen, kleinen Spalt zu erahnen, der zu ihr sprach. »Einen Moment, Miss Bell-Wood.«, fiebte es hinter der Tür und zu Katies Überraschung schob der kleine, beinahe steinalt wirkende Diener des Hauses die Pforte weit genug auf, dass sie einen Blick auf den Elf erhaschen konnte. Dass der Hauself sie mit ihrem noch nicht als offiziell geltenden Namen ansprach, ärgerte Katie und ihr Unmut entlud sich in einem schnaubenden Laut, dennoch verriet es ihr, dass man sich auf ihre Ankunft vorbereitet, oder diese zumindest zur Kenntnis genommen hatte. Unter knarrenden Tönen wurde die Tür nun endlich weit genug geöffnet, dass man ihr Einlass bot. Wieder hallten die Absätze ihrer Stiefel auf dem Boden wider und der Klang schien von allen Wänden auf sie nieder zugehen. Katie befand sich einer Art kleinem Foyer und besah sich unter staunenden Augen die mit Stuck besetzte Decke, die edlen, mit Goldfäden durchwobenen Teppiche, und die teuren, alten und ebenso wertvollen Gemälde, die den Eingangsbereich säumten. Die junge Frau wusste, wo sie sich befand, da man ihr die Adresse des Hauses ausgehändigt hatte, doch hatte man ihr verschwiegen, wer sie zum vertraulichen Gespräch geladen, oder diese Art von Informationsbeschaffung überhaupt toleriert und ebendieser zugestimmt hatte. Der Hauself hatte sie einfach so, mitten im Vorraum, stehen lassen und war hinter eine der vielen, für Katie beinahe unzählbaren, Türen verschwunden, die sich wie die Äste eines Baumes in alle Himmelsrichtungen erstreckten. Mittelpunkt der prunkvollen Villa war die große, opulente Wendeltreppe, die wie ein Wirbel gebaut und mit einem blutroten Teppich ausgelegt worden war. Vom goldenen Geländer und dem mit Kristallen besetzen Lüster, der von der hohen Decke in das Zentrum der Treppe mittels Magie dahin schwebte und das Foyer in warmes Licht tauchte, schien die junge Frau mehr angetan, als ihr lieb war. »Miss Bell-Wood, wenn Sie mir bitte folgen würden!« Der Elf erschien und Katie zuckte vor Schreck zusammen. Wehmütig nahm sie von dem Panorama abschied, das sich auf seltsame, für sie unerklärliche Weise beruhigend auf sie ausgewirkt hatte. Der Hauself schritt unter langsamen, gemächlichen Schritten vor ihr her und Katie hätte ihn am liebsten zu mehr Eile angetrieben, doch der Diener des Hauses machte einen so zarten und gebrechlichen Eindruck, dass sie sich in ihrem Vorhaben zügeln musste. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, hielt der Elf in seinem gemächlichen Tempo inne und wandte sich ihr zu. Die großen, etwas trüb wirkenden Augen sahen ehrfürchtig von Katie zur Tür, ehe der Elf die kleine Hand zu einer Faust ballte und sachte gegen das Holz schlug. »Master, Miss Katreace Elissabeth Margerite Bell-Wood«, ertönte es und abermals zuckte Katie zusammen. »Bellwood? Kenne ich nicht«, grollte eine tiefe, und äußerst bedrohlich klingende, Stimme aus dem Zimmer. »Eigentlich nur »Bell«. Katie Bell«, wies Katie den kleinen, alten Hauself sanft zurecht, doch dieser nahm nur wenig Notiz von ihrem Verbesserungsvorschlag. »Lass sie rein«, erneut vernahm sie den bellenden Ton und wappnete sich bereits für das Zusammentreffen mit einem mürrischen, alten Aristokraten. Höflicher Weise geleitete der Elf die junge Frau noch über die Schwelle, ehe er eine tiefe Verbeugung machte und dem Versuch erlag, die Türe schließen zu wollen. »Hickslow«, schnarrte die tiefe Stimme und Katie warf einen mitleidigen Blick auf den Diener, dessen Körper unweigerlich zu zittern begann. »Tee, sofort!« Abermals beugte sich der Elf soweit herunter, wie es ihm sein kleiner Rücken erlaubte, und beinahe berührte seine Knollnase die Flusen des dunklen Teppichs. »Sehr wohl, Master«, mit diesen Worten machte Hickslow auf den Hacken kehrt und verließ das Zimmer. Katies Empörung über diese Situation äußerste sich, in dem sie das Gesicht zu einer pikierten Grimasse verzog. Ihr war durchaus bekannt, dass es noch immer Familien gab, die einen Hauself ihr Eigen nannten und dessen Dienste so lange in Anspruch nahmen, wie sie für richtig erachteten. Die verstimmte Miene auf ihrem Gesicht blieb, auch, als sich die junge Frau in dem Zimmer umsah. Es war klein, aber es strahlte eine gewisse Wärme und Behaglichkeit aus. Ein Feuer im Kamin knisterte und in einem großen Ohrensessel davor saß der Herr des Hauses, mit ihr zugewandtem Rücken. Die Statur des Mannes war kaum auszumachen, hinter der hohen Lehne und auch die Stimme mochte zu keinem Ergebnis führen, wen sie dort vor sich hatte. Ein Räuspern entkam ihr, ehe Katie eher unfreiwillig den Fokus auf sich lenkte. Seit dem der Mann vor dem Kamin den Elfen Tee holen geschickt hatte, hatten weder sie, noch er ein Wort gesprochen. »Sie arbeiten für den Tagespropheten?«, laut und vernehmlich drang die dunkle, grollende Stimme plötzlich an ihre Ohren. »Ja«, gab Katie knapp zurück. »Und Sie wollen also eine Geschichte über mich schreiben, ist diese Information korrekt?« Etwas mulmig war ihr schon zumute, da der Herr im Ohrensessel eine gewisse Blasiertheit an den Tag legte, die sich in seiner Wortwahl widerspiegelte. »Ganz recht«, gab die junge Frau wahrheitsgemäß zu und nickte zu ihrer eigenen Bestätigung. »Bellwood, Bellwood ... Sollte ich von Ihnen schon einmal etwas gehört oder gelesen haben?«, noch immer schien er es vorzuziehen, das Gespräch mit dem Kamin zu suchen, als ihr höflichkeitshalber einen Platz anzubieten, oder, wenn es ihm nicht zu viel abverlangte, aufzustehen um sie zu begrüßen oder wenigstens in Augenschein zu nehmen. »Nun, es heißt nicht Bellwood, sondern nur Bell. Offiziell und formell ist das Wood noch nicht zulässig, geschweige denn rechtskräftig.«, mit einer Spur an Überlegenheit hielt es Katie für nötig, ihr Gegenüber zu korrigieren und den misslichen Fehler bei der Benennung ihrer Person ein für alle mal auszumerzen. Das Leder des Sessels knirschte, als sich die dunkle Gestalt aus diesem erhob. Der Schein des Feuers umspielte die hohe Statur des Mannes, ehe er den Kopf in ihre Richtung wandte. Die junge Frau schwieg und schien, im ersten Augenblick, wenig beeindruckt zu sein. Wahrlich hielt es Katie für angemessen, weder Fragen, noch Aussagen von sich zu geben. Die Größe des Herren erschreckte sie, doch sie würde sich den Adrenalinstoß, der durch ihre Adern fegte und sie zur Flucht ermahnte, nicht anmerken lassen. So schnell vermochte nichts Katreace Elissabeth Margerite Bell in die Enge treiben und ihren Fluchtinstinkt zu wecken, doch hiesige, hühnenhafte Gestalten, Riesen, Muskelprotze versetzten die sonst so toughe und wortgewandte, junge Frau in Panik. Trotz des massig daher kommenden Körpers, bewegte sich der Herr flink und anmutig. Die Körpergröße stand eindeutig im Widerspruch zur Beweglichkeit!, schoss ihr augenblicklich durch den Kopf. Je näher der riesenhafte Mann auf sie zu trat, desto mulmiger wurde es ihr in der Magengegend. Der kleine Raum schien plötzlich mit einer Spannung geladen zu sein, die ihren Rücken prickeln ließ. Nervosität überkam die junge Frau und das Prickeln wurde mit jedem Schritt, den er ihr näher kam, deutlicher. Endlich kam er vor ihr zum Stehen. Der bedrohliche Blick aus den fast schwarzen Augen kam ihr merkwürdig bekannt vor. Buschige, dunkle Augenbrauen hoben sich skeptisch dreinblickend zu dem ebenso dunklen Haaransatz. »Na so was«, grollte es aus der Kehle des Mannes. »Wenn das nicht Katie Bell ist, die gefürchtetste Jägerin Gryffindors. Zumindest zu meiner Zeit.« So sehr auch eine Silbe über ihre Lippen kriechen wollte, Katie starrte ihrem Gegenüber mit offenem Mund entgegen, während nicht ein Laut ihrer Kehle entwich. Das Gehabe, die Stimme und der Tonfall, der den Raum augenblicklich einhüllte, ließ ihr kaum merklich die Härchen auf den Armen zu Berge stehen. Sie kannte diesen Mann. Unwillkürlich rieb sie über den schweren Stoff ihres Mantels, um die eisige Kälte zu vertreiben, die ihren Körper so urplötzlich in Gewahrsam nahm. Das Schlucken fiel ihr schwer und sie hoffte inständig, dass er die erstickten Laute nicht vernommen hatte, die ihre Kehle empor gekrochen waren. Der Herr des vornehmen Hauses hörte tatsächlich nicht einen Laut, stattdessen blickte er gebannt auf ihren Hals, der ihrem Tun mehr Ausdruck verlieh, als es ihre Geräuschkulisse tat. Als er zu sprechen begann, war sein Augenmerk noch immer auf ihre Kehle gerichtet und schien eine gewisse Faszination zu entwickeln. »Wie ich sehe, hast du überlebt.« Katies Augen weiteten sich, als die herablassenden und äußerst unpassenden Worte seinen Mund verließen, um an ihre Ohren zu dringen. »Gefühlskaltes Monster!« Schock und Empörung hatten zu dieser hastigen Reaktion geführt, doch sie würde sich hüten, sich für ihre Aussage zu entschuldigen, geschweige denn, sich vor ihm zu rechtfertigen. »Ganz die Alte, hm, Miss Bell?«, erneut provozierte er sie, doch Katie besann sich augenblicklich. Es schickte sich nicht und war ebenso unangemessen und unhöflich, auf diese Schiene aufzuspringen, um alte Fehden wieder anfechten zu wollen. Doch erschien ihr Höflichkeit in diesem Moment mehr als unpassend, schließlich hatte ihr Gegenüber solch radikale Mittel einzusetzen gewusst. »Ganz das Scheusal, nicht wahr, Mister Flint?« Kein triumphierendes Lächeln umspielte ihre Lippen, stattdessen waren diese zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Kontrolle war etwas, dass Katie Bell leider nicht bis zur Perfektion beherrschte, weder auf dem Quidditch-Feld, noch im restlichen Verlauf ihres Lebens. Aufbrausend, hektisch und nicht den Hauch Gelassenheit hatten ihr bereits den einen oder anderen Felsen in den Weg gelegt, den sie aber geschickt zu umschiffen wusste. Ihre Geheimwaffe, Charme, war etwas, das sie nur selten und in der größten Notlage würde ans Tageslicht treten lassen. Katie konnte äußerst charmant sein und wirken, wenn sie wollte, doch in diesem Augenblick erschien es ihr eher von Vorteil zu sein, dem jungen Mann vor sich keinen Honig um den Bart zu schmieren, dessen dunkle Stoppeln einen leichten Schatten auf Kinn und Hals warfen. »Lassen wir die Begrüßungsfloskeln.«, meinte er entschieden und war es gewohnt, dass seinem Befehl Folge geleistet und nicht widersprochen wurde. »Manieren waren für dich ja schon immer ein Fremdwort. Ich sehe keine Bücher, wahrscheinlich hat du nicht einmal eine Bibliothek von innen gesehen.«, dieses Spiel konnte Katie ebenso gut spielen. Seine Mundwinkel kräuselten sich und ein schiefes Grinsen legte sich plötzlich auf sein Gesicht. »Was glaubst du, weshalb ich ein Jahr wiederholen musste? Bestimmt nicht, weil ich scharf darauf gewesen bin, bei Pince ein- und auszugehen. Es hatte seinen Vorteil, Quidditch-Kapitän von Slytherin zu sein.« »Ich habe mir schon gedacht, dass du die Aufsätze und die Antworten der Prüfungsfragen erpresst hattest.«, gab sie nüchtern zu und blickte ihm fest in die Augen, doch nicht ohne in Abwehrstellung zu gehen, und die Arme vor der Brust zu verschränken. Das Vorhaben entpuppte sich als leichter gesagt, als getan, denn der schwere, wohlig warme Mantel erschien ihr in diesem Augenblick viel zu sperrig und zu schwer auf ihren Schultern. Kurzentschlossen beließ es Katie bei dem Versuch und machte sich daran, die großen, hölzernen Knöpfe durch die Ösen des grau-blauen Umhangs zu schieben. »Bitte entschuldige meine nicht vorhandenen Manieren«, das Grinsen auf seinem Gesicht wurde eine Spur süffisanter, als er ihr die Hand reichte. Mit Skepsis im Blick beäugte Katie sein Tun und legte eher widerwillig den schweren Stoff in die großen, prankenähnlichen Hände, die leichte Schwielen aufwiesen. »Du spielst immer noch?« Ihm war nicht entgangen, dass die junge Frau auf seine Gliedmaßen gestarrt und diese akribisch gemustert hatte. »Nicht hauptberuflich«, erklärte er ihr nüchtern. »Nur noch zur Ertüchtigung und zum Zeitvertreib und bei gutem Wetter.« Katie entsann sich eines der letzten Spiele, die sie als eine der Jägerinnen des Hauses Gryffindor, gegen die Slytherins beinahe verloren hatte. Es goss wie aus Eimern und an die Kälte, die an diesem Novembertag durch das Stadion und über das Feld fegte, mochte sie nur ungern zurückdenken. Es waren heikle Situationen und halsbrecherische Aktionen auf beiden Seiten gewesen, die zur Unterbrechung und Vertagung führten. Rolanda Hooch, die alte, grauhaarige Hexe und Spielleiterin, hatte darauf bestanden und so wurde das Spiel an einem anderen, weniger stürmischen Tag fortgesetzt. Mit einem klaren Sieg für Gryffindor. Und doch erinnerte sich die junge Frau daran, wie nicht nur ihre Kameradin Alicia Spinnet im Krankenflügel einlag, sondern auch Marcus Flint, der ebenso, wie Katie, Alicia und Angelina Johnson als Jäger aktiv war. Ihm hatte ein Klatscher beinahe den Schädel gespalten und an seiner Stirn konnte sie noch immer die Narbe erkennen, die von der damalig offenen, klaffende Wunde herrührte. Erneut schluckte Katie an dem Kloß in ihrem Hals, doch Marcus Flint wusste, sie aus ihren Erinnerungen zu reißen. »Deine Karriere ist wohl auch den Bach herunter gegangen.« Es war keine Frage, nur die verletzende, nüchterne Erkenntnis ihrer Lebensumstände. Heißes Blut wand sich durch ihre Adern und Katie spürte, wie der brodelnde Lebenssaft in ihre Wangen fuhr und diese färbten. Ihre Fingernägel krallten sich in ihre Handflächen, bis diese zu schmerzen begannen, ehe sie die nun geballten Fäuste fest gegen ihre Seiten presste. Ein wunder Punkt, um nicht zu behaupten, der wunde Punkt in ihrem Lebenslauf. Wie der beinahe zweigeteilte Schädel ihres Gegenübers, hatte ihre Karriere ihr Ende bei einem banalen, nicht weiter nennenswerten Training gefunden. Manchmal konnte das Leben wahrlich grausam sein! Man fiel aus fünfzehn Metern Höhe vom Besen und kassierte nur leichte Blessuren. Oder man rutschte vom Besen und es gelang, dennoch das Gleichgewicht zu halten, aber mit dem herannahenden Gegenspieler rechnete man nicht mehr. Zu ihrem Leidwesen war es Punkt Zwei auf der Liste des Irrsinns, der ihr zwar nicht die Freude am Spiel nahm, aber dafür die Aufsteigerchance gehörig vermasselte. Knochensplitter, Hämatome der Größe eines Quaffels und ein halbes Jahr Bewegungsverbot des rechten Armes. Auch die besten Tränke im St. Mungo-Hostpital konnten der Kompliziertheit dieses Unfalls nicht gerecht werden. »Dafür«, begann Katie langsam in dem Wissen, dass ihre Aufgewühltheit allmählich abflaute, »habe ich ja jetzt andere Möglichkeiten.« Das Teeservice klapperte munter auf dem silbernen Tablett. Neben einer großen, hübsch anzusehenden Teekanne, hatte der Diener des Hauses Flint auch diverse Kekse und Küchlein aufbereitet. Ein Hauch von Kitsch umwehte die Atmosphäre und Katie kam nicht umhin, insgeheim zu grinsen, da die Flints, oder zumindest Marcus' Mutter, einen Faible für Antikes und ebenso Klimbim-lastiges zu besitzen schien, dennoch wagte sie es kaum, das filigrane und äußerst fragil wirkende Porzellan zu berühren. Noch immer befand sich sie in dem kleinen Raum, der weiterhin vom Schein des Feuers im Kamin erhellt und erwärmt wurde. Zähneknirschend hatte Marcus ihr einen Platz auf der dunklen Ledercouch angeboten, jedoch nicht ohne abfällig und gehässig zu Grinsen. Unter bebenden Gliedern reichte Hickslow erst seinem Herren, dann dem Gast, eine Tasse des wohlduftenden, englischen Tees. Akribisch beobachtete der junge Mann das Tun des Elfen, und als der Diener beinahe die Tasse Katies zum Überlaufen gebracht hätte, brummte er ungehalten. »Genug«, knurrte Marcus und der kleine, alte Bedienstete zuckte zusammen, und verließ in geduckter Haltung das Zimmer. Er ignorierte den stechenden Seitenblick der jungen Frau. Ihm war durchaus bekannt, dass Katies Eltern, ein ziemlich wohlhabender Zauberer und eine eher nichtssagende Muggelstämmige, in einem Einfamilienhaus im Süden Englands lebten. Sie war Einzelkind und allem Anschein nach nie in den Genuss eines Hausangestellten gekommen. Eine völlig absurde Vorstellung, zumindest, wenn man ihn fragte. Doch die Zeit und die daraus resultierenden Umstände hatten aus der jungenhaften, burschikosen Sportskanone eine Frau werden lassen, die dem Leben trotzte. Aber sie war nicht mehr als eine von vielen, vielen anderen, die Verluste, Wut und Trauer hatten erleiden müssen. Ihm selbst war es nicht anders ergangen. Neben Verfolgungen und angedrohten Strafen, einschließlich einem kurzen Aufenthalt im halb zertrümmerten Askaban, war es seiner Familie gelungen, ein einigermaßen ordentliches Leben mit privilegierten Standards zu führen. Ganz in Gedanken versunken, ließ sich Marcus gegen die Rückenlehne des kleinen Sofas sinken, das dem Katies gegenüber stand. Sein Blick war glasig und er schien mit den Gedanken plötzlich an einem ganz anderen Ort zu sein, diesen Eindruck hinterließ er zumindest bei der etwas unruhig auf dem Leder umher rutschenden Katie Bell. »Und?«, leicht nervös kam ihr dieses kleine Wörtchen über die Lippen. Wie sehr hatte Katie gehofft, dass er ihre belanglose Erkundigung gar nicht registrierte, doch da hatte sie sich geirrt. Während die junge Frau ihren Blick abermals durch das Zimmer schweifen ließ, stets darauf bedacht, den Augenkontakt mit ihrem Gegenüber zu meiden, hatte Marcus sehr wohl ihre Frage vernommen und richtete nun sein Interesse auf sie. »Was?«, hakte er recht barsch und grimmig klingend nach. Mit leichtem Genuss und der dazugehörigen Zufriedenheit beobachtete er, wie sich die Hexe vor ihm etwas weiter in das dunkelschimmernde Leder verkroch. Doch kaum hatte ihr Rücken den harten Überzug der Couch berührt, schreckte Katie beinahe zusammen. Da war sie wieder, die Löwin aus alter Zeit, die sich nicht wie ein verschrecktes Kaninchen in den Bau zurückzog, sondern tapfer, mutig und bisweilen verbissen dem Gegner stellte. Ihr war überhaupt nicht wohl bei dem Gedanken, dass sie ihrem einstigen Erzfeind gegenüber saß. Auch, dass er sie plötzlich so anfuhr, hatte ihr für einen flüchtigen Moment den Schrecken durch den Körper gejagt und beinahe hätte sie sich, klein und unbedeutend fühlend, in das schützende Sofa verkrochen. Doch ein innerer Impuls schien sich gegen diesen Zwang, Schutz zu suchen, zu wehren, und so war sie gewillt, trotzig und entschlossen ihrem früheren Widersacher gegenüber zu treten. »Da ich meine Anweisung zu erfüllen habe, würde ich gern mit dem Interview beginnen.«, forsch und konsequent brachte Katie kurzerhand ihr Vorhaben zum Ausdruck. Skeptisch wanderte eine dunkle, buschige Augenbraue zum Haaransatz hinauf, ehe Marcus, kaum merklich, die Lippen schürzte. »Was? Kein schwelgen in den guten, alten Zeiten?« Katie überging seine etwas spöttisch klingende Frage und zuckte mit angespannter Miene die schmalen Schultern. Wie dankbar war sie plötzlich, dass sie den schweren Mantel abgelegt hatte, denn die Hitze im Raum schien mit jeder Minute zu zunehmen. »Gut«, meinte Marcus kurzentschlossen, »aber nicht hier.« »Nicht?«, etwas überrascht über seine Instruktion, blickte zu unter staunenden Augen zu ihm herüber. Ohne ihr zu antworten, erhob er sich, sodass der schwere Stoff und die Federn unter seinen Bewegungen ächzten. Er war schon beinahe an der Tür, als Katie nach ihrem Mantel griff und ihm hastig hinterher eilte. »Was ist mit deinen Eltern?«, fragte sie gerade heraus. »Später«, knurrte er und schritt ebenjenen, langen Flur entlang, den Katie bei ihrer Ankunft betreten hatte. Unter großen Schritten stapfte der hühnenhafte Mann vor ihr her, bog links, rechts und abermals links ab. Der mit Teppich besetzte Boden wandelte sich nun und ging in schwarz-weiße Bodenfliesen über, die in einem Schachbrettmuster angeordnet waren. Unter Staunen betrachtete die junge Frau die vielen Gemälde, Rüstungen und Wandbehänge, die ihren Weg säumten. Sie betraten das Foyer mit der langen, gewundenden Treppe und Marcus hielt inne. »Nur, um dir zu beweisen, dass ich sehr wohl eine Bücherei betreten habe, werden wir dein »Interview« in unserer Bibliothek führen.«, erklärte er, warf ihr einen abschätzigen Blick zu und grinste arglistig. Schweigend folgte sie dem jungen Hausherren die vielen Stufen hinauf. Der bordeauxrote Teppich dämpfte den Klang ihrer Schritte, so dass diese nur dumpf an ihre Ohren drangen. In der oberen Etage angekommen, hielt Marcus plötzlich inne. Verwundert stoppte Katie hinter ihm, da die Wendeltreppe noch ein, wenn nicht sogar zwei Stockwerke höher reichte. Auch hier, im Obergeschoss, zweigten sich Gänge ab, die ebenso verworren schienen, wie die Wurzeln einer alten Ulme. »The Business-Area«, merkte er an und verzog zähneknirschend den Mund. Während Marcus knapp die einzelnen Gänge und die dazugehörigen Räume beschrieb, empfand Katie seine Ausführungen als gezwungen. Ihm schien nicht viel an Geld und Arbeit zu liegen, ging es ihr durch den Kopf, als er sich wieder in Bewegung setzte und einen kleinen Flur entlang schritt. Brav folgte ihm Katie auf dem Fuße und als der junge Mann vor einer großen, weißen Flügeltür hielt, nach den vergoldeten Griffen langte und die Pforte aufstieß, stockte ihre beinahe der Atem. Vor ihren Augen erstreckte sich eine Bibliothek, die der in Hogwarts in absolut nichts nach zustehen schien. Regale über Regale, die bis zur Zimmerdecke reichten. Leitern, die an den Reihen befestigt worden waren, um das Herankommen an das geballte Wissen zu erleichterten. Katies Augen wanderten von einer Bücherwand zur nächsten, und auch in diesem, hellen Raum befand sich ein Kamin und auch eine kleine Sesselgruppe lud zum entspannten Schmökern ein. »Setz' dich!« Seine zuvorkommend wirkende Geste glich eher einem gebellten Befehl, als Marcus geradewegs auf die Polster in der Mitte des Zimmers zuging. Noch immer stand Katie unschlüssig in der Tür und wagte kaum, einen Schritt hinein zu tun. Nicht aus Angst, sondern aus tiefster Ehrfurcht. Für manche schien solch eine Räumlichkeit einer Folterkammer gleich zu kommen, doch für sie war eine Bibliothek ein Ort der Erholung, der Phantasie und eine Stätte, die einlud, um der rauen Realität für eine gewisse Zeit entfliehen zu können. Unter zögernden, eher tapsigen Bewegungen, glitt die junge Frau weg von der Tür und marschierte, unter strenger Beobachtung, etwas unbeholfen auf die Sitzplätze zu. »Autsch«, fluchte sie zähneknirschend und versuchte, den Schmerz nicht in ihr Antlitz vorrücken zu lassen. Die spitze Kante hatte sie kaum bemerkt, hätte ihr Schienbein nicht ohne Umwege darauf bestanden, den Rand des kleinen, mittig platzierten Couchtisches zu begrüßen. Für einen flüchtigen Augenblick hoben sich seine Mundwinkel zu einem gehässigen Grinsen, als er das verzerrte Gesicht der Hexe sah, die still und leise darauf bedacht war, ihm ihren Schmerz nicht zu zeigen. Doch Katie bewahrte auch in solch einer Situation die Contenance, zumindest machte es den äußeren Anschein. Laut vernehmbar presste Katie unter zusammengebissenen Zähnen die Luft in ihre Lungen. Wortlos nahm sie ihm gegenüber Platz und legte ihren Mantel behutsam über ihre bestrumpften Knie. Sie konnte nicht verhindern, dass sie Unbehagen überkam. Das beunruhigende Gefühl sorgte dafür, dass Katie umständlich an ihrer blassblauen Bluse herumzupfte und nicht vorhandene Falten aus ihrem grau melierten Bleistiftrock zu streichen versuchte. Marcus Flint saß währenddessen in dem hohen Sessel und machte dem entspanntesten Mann der Welt Konkurrenz. Lässig hatte er die Hände in einander gefaltet und die langen Beine übereinander geschlagen. Das schwarze Seidenhemd knitterfrei, ebenso wie die edel aussehende, dunkle Hose. Jenes Räuspern, das plötzlich seinen Mund verließ, steigerte sich in ein leichtes Husten. Zuvorkommender Weise hielt er sich eine geballte Faust vor die Lippen, ehe er in kurzen Atemzügen versuchte, den Anfall abzudämpfen. Katie nahm seine Aktion mit mildem Gesichtsausdruck hin und ihr keimte der leise Zweifel, ob sie ihre vorgefasste Meinung über ihn und seine Manieren nicht revidieren sollte. Immerhin besaß er den Anstand, ihr nicht offen ins Gesicht zu röcheln. »Verzeihung«, murmelte er leise und Katie tat seine Abbitte mit einem leichten Zucken der Schultern ab. »Schon in Ordnung«, gab sie flüsternd zurück, folgte seinem Beispiel und schlug nun ebenso, wenn gleich auch etwas umständlich, ein Bein über das andere. »Könnten wir dann beginnen?« Marcus nickte zustimmend, doch war seine Haltung plötzlich eine andere. Die lässige Pose, in die er verfallen war, wurde zu einer starren, stoischen Stellung, die er nun bezog. »Ganz wie du willst«, mit diesen Worten gebot er ihr, jenes schriftlich festzuhalten, das sonst niemand, nicht einmal seine engsten Freunde, je erfahren hatten. Kapitel 3: DARK MOON RISES. --------------------------- dark. 2. Kapitel ○DARK MOON RISES.○ Ein kleines Feuer knisterte und knackte in dem alten Kamin aus hellem Sandstein. Die Nachmittagssonne hatte sich durch die dunklen, schweren Wolken gekämpft und brachte das Innere der häuslichen Bücherei wahrlich zum Leuchten. Behaglichkeit und Wärme füllte die imposante Räumlichkeit, dennoch schluckte die junge Frau an dem Kloß, der sich in ihrem Hals verbarrikadiert hatte. Das, was ihr gerade zu Ohren gekommen war, schien an Absurdität und Unwahrheit nur so zu strotzen. Lügenmärchen, zischte etwas in ihrem Unterbewusstsein und vergiftete ihre reinen und unvoreingenommenen Gedanken. Doch all die Neutralität, die sie so vehement verteidigt hatte, hatte schon zu bröckeln begonnen, noch ehe sie vor wenigen Stunden den Kiesweg zu diesem Anwesen entlang geschritten war. Auch sie gehörte einst zu den besser gestellten Kreisen, doch hatten Vater und Mutter auf ein gesundes Maß an Vernunft und Bewusstsein gesetzt. Nie war sie verhätschelt oder gar verwöhnt worden. Katreace Elissabeth Margerite Bell war, trotz der vielen Namen, weder missraten, verzogen noch verkorkst. Obwohl Letzterem wahrscheinlich mehr Menschen zugestimmt hätten, als ihr lieb war. Sie war verkorkst, doch hatte sich dies in ihrer Leidenschaft am Quidditch gezeigt und bewiesen. Aber als sie nun dem lauschte, was ihr Gegenüber, einstiger Mitschüler und Lieblingsfeind auf dem Felde, zu berichten hatte, zweifelte sie an ihrem Verstand. Sie wusste, wie viel Galleonen der Tagesprophet für so ein Interview zahlte, schließlich hatte Katie schon das eine oder andere führen dürfen und nicht selten ähnelten die »Leidensgeschichten« der Reichen und überaus gutbetuchten Herrschaften einander, die entweder noch reichere Erben waren, oder mittels »self-made-Verfahren« zu Wohlstand und Ansehen gelangten. Und die Flints sollten keine Ausnahme sein. Freiheraus erzählte Marcus, wie sein Urgroßvater durch gute Beziehungen in eine noch wohlgeratene Familie einheiratete. Der Name »Black« fiel unweigerlich und kroch wie Säure über Katies Rücken, doch Marcus versicherte ihr, dass dies die Schwester seines Urgroßvaters gewesen sei und diese herzlich wenig mit ihnen zu tun gehabt hatten. Und wieder wurde der jungen Frau beinahe speiübel, als er von den Reinblütern berichtete. Auch Marcus' Vorfahren verloren sich in der Ansicht, dass ihr Blut nicht befleckt, oder gar verunreinigt werden sollte. So wurde sein Vater, Lloyd Gabriel Fergus Flint, mit Camilla Elvira Victoria Gamp vermählt. Unmissverständlich erinnerte er sie an das große Gemälde im Foyer, das die Flints als strenge, aber gütige Familie zeigte. Wieder schluckte Katie, als sie an den finsteren Blick des alten Hausherren dachte, dessen große Hände auf den zarten Schultern einer zierlichen, brünetten Frau ruhten, die auf einem Schemel saß, mit Marcus, der vor ihren Füßen kniete. »Das Portrait wurde vor gut zwanzig Jahren gemalt«, erklärte Marcus und ein leichtes Zittern erfasste seine Stimme. Ihm war nicht wohl bei der Erinnerung an jene Tage, die er still sitzend verbringen musste. Er war kein geduldiger Mensch und die überschüssige Energie hatte er ins Spielen von Quidditch investieren können, doch nun war ihm auch dieser Spaß und Ausgleich versagt. Katie, die ruhig und bedächtig seinen Ausführungen lauschte, und hier und da etwas auf ihrem Schreibblock notierte, hielt plötzlich in ihrem Tun inne und hob den Blick. Marcus' Miene war wie versteinert. Seine Augen waren leer und glanzlos und er schien auf einen losen Punkt im Teppich zu starren, ohne jedoch ein einziges Mal dabei zublinzeln. Die junge Frau wusste kaum, wie sie seine Aufmerksamkeit am besten auf sich lenken konnte. Zu Schulzeiten hatte man sich stets mit den Familiennamen betitelt, doch der Gebrauch der Nachnamen kam ihr jetzt recht albern und kindisch vor. Dicke Schneewolken schoben sich vor die nachmittagliche Sonne. Einzige Lichtquelle im Raum blieb der Kamin, dessen schwaches Feuer gerade genug schimmerte, dass Katie ihr Gegenüber erkannte. Nervös sah sie sich erneut um. Ihre Augen suchten verzweifelt nach einem Zeitmesser und wurden enttäuscht. Allzu lang wollte Katie hier nicht verweilen, da die sonstigen Gespräche meist innerhalb von wenigen Stunden geführt worden waren. Doch je dunkler es draußen wurde, desto unbehaglicher wurde es ihr. Die heranschleichende Dämmerung veranlasste sie dazu, ihre Scheu zu überwinden. »Marcus?« Es fiel ihr schwerer, ihn beim Namen zu nennen, als sie angenommen hatte, doch genügte jenes, zaghafte Flüstern, das ihren Lippen entwich, um die erhoffte Reaktion zu bekommen. Ein Ruck, kaum merklich, durchzuckte seinen Körper. Das leise Wispern einer sanften, ruhigen Stimme gelangte an seine Ohren und der düstere Schleier, der ihn umhüllte, zerfiel, sobald die lieblichen Laute ihn umfingen. Marcus hob den Blick und für den Bruchteil einer Sekunde hätte er schwören können, dass die sonst so toughe Katie Bell zitterte. Die Reaktion ihres Körpers hatte gereicht um ihm zu signalisieren, dass sie nervös war, ängstlich und wie ein Kaninchen, bangend, vor der Schlange hockte. Ihre Hände lagen bebend in ihrem Schoß, doch ihr Augenmerk galt den hohen Fenstern, die das schwache Licht des Feuers widerspiegelten. Erst jetzt bemerkte er, dass das Mädchen wohl allen Grund hatte, sich zu fürchten, schließlich gab nichts ängstigenderes, als das Dunkel der Nacht. »Könnten wir ...«, begann sie zögernd, doch als Katie den Blick vom Fenster nahm und den Kopf in seine Richtung wandte, hielt sie inne. Ein gedehnter Seufzer entkam seinen Lippen, ehe sich der hochgewachsene Mann mit einer Hand durch das dunkle Haar fuhr. »Du willst mehr Licht?«, seine Frage erschien ihm überflüssig, doch Katies Antwort überraschte ihn kaum. Ihr Nicken ließ ihn die Mundwinkel zu einem flüchtigen Grinsen heben. »Wie viel hast du jetzt?« »Na ja«, stotterte sie kleinlaut und besah sich das hastige Gekritzel auf dem Block, der auf ihren Knien ruhte. »Für oberflächliches Umreißen würde es genügen.« »Ich hasse Oberflächlichkeit«, sagte er entschieden und erhob sich aus dem Sessel. »Du isst doch mit uns?!« Verblüffung zeichnete sich auf ihren Zügen ab. Mit seinem Angebot hatte er ihre Zunge zum Schweigen verdammt. Die Bitte, die keine war, traf sie wie ein Quaffel in der Magengrube. Die Sekunden eines möglichen Widersprechens vergingen und je mehr Zeit verstrich, desto eher sah sich Marcus in seiner Aufforderung bestätigt. »Gut«, ein breites Grinsen zierte sein Gesicht und auch jetzt noch hielt er es nicht für nötig, höflich zu klingen, geschweige denn ihr einen Arm oder gar die Hand zureichen, um ihr aufzuhelfen. Mit einem leisen Klicken fiel die Tür hinter ihnen ins Schloss. Marcus vergrub seine Hände in den Taschen der teuren, edlen Hose. Sein Gesicht zeigte Anspannung, dennoch ging er mit erhobenem Haupt und erhabenem Blick vor ihr her. Schreibblock und Feder hatte Katie auf den kleinen Couchtisch abgelegt, ebenso wie den schweren Wintermantel, der einen Platz über der Lehne des Sofas fand, auf dem sie gesessen hatte. Marcus hatte ihr versichert, dass sie, nach Beendigung des Mahls, wieder in die Bibliothek zurückkehren würden, um mit ihrem Gespräch dort fortzufahren, wo sie aufgehört hatten. Noch immer war ihr nicht wohl bei dem Gedanken, mit ihrem einstigen Kameraden auf verbale Tuchfühlung zu gehen. Schließlich hatten in Hogwarts nicht selten Gerüchte die Runde gemacht, was solch skurrile Personen wie Marcus Flint betraf. Neben Animagi, Metamorphmagi und Parselmündern war nicht selten der Fokus auf andere, abstrusere Gestalten gelenkt worden. Begabungen, wie das Sehen von Thestralen, das Sprechen mit Schlangen oder das Verwandeln bei Vollmond in Werwölfe, hatten das Leben von Zauberern, Hexen und Muggeln geprägt. Einige magische Wesen hatten als Sagen und Legenden selbst die Welt der nicht-Magier erreicht und diese in Angst und Schrecken versetzt. Was für die Muggel absurd schien, wurde bei Menschen mit gewissen Fähigkeiten nur müde belächelt. »Weshalb grübelst du?« Katie erschrak, als er plötzlich stehen blieb und sie mit ernstem Gesicht betrachtete. »Tue ich doch gar nicht!«, protestierte sie hastig. »Also sind deine Eltern doch zu Hause?« »Ich habe nie behauptet, dass sie es nicht sind.«, meinte Marcus und zuckte mit den Schultern. »Allerdings wird nur Mutter mit uns essen.« »Ach?«, hob Katie an. »Und was ist mit deinem Dad?« »Vater ist auf einer Konferenz in Clermont-Ferrand, Frankreich. Er legt sehr viel Wert auf das Pflegen der ausländischen Geschäfte.«, erklärte er die Abwesenheit seines alten Herren und ließ gemächlich eine Hand über das vergoldete Treppengeländer gleiten. Katie schluckte und das nicht nur, weil die strenge Erziehung der Flints wieder zum Vorschein kam. Auch war ihr die Sanftheit nicht geheuer, mit der er die grob wirkenden Finger über das zierliche Geländer fahren ließ. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, was diese langen, geschmeidigen Glieder noch alles berührt hatten, oder sogar noch berühren würden. »Worauf wartest du?«, das tiefe Grollen, das seiner Kehle entstieg, holte sie in die Realität zurück. Während Marcus bereits am Ende der Treppe auf sie wartete und skeptisch zu ihr hinaufblickte, hatte Katie nicht gewagt, auch nur einen Schritt zu tun. Stattdessen war sie wie angewurzelt auf der obersten Stufe stehen geblieben. »Hickslow«, donnerte er, ohne weiterhin von der jungen Frau Notiz zu nehmen. »Miss Bell-Wood wird heute mit uns speisen!« Ein knurrender Laut wallte in ihr auf, denn auch jetzt noch vermochte es Marcus Flint ganz den arroganten Flegel herauszukehren. »Das Wood ist überflüssig!«, bemerkte Katie sachlich, als sie endlich die letzte Stufe hinabgestiegen war, doch Marcus zuckte nur mit den massigen Schultern. Als Reporterin hatte sie bereits eine Menge erlebt und auf Papier bannen dürfen, doch das, was sich im hiesigen Speisesaal des Hauses abspielte, hatte ihr ein Lächeln auf die Lippen gezaubert. Der arrogante, herablassende und verletzende Marcus Flint kuschte wie ein kleines Hündchen unter dem gestrengen Blick seiner Frau Mutter. Dabei war ihr Camilla Flint eine der sympathischsten Personen seit langem. Das glockenhelle Lachen und die freundlichen Augen, die sie interessiert musterten, ließen nichts von Strenge und Kälte erkennen, geschweige denn erahnen. Als Camilla ihr ihre kleine, feminine Hand reichte, war es Katie beinahe unangenehm, diese zarten, zerbrechlichen und blass wirkenden Glieder zu berühren aus Angst, diese mit ihren Schwielen besetzten Fingern zu zerdrücken. »Sie sind also Katreace Bell? Es freut mich, Sie kennenzulernen. Marcellus hat früher immer sehr oft über die Schule gesprochen und nicht selten ist auch Ihr Name gefallen, besonders, wenn es um dieses grässlich brutale Quidditch ging. Wie schön, jemanden aus den vergangenen Tagen zu sehen. Ich hoffe, mein Sohn hat Sie nicht allzu sehr mit seiner Art verschreckt.«, die grün-braunen Augen Camillas begannen unweigerlich zu funkeln, als sie das Mädchen vor sich betrachtete. »Mutter!«, knurrte Marcus ungehalten, da ihm der Redeschwall der Frau wohl weniger zusagte, als Katie. »Marcellus Lloyd Matthew Dorian Flint!«, Camilla entzog behutsam Katie ihre Finger und stemmte gleich darauf die Hände in die Hüften. Mit festem Blick besah sich die Dame ihren Stammhalter und schnalzte gebieterisch mit der Zunge. Nun wusste Katie, woher die Autorität rührte. Nicht Flint Senior schien hier das Oberhaupt zu sein, sondern war Camilla als Matriarchin die, die das Zepter schwang. »Marcellus Lloyd Matthew Dorian Flint?«, Katie war sich nicht bewusst, dass sie seine Namen wiederholte und auch nicht, das ihr Flüstern keines war, und noch weniger, dass sie beinahe gekichert hatte. »Ja, nach seinem Vater, Großvater, Urgroßvater und so weiter. Irgendwann, kurz vor seiner Einschulung, hatte Marcellus darauf bestanden, dass man ihn nur noch Marcus nannte mit der Begründung, dass es ihm peinlich sei.«, erklärte Camillia und ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln, als sie Katie betrachtete, doch als sie ihr Augenmerk auf ihren Sohn fiel, gefror das Lachen. »Ist auch so!«, knurrte Marcus und warf der jungen Frau einen mahnenden Blick zu. »Katreace, was für ein schöner Name. Woher kommt er?«, dass seine Mutter eine solche Neugierde an den Tag legte, behagte ihm gar nicht. »Mutter!«, zischte Marcus und wurde jäh von Katie unterbrochen. »Das macht doch nichts«, erwiderte sie hastig und überging das angestrengte Schnauben neben sich. »Meine Mum meinte, dass er eine Mischung aus Katherine und Beatrice wäre. Leider kenne ich die Last der vielen Namen nur zu gut. Neben der außergewöhnlichen Form meines Vornamens habe ich auch noch die Namen meiner Großmütter Elissabeth und Margerite zu tragen.« Die junge Frau bemühte sich um eine höfliche und manierliche Erklärung, die sofort mit einem anerkennenden, heiteren Lachen quittiert wurde. »Sagen Sie, Katreace, Sie arbeiten für den Tagespropheten? Wie aufregend. Leider hat sich meine berufliche Laufbahn eher auf das Häusliche beschränkt. Was tun Ihre Eltern?«, bei der ersten Frage hatte Katie brav genickt, doch als Camilla ihr zweites Anliegen formulierte, meinte sie knirschende Laute neben sich auszumachen. Marcus' Zähne rieben hart aufeinander, als er das leichte Geplänkel seiner Mutter zur Kenntnis nahm. »Nun sie ... also Dad ist im Ministerium tätig.«, gab das Mädchen kleinlaut zu. »Im Appariertestzentrum.« Camilla Flint hob anerkennend die dunklen Brauen. »Und Ihre Mutter?« »Ein Muggel«, antwortete Marcus statt Katie und diese schluckte hörbar. »Nicht wahr?« Betreten nickte das Mädchen und wünschte sich, nach ihrem Zauberstab greifen zu können, um diesem überheblichen Mistkerl einen Fluch auf den Hals zu jagen. »Marcellus, was habe ich dir über ...«, dass Misses Flint ihre Stimme erhob, ließ Katie neuen Mut fassen. »Waren die Zeiten nicht schrecklich genug? Gerade du solltest ...!« Doch das Camilla plötzlich in ihren Worten inne hielt, verwunderte das Mädchen. Katie hob den Blick und sah zu dem jungen Mann neben sich auf, dessen Gesicht augenblicklich wie versteinert wirkte. Betretendes Schweigen senkte sich wie eine Decke über sie herab. Doch das Poltern und Scheppern von Geschirr war Anlass, die Stille zu durchbrechen. Katie entließ die angehaltene Luft und wandte ihr Haupt der Flügeltür zu, die soeben von dem alten Hauselfen unter großer Anstrengung aufgedrückt wurde. »Ich bringe das Essen.«, langsam schob der Diener des Hauses den Servierwagen über die Schwelle. »Sehr schön.« Marcus' Mutter ließ ein kleines Klatschen vernehmen und wies, mit dem Blick auf das Mädchen gerichtet, auf die lange Tafel, an der, nach Katies Einschätzung, gewiss zwanzig Personen hätten Platz finden können. Wie Katie bereits in der Bibliothek feststellte, war auch das Speisezimmer des Anwesens pompös, aber dennoch von heller, freundlich wirkender Einrichtung. Kremfarbene Wände, Stuck an den Wänden, sowie eine hohe Zimmerdecke, in deren Mitte ein großer Kronleuchter hing, der mit schwebenden Kerzen bestückt worden war. Das schwere, fast schwarze Holz des langen Tisches war mit einer blütenweißen, bis zum Boden reichenden Tischdecke versehen worden und das edle, in Katies Augen nicht zu bezahlende Porzellan, von dem sie speisten, erinnerte sie an das kitschige Teeservice, von vor wenigen Stunden. Die Vorspeise, bestehend aus einer Consommé, schmeckte vorzüglich und auch Hauptgang, sowie Nachspeise ließ sich die junge Frau auf der Zunge zergehen. Ein Festessen. Doch Katie beschlich ein merkwürdiges Gefühl, als sie von ihrem Teller aufsah. Bis eben hatte sie noch den heiteren Worten Camillas gelauscht, und im nächsten Augenblick zogen sich ihre Eingeweide vor Kälte zusammen. Seinen Blick wusste sie nicht zu deuten. Wie sollte sie auch? Dass sie hier fehl am Platz war, spürte sie instinktiv. »Iss!«, forderte Camilla an Marcus gewandt, dessen Schale unberührt blieb. »Ich habe keinen Hunger.«, knurrte er, ließ jedoch nicht von der jungen Frau ab, als er seiner Mutter antwortete. »Ist es dir unangenehm, in so netter Gesellschaft zu essen?«, dass Camilla ihn zu provozieren versuchte, quittierte er mit einem eisigen Blick in ihre Richtung. »Nein, Mutter«, erwiderte Marcus unter zusammengebissenen Zähnen. »Nur dein Gerede!« Es war ihr peinlich und unangenehm, dass Mutter und Sohn sich gegenseitig zu schikanieren drohten. »Entschuldigung«, bemerkte Katie leise und zog unweigerlich die Blicke beider auf sich. »Ich möchte nicht unhöflich sein, aber wo finde ich die ...« Dass ihre Stimme zitterte, war ihr nicht recht, doch Camilla zwang sich zu einem freundlichen Lächeln. »Links, die dritte Tür.« Katie nickte, erhob sich von dem thronähnlichen Stuhl, auf dem sie gesessen hatte, schob diesen wieder an den Tisch zurück und verließ mit eiligen Schritten den Raum. Kaum, dass sie die Tür geschlossen hatte, vernahm sie schon den tiefen, brummenden Bass und die protestierende Erwiderung. Katie presste die Stirn gegen das Holz der Pforte und ihre Finger umschlossen bebend den Knauf, doch sie weigerte sich, das kleine Badezimmer zu verlassen Sie hatte viel erlebt in ihrer Laufbahn als Journalistin, doch der Druck, einen ordentlichen Artikel abzuliefern, zwang sie wieder hinaus auf den langen Flur. Tief Luft holend, die geschlossenen Lider hebend und fest entschlossen, dem bevorstehenden tapfer entgegenzublicken, öffnete Katie die Pforte und stieß unweigerlich mit dem jungen Hausherren zusammen. »Mutter lässt sich entschuldigen«, der grollende Ton ließ ihre Knochen vibrieren. »Aber keine Sorge, sie ist sehr angetan von dir.« Seine abfällig klingende Bemerkung am Ende veranlasste Katie dazu, nur fassungslos den Kopf zu schütteln. Der Drang zur Flucht wallte unaufhörlich in ihr auf. Ich muss hier raus!, doch Marcus Flint wusste sie an ihrem Vorhaben zu hindern. »Ich weiß, was dir vorschwebt und glaub mir, niemand sonst würde dich gerne so schnell vor die Tür setzen wie ich, abgesehen von meiner Mutter. Doch ein Geschäft ist nun mal ein Geschäft und ich versichere dir, dass wir uns in diesem Punkt an unsere Abmachungen halten.« Eissplitter durchbohrten ihre Lungen, ohne, dass sie es hatte kommen sehen. Ihr graute bereits jetzt vor den Stunden, die sie, eingepfercht mit ihm, verbringen musste, nur für ein paar Galleonen, von denen ihr nicht einmal ein Viertel als Lohn zustand. »Ich kann ein anderes Mal wiederkommen«, schlug sie vor und verfluchte sich, unsicher und eingeschüchtert zu klingen. »Das würde deinem Wunsch sehr entgegenkommen, schätze ich.« Marcus schien wirklich über ihren Vorschlag nachzudenken, glaubte sogar in Erwägung zu ziehen, dass es möglich war, doch er rechnete nicht mit den mahnenden Worten seiner Mutter, als diese plötzlich auf sie zutrat. »Miss Bell, Katreace, bitte bleiben Sie, solange Sie wollen. Ich lasse Ihnen sogleich eines der Gästezimmer herrichten. Hickslow, die junge Dame wird eine Weile bei uns bleiben!«, die im gedämpften Licht der Lampen bräunlich schimmernden Augen der Frau, leuchteten interessiert. Während Marcus nur missbilligend mit der Zunge schnalzte, stand Katie, wie vor den Kopf geschlagen da, betäubt und unfähig, weder etwas zu erwidern, noch die Einladung mit dem Nicken zu bejahen, geschweige denn mit einem Schütteln des Hauptes auszuschlagen. Bedrohliches Schweigen ging von ihm aus, als Marcus erneut die Tür zur hauseigenen Bücherei öffnete. Lichter flackerten auf und spendeten ausreichend Licht, um mit dem Begonnenen fortzufahren. Ohne ein Wort von sich zugeben, ließ er das Feuer im Kamin größer und heller auflodern. Seine hohe Statur war einschüchternd, ebenso wie der Blick, den er ihr zuteil werden ließ, sobald er wieder auf die Sesselgruppe zusteuerte. Während er sich wieder in den angestammten Sessel fallen ließ, dessen Leder unter seinem Gewicht ächzte, schwang er die Arme über die Rückenlehne. »Ich habe nicht ewig Zeit!«, bellte er ungeduldig. Abermals presste Katie Luft in ihre Lungen. Die Härchen auf ihren Armen stellten sich unwillkürlich auf. Er klang gefährlich, Angst einflößend und wütend. Sie würde nicht eine Sekunde länger, als nötig, in diesem Raum, diesem Haus und mit dieser Person verbringen! Katie bemühte sich, gefasst und entschlossen auf ihn zuzugehen und es gelang ihr, die Fassade der starken Frau aufrechtzuerhalten, zumindest bis zu diesem Augenblick. Sie griff nach dem Mantel, der noch immer über der Rückenlehne der Couch verweilte, und legte ihn erneut und schützend über ihre Knie. Federkiel und Block lagen noch genauso da, wie sie sie auf dem Tisch platziert hatte. Marcus' Augen fixierten sie und beobachteten jede Bewegung, die von ihr ausging. Sein Blick war furchterregend und verbarg weder Abneigung noch Feindseligkeit. »Ich werde dir jetzt etwas erzählen, von dem ich ausgehe, dass es dich aus diesem Haus treiben wird!«, sagte er drohend und Katie schluckte vernehmlich an dem Kloß in ihrer Kehle. »Du willst mir Angst machen?«, die junge Frau verzog das Gesicht zu einer ungläubigen Miene und griff über den Tisch nach ihrem Arbeitsmaterial. »Wenn es funktioniert«, lässig zuckte Marcus die Schultern und schien es zu genießen, sie mit seinen Worten in die Enge zu treiben. »Ich habe schon zu viel gehört und zu viel gesehen. Und deine Geschichte wird da sicherlich nicht die Ausnahme sein.«, erklärte sie wahrheitsgemäß und ließ sich wieder gegen das dunkle Polster sinken. »Ausnahmen bestätigen die Regel und glaub' mir, wenn ich mit dir fertig bin, dann wirst du gar nicht anders können, als aus dem Haus zu rennen!«, meinte er prophezeiend. Seine Stimme war kaum mehr als ein Angst einflößendes, raues Flüstern. »Paranoia lässt sich behandeln, weißt du?« Ihre Angst wich dem Drang, ihm zu trotzen. »Vertrau' mir, mit Paranoia hat das absolut nichts zu tun.«, versicherte er und hob die Mundwinkel zu einem verschwörerischen Lächeln. »Das Übliche hast du mir bereits erzählt.«, meinte Katie leicht hin und besah sich ihre Notizen. »Was soll da deiner Meinung nach noch kommen, das mich in Panik versetzen könnte?« »Das Übliche? Du sagst also, dass das, was ich dir von meinen Vorfahren berichtet habe, nichts weiter als Nichtigkeiten wären, die du von anderen Leuten ebenso erfahren hättest?« Eine dunkle Augenbraue hob sich skeptisch gen Norden. »Nein, so habe ich das nicht gesagt.«, protestierte sie. »Und wenn schon«, er tat ihren Einwand mit einem erneuten Zucken der massigen Schultern ab. »Ihr seid doch alle gleich. Ihr, mit euren Vorurteilen.« »Wie bitte?« Entsetzen und Verwirrung zierten ihr Gesicht, als sie seinen Worten lauschte. »Wir haben Vorurteile? Wem gegenüber? Ihr seid es doch, die einen niedermachen und das aus banalen Gründen wie Geldmangel oder »unsauberem« Blut.« »Gut möglich«, erwiderte er und ihr entkam nur ein ersticktes Keuchen. »Aber das, von dem ich rede, macht euch Menschen Angst!« »Was soll das heißen, uns Menschen?«, fragend zog Katie die Stirn in Falten und betrachtete das Mienenspiel auf seinem Gesicht, das unweigerlich von Qual geziert wurde. »Bist du von einem anderen Stern? Oder ein Werwolf?« Als sie es wagte, das wahrscheinlich Naheliegendste zu erwähnen, entkam ihm ein verbittert klingendes Schnauben. Unweigerlich schüttelte er den Kopf. »Nein«, gab Marcus mit fester Stimme zu und ließ keine Schwankung erkennen, »nicht direkt!« »Trollblut?« Nichts hasste er mehr, als dass jemand ängstlich, skeptisch oder gar panisch reagierte, sobald er mit der Wahrheit herausrückte. Ein Zittern erfasste Katies Körper, als sie seine Worte vernahm und endlich realisierte. Es war völlig absurd, dem Gehörten auch nur eine weitere Sekunde lang Glauben zu schenken. Eben noch hätte sie ihm einen Fluch auf den Hals gehetzt, da er anmaßend war, und sie sich missverstanden fühlte, und nun? »Nein, kein Trollblut. Ogerblut. Es ist kompliziert und verwirrend.«, erklärte er und bemühte sich um Ruhe und Gefasstheit in der tiefen, dunklen Stimme. »Wo ist der Unterschied?« Ein spöttisches Lächeln legte sich auf seine ausgeprägten Züge, als er die Neugierde und Provokation aus ihren Worten heraushörte. »Ich weiß, dass Binns' Weisheiten und unser mäßiges Interesse an seinen Lehrmethoden ziemlich zu wünschen übrig gelassen haben« Marcus konnte nicht verhindern, dass das Lächeln auf seinen Lippen in ein Schmunzeln überging, sobald er sich an die fadenscheinigen Erklärungen der toten Lehrkraft erinnerte, die den Schülern etwas über Trolle, Zwerge und dergleichen beizubringen gedachte. »Unsere Legende geht viel tiefer als der Kröter-Quark, den Binns euch weismachen wollte!« Katie hob nur skeptisch dreinblickend eine Augenbraue und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich höre.« Ihrer Forderung musste er, ob er wollte oder nicht, nachkommen. Kurz zuckte er mit den breiten Schultern, ehe er zum Sprechen ansetzte. »Willst du nicht mitschreiben? Sonst vergisst du vielleicht etwas?« Nun war er es, der sie provozierte. Katie schnalzte mit der Zunge, denn auch heute noch konnte sie es nicht ertragen, wenn man ihr Vorschriften machte und ihr sagte, was sie tun und lassen sollte. Ein angespanntes Schnauben entkam ihr, während sie in ihrer braunen Wildledertasche nach den benötigten Utensilien kramte. »Welches Ausmaß wird die Quelle deiner Information haben? Nur, falls ich mehr Stifte und Papier benötigen werde.«, meinte sie und hob die Mundwinkel zu einem Lächeln, dass ihren sarkastischen Unterton nur noch mehr unterstrich. »Das sollte kein Problem darstellen«, gab Marcus nüchtern zurück. »Also, Miss Bell, ich wäre dann soweit.« Die junge Dame rutschte etwas tiefer in das lederne Sofa, zückte Schreibfeder und Block, ehe sie ihm zunickte und signalisierte, dass sie bereit war, seinen Ausführungen zu lauschen und jene zu Papier zu bringen. »Eigentlich beginnt es wie die meisten Mythen, Legen, Märchen und Sagen, denn wohl jede Geschichte hat ihren Ursprung an einem ganz simplen Punkt. Schreibst du mit?«, akribisch hatte Marcus, während er die Vorgeschichte seines Leidens zu schildern versuchte, sein Augenmerk auf die junge Frau ihm Gegenüber gerichtet. Ein zustimmendes Brummen entkam ihr, doch sein durchdringender Blick ließ sie kurzerhand die Augen verdrehen. »Stichpunkte. Ich habe mir Stichpunkte gemacht.« »Es ist deine Story«, gab Marcus zu bedenken, lächelte jedoch bitter. »Also, alles hat einen Anfang, und der Beginn meiner Geschichte ist verknüpft mit einem ...« »Einem was? Einem ... Fluch?«, da er mitten im Satz inne hielt, sah sich Katie gezwungen, die entstandene Lücke eigenhändig zu füllen. »Ich wusste doch, dass du nicht nur Quaffel durch die Gegend schmettern kannst. Aber ja, ganz recht. Ein Fluch. Und wie fast jeder Fluch ist diese Verwünschung an etwas gebunden. Wie in den meisten Fällen, ist unsere Misere an etwas gekettet, mit dem sich auch die Werwölfe herumplagen müssen.« Ein missgestimmtes Knurren unterstrich seine Ausführungen. »Der Mond?«, entkam es ihr, sodass Marcus nicht einmal Zeit hatte, das Wort in den Mund zu nehmen. »Du glaubst mir nicht.«, stellte er ungeniert fest, da die hastige Reaktion der Frau leicht spöttisch daher kam. »Nun ...«, Katie beließ es dabei und blickte ausweichend auf einen Punkt im Teppich. »Sonne, Mond, die Gezeiten, die Planeten. Wie du siehst haben wir zu wenig Einfluss, zu wenig Macht, um uns solch Gewalten zu widersetzen. Im Falle meiner Vorfahren band man uns an den Neumond. Anders, als bei den Werwölfen, die Kinder reißen, sich bei Vollmond verwandeln und stets in dem Bewusstsein durch die Welt streifen, was sie sind und was sie tun, ist es bei den Ogern um ein vielfaches komplizierter. Wir, meine Vorfahren und ich, verschanzen uns in Höhlen, meiden die Menschen und in den Stunden vor und nach der Verwandlung sind wir zu keiner Regung fähig. Weder körperlich, noch emotional. Wir harren aus, wie in einer Art Starre, oder Schlaf. Das ist das Positive an dem Ganzen: Wir stagnieren. Versteinern.« Als Marcus den Blick hob und in das grüblerische Gesicht des Mädchens sah, meinte er einen Funken Mitgefühl und Verständnis zu erkennen, doch noch schien Katie nicht überzeugt. »Ein alter Druide belegte einen Urahnen mit dem Bann. Der, den er verwünschte, hatte die Künste des alten Hexenmeisters infrage gestellt und zu allem Überfluss auch noch dessen Enkeltochter entführt, um hinter die uralten Geheimnisse des Greises zu gelangen. Nicht umsonst sagt man den Trollen heute noch nach, sie würden junge Frauen entführen, diese in ihre Höhlen schleppen und sie bei lebendigem Leibe verspeisen.« Wieder hielt er inne und erntete die erhoffte Reaktion. Katie Bell zitterte und schluckte. »Dass Trolle zu dumm sind, um überhaupt den Ausgang ihrer Höhle zu finden, wissen die wenigsten. Oger hingegen wussten und wissen bis heute, wer und was sie sind und reagieren dementsprechend. Zum Selbstschutz, wie ich dir bereits sagte, verbarrikadieren sie sich und wollen nichts weiter, als für den Zeitraum der Qualen in Stille und Ruhe aus zu harren.« Erneut machte Marcus eine Pause und betrachte die Feder, die emsig auf dem Papier umher kratzte. Nun war es Katie, die den Kopf hob und ihn beobachtete. »Und weiter?« »Der alte Druide belegte meinen Ahnen also mit dem Fluch des grünen, großen Monsters. Doch er ließ Gnade walten, als seine geliebte Enkelin wohlbehalten wieder ins Dorf zurückgekehrt war. Zum erstaunen des alten Mannes, hatte mein Urahn das Mädchen weder essen wollen, noch anderweitiges mit ihr vorgehabt. Gesellschaft war und ist das Einzige, wonach wir uns sehnen, auch wenn das im Widerspruch zu dem steht, was ich dir versucht habe zu erklären. Wir wissen, dass wir den Menschen nichts tun, doch aus Furcht hat sich ein Großteil dazu entschlossen, kurz vor den kritischen Phasen, Gesellschaft zu meiden, obwohl uns in diesen Momenten Beistand helfen würde, das Vorgehende zu verstehen und zu überstehen. Dass man mit Fackeln und Forken auf uns Jagd machte, verdankten wir den Trollen, die wahllos in Dörfer marschierten, nur weil Wildschwein über offenem Feuer als Zwischenmahlzeit gerade recht war.«, bitterer Zynismus schwang in seinen Worten mit, als Marcus von vergangenen Zeiten berichtete. »Die Gnade, die uns zuteil wurde, beschränkte sich darauf, dass wir uns ausschließlich in Neumond-Nächten transformieren. Und jetzt folgt das Wichtigste: Nur einmal pro Jahrhundert, also gut alle fünfundzwanzig Jahre, wird der Fluch wirksam und dieser Nachkomme muss sich zu dieser Zeit in Wäldern und Höhlen zurückziehen, um die Verwandlung zu vollziehen. Um die Blutlinie nicht zu verunreinigen, gebären die Frauen nur Söhne. Es ist ein fortlaufender Kreislauf und die nächsten drei Generationen dürfen beinahe ungestört ihr Leben fristen, bis der Fluch erneut seine Wirkung zeigt und das »Oger-Blut«, in seiner ganzen Reinheit durch die Adern und Venen des jungen Körpers schießt. Schlussfolgernd war mein Vater die dritte Generation und hat den Fluch somit auf mich übertragen. In meinem Körper fließt reinstes Oger-Blut.« Genüsslich wartete Marcus die Reaktion der jungen Dame ab, die auch sogleich, nachdem er den Satz beendet hatte, zu ihm aufschaute. Ihr Blick verriet ihm, dass sie sich fürchtete. »Jetzt hast du Angst, nicht wahr? Wenn du also gehen möchtest, ich halte dich bestimmt nicht auf.« Doch zu seiner Überraschung schüttelte Katie das blonde Haupt. »Das erklärt so einiges«, gab sie zu und nun war es Marcus, der eine grübelnde Miene aufsetzte. »Ach ja?«, argwöhnisch zog er eine dunkle, buschige Augenbraue empor. Ohne auf seine Frage einzugehen, wandte sie sich wieder ihrem Schreibblock zu. »Was passiert, wenn du keine Nachkommen zeugst oder zeugen kannst?« »Berechtigter Einwand«, entschied er und nickte anerkennend. »Meinem Großonkel Nicholatius erging es so. Da sich das Gen, beziehungsweise der Fluch, als durchsetzungsstark erweist, hatte er noch mildere Umstände zu erwarten. Der Fluch nötigt den Träger, sich zu paaren, egal in welcher Generation und zu welchem Zeitraum. Mein Großonkel jedoch hat sich zu Maßnahmen entschieden, die das Greifen des Fluchs unwirksam machen sollten.« »Die da wären?« Katie sah nicht auf, während die Feder in Windeseile über den Block kratzte. »Er hat versucht sich mit einem Beil zu entmannen.«, erklärte Marcus nüchtern und erntete einen schockierten Blick. »Er hat was?«, fassungslos hielt Katie in ihrem Tun inne und beinahe wäre die Feder ihren Fingern entglitten. »Er wollte dem endgültig ein Ende setzen und hat es mit seiner Tat nur noch schlimmer gemacht. Statt der Aufhebung der Malediktion, zog er den Zorn des alten Druiden auf sich. Fortan war ihm die menschliche Hülle verwehrt und er sah sich stets in der Gestalt einer hässlichen, Angst einflößenden Kreatur.« Marcus vernahm den harten Brocken, an dem das Mädchen schluckte. »Als einzigen Ausweg entschied er sich für den Freitod und stürzte sich die Steilküste hinab.« »Du meine Güte«, Katie schüttelte den Kopf und hielt sich von Fassungslosigkeit gepackt die Hand vor den Mund. »Und ...« »Und? Nun, je länger der Zeitraum zwischen den Generationen ist, desto weniger Aufhebens machen wir darum. Mein Dad hat es, in der dritten Generation des Jahrhunderts, eigentlich am Einfachsten. Er lässt sich nur aus Sympathie und Solidarität zu mir und den Übrigen in die Höhle sperren.«, der junge Mann tat diese Information mit einem belanglosen Zucken der Schultern ab. »Als ich mich zum ersten Mal verwandelte, war ich gerade drei Jahre alt. Seither versucht meine Familie die Angelegenheit rund um meine Person, als möglichst »normal« darzustellen. Ich weiß nur, dass meine Söhne, Enkel und Urenkel es leichter haben werden, als ich und das ist auf eine tröstliche Art doch ziemlich beruhigend.« Katie Bell schwieg und schien seine Worte erst einmal verdauen zu müssen. Doch zu seinem Erstaunen schien dieser Prozess weit weniger Zeit in Anspruch zu nehmen, als er glaubte. »Tut ... ich meine, tut es weh?« Ihre Frage überraschte ihn kaum und er zuckte abermals mit den Schultern. »Während meiner ersten Verwandlung dachte ich, ich müsse sterben. Doch es war nicht der Schmerz, also das physische Leid, das mich drängte dem Tod entgegeneilen zu wollen. Eher war es die Tatsache, dass mir das Führen eines Lebens nicht gewährleistet wurde, auf das ich gehofft hatte. Die Psyche eines Lebewesens ist nur bis zu einem bestimmten Punkt belastbar und kann nur bis zu einem gewissen Grad Dinge aufnehmen, verarbeiten und akzeptieren. Mit den Jahren, und in der Zeit der Transformation, ist das Lernen und Erkennen der Umstände entscheidend. Wirst du verwünscht oder bist Teil eines solchen Unheils, kannst du wählen ob du akzeptierst, dich ergibst oder, wie mein Großonkel, selbst bestimmst, wie dein Dasein, dein Leben, verlaufen soll.« Die junge Reporterin nickte, wenngleich auch etwas zaghaft. »Um zu deiner Frage zurückzukehren: Mit den Jahren lernt man, den Schmerz zu kontrollieren. Je schwächer der Fluch, desto leichter fällt es. Doch in meinem Fall kostet es eine Menge Kraft und Energie. Da ich wieder am Anfang des Verderbens stehe, muss meine eigene Überzeugung stark genug sein, um den Fluch niederzukämpfen. Doch um es kurz zu machen: Es wird von Jahrzehnt zu Jahrzehnt erträglicher, leider nicht von Jahr zu Jahr, oder von Monat zu Monat.« »Das heißt, irgendwann, wenn du steinalt bist ...«, begann Katie. »Oder tot«, unterbrach er sie rüde. »Oder ... das, ja. Dann hättest du also folglich keine Schmerzen mehr?« Erst jetzt erschrak sie über den Irrsinn, der da von ihren Lippen gewichen war. Marcus beugte sich näher zu ihr herüber. »Wenn ich tot bin, was soll ich da dann noch fühlen?«, flüsterte er eindringlich, während ein bitteres Lächeln in seiner Stimme mitschwang. »Bitte entschuldige, ich wollte nicht taktlos sein«, beklommen senkte Katie den Blick. »Wenn es nur das wäre, Miss Bell.« Nun schienen seine Worte auf eine seltsame Weise zu lächeln. Kapitel 4: MORNING AFTER DARK. ------------------------------ dark. 3. Kapitel ☾MORNING AFTER DARK. Stumm. Nicht eine Silbe wich von ihren nunmehr blutleeren Lippen. Die Absurdität dieses Gesprächs hatte ungeahnte Höhen erfahren. Die Schreibfeder war längst nicht mehr in ihrer zitternden Hand zu finden, stattdessen mühte sich Katie, ihre bebende Gliedmaße in Zaum zu halten. Der kleine, vorschnelle Witz, den sie sich vor nicht weniger als ein paar Minuten erlaubte, verbarrikadierte ihr Sprachzentrum und brachte auf gleichem Wege ihr Gehirn zum Stillstand. Betreten, und sich mehr als beschämt vorkommend, senkte sie den Blick. Ihr war ganz und gar nicht wohl bei dem Gedanken daran, dass ihr Gegenüber wahrlich einer Blutlinie entstammte, die Jungfrauen entführte, Angst und Schrecken verbreitete und Menschen fraß. »Oger essen keine Menschen«, meinte Marcus mit angespannter Mimik, als ob er ihre Gedanken erraten hatte. »Oh, Miss Bell, schon immer hat man in deinem Gesicht lesen können, was dir durch das blonde Köpfchen geht.« »Heißt das, dass all das Gerede von damals der Wahrheit entspricht?«, holpernd und stockend entwich die Frage ihren Lippen. »Du meinst die Gerüchte?«, hakte er nach und Katie nickte bejahend. »Wann begreift ihr endlich, dass an jedem Gerücht etwas Wahres dran ist?« »Also stimmt es, du bist ein Troll!«, beinahe hätte die junge Frau hysterisch aufgelacht. »Oger!«, knurrte er verteidigend. »'Tschuldigung.«, betreten nagte Katie auf ihrer Unterlippe herum. Die vorherrschende Situation war ihr unangenehm und sie konnte nicht verhindern, dass Marcus es bemerkte. »Etwas wundert mich aber«, begann sie und zog die Stirn in Falten, »warum erzählst du mir das alles? Dir muss doch klar sein dass, wenn ich diesen Artikel in Druck gehen lasse, jeder über dich, deine Familie und den Fluch Bescheid weiß.« Zu ihrer Überraschung zuckte ihr Gegenüber nur mit den Schultern. »Aber, stört dich das denn nicht?« Ganz nach Reporter-Manier, bohrte Katie weiter. Es wollte einfach nicht in ihren Kopf, dass nach all den Jahren, Jahrzehnten, in denen die Flints versuchten, ihr Geheimnis zu bewahren, es nun an Marcus war, ebenjenes preiszugeben? »So sehr meine Ahnen und Vorväter es auch versucht haben, irgendwann muss jedes Versteckspiel sein Ende finden.«, erklärte er mit beunruhigend ruhiger Stimme. »Der Krieg ist vorbei. Die Menschen, Hexen und Zauberer, wissen um Werwölfe, Feen, Zentauren und Riesen. Warum also sollte die Welt nicht auch erfahren dürfen, dass es Oger, ebenso wie Trolle, gibt?« »Aber«, wollte Katie erneut beginnen, doch der junge Hausherr unterbrach sie mit einem Lächeln, das ihr einen eiskalten Schauer über den zierlichen Rücken jagte. »Alles Unbekannte, Neue, hat seinen Reiz. Um die Neugierde von Generationen zu befriedigen kann man den einfachen, oder den komplizierten Weg wählen.«, das Kribbeln schien sich mit seinen Worten ihren Körper hinauf zu schlängeln. Unbekanntes, Neues, Reizvolles ... Befriedigung, seine gewählten Ausdrücke ließen ihre Kehle plötzlich staubtrocken erscheinen. »Nun, Miss Bell, mein Weg war schon immer der einfachere und schnellere. Ob beim Quidditch oder außerhalb.«, seine Lippen verschoben sich zu einem Lächeln. Wieder verfiel die junge Frau in Schweigen. Katie schloss die Augen, ließ sich in das Polster zurücksinken, so dass ihr Rücken das harte, unnachgiebige Leder berührte und atmete hörbar ein und aus. Die Pergamentrollte kräuselte sich auf dem Couchtisch und die Feder lag friedlich neben ihr. Katie war dankbar, dass Marcus ihr die Zeit ließ, das Gehörte aufzunehmen und zu verarbeiten. Plötzlich wandte sie ihr Haupt von einer Seite zur anderen und fuhr sich fahrig und unschlüssig durch die blonde Mähne. »Ich würde dir ja gern Beweise liefern, da ich annehme, dass du mir nicht glaubst, aber ich halte es für die bessere Variante, dich nicht mit mir in eine Höhle, draußen im tiefsten und dunkelsten Wald, sperren zu lassen.«, sein Grinsen war herausfordernd, dennoch warnten seine Worte vor seiner eigenen Person. »Du klingst wie mein Vater, wenn er früher versucht hat, mir Schauergeschichten erzählen zu wollen.«, klagte sie an und fühlte sich, trotz der gehörten Last, mutiger als geahnt. »Wie oft muss man dir eigentlich noch erklären, dass es keine Gruselmärchen sind, Katie Bell?«, seine tiefe Stimme wallte zu einem gefährlichen Knurren auf. »Ich komme mir vor wie in Grimms Märchen.«, spöttisch und ungläubig entfloh ihr die Anmaßung. »Der böse Wolf, der das Rotkäppchen vergnüglich verspeisen wollte, war ein Werwolf. Der Riese aus Jack und die Bohnenranke, war, ob du es glaubst oder nicht, ein entfernter Verwandter meinerseits. Und aus den vergangen Tagen weißt selbst du, dass nicht alle Hexen gut sind!«, erwiderte Marcus anklagend und wütend, aber dennoch verteidigend. »Wer glaubst du, wer Jack wirklich war? Jacob Grimm höchst persönlich. Woher sonst hätten er und sein Bruder ihr immenses Wissen gehabt? Scharlatane waren sie, nicht mehr. Gabelten hier und da ein paar Fetzen auf und mischten Wahrheit mit Dichtung. Du, als Hexe und halber Muggel, weißt bestimmt besser als niemand sonst, wie einfältig und leichtgläubig die Menschen sind.« Die Evidenz traf sie bis ins Mark. Fröstelnd schlang Katie die Arme um ihren Bauch. Obwohl es in dem großen Raum angenehm warm war, fror sie. Die Härchen auf ihren Armen standen ihr bereits seit Minuten zu Berge und eigentlich hatte sie, seit sie dieses Haus betreten hatte, nie so etwas wie Wärme empfunden. Trotz imposanter Lüster, Kerzen und Kaminen schien von diesem Ort eine Kälte auszugehen, die sie nicht beschreiben konnte. Der schwere Mantel, der noch immer über ihre Knie lag, sah einladend aus. Ohne Umschweife griff Katie danach und schlüpfte hinein. »Du willst also gehen?«, beinahe hoffnungsvoll erklang der tiefe Barriton und Katie blickte von ihrem Tun auf. »Nein«, sagte sie entschieden. »Mir ist nur ein wenig kalt.« »So so«, meinte Marcus und schnalzte mit der Zunge, »kalt, ja?« Irritiert nickte die junge Frau und blickte unschlüssig durch den hohen, großen Raum. »Für wahr, Miss Bell, trotz des Feuerchens ist es nicht wirklich behaglich hier, nicht?«, ein merkwürdiges Grinsen umspielte seine Lippen. »War Shakespeare auch ein Verwandter von dir?«, etwas vorschnell schoss die Frage aus ihrem Mund, doch Katie hob nur eine Augenbraue. »Nicht, dass ich wüsste.«, gab er zu und zuckte mit den breiten Schultern. Das Knirschen des Leders unter seiner massigen Gestalt ließ sie abermals verwirrt dreinblicken. »Was hast du vor?«, hakte sie nach und zog die Stirn in Falten. »Du sagst, dass dir kalt ist, also lasse ich dir ein Bad ein. Immerhin bist du unser Gast.«, erklärte Marcus in ruhigem Ton, jedoch beschlich die junge Frau ein merkwürdiges Gefühl. »Wirst du mich fressen?«, entkam es ihr und ein hysterisches, kleines Kichern folgte. Marcus hob nur missbilligend die Brauen und schüttelte den Kopf. »Nicht, wenn du mich nicht lässt.«. Ein schiefes, beinahe verrücktes Grinsen legte sich auf seine groben Züge. »Oh, Miss Bell, dir fehlt eindeutig ein Hauch mehr Scharfsinn. Von dir, als Reporterin, hätte ich etwas mehr erwartet.« »Stell meine persönlichen Schwächen nicht mit denen meines Berufes auf eine Ebene!«, fauchte Katie ungehalten und starrte trotzig zu dem Mann auf, der sich bereits erhoben hatte. »Habe ich nicht.«, bemerkte er entschieden und in erhabenem Ton. Die junge Frau wich seinem Blick aus und richtete ihr Augenmerk auf die Pergamentrolle auf dem kleinen Tisch vor sich. »Dein Angebot ist vielleicht nett gemeint, aber ich werde es nicht annehmen.«, sagte sie mit lauter Stimme. »Oh, Katie, das war kein Angebot und auch keine Bitte. Ich habe damit nichts zu tun. Mutter wünscht, dass du hier bleibst. Denn, wenn es nach mir ginge, hätte ich dich nicht einmal über die Türschwelle treten lassen.«, knurrte er und nun war es Katie, die vom Pergament erneut zu ihm aufsah und sich erhob. Sie umrundete den kleinen Tisch und positionierte sich nun, die Hände in die Hüften stemmend, vor den hochgewachsenen Mann. »Und wenn ich auch nur den Hauch einer Ahnung gehabt hätte, welche, überaus reiche Zauberfamilie ich interviewen soll, hätte ich dankend abgelehnt!«, zischte Katie. »Hast du aber nicht!«, sagte er gleichmütig und wieder umspielte seine Lippen dieses Lächeln, das ihr Blut zum Kochen brachte. »Weil ich es nicht wusste.«, fauchte sie ungehalten und schnaubte wütend. »Eine lahme Ausrede, findest du nicht?«, eine dunkle Augenbraue erhob sich zum ebenso dunklen Haaransatz. Empört schnappte Katie nach Luft. Sie öffnete den Mund und schloss ihn sogleich wieder. »Deine Ähnlichkeit mit einem Fisch ist verblüffend.«, neckte er und beobachtete mit Genugtuung das Mienenspiel auf ihrem Gesicht. Vor Wut gerötete Wangen, die Stirn in Zornesfalten gelegt. Ihr Puls pochte gefährlich an der schlanken, milchigweißen Säule, die ihren Hals darstellte. Er konnte die Hitze förmlich greifen, die von der jungen Frau ausging, doch verbrennen würde er sich nicht. »Die Schlaf- und Badezimmer für die Gäste findest du im zweiten Stock. Wenn du mir also folgen willst?!« Wieder war es keine Bitte, die von seinen Lippen herrührte, sondern ein Befehl. Beißend, klar verständlich und auffordernd. Abermals glitten seine langen Finger über das Holz des außergewöhnlich schönen Geländers. Doch Katie lag wenig daran, seine Hände zu begutachten. Murrend, und vor sich her fluchend, folgte sie dem jungen Herren und versuchte sich, die Umgebung einzuprägen. Im Gegensatz zu ihrer Freundin Angelina Johnson, seit kurzem verheiratete Weasley, besaß sie leider nicht die Gabe eines fotografischen Gedächtnisses. Ihre um anderthalb Jahre ältere Freundin und Teamkameradin hatte oft mehr als genug als wandelnde Karte herhalten müssen, zumindest so lang, bis Katie sich einigermaßen im Schloss und auf dem Gelände rund um Hogwarts zurechtfand. Plötzlich hielt Marcus inne und positionierte sich vor einer der vielen Türen. »Hier, dein Zimmer.«, mehr sagte er nicht, sondern deutete eher missbilligend auf die helle, und unschuldig wirkende Tür. Zögernd griff Katie nach dem Knauf, doch dann überwand sie ihre Scheu. »Ha ha ha, sehr witzig, Flint!«, fauchte sie und wich dem Besenstiel aus, der ihr entgegen kam. »Upps«, entkam es Marcus, jedoch nicht mit genügend Ernst in der Stimme, »bei so vielen Zimmern verliert man leicht den Überblick.« »Von wegen!«, knurrte Katie und stopfte das Putzuntensil wieder zurück in den Schrank. »Und ich dachte, du hättest Humor.«, ließ er beiläufig klingend verlauten. »Habe ich auch. Ich habe ihn nur dann nicht, wenn ich fast von einem Besen erschlagen werde!«, sie zischte wie ein Kessel auf der Feuerstelle. »Das muss bei euch Reportern wohl am Job liegen, dass ihr keinen Spaß versteht.«, mit diesen Worten zuckte Marcus nur mit den Schultern und ließ von dem Mädchen ab. »Da hinten, da ist dein Zimmer.« »Na klar. Sicher doch!«, herrschte Katie abermals, dennoch versuchte sie, ihn einzuholen. »Ich warne dich, Flint!« »Du ... warnst ... mich?«, beinahe hätte Marcus laut aufgelacht. »Katie, Katie, Katie, du hast leider gar keine Wahl. Ich könnte dich auch zu dem Besen in den Schrank stecken und du könntest nichts dagegen tun.« »Monster!«, keuchte sie mit entsetztem Ausdruck auf dem nun blassen Gesicht. »Du hältst mich wirklich für abscheulich, hm?«, eher belustigt entfloh ihm seine Frage, doch Katies Miene blieb ernst. Trotzig blickte sie zu ihm auf. Sie würde auch mit einer Besenkammer fertig werden, wenn sie musste. Ein flüchtiges Grinsen stahl sich auf seine Lippen bei dem Gedanken daran. »Du bist grausam!«, all das Gehörte und ihr Wissen aus der Vergangenheit hatte sie zu diesem Schluss kommen lassen. »Nur ein wenig«, grinste er. Gemächlich schlenderte er den langen Flur entlang, ehe Marcus abermals vor einer Tür hielt. Jedoch wartete er nicht darauf, dass Katie nach dem Knauf griff, sondern er tat es selbst und ließ sie, mittels Dienergeste, eintreten. Argwöhnisch zog sie die Augenbrauen zusammen, ein Indiz dafür, dass sie ihm nicht über den Weg traute, da die Miene unergründlich blieb. Zu Katies Verblüffung handelte es sich bei dem Zimmer, das sie betrat, nicht bloß um einen einfachen, quadratischen Raum. Hiesige, deckenhohe Fenster lagen der Tür gegenüber, sowie ein riesiges Bett, mit hölzernen Pfosten und einem seidig-glänzenden Baldachin, der im dumpfen Schein eines Kerzenleuchters leicht roséfarbend schimmerte. Katie schritt vorsichtig auf die Schlafstätte zu, die sich an der Wand zwischen Gläserfront und Pforte perfekt integrierte, ohne dass das Zimmer überfüllt wirkte. Links und rechts neben dem Bett befanden sich kleine, altmodische Tischchen, die mit jeweils einem kleinen Lämpchen versehen worden waren. Sie nahm ihren Blick von den fragilen Lampenschirmen und richtete ihn auf Marcus, der sie mit offenkundigem Desinteresse musterte. Für ihn war dieses Zimmer nicht mehr als ein Raum. Ein Gästezimmer, nicht mehr und nicht weniger. Ein Bett, ein Schrank, ein Stuhl. Unspektakulär, nur mit dem Nötigsten ausgestattet. Doch für die junge Frau, glich dieser Ort, ähnlich der Bibliothek, einem wahr gewordenen Traum. Zu Hause, in ihrer kleinen eineinhalb Zimmer Wohnung über einem schäbigen Muggel-Restaurant, roch es stets nach scharfem, chinesischem Essen und ähnlichen Gerüchen, da der Wind jene Düfte bis hoch in die Lüfte trug. Im Sommer war es stets am Schlimmsten! Der Ort, den sie ihr kleines »Kämmerchen« nannte, glich eher einem Schuhkarton. Eine winzige Küchenzeile mit integrierter Nasszelle, ein Bett, eingefasst zwischen den Wänden von Flur und Außenwand und ein Wohnbereich, in den gerade einmal ein mickeriges, altes, knarrendes, sumpfgrünes Sofa passte. Alles in allem wohnte Katreace Bell sehr minimalistisch, um nicht zu sagen: an der Grenze nur einfachsten Einfachheit. »Das ist toll«, entkam es prompt ihren Lippen, als sie bewundernd abermals den Blick schweifen ließ, »wirklich.« Marcus jedoch strafte ihre Aussage mit einem schnauben Ton. Er verschränkte die Arme vor der Brust und konnte ihrer offensichtlichen Begeisterung nichts abgewinnen. Dass dieses Zimmer zu den kleinsten in der Villa gehörte, verschwieg er, denn wenn die toughe, einstige Jägerin der Löwen schon jetzt voller Entzücken beinahe einen Freudentanz aufzuführen drohte, wollte er sich nicht ausmalen, wie sie reagierte, wenn sie einen Blick in die übrigen Räumlichkeiten warf. »Das Bad«, meinte er tonlos und machte keinen Hehl daraus, ihre Euphorie nicht zu teilen. »Ist dort.« Marcus verwies auf die angrenzende Tür, rechts neben sich und ein flüchtiges Lächeln machte sich in seinem Inneren breit, als er ihren erstaunten, aber dennoch argwöhnischen Blick bemerkte. Katies Gesicht, dass ihn plötzlich unschwer an Porzellan erinnerte, zierte Skepsis, dennoch marschierte sie auf die Pforte zu und suchte an der Wand nach einer Lichtquelle. Kopfschüttelnd schloss er die Augen und ein Grinsen legte sich auf seine Lippen, denn der erstickte Schrei, den sie ausstieß, überraschte ihn kaum. Marmorfliesen, eine riesige, runde und in den Boden eingelassene Keramikwanne, die einem Muggel-Wirlpool nicht unähnlich war, ein großer Waschtisch mit zwei schneeweißen Waschbecken mit kristallinen Wasserhähnen. »Bei Merlin!«, beinahe blieb der jungen Frau die Spucke im Halse stecken. »So stelle ich mir den Himmel vor!« Ungeachtet dessen, dass sich ihr womöglich größter und gröbster Widersacher in ein und dem selben Raum befand, sprudelten die Worte aus ihrem Mund hervor. »Da du solang bleiben sollst, wie du willst«, bemerkte Marcus unter knirschenden Zähnen, »ist dies dein Badezimmer, für die Zeit deines Verbleibs.« Wenn er ihr nicht so zuwider gewesen wäre, hätte sie sich ihm wohl in die Arme geworfen und ihre Dankbarkeit in angemessener Art und Weise kund getan, doch es war Marcus Flint, der ihr in der Vergangenheit ziemlich zugesetzt hatte und ihren Dank nicht verdiente. Wie lang sie bereits in diesem Raum stand und staunend jede Einzelheit betrachtete, vermochte Katie nicht zu sagen. So simpel und praktisch das Bad auch ausgestattet und eingerichtet sein mochte, die Faszination über so viel Luxus und pompösen Reichtum riss nicht ab. »Da du so angetan bist, von dieser Räumlichkeit, gehe ich also davon aus, dass du hier schlafen willst?« Katie ignorierte den Spott und Hohn in seiner Stimme. Bedächtig strich sie mit den Fingern über die Armaturen des Waschtisches und beinahe wäre ein sehnsuchtsvoller Seufzer ihrer Kehle entronnen. »Vermietet ihr auch?«, die Worte prasselten und purzelten einfach von ihren Lippen, ehe sie sich dessen gewahr wurde. »Nein, außerdem will ich nicht mit dir unter einem Dach leben!«, knurrte er in beißendem Ton und erinnerte sie unschwer daran, dass sie ihm nicht willkommen war. Ohne ein weiteres Wort, wandte Marcus sich zum Gehen. Wahrlich, ihre Nähe wurde mehr und mehr zu einem Gefängnis, aus dem er nicht ausbrechen konnte, wenn er sich noch länger mit ihr in ein und demselben Raum aufhielt. Eine Regung durchfuhr ihn, als er sich ein letztes Mal zu der jungen Frau umwandte. Da stand sie, die toughe, schnelle Katie Bell und wirkte plötzlich verloren und verwirrt. Doch er würde kein Mitleid haben. Nicht mit ihr, nicht mit irgendjemand sonst, schließlich verfuhr man mit ihm ebenso. Niemand hatte Mitleid oder Mitgefühl für ihn übrig. Für das Monster, das er war. Mit einem lauten Knall fiel die Tür ins Schloss und Katie zuckte zusammen. Was auch immer ihn so wütend machte, hatte sie nicht zu kümmern. Schließlich war es seine Mutter, die ihr gestattete, hierzubleiben, auch wenn ihr noch immer etwas mulmig zumute war. Es muss ja nicht für lange sein, nur für heute Nacht. Nur einmal wieder in einem richtigen Bett schlafen!, der Gedanke, so naiv und kindisch er auch sein mochte, verbarrikadierte sich in ihrem Kopf und wich nicht von Ort und Stelle. Großzügig quollen Seifenblasen aus der dampfenden Wanne hervor und der Schaum ergoss sich über die Marmorfliesen. »Wenn ich geahnt hätte, dass ich hier übernachten muss, dann hätte ich mir zumindest neue Unterwäsche mitgenommen«, knurrte sie, doch die hellen Wände schien ihr nicht antworten zu wollen. Langsam ließ sie sich in das große Becken sinken, zischte ein paar vereinzelte Flüche, da das Wasser eine Spur zu heiß für ihren ausgekühlten Körper schien und versank schließlich selig seufzend in Schaum und wohlriechenden Düften. Das Schaumbad entspannte ihre verkrampften und angespannten Muskeln. Nach einer gefühlten und herrlichen Ewigkeit, und der ernüchternden Feststellung, dass ihre Finger allmählich schrumpelig wurden, entschied Katie, dass es an der Zeit war, der wohligen Wärme entkommen zu müssen. Weiße, riesige Frottiertücher stapelten sich auf einer Ablage neben dem Waschtisch und auch ein einladend wirkender Bademantel hing an einem der Haken, an denen Katie ihre Kleidung befestigt hatte. Schnell schlüpfte sie in den weichen und nach Weichspülmittel duftenden Mantel, ehe sie ihr Antlitz in einem der Spiegel betrachtete. Nicht einmal einen Kamm, geschweige denn eine Zahnbürste hatte sie bei sich, eine erschreckende Erkenntnis für jemanden, der vielleicht nicht viel, aber dennoch einiges für seine äußerliche Schönheit tat. Eitelkeit gehört zwar nicht zu ihren hervorstechensten Charaktereigenschaften, doch seitdem sie für den Tagespropheten arbeitete und stets ordentlich und gepflegt erscheinen musste, kam auch Katie nicht um Tiegelchen und Töpfchen, und einen monatlichen Friseurbesuch, herum. Schließlich sorgte ein ansprechendes Erscheinungsbild für den nötigen Respekt, den man sich als Reporterin verschaffen musste und man passte sich der Arbeit an, und nicht umgekehrt! Doch es nützte alles nichts, wenn das Equipment nicht zur Hand war! Also fuhr sie sich hastig mit den Fingern durch die blonde Mähne, schöpfte sich eine handvoll lauwarmes Wasser ins Gesicht und spülte ihren Mund aus. Die Aufregungen des Tages mussten zu guter Letzt noch verdaut und das Schriftstück noch einmal überflogen werden, ehe sie sich ins Land der Träume würde tragen lassen können. Gedankenverloren nagte Katie an ihrer Unterlippe, als ihre Augen über das Blatt schweiften. Ein Oger?, bei dem Gedanken an ein grünes, riesiges Monster stellten sich ihr die Nackenhärchen auf. Wie absurd! Marcus' Erklärungen zum Trotze, überkamen sie leise Zweifel, ob seine Worte nicht doch der Wahrheit entsprachen. Schließlich war es nicht von der Hand zuweisen, dass Hexen, Zauberer, Trolle, Werwölfe, Einhörner und Drachen existierten. Gesteigerte Triebhaftigkeit, mit Hang nur Grobheit, ein weiterer Stichpunkt auf ihrer Liste, der sie erschauern ließ. Dass sich der junge Mann nur allzu bald in eine gierige Kreatur verwandeln könnte, schien beinahe unglaublich. Wie auch immer man es damals auf Hogwarts angestellt hatte, war nichts davon zu merken. Geheimnistuer gab es zu genüge und die Lehrkräfte würden sich hüten, wenn auch nur das kleinste Detail des Unglücks die Runde gemacht hätte. Eltern hätten ihre Kinder nie die Kunst der Magie erlernen lassen, wenn herausgekommen wäre, dass ein Troll oder Oger mit ihren Zöglingen die Schulbank drückte. Mr. und Mrs. Flint hatten versucht, ihrem Sohn eine möglichst normale Lebenssituation zu ermöglichen und es war ihnen wohl gelungen. Zumindest hatten sie bei der Erziehung nicht versagt, wenn man von den nicht vorhandenen Manieren ihres Sprosses absah. Nicht ohne Grund hatten sie Marcus den Freiraum gegeben, den er brauchte. So konnte er eine Mauer aus Arroganz, Selbstverliebtheit und Geltungsdrang um sich herum errichten, damit ihm niemand auf die Schliche kam und womöglich das dunkelste Geheimnis seiner Familie entlarvte. In all der Zeit hatte er gelernt, mit dem Fluch zu leben und ihn zu akzeptieren. Ein bedauerndes Lächeln legte sich auf ihre Lippen, als sie an den Grobian dachte, der sie nur allzu gern vom Besen warf, einen Quaffel nach ihr schmiss oder sie auf den Gängen verhext hatte. Aus dem überheblichen Raufbold und Draufgänger, der er trotz seiner merkwürdigen Erscheinung gewesen war, hatte sich ein Mann empor getan, der auf eine seltsame Art klug und selbstsicher und auf einer anderen, beängstigenden Weise anziehend wirkte. Animalische Anziehungskraft, kritzelte sie unter den triebhaften Punkt und biss sich erneut auf die Lippen, als ihre Gedanken zurück zu den langen, geschmeidigen Fingern wanderten. Aus Marcellus Lloyd Matthew Dorian Flint war ein Mann geworden, der ihr Angst einjagte, im physischen wie im psychischen Sinne. Das Klopfen an der Tür registrierte sie kaum, und auch der kühle Luftzug, der mit dem Öffnen der Pforte einher ging, tat ihrem Schlummer keinen Abbruch. Doch etwas, das ihre Haut zum Kribbeln brachte, jagte die junge Frau aus ihrem Dämmerschlaf. Mit schreckgeweiteten Augen blickte sie zu dem Mann auf, der sich in der Dunkelheit des Türrahmens herumdrückte und nicht im mindesten daran interessiert schien, sein Augenmerk von ihr zu lösen. Eiligst schlang Katie den verrutschten Stoff des Bademantels um sich, griff nach der Kordel und zurrte das Band enger um ihre Taille. Noch viel zu benommen, um ihm etwas entgegen zu schmettert, versank sie wieder in den Kissen. Doch das Bild von ihm, wie er gierig auf sie hinab starrte, brannte sich in ihr Gedächtnis. Kein Traum!, keuchte ihr Unterbewusstsein, abermals schreckte sie auf. Selbst im schwachen Schein der Nachttischlampe neben ihrem Bett konnte sie erkennen, dass er sie betrachtete. Marcus taxierte sie mit einem emotionslosen Ausdruck auf dem markanten Gesicht, doch seine Augen verrieten ihn und straften seine Unschuldsmiene Lüge. Du hast vergessen, die Tür zuzusperren, du Idiotin!, zischten und schrillten die Alarmglöckchen in ihrem Inneren. Doch konnte man die Tür überhaupt verriegeln? Ein Schlüssel wäre ihr doch aufgefallen. Du bist zwar hier in einer Villa, aber neben deiner Person befindet sich ebenso ein Monster in diesem Haus! Er konnte den Panik- und Fluchtreflex genau erkennen, der sich in ihren Augen widerspiegelte. Kein Wort war über seine Lippen gekommen und auch Katie vermied es, ihre Stimme zu erheben. Vielleicht ist es wieder nur ein Traum? Ein Trugbild), doch ebenjener Wunsch stellte sich als viel zu real heraus, als der hochgewachsene Mann ins Zimmer trat und die Tür schloss, ohne den Blick von ihr zu nehmen, deren Angst und Furcht beinahe greifbar waren. Lautlos, und geschmeidigen Schrittes, setzte Marcus einen Fuß vor den anderen. Den Mantel fester um ihren Körper schlingend, suchte Katie in dem Raum nach ihren Habseligkeiten und wägte ab, wie viel Zeit ihr blieb, um aus dem Zimmer zu stürmen. Je näher er kam, desto mehr rutschte sie auf den Laken herum und drückte sich an das Kopfende des fürstlichen Bettes. Wie ein Fels ragte er vor ihr auf, schweigsam und still. Sie hörte nicht einmal, ob er atmete, während ihr Herz vor Furcht und Angst so laut in ihrer Brust trommelte und der Puls in ihrer Kehle pochte, dass sie an nahm, Marcus müsse es doch hören. Adrenalin schoss durch ihren Körper und brachte diesen, ohne dass Katie es hätte verhindern können, zum Beben. Zitternd presste sie Luft in ihre Lungen, denn die Hünengestalt vor ihr steigerte ihren Fluchtinstinkt. Er senkte die Lider, atmete ein paar Mal hörbar tief ein und aus, ehe er den Blick hob und ein beängstigendes Funkeln seine Augen erfasste. Die Federn der Matratze knarzten, als er eines seiner Knie darauf bettete. Sowie das zweite folgte, schluckte Katie an dem Angstkloß in ihrer Kehle. Langsam bewegte er sich auf sie zu und als er die langen Finger nach ihrem Gesicht ausstreckte, wich Katie zurück. Panik blockierte ihr Sprachzentrum. Katie war, als habe man ihr die Zunge in Ketten gelegt, denn jede Drohung, jeder Schrei, der aus ihrem Mund emporschießen wollte, blieb ihr im Halse stecken. Mit Vorsicht besah sich Katie das Spektakel, dem sie beiwohnte, als Marcus sachte nach der weichen Haut haschte. Seine Fingerspitzen berührten ihre Wange. Stille bedeckte noch immer das Innenleben des Zimmers. Marcus' Aktion verwirrte sie. Katie begriff nicht, was er mit seiner Tat bezweckte. »Warum willst du mich nicht hier haben?«, ihre zögernd klingende Frage ließ die Ruhe im Raum zerbrechen. »Weil du mir den letzten Nerv raubst.«, sagte er ungerührt feindselig und betrachtete weiterhin seine Finger dabei, wie diese über die zarte Haut strichen. Plötzlich beschleunigte sich sein Atem, ehe er grob nach ihrem Kinn griff und ihr gefährlich nahe kam. Ihr setzte das Herz für einen Schlag aus, als Katie den warmen Hauch an ihren Lippen spürte. »Das ist alles?«, fragte sie und wunderte sich über ihren augenblicklich erwachten Mut, oder glich es Trotz, oder grenzenloser Dummheit, den Mann vor sich so zu reizen? »Ja«, knurrte er und verabscheute sich in diesem Augenblick, für den Gedanken daran, ihr den kümmerlichen Rest des Mantels vom Leibe zu reißen. Ungläubig hob sich eine helle Augenbraue zu ihrem Haaransatz, ehe Katie versuchte, den Kopf zu schütteln, doch seine Finger hatten sie noch immer in seiner Gewalt. »Glaube ich nicht!«, beharrte sie und in einem Anflug von Leichtsinn hoben sich ihre Mundwinkel zu einem herausfordernden Lächeln. »Wenn dem so wäre, dann hättest du eben nicht versucht, mich zu küssen.« »Habe ich nicht!«, fauchte Marcus und ließ abrupt von ihr ab. »Aber vielleicht bist du doch nicht so fantasielos, wie ich dachte. Immerhin scheint deine Vorstellungskraft zu genügen, dir einzubilden, ich würde dich küssen wollen.« Das einstige Funkeln in seinen dunklen Augen schwand, stattdessen trat Abneigung an die Stelle von Glanz und finsterer Faszination. Abermals wich Katie vor ihm zurück, kroch langsam und mit mit wachsamen Blick über die weichen Laken. Sobald ihre Zehenspitzen den weichen Teppich berührten, erhob sie sich. »Was hast du vor?«, verlangte er zu wissen. »Ich verschwinde«, sagte sie und legte so viel Gleichgültigkeit in ihre wiedergefundene Stimme, wie es ihr möglich war. »Du hast deinen Willen, und ich meine Ruhe!« Mit klopfendem Herzen erinnerte sich Katie daran, dass ihre Kleidung noch immer an den Haken im Badezimmer hing. Doch Marcus war bereits an ihrer Seite, noch ehe ihre Finger das kühle Metall der Klinke berührten. Er langte nach nach ihrer ausgestreckten Hand, hielt sie zurück und presste ihren Körper, mit dem Rücken voran, gegen das Holz der Pforte. Nun konnte sie nicht mehr abstreiten, dass er ihr Angst machte und sie gleichermaßen in seinen Bann zog. Das Herz pochte ihr wild in der Kehle, als er die wenigen Zentimeter zwischen ihnen überbrückte und ihr Gesicht mit mehr Vorsicht umfasste, als sie ihm zutraute. Ihre Haut begann unter seinen Fingerspitzen zu vibrieren. Ein köstliches Kribbeln schlängelte und wand sich in ihrem Inneren, während sie sich seinen kundigen Händen ergab. Seine Daumen glitten über ihre nun mehr erhitzten Wangen, fuhren über ihre weichen Lippen, ehe Marcus seinen Mund darauf sinken ließ. Seine Zunge erstickte die delikaten Töne, die unweigerlich aus ihrer Kehle emporstiegen, sobald er diese in ihren Mund schob. Gierig schluckte er jeden Laut und bemerkte nicht einmal, dass Katie beinahe unter ihm zusammenzubrechen drohte, wenn seine Hände sie nicht aufrecht hielten. Sie wirkte so zerbrechlich in seinen groben Klauen, doch zugleich auch ungeahnt stark. Katie übte einen faszinierenden, für Marcus unerklärlichen, Reiz auf ihn aus. Gegenwehr und Abscheu verpufften wie schlecht aufgesagte Zauber. Sie wichen der Hitze, dem Feuer, der schier unbändigen Gier. Begehren wallte in ihm auf. Ein lang gehütetes und verborgenes Gefühl, dem er selten erlaubte, hervorzukommen, verhieß es doch Gefahr, Schmerz und Leid. Katie griff nach seinen Händen, die ihr Gesicht noch immer umschlossen, und führte sie an ihrem Hals entlang, über Schlüsselbein und den zarten Ansatz ihrer Brüste, die vom lästigen Stoff des Bademantels verhüllt wurden, vorbei an ihrem Brustkorb und hinab zu ihrer Taille, wo sie ihm erlaubte, dort zu verharren. Sie erlag seiner kundigen Zunge und genoss, trotz aller innerer Abwehr, die sie mahnte, einen klaren Kopf zu behalten, den festen Griff seiner Finger, die er nun zu ihrem Rücken führte. Grob und bestimmend drückte er ihren Körper an sich, ehe er sich von ihren Lippen löste um sein begonnenes Spiel an ihrem Hals fortzuführen. Wie sie den Weg in Richtung Bett fanden, vermochte Katie nicht zu sagen. Gierig klammerte sie sich an den starken Mann, hielt genießerisch die Augen geschlossen und schlang ihre Beine um seine Hüften, während Marcus sie zur Schlafstätte trug. Als er sie auf das weiche Laken sinken ließ, setzten seine Lippen ihre Reise an ihrem schlanken, bleichen Hals fort. Mit leichten Bissen und neckender Zunge arbeitete er sich an ihrem Schlüsselbein entlang bis ihm der Frottierstoff den weiteren Einlass verweigerte. Seine langen Finger strichen an ihren Seiten entlang, schoben das flauschige Material des Mantels an ihre Haut, ehe er seine Hände in höhere Gefilde lotste und diese die Erhebungen ihres Busens langsam umfassten. Ohne ein Wort des Protestes gestattete es Katie, dass er nach dem Gürtel griff, die lästige, halbherzig gebundene Schlaufe löste und ihm erlaubte, ihre nackte Haut zu betrachten. Ihr einstiger, knabenhaft wirkender Körper hatte mit den Jahren, und der Beendigung der Pubertät, mehr weibliche Rundungen erfahren. Marcus ließ seine dürstenden Hände über das samtweiche Fleisch ihrer Brüste streichen, während seine Daumen die zarten Knospen reizten und unablässig hauchzarte Küsse über ihren Bauch, ihre Hüften und rund um ihren Nabel verteilte. Seufzend ergab sich Katie seinen Zärtlichkeiten und verdrängte so gut es ihr möglich war, die Warnungen, die mit jedem Kuss und jedem Zungenschlag in ihrem Kopf widerhallten: Das darf nicht passieren! Du bist VERLOBT!, wie Säure ätzte sich jede einzelne Silbe an die Stellen ihres wohlig erzitternden Körpers, die Marcus mit seinem Mund und seinen Händen bedeckte. Katie schob die mahnenden Worte von sich, ehe sie nach dem schwarzen Hemd griff, das noch immer den Körper ihres Gegenspielers verdeckte. Ungeduldig zerrte sie an dem Stoff, ehe Marcus von ihr abließ, nach dem Saum haschte und die Seide über seinen dunklen Schopf zog. Gierig schluckte Katie, da sein Anblick mehr mit ihr trieb, als ihr das Wasser im Munde zusammenlaufen zu lassen. Athletisch, muskulös, schneidig ... Marcus war sich sicher, dass der jungen Frau gefiel, was sie sah. Denn auch, wenn er äußerlich nicht den Anschein machte, würde er doch mit anderen Qualitäten zu überzeugen wissen. Geduldig wandte er sich wieder dem Geschöpf zu, das erwartungsvoll zu ihm aufblickte. Mit rosigen Lippen, den vor Begierde erblüten Wangen und einem Blick, der Vorfreude und verbotene Lust offenbarte. »Das ist verboten, so verdorben«, knurrte Marcus, sobald seine Augen über ihren zitternden Leib glitten. Katie, die ihre nackten, bleichen Knie zusammenpresste und die Ellenbogen in das Laken bohrte, löste sich aus der erwartenden Haltung, nur um sich im nächsten Moment an seine entblößte Brust zu schmiegen. Ihre Hände wanderten seine muskulösen Oberarme hinauf, ehe sie bei seinen Schultern inne hielt, zu ihm aufrückte, um ihren Mund auf seine Lippen zu pressen. Sie legte ihm die Arme um den Hals, verlieh so ihrer Einladung mehr Nachdruck. Bereitwillig kam Marcus ihrer Aufforderung nach, ehe er es zuließ, dass Katie ihn wieder zu sich aufs Bett zog, ihre Beine um seine Hüften schlang und sich im Spiel mit seiner Zunge verlor. »Ist mir egal«, keuchte sie zwischen zwei leidenschaftlichen Küssen, drängte sich ihm und seine Händen entgegen. »Warte!«, knurrte er und setzte sich auf. Verwirrung zierte ihr Gesicht, ehe Marcus ihr signalisierte, es ihm gleichzutun. Gehorsam folgte Katie seiner stummen Bitte und ließ sich von ihm aus dem Mantel schälen. Mutig hakte Katie beide Zeigefinger in die Laschen seiner dunklen Hose und nagte an seiner Unterlippe. Mit flinken Fingern öffnete sie die lästigen Überbleibsel von Gürtel, Knöpfen und Reißverschluss. Während sie den schweren Stoff an seinen Hüften herunter schob, griff Marcus nach ihrem Gesicht, spreizte die Finger um ihr nicht den Hauch des Widerstandes zu ermöglichen und verschlang sie beinahe mit einem heißen, verzehrenden Kuss. Genüsslich ließ sich die junge Frau erneut auf das Laken sinken und vermochte nicht länger den kehligen Seufzer zu unterdrücken, der sich von ihren Lippen stahl, sobald sie seinen Körper auf sich spürte. Gerade, als sie sich ihm abermals empor reckte und sich seinen Händen ergab, hielt Marcus plötzlich inne. »Ich kann nicht!«, murmelte er und nahm den Blick von ihrem nackten und bereitwilligen Körper. »Was?« Bestürzung zeigte auf ihrem Gesicht, ehe Katie verwirrt blinzelte. »Warum nicht?« »Ich würde dir wehtun.«, gestand er und fuhr sich durch die pechschwarze Mähne. Eiligst stützte sie sich vom Laken auf und griff nach der Hand, die in seinem Haar verweilte. »Marcus«, hauchte sie und er konnte die Angst sehen, die in ihren Augen lag, »du wirst mir nicht wehtun.« »Und wenn ich nicht aufhören kann?«, knurrte er und leise Wut über die Absurdität dieses Augenblicks mischte sich unter den Drang, die junge Frau neben sich erneut mit seiner massigen Gestalt zu bedecken. »Womit aufhören?« Katie konnte nicht verhindern, dass sie verletzt und fassungslos klang. »Damit dich zu vögeln. Dich zu nehmen. Wenn ich nicht aufhören kann, dich vor Lust erzittern zu sehen und dich zum Schreien zu bringen?« Sie war sich darüber im Klaren, dass Marcus versuchen würde, sie in die Flucht zu schlagen, wenn er nur genügend Worte fand. »Was ist, wenn ich nicht möchte, dass du aufhörst?« Ungläubig hob er den Kopf, als er die Worte der tapferen und furchtlosen Katie Bell vernahm. »Ich ... werde ... nicht ... aufhören ... können!« Jede Silbe betonte er energisch und wandelte sie in eine Drohung. »Es ... er ... ich ... würde dich umbringen, versteh' das doch!« Katie schwieg. Ihr war, als läge ihr ein schwerer Stein auf Zunge, der ihr verbot, etwas zu erwidern. »Du hättest tage- und nächtelang keine Ruhe. Du könntest weder essen, noch trinken und schlafen erst recht nicht. Du würdest vor Erschöpfung zusammenbrechen und ich würde einfach weiter machen, ohne Rücksicht auf dich, deinen Körper oder deine Seele. Das, was in mir haust, kennt kein Recht, kein Gut und keine Gnade. Das Tier im Manne ist nicht bloß ein dämlicher Spruch, Katie!« Sie schluckte an der trockenen Kehle. Unschlüssig blickte Katie um sich, konnte jedoch nichts entdecken, das dieses Elend bereinigen würde. »Die Nächte, vor und nach dem Neumond, sind gefährlich. Der Drang, sich zu paaren und Nachkommen zu zeugen vertilgt jegliche Vernunft. Der Trieb, so lang weiterzumachen, bis die Saat auf fruchtbaren Boden trifft, ist übermächtig. Ich würde dich zerbrechen, dich, innerhalb weniger Stunden, komplett auslöschen. Es würde dich zerreißen, dich zerfetzen, bis nichts mehr von dir übrig ist.« Marcus wirkte wie ein gequältes Tier und der dumpfe Glanz in seinen dunklen Augen zerriss ihr beinahe das Herz. »Marcus, wie ...« Noch immer weigerte sich ihre Zunge, die Worte fließen zu lassen. »Wie konnte ich nur?«, fragte er spöttisch, doch Katie schüttelte den Kopf. »Wie hast du ... damals?« Zu mehr sah sich Katie nicht fähig. Jedes Wort hatte sie auf beunruhigende Art angestrengt. »Du meinst auf Hogwarts?«, hakte Marcus nach. »Pucey und Montague haben, mit Hilfe von Snape, stets dafür gesorgt, dass man mich in ein Verlies sperrte. Eine Kammer, die noch bis weit unter die Kerker der Schule ging.« Beklommenheit breitete sich im Innern der jungen Frau aus. Dem Drang, ihn zu berühren, musste sie widerstehen, dennoch streckte Katie zaghaft ihre zarten Finger nach ihm aus. Ein Schauer überkam ihn, als Marcus die sanften Berührungen auf seinem Körper ausmachte. Er musste stark sein, sich zusammennehmen, denn ein Blutbad im Anwesen der Flints, bei dem die junge Reporterin beim Liebesspiel mit dem jungen Hausherren ihr Leben ließ, weil sie nicht hören wollte, passte so gar nicht in die Welt der Reichen und Schönen. Unverwandt rückte Katie zu ihm auf, presste ihre nackte Haut an seine massige Schulter und schlang die blassen, fragilen Arme um ihn. Das zarte Fleisch ihrer Brüste strich einladend über seinen Körper. Die junge Frau löste sich von ihm und positionierte sich direkt vor ihn, um ihm in die Augen zu sehen. Mutig haschte Katie nach seinem Gesicht und zwang ihn, sie anzusehen, ehe sie einen federleichten Kuss auf seinen Mund bettete. Marcus ließ sie gewähren. Seine Arme hingen schlaff und untätig an ihm herab, doch Katie rutschte unablässig auf seinem Schoß herum. Als sie ihre Lippen von seinen löste, umschlang sie seinen kräftigen, muskulösen Körper und schloss ihn in ihre Arme. Ihr Gesicht verbarg Katie in der Kuhle an seinem Hals und er vernahm, wie sie seinen Duft tief in ihre Lungen sog. Abermals musste er dem Drang widerstehen, sie nicht auf die weichen, einladenden Laken zu drücken und sich in ihr zu verlieren. Ihre kühlen Finger strichen an seinem Nacken entlang, während Katie versuchte, beruhigende Worte zu finden, die sein erhitztes Gemüt ein wenig milde stimmten. »Wir haben bald Neumond und außerdem bekommst du bald deine Periode, richtig?« Das zarte Streicheln ihrer Finger verebbte abrupt und Katie sah irritiert drein. »Ja«, gestand sie und wirkte überrascht. »Anfang nächster Woche.« »Genauer gesagt, in drei Tagen«, verbesserte er sie und die junge Frau kam nicht umhin, schockiert an dem Kloß in ihrem Hals zu schlucken. »Du riechst.« »Was?« Nun war es endgültig um sie ihre Fassung geschehen. »Erst stalkst du mich, dann willst mit mir schlafen und jetzt sagst du mir auch noch, dass ich stinke?« Abrupt ließ von ihm ab und blickte verständnislos zu ihm auf, doch Marcus schüttelte den Kopf. »Nein«, erwiderte er gedehnt und fuhr sich erneut durch die dunkle Mähne. »Ich meine ja. Ich ...« Er sah genau, wie Katie angespannt die Kiefer aufeinander presste. Vermutlich musste sie sich sehr zügeln, und ihre Wut im Zaum halten, um ihm nicht hier und jetzt eine schallende Ohrfeige zu verpassen. »Lass es mich dir so erklären«, begann er und rang nach den richtigen Worten, um der jungen Frau vor sich begreiflich zu machen, dass er sie nicht hatte beleidigen wollen. »Der Geruch, der von dir ausgeht, Tage bevor deine Blutungen einsetzt, ist für mich unerträglich!« Katie gab sich die größte Mühe, nicht auch noch den letzten Funken ihrer Würde zu verlieren und zu riskieren, dass der Mann vor ihr zu einem Tier mutierte, wenn sie ihrer Hand erlaubte, neue Gefilde zu erkunden. »Hogwarts war, im wahrsten Sinne des Wortes, die Hölle für mich. Und als wenn ich nicht schon abartig und abnorm genug wäre, habt ihr Mädchen, kaum dass ihr eure Periode bekamt, mir auch den letzten Rest an Selbstbeherrschung genommen.«, zischte er und Katie wusste nicht, ob er verbittert, oder wütend klang. »Warum?«, wollte sie wissen und konnte nicht verhindern, dass sie ihr Ton umschlug. »Weil dann alles in mir nach Paarung, nach Begattung, schreit. Ich kann nicht mehr klar denken. Der Duft ist stärker als jedes bekannte Aphrodisiakum. Betörend, erotisierend, erregend ... und gleichsam frustrierend. Ein Grund mehr, warum man mich in das dunkle, moderige Verlies sperrte. Doch das Grausamste an der ganzen Misere ist, dass es nicht einen Tag gab, an dem ich nicht völlig den Verstand verloren hätte, denn es war egal, wer es war, ständig lag dieser betörende und alle Sinne vernebelnde »leg-mich-flach«-Geruch in der Luft und ich kam mir vor wie Junkie, der nur auf die Gelegenheit wartete, um sich den nächsten Schuss zu setzen.« Wieder musste Katie an dem Kloß in ihrem Hals schlucken. Mit dieser Art der Offenbarung hatte sie nicht gerechnet. »Avalyn St. Steven hatte es, kurz bevor ich Hogwarts verließ, darauf angelegt.«, knurrte Marcus. Mit Schauern erinnerte sich Katie an die Gerüchte, die damals durch die Gänge und Klassenzimmer der Schule kursierten. Die junge, und äußerst attraktive Ava, wie man sie nannte, lag für drei Monate im Krankenflügel, bis man entschied, sie ins St. Mungo zu verlegen. Innere Blutungen, Bissspuren, und Knochenbrüche wurden diagnostiziert und wahrlich musste ein Tier für diese Verletzungen verantwortlich gewesen sein, doch solche Monster gab es nicht. Wie falsch man damit doch lag, wurde Katie nun bewusst. »Sie wollte, ebenso wie du, dass ich nicht aufhörte und ich habe mich, meine Gier und den Durst unterschätzt. Ich habe ihr Schmerzen zugefügt, Katie!«, seine letzten Worte waren kaum mehr, als ein raues, kaltes Flüstern. Kapitel 5: MISTRESS OF DARKNESS. -------------------------------- dark. 4. Kapitel ☽MISTRESS OF DARKNESS.☾ Schnell und brutal wich die einstige, entflammte Leidenschaft der rauen Realität. Eine finstere Kälte kroch ihr über die eben noch erhitzte Haut, deren Ursprung die junge Frau jedoch nicht ausmachen konnte. Die Stille, die sich unmittelbar, nachdem Marcus ihr mit drohenden Worten erklärte, dass eine Nacht mit ihm für sie den Tod bedeutete, über ihre Köpfe senkte, war kaum mehr zu ertragen. Wie ein schwerer, undurchsichtiger Schleier hatte sie alles verschlungen, was eben noch von Feuer und Eifer am Leben erhalten wurde. Nackt, schutz- und wehrlos saß Katie einem Ungeheuer gegenüber, dem es nur danach gierte, einem einzigen Drang nachzugeben. Sie wollte sich kaum ausmalen, was für immense Kraft es ihn gekostet haben mochte, all die Jahre in Gesellschaft von Wesen zu sein, die mit ihrer Naivität, ihrem Unwissen und vielleicht auch aus dummer Provokation das Tier in ihm nur noch mehr reizten. Der scheinbar primitivste aller Instinkte hatte sich in einem Menschen eingenistet und labte sich an seiner Unschuld, seiner Unerfahrenheit. Der Schmerz in seinen dunklen Augen, der gequälte Ausdruck auf seinem Gesicht und die Folter, die Marcus jeden Monat erlitt, zerrten und rissen an ihrem Herzen. All das Leid, die Angst und der Kummer ... Die Bürde, die er trug, erdrückte sie wie eine tonnenschwere Last. Die Folgen, die ihr Tun unmittelbar würde nach sich ziehen, wären verheerend, hätte Marcus nicht dem Hunger Einhalt geboten und sein Begehren niedergekämpft. »Ich bin der Letzte, der dir schaden will.« Endlich durchbrach er die Ruhe, die in tausend Splitter zerbarst. »Ich hätte nicht herkommen dürfen!« Eine Einsicht, die sie erschrak, denn trotz seines Überfalls vor wenigen Minuten, empfand sie Mitleid mit ihm. Seine Worte, die Offensichtliches preisgaben und Sorge offenbarten, drohten Katie in einer Welle aus Gefühlen, die ihr nicht behagten, mit sich zu reißen. »Ich bin selbst schuld«, erwiderte sie träge, dennoch waren ihre Worte nicht mehr als ein zitternder Hauch. »Ich hätte ebenso wenig hier sein sollen.« »Nein«, gebot er ihr rasch, »nein, nicht! Dich trifft überhaupt keine Schuld. Ich habe veranlasst, dass man sich auf ein Interview mit uns einlässt. Wer hätte denn ahnen können, dass ausgerechnet du über die Schwelle meines Hauses trittst und mich so durcheinander bringst?« »Das wollte ich nicht.« Die Unsicherheit, die plötzlich über sie hereinbrach, war so verstörend wie verletzend. »Deine Einsicht kommt reichlich spät, Miss Bell«, ein schiefes, ironisches Lächeln verlor sich in den dunklen und trübsinnig wirkenden Augen seinerseits. »Wäre es, ähm ... anders wenn ...?« Katie wusste selbst kaum, wie sie es hätte ausdrücken sollen. Ein schnaubender, spöttisch klingender Laut entfloh ihm. Mit flinken Fingern, die eben noch die zarte Haut der jungen Frau berührt und sie gleichwohl in Gefahr hätten bringen können, griff er nach dem weichen Stoff des Bademantels und legte ihn ihr in einer Geste der Fürsorge, die ihn ebenso erschreckte wie Katie, um die fragilen Schultern. »Sprich' weiter ...«, forderte er mit ruhiger Stimme. Unschlüssig nagte Katie auf ihrer Unterlippe herum und registrierte die Last, die nun auf ihren Schultern ruhte. Ihr Versuch, den lästigen Stoff loszuwerden, misslang, da Marcus noch immer die Aufschläge des weichen Mantels mit seinen großen, groben Händen umklammerte und sie eindringlich betrachtete. Noch immer von Schuld erfasst, senkte die junge Frau den Blick und vermied es, ihrem Gegenüber in diese dunklen, von drohender Verheißung durchwobenen Augen zu sehen. Mutig schluckte Katie an dem Kloß in ihrem Hals, und noch bevor sie den Blick heben konnte, spürte sie die langen Finger auf ihren Wangen. Beinahe hatte er gehofft, dass Katie seine Berührung missverstand, seine Geste als Beleidigung ansah, sich dem Versuch seinerseits, sie in den Spitzen seiner Finger zu spüren, verwehrte, sich abwandte und endlich das Zimmer verließ, das mehr mit einer Folterkammer gemein hatte, als mit einer Schlafstätte. Kurz zog Katie in Erwägung, ihr Gesicht seinen Klauen zu entwinden, doch sie wollte stark sein, mutig und ihm beweisen, dass er ihr zwar Angst einjagte, aber ihre Gefühlswelt gleichsam und mehr denn je ins Wanken brachte, als sie es für möglich hielt. »Tu' das nicht!«, raunte er, doch die Drohung, so düster sie auch klingen sollte, verfehlte ihr Ziel. Tapfer wandte sie sich ihm zu und wusste kaum, wie ihr geschah, als sie erneut das Knistern wahrnahm, das sich unweigerlich zwischen ihnen entlud. In einer schnellen, fließenden Bewegung schlang Katie ihre blassen Arme um seinen Hals, presste ihren nunmehr halbnackten Körper an seine Brust und bettete ihre Lippen sachte und sanft auf seinen Mund. Die Keuschheit ihres Kusses überfiel ihn wie ein Donnerhagel. Tausend Klatscher umkreisten seinen Kopf und drohten ihn unter ihrer Wucht in Stücke zu schmettern. Wahrlich konnte er jede Regung vernehmen, die ihm ihr Körper signalisierte. Lust ... Angst ... Begehren ... Wut ... Leidenschaft ... Ihr Duft suggerierte ihm deutlich, dass sie nicht mehr lang ohne eine Berührung ausharren würde. Seine Finger glitten von ihren Wangen über die schlanke Säule ihres Halses, die zarte Haut ihres Schlüsselbeines, bis seine Hände die Wölbungen ihrer Bürste erreichten, deren Festigkeit und Schwere er wog. Ein raues Stöhnen entwich ihren Lippen, als Katie die kundigen Finger des Mannes auf ihrer Haut ausmachte. Seine Daumen reizten die empfindlichen Knospen, die sich ihm entgegen drängten. Als Marcus von dem üppigen Fleisch abließ und seine Hände weiterhin den Versuch unternahmen, ihren Körper zu erforschten, intensivierte Katie den Kuss und ergab sich der neckenden Zunge, die ihr wahrlich Höhenflüge bescherte. Marcus' Finger zeichneten die Konturen ihres Körpers nach. Die Grobheit seiner Pranken ließ seine Mundwinkel kaum merklich zucken, da er ihre Statur mit beiden Händen mühelos würde umfassen können. Die Tragweite ihres Tuns kam ihm wieder in den Sinn. Eine falsche, fatale Bewegung und die Frau in seinen Händen zersprang in Splitter aus Knochen, Gewebe und glitzerndem Blut. »Du ... sollst ... mich ... nicht ... reizen!«, knurrte er, doch Katie rieb sich genüsslich an ihm. Dreist und frech ignorierte das drohende Unheil. Zu spät, ein Gedanke, der ihr unweigerlich ein Schmunzeln auf die Lippen schickte. Forsch griff sie nach seinen Händen, führte sie in die unteren Gefilde ihres vor Leidenschaft entflammten Leibes und dirigierte seine Finger zu der delikaten Stelle, die alle Beherrschung in ihm zum Einsturz brachte. Marcus kämpfte seine Gier nieder, doch als er es zuließ, dass sich seine Hände um das Geschlecht der jungen Frau schlossen, vermochte er dem Tier in ihm keine Ketten mehr anzulegen. Zielgerichtet schob er erst einen, dann einen zweiten Finger in die heiße, nasse Öffnung und wusste kaum, wie er mit dem Drang und dem Begehren umgehen sollte, das sich um seine Glieder schloss und ihn aufforderte, dem nachzugeben, das er sich so lang bereits verbot. Katie presste ihre entblößten Beine zusammen und nahm ihn so in ihre qualvolle, brennende Gefangenschaft. »Hexe!«, zischte er, als er in rhythmischen Zügen ihre Enge erkundete. »Du willst also sterben?!« Katie erstickte den knurrenden Laut in seiner Kehle mit ihrer Zunge und schob sich näher an ihn heran.Berauscht von dem Gefühl der Erwartung, der Entdeckung von unbekanntem Terrain und dem Begehren, das in ihr erwachte, ließ sie ihre Hüften kreisen und genoss die kleinen Stöße, die er mit seinen Fingern vollführte. »Biest!«, entkam es ihm in gereiztem Ton. Wut wandte sich durch seine Adern, gepaart mit Lust und Gewissensbisse. »Schsss«, beschwor sie ihn eindringlich und setzte ihre Folter fort. »Du wirst mich nicht umbringen!« »Vielleicht nicht, aber krankenhausreif bumsen.«, bissig und schnell kam die Antwort, doch Katie hatte bereits zu viel von sich in diesem Augenblick offenbart, als dass sie sich nun verunsichert oder ängstlich fühlte. »Überschätze nicht die Gier. Gier ist Leichtsinn auf höchstem Niveau!« »Sei still!«, befahl Katie und nun war sie es, die bissig und verstimmt klang, »Halt die Klappe, Flint!« »Du machst mich wahnsinnig«, knurrte er, doch von ihr ablassen konnte er nicht. Viel zu lange schon hatte er sich dem Gefühl von Lust und Leidenschaft verwehrt. Abstinenz in höchstem Maße. Verweigerung von Berührungen. Körperlicher Verzicht. Enthaltsamkeit, die seine Denkweise, seine Seele hatte verkümmern lassen. Zartes, nasses, heißes Fleisch., heisere, berauschende Töne von Lippen zu kosten. Klänge, die ihn antrieben und nicht zuließen, dass er in seinem Tun inne hielt. Nichts hasste er mehr, als diese kleine, bösartig kichernde Stimme in seinem Kopf die ihn mahnte, nicht das Tier emporkommen zu lassen, doch ihr Duft, ihre Nässe an seinen Fingern und die Laute, die ihm Begehren, Lust und Einverständnis geboten, schienen ihn schier zu übermannen. »Dich nicht zu vögeln, bringt mich um«, knurrte er abermals. »Und mich zu vögeln hätte weitreichende Folgen für mich, hm?«, zischte Katie und er konnte wahrlich die Ungeduld vernehmen, die in ihr aufwallte. »Und mich zu vögeln hätte weitreichende Folgen für mich, hm?«, zischte Katie und er konnte wahrlich die Ungeduld vernehmen, die in ihr aufwallte. »Ironie ist scheiße!«, entkam es ihm und kurz brachte er die junge Frau damit aus dem Konzept. »Idiot!«, rügte sie tadelnd, ließ sich jedoch nicht von ihm beirren. »Ich will ... dich.« »Wo willst du mich?« Das Raunen in seiner Stimme wallte ihr wie ein prickelnder Schauer über den Rücken. »Ich will dich genau da!«, knurrte Katie und biss ihm in die Unterlippe. »Ich will dich da, wo deine Finger jetzt sind!« Dunkelheit, so erschreckend und primitiv es auch sein mochte, beschrieb dieses Wort doch am ehesten den Zustand, in dem sie sich befand. Der Strudel der Leidenschaft hatte sie wahrlich mit sich gerissen. In den finstersten Nuancen, in den düstersten Tönen und all den lichtlosen Stunden. Ihr Körper, sofern man ihn noch als solchen hätte beschreiben können, schien sich aufzulösen. Ihre Seele, weit über ihr schwebend, die Nase rümpfend und den Kopf schüttelnd, besah sich jede Kleinigkeit, die in ihr vorging. Ihre Nägel hatten sich in die massigen, von Schweiß bedeckten Schultern gebohrt. Sie schrie. Schrie weiter, bis ihr die Stimme versagte und ihre Stimmbänder zu reißen drohten. Schrie so lang, bis nicht ein Ton mehr übrig blieb. Der Schmerz hatte sich der Lust gebeugt. Die Lust war der Qual gewichen. Die Qual verspottete die blinde Gier. Und die Gier wurde von der Unendlichkeit der Finsternis verschlungen. Dann ... ein Pochen. Und noch eins. Poch ... poch ... Ihr Herz erfuhr eine Regung. Ein Schlag, und plötzlich folgten viele weitere. Feuer versenkte ihre Kehle. Sengender, quälender und lähmender Schmerz hatte von ihr Besitz ergriffen. Furcht, Angst und Pein schlugen mit brachialer Wucht auf sie ein. Ein Impuls, so kraftvoll und erschütternd, trieb sie in die Höhe. Schweiß rann ihr über den zierlichen Rücken. Kälte züngelte an ihrem Körper. Sanftes Licht drang durch die dunklen Vorhänge und kündigte den neuen Morgen an. Ein dumpfes, defuses Schimmern schlängelte sich in den Raum, doch die junge Frau besann sich darauf, dass es sich um eine Täuschung handeln musste. Ein Traum, nicht mehr und nicht weniger. Ein Trugbild, das ihr Leben vorgaukelte. Selbst das aufmunternde Zwitschern der Vögel, die sich als winterfest erwiesen und auf eine Reise in den warmen Süden im wahrsten Sinne des Wortes pfiffen, vermochte nicht ihren Sinn für die Realität zu schärfen. Sie war allein. Allein in diesem großen Raum, dessen Mittelpunkt unweigerlich das hiesige Bett darstellte, in dem sie lag. Dass sie sich überhaupt erhoben hatte, musste eindeutig ihrem labilen Geisteszustand zugeschrieben werden. »Ich bin tot!«, beinahe hysterisch kichernd entronnen die Worte ihrer Kehle, ihrer Kehle, die brannte und nach kühlem Wasser verlangte. »Wie absurd! Ich bin verdammt noch mal tot, da brauche ich auch nichts trinken!« Das Knarren der Tür erschreckte sie beinahe zu Tode. »Verdammt gefällt mir gut.« Seine dunkle, ihr nun mehr als vertraute Stimme, schickte ihr die Mundwinkel gen Norden. Marcus betrat das Zimmer, gekleidet in einer schwarzen Hose und einem tiefblauen Pullover. Er hat geduscht? Die nassen Spitzen seiner Haare ließen keinen Zweifel daran aufkommen. Marcus trat auf sie zu und balancierte gekonnt ein Tablett in den Händen, auf dem Katie ein Gefäß ausmachte. Die Kristallkaraffe war gefüllt mit kühlem Wasser. Ein ebenso schimmerndes Glas verweilte auf dem hölzernen Servierbrett. Mit einem Ausdruck auf dem Gesicht, den Katie nicht deuten konnte, langte seine grobe Hand nach dem fragilen Henkel der Kanne. Er goss etwas von der einladenden Nässe in das Glas und reichte es ihr. »Ich bin tot«, meinte Katie und zog pikiert eine Schnute über seinen Versuch, ihren Durst zu stillen. »Ich auch«, gab Marcus zurück, drückte ihr jedoch das Gefäß in die Hände. »Aber ...«, die Angst, dass das Glas auf den Boden fallen und in Scherben zerbrechen würde, verschwand, als ihre Finger die Kühle des Kristalls berührten. »Das ist Irrsinn, ich bin tot!« »Wenn du das noch einmal sagst, dann garantiere ich für nichts!«, fauchte er und nickte auffordernd. Ein genüssliches Stöhnen entfloh ihrer Kehle, als sich das wohlschmeckende Wasser seinen Weg ihren Hals hinab bahnte. Noch nie war ihr herkömmliches Wasser so köstlich und willkommen. Gierig schluckte sie jeden Tropfen und verspürte eine sofortige Linderung, ihres geschundenen Körpers. »Was ist da drin?«, verlangte sie zu wissen und blickte kritisch zu dem jungen Hausherren auf. »Etwas Kamille, Aloe Vera und noch irgendetwas anderes. Keine Ahnung.«, gab Marcus zu und zuckte mit den Schultern. »Meine Mutter trinkt es meistens zur Beruhigung, und ich dachte, dass es dir, nach der gestrigen Nacht, nicht schaden könnte.« Verwunderung machte sich auf ihrem Gesicht breit. Als Katie ihm das Trinkglas reichte und sich ihre Finger für einen flüchtigen Moment berührten, zuckte sie unweigerlich zurück, sodass das Glas ihren Händen entglitt und mit einem dumpfen Ton auf den Teppich schlug. Sie erwartete, dass er sie mit einem empörten Blick bedachte, seine Stimme erhob oder anderweitig reagierte, doch Marcus blieb beherrscht. »Es ist nichts passiert«, meinte er und bückte sich, um das Glas wieder auf das Tablett zu setzen. »Aber ...«, entkam es ihr, doch ein knirschendes Geräusch ließ sie zusammenfahren. In seinen Händen verweilten kleine Stücke des Trinkgefäßes. Zwischen die Splitter schlängelte sich ein feines Rinnsal roter Flüssigkeit. »Marcus«, keuchte sie erschrocken auf und griff nach seiner Hand. Ohne Umschweife oder einen Laut des Protestes seinerseits abzuwarten, erhob sie sich aus dem Bett. »Wie du siehst, ich bin nicht tot und du ebenso wenig, Katie Bell!« Ein Grinsen legte sich auf seine markanten Züge, doch Katie begann damit, ihn hinter sich her in das kleine Bad zu schleifen, ungeachtet dessen, dass sie mit ihrem Anblick das gierige Monster in ihm aus seinem Schlaf riss. Suchend blickte sie sich um und erspähte nur die blütenweißen Handtücher auf der Ablage. Hilfe erbittend und besorgt sah sie zu ihm auf, doch Marcus zuckte nur mit den Schultern. Eiligst lotste sie ihn zu dem Waschbecken und brachte das fließende Wasser auf eine angenehme Temperatur, ehe Katie seine Hand unter den Strahl hielt. Zischend sog Marcus Luft durch die zusammengebissenen Zähne, ein Laut, der Katie erneute Schauer über den Rücken jagte. Ihre schlanken, feingliedrigen Finger versuchten nach bestem Wissen und Gewissen die kleinen Scherben aus der groben, prankenähnlichen Hand des Mannes zu wischen. Behutsam tupfte sie mit einem der Handtücher seine Handfläche ab, bis sich nur noch ein winziger Einschnitt zeigte, der plötzlich nicht mehr zu sehen war. »Was? Wie?«, verdutzt starrte sie zu Marcus auf, der mit belustigter Miene den Kopf schüttelte. Er hielt seine rechte Hand in die Höhe und drehte sie so, dass Katie sie betrachten konnte. »Das Gute an diesem Fluch, so fern man es als Gut bezeichnen kann, ist die überaus schnelle Wundheilung. Dein Spektakel von eben war also überflüssig.« Mit großen Augen inspizierte Katie die Linien in seiner Hand, griff vorsichtig nach jedem Finger, beugte und streckte ihn und schüttelte dann das blonde, etwas in Mitleidenschaft gezogene Haupt. »Aber einen positiven Nebeneffekt hat deine Aktion trotzdem.«, meinte er mit einem breiten Grinsen. »Und welchen?«, fragte Katie vorsichtig und rügte sich gleichermaßen für ihre Naivität. »Du. Nackt. Im Bad. Hier hatte ich noch nie das Vergnügen.«, mit einer groben Bewegung zog er Katie an sich und presste ihren Körper an seinen, ehe er sie mit einem verzehrenden Kuss zum Schweigen brachte. Vage fügte sich ein Muster in ihren Gedanken zusammen. Seine kräftigen Hände, die sie beim Liebesspiel hielten, sie dirigierten und ihn gleichermaßen in Zaum hielten, um die Kontrolle über sich und das lüsterne Tier nicht zu verlieren. Wieder hatte sie geschrien. Vor Schmerz? Vor Lust? Katie vermochte die Gefühle nicht zu benennen, die sich abermals in ihr versammelten, um dann wie die heiße, brodelnde Lava aus einem Vulkan in die Höhe zu schießen. Seine Hände auf ihren Hüften, die sie in rhythmischen Bewegungen führten und lenkten. Ihre erhitzte, schweißbedeckte Haut, die, im Schein der kleinen Lampe, schimmerte und funkelte. Die Töne, die er ihr entlockte bei jedem Stoß, den er tat. Die Stärke, die sie ihm zeigte, da sie seinem Martyrium standhielt. Stark, unerschütterlich, gefestigt. Immer wieder ließ sie sich auf ihn sinken, nahm ihn in sich auf und verlor sich an ihm, wie er in ihr. Der Drang, sie stundenlang zu nehmen, wie er es ihr prophezeit hatte, trieb ihn voran. Trotz seines Hungers überließ er ihr die Führung und Marcus tat gut daran, obschon seine Männlichkeit, bejahend von dem Monster in ihm, darin unterstützt wurde, dieser Frau einen Beweis für wahre Manneskraft zu liefern, sobald er sie unter sich begrub. Doch soweit hatte Marcus es nicht kommen lassen. So sehr es ihm danach gierte, drängte und dürstete, Katie zu zeigen, wie sich der Akt mit einem wie ihm anfühlte, er nahm sich zurück. Einzig beim letzten Stoß, der ihre Seele beinahe in Stücke geschlagen hätte, hatte er sie herumgedreht und ihr mit einem seufzenden Laut erneute Erlösung geschenkt. Tief war er in ihr, hatte sich in ihrem Körper versenkt und die immense Stärke bestaunt, mit der sie darauf beharrte, ihn in ihrer Mitte zu halten. Sie schrie, seufzte, keuchte, wimmerte und ergab sich ihm, wieder und wieder. Mit Erstaunen besah sich Katie die Blessuren, die ihr unzüchtiges Verlangen mit sich gebrachte. Das Heilwässerchen, das Marcus ihr vor wenigen Minuten verabreicht hatte, schien wahrlich eine heilende Wirkung zu besitzen, denn aus den blauen Flecken, die Arme, Schultern und Nacken zierten, wurden allmählich nur noch gelbe Punkte. Unter den dunklen Augen seinerseits, betrachtete sich die junge Frau im Spiegel, der über dem Waschtisch angebracht worden war und registrierte die groben Abdrücke seiner Hände, die auf ihren Seiten, bis zu den Hüften reichten. »Bei Merlin«, japste Katie erschrocken und ließ es zu, dass er an sie heran trat, um mit ungewohnter Sanftheit über ihre Arme zu streichen. Ihr Gesäß presste sich gegen das nackte Fleisch seiner Schenkel und als sich ihre Blick im Spiegel begegneten, drohte er ihr, sie abermals zum Schreien zu bringen. »Das mit der Gier und der Potenz war also nicht gelogen?« Die ernüchternde Wahrheit brachte sie zum Lachen. »Bring' mich nicht wieder in Versuchung, Katie!«, mahnte er und hüllte ihren zierlichen, schmalen Körper in eines der großen, flauschigen Handtücher. »Ich habe mich sehr zügeln müssen, nicht das ganze Bad auseinander zu nehmen!« Hart schluckte sie bei seinen Worten. Wahrlich, ihr erneuter Ausflug ins Reich der Sinne und Gelüste hatte sie erschöpft, doch seine Lust schien ungebrochen. Der Beweis drängte sich zwischen ihre Hinterbacken. Sie hatte sich kaum auf den Beinen halten können. Das warme Wasser und der wohlig duftende Schaum, der ihren Körper eben noch umspülte, während er ihr gestatte sich auf ihn einzulassem, wirkten zwar belebend und wohltuend, doch nach den ekstatischen Bekundungen ihres Verlangens, hatte sie eine Schwere gefühlt, die ihr alle Kraft entzog. »Wie gehst du nur damit um?« Katie wandte sich nach ihm um und blickte besorgt zu ihm auf, ehe sie ihr Augenmerk verstohlen auf die Lanze richtete, die sich vor ihnen erhob. »Eiserner Wille und Konzentration«, gab Marcus zähneknirschend zurück. »Ist das ...« Katie fuchtelte mit den Händen an ihrem Körper auf und ab. »Also, ist es immer noch so schlimm? Der ... der Geruch?« Mit einem lüsternen Grinsen beugte er sich zu ihr herunter, ehe seine Lippen ihr linkes Ohrläppchen streiften. »Es .... wird mit jeder ... verdammten ... Minute ... unerträglicher.«, raunte er und eine erneute Welle der Erregung wand sich durch ihre Adern und drohte sie unter sich zu begraben. Erneut packte er sie bei den Hüften und bugsierte sie auf den Waschtisch. Willig schlang Katie ihre Beine um ihn und hakte sie über seinem Po ineinander. »Spreche ich undeutlich, du dummes Mädchen?«, verlangte er zu wissen und blickte wütend auf das willige Wesen unter sich, ehe er genüsslich den Duft einsog, der, von ihr ausgehend, den kleinen Raum erfüllte. Mit einem schnellen Stoß war in ihr und ihr erstickter Schrei wich einem kehligen Seufzen. »Marmor ist wohl doch nicht so robust«, stellte Katie nachdenklich fest, als sie ihr Gesicht an seiner Brust vergrub und sich an ihn klammerte. Mit einer flinken Bewegung zog er sie von dem Waschtisch herunter, drehte sie herum und begutachtete den Schaden, den er angerichtet hatte. Auf der Armatur waren zwei deutliche Abdrücke zu erkennen, die unweigerlich von seinen Händen stammten, als er sich und dem Hunger Einhalt gebieten musste. Wieder stand Katie mit dem Rücken zu ihm und er kam nicht umhin, sie zu berühren, indem er ihr das engelsgleiche Haar von den Schultern strich und es zu einem lockeren Zopf wund. Ihren einladend wirkenden Nacken bedeckte er mit kleinen Küssen, während er seiner linken Hand erlaubte, die Konturen ihres Rückens, bis hin zu ihrem kleinen, festen Po, nachzufahren. »Wie spät ist es?« Ihre Frage ließ den Augenblick jäh und unbarmherzig zerplatzen. »Keine Ahnung. Vielleicht fünf Minuten nach ... ich habe dich gerade auf dem Waschtisch gef ...«, sinnierte er und erntete einen vernichtenden Blick. »Ich meine es ernst!«, knurrte Katie und war versucht, sich aus seinen Händen zu befreien. »Wir auch!«, grinste er und deutete mit einer viel sagenden Geste auf sich und seine Männlichkeit, die nichts von ihrer Standhaftigkeit eingebüßt hatte. »Du und dein unersättlicher Trieb«, zischte Katie und starrte verurteilend zu ihm auf. Mit einer schnellen Bewegung befand sich ihr Hintern abermals am Rande der marmorierten Armatur. Marcus stützte sich mit beiden Händen jeweils links und rechts neben den Seiten ihres Körpers ab, beugte sich zu ihr herunter, damit sie ihm direkt in die Augen sehen sollte. »Das. Ist. Kein. Spiel.«, fauchte er und bemerkte das Zittern, das sie sofort erfasste. Doch es war kein Erzittern vor Lust und Leidenschaft! In ihren Augen spiegelten sich Angst, Furcht und Panik wider, statt Fleischeslust jedweder dunklen Natur. »Du hast es ja nicht anders gewollt. Reizt ein Tier, dessen einziges Bestreben es ist, zu verletzen, zu zerstören, auszulöschen. Ich bin ein Monster, Katie Bell. Ich habe nichts mit einem Schmusebären gemein. Da, sieh!« Marcus deutete auf die dunklen Abdrücke seiner Hände auf ihrer hellen Haut und dem zerschmetterten Tisch. »Mit ... den Jahren lernt man es, zu beherrschen, nur, falls du es in deinen Notizen vergessen haben solltest. Du hast die Käfigtür geöffnet und vergessen, sie wieder zu schließen.« Erneut musste Katie bei seinen Worten schlucken. »Die letzten Stunden waren anstrengender für mich, als ich gedacht hätte und jetzt sitzen wir beide ziemlich in der Scheiße!«, mit diesen Worten ließ er von ihr ab und verließ mit eiligen Schritten das Bad. Verdutzt und verwirrt über seine Reaktion, folgte Katie ihm ins Zimmer. »Warte!«, beharrte sie und hielt ihn am Arm fest. »Wie hast du das gemeint?« Ein wissendes Grinsen, das Katie ihm am liebsten aus dem Gesicht gehext hätte, zupfte an seinen Lippen, doch in seinen Augen spiegelten sich Verrat und Abscheu. »Verdammt noch mal, Marcus!«, ihre Stimme erhob sich zu einem schrillen Keifen. Missbilligend schnalzte er nur mit der Zunge. »Der Geruch, der von dir ausgegangen ist, ist verschwunden.«, erklärte er, als wäre es das Normalste von der Welt, erst einer Frau weiszumachen, dass man riechen könne, wann sie ihre Periode erwarte und ihr dann mit einem Male mitzuteilen, dass der Duft verpufft war. »Meinen Glückwunsch, Miss Bell. Sie sind ihre Tage für die nächsten neun Monate erst einmal los.« Missbilligend schnalzte er nur mit der Zunge. »Der Geruch, der von dir ausgegangen ist, ist verschwunden.«, erklärte er, als wäre es das Normalste von der Welt, erst einer Frau weiszumachen, dass man riechen könne, wann sie ihre Periode erwarte und ihr dann mit einem Male mitzuteilen, dass der Duft verpufft war. »Meinen Glückwunsch, Miss Bell. Sie sind Ihre Tage für die nächsten neun Monate erst einmal los.« »Was?« Unglauben und Verwirrung zierten ihr Gesicht. »Ding, Ding, Ding ... Die Saat ist innerhalb der letzten Stunden aufgegangen. Ich habe dich gewarnt!«, kalter Spott schwang in seiner Stimme mit. Perplex blickte Katie noch immer zu ihm auf. Perplex blinzelte Katie zu ihm auf. Der Moment war so abstrus und irritierend, dass ihr ein hysterisches Kichern entfloh. »Ich gehe nicht davon aus, dass du Verhütungszauber angewendet hast?« Marcus blieb ruhig und beherrscht, selbst dann noch, als ihn eine Hand mitten ins Gesicht traf und heißen, sengenden Schmerz zurück ließ. »Oder irgendwelche alternativen Verhütungsmittel?« Ihm war bekannt, dass es unter Muggeln üblich schien, ungewollte Schwangerschaften mit Pillen, Diaphragmata oder Spiralen zu verhindern. »Woher. Willst. Du. Wissen -«, mühsam entkam ihr jedes Wort und schien die Angst in ihren Augen in Qual zu wandeln. »Also nicht?«, hakte Marcus nach. »Hast. Du. Ebenso. Wenig.«, knurrte Katie. Marcus hob beschwichtigend die Hände in die Höhe und senkte schuldbewusst den Blick. »Ich weiß, ich weiß.« Der Aufschrei seinerseits erschreckte sie beinahe zu Tode. Sich die Haare raufend marschierte er, wie ein Tiger im Käfig, im Zimmer auf und ab. Wie in Trance starrte Katie auf das Tier und konnte nicht leugnen, dass der Schock zwar tief saß, sofern es sich überhaupt um eine Schwangerschaft handelte, sie aber nicht ihr Augenmerk von dem Mann und seinen Qualitäten nehmen wollte. Anziehend und abstoßend. Erschreckend und erfüllend zugleich. Aus dem Teufelskreis, in dem sie sich befand, schien sie nicht herauszukommen. Angst und Lust wallten in ihr auf, so verstörend wie verzehrend. »Ich bin nicht schwanger.«, beharrte sie und verschränkte die Arme vor ihren entblößten Brüsten. »Doch, bist du.«, bestätigte Marcus ihr. Empört rang Katie nach Luft. Abermals trat er auf sie zu, entwand ihre Hände der starren Haltung und blickte ihr eindringlich und fordernd ins Gesicht. »Der Duft, der von dir ausging«, erklärte er erneut, »ist weg. Verflogen. Das Verlangen in deinen Augen, spricht wahrlich Bände, Katie. Du kämpfst gegen den Drang, mich zu schlagen, nur um mich dann selig seufzend in dich aufzunehmen, damit ich da weitermache, wo ich seit gestern Abend nicht hatte aufhören können.« Der Mund wurde ihr trocken, nicht eine Silbe entkam ihr und Katie traute sich nicht einmal, Luft zu holen. »So schnell?« Nach und nach drang die Erkenntnis bis zu ihrem von Lust umnebelten Verstand vor. »Wenn sich die Möglichkeit bietet, dann wird sie ergriffen.«, erklärte Marcus sachlich und strahle eine Ruhe aus, die sie wahrlich zur Weißglut trieb. »Zieh' dir etwas an, dann reden wir darüber.«, merkte er an und Katies einzige Reaktion war ein betretenden Nicken. Die Gedanken jagten einander, als Katie die letzten Knöpfe der Bluse schloss, sich fahrig mit den Händen durch die blonde Mähne fuhr und einen frustrierten Seufzer ausstieß. Geistesabwesend wanderten ihre Fingerspitzen über den flachen Bauch. Leise schnaubend schüttelte sie den Kopf. Du bekommst deine Periode!, rief sie sich, der stillen Hoffnung ergebend, ins Gedächtnis. Die ersten drei Tage wirst du dir wieder wünschen, dass man dir ein Messer in den Bauch rammt, damit die Schmerzen vergehen und dann wird es erträglicher. Wie so oft ging sie die Punkte auf der imaginären Liste zur Heilung ihres Frauenleidens durch: Wärmflasche, Wolldecke, Socken, Schokolade, Unmengen an Zeitschriften, Hagebuttentee mit Honig und … Oliver. Der Schreck fuhr ihr in die Glieder: Oliver Ihr guter, treuherziger, lieber Oliver Wood. Plötzlich war ihr der Ring am Finger schwer wie Blei. Tonnenschwer. Erdrückend. Belastend. Als Ausrutscher würde sie ihr Handeln von letzter Nacht nicht abtun können. Dafür wog die Schuld zu schwer, auch ließen es die Umstände nicht zu. Was auch immer da in ihr heranwuchs, würde selbst den lieben, fürsorglichen Oliver Wood aus dem Haus treiben. Ihr zitterten die Knie, während ihre Fingerknöchel sacht gegen das Holz der Tür fuhren. Ein glockenhelles Lachen erklang und gebot Einlass. Camilla begrüßte sie mit einem freundlichen Lächeln und wies ihr einen Platz am langen Esstisch zu. Von Marcus fehlte jede Spur. Wahrscheinlich musste er den Dreck fortspülen, in dem er sich gewälzt hatte. Zögernd fischte Katie nach einer Scheibe Brot und hielt inne, als sich sich Marcus' Mutter nach ihrem Befinden erkundigte. Freundlich, wenn gleich auch etwas hastig, bestätigte Katie, eine angenehme Nacht verbracht zu haben, doch ein heißer Schauer überfiel sie bei dem Gedanken daran, ob Camilla etwas von ihrem Treiben mitbekommen habe. Die Hausherrin erweckte nicht den Anschein, sich in ihrer Nachtruhe gestört zu fühlen. Den Blick Camillas zierte nichts Verschwörerisches oder gar Wissendes. So mahnte Katie ihr pochendes Herz zur Ruhe. »Mein Sohn kann bisweilen ein wenig schwierig sein. Bockig, stur, taktlos.« Ein entschuldigendes Lächeln legte sich auf Camillas Lippen, als diese fortfuhr. »Ich möchte mich für sein Verhalten in aller Form bei Ihnen entschuldigen, Katreace.« »Nein, nein, das ist nicht nötig, Mrs. Flint« Abwehrend hob Katie die Hände, um den gefallenen Worten nicht noch mehr Bedeutung beimessen zu wollen. »Camilla«, unterbrach diese die Reporterin, sodass Katie auf das freundliche Angebot nur mit einem überraschten Blinzeln reagieren konnte. »Misses Flint, Camilla ...«, stolperten ihr die Silben von der Zunge. Die Scham für das, was jüngst geschehen war, färbte Katie die Wangen. »Ja, Liebes?« Unweigerlich erschien ihr das freundliche Lächeln Camillas wie ein Unglück bringender Vorbote. Kaum merklich rang die junge Frau nach Luft, versuchte dem wirren Knäuel im Magen Herr zu werden, ehe sich Katie dazu durchrang, das Wort an Marcus' Mutter zu richten: »Wie haben Sie damals mit ihrem Gatten zusammengefunden? Verzeihen Sie mir, wenn Ihnen meine Frage zu persönlich erscheint, dann ...« Neugierde und Trübsinn scheuchten sie voran. »Es wäre für den Artikel gewiss von Vorteil, wenn ich auch etwas über Sie mit einbringen dürfte.« Zu Katies Verblüffung bediente sich Camilla eines schwärmerischen Lautes und schien sich mit Freude der vergangenen Tage zu entsinnen. Bereitwillig berichtete sie der jungen Reporterin von dem ersten Zusammentreffen mit ihrem Ehemann. Die Begeisterung und das Talent für Quidditch musste Marcus unweigerlich von seinem Vater geerbt haben. Der einst ebenso in Slytherin ansässige Lloyd Flint spielte in der Position des Treibers. Camilla hingegen hatte in Ravenclaw Freunde und eine Familie gefunden. Doch der draufgängerische Flint Senior hatte es sehr wohl verstanden, dem Mädchen die richtigen Avancen zu machen und da sie ebenso reinblütig war, wie er, kam eine Verbindung zwischen ihnen den übrigen Flints gerade recht. Sein Werben war von Erfolg gekrönt und nur wenige Monate nach ihrem Abschluss hatten beide ihr Glück in der Ehe gefunden. »Wussten Sie von seinem Geheimnis?«, Katie war sich nicht sicher, ob es genehm war, diese mehr als persönliche Frage zu stellen, doch Camillas Lippen umspielte ein Lächeln. Ein Glitzern trat in ihre Augen, doch lag auch eine Spur von Bedauern in ihrem Blick. Ein schnaubender Laut, ähnlich dem von Marcus vor wenigen Stunden, entfloh ihrer Kehle. »Oh ja, Lloyd hat es sehr wohl verstanden, mich auf sein Problem aufmerksam zu machen. Ich will offen mit Ihnen sein, Katreace, denn ohne Ehrlichkeit und gegenseitigem Einvernehmen hätte die ganze Aktion mit Ihrem Artikel wenig Sinn, nicht wahr?« Katie nickte und wappnete sich bereits für die Welle an Informationen, die Camilla ihr geben würde. »Ich war, wie Sie sich bestimmt denken können, denn Ihnen erging es bestimmt nicht anders, geschockt. Er war mein erster Mann und als wir uns ein ums andere Mal unseren Gefühlen hingaben, offenbarte er mir die Grausamkeit des Fluchs, mit dem man die Männer der Flint-Dynastie belegt hatte. Natürlich waren wir bereits verheiratet und eine Scheidung kam für mich nicht infrage, da Familienstolz auch in meiner Sippe einen hohen Stellenwert hatte. Ich wäre eine Schande für sie gewesen, eine Ausetzige.« »Sind Sie nur deshalb bei ihm geblieben?« Camilla konnte den Argwohn in der Stimme der jungen Frau deutlich vernehmen und schüttelte mit einem zuversichtlichen Lächeln den Kopf. »Nein, Katreace, ich bin bei ihm geblieben, weil ich ihn liebte und sich bis zum heutigen Tage nichts daran geändert hat. Ich habe ihn bereits geliebt, als er mir in der ersten Flugstunde den Rock hochgewirbelt hatte, als er mich auf den Astronomieturm lotste, um mir die Sterne zu zeigen und als er mich das erste Mal küsste.«, erklärte Camilla seelenruhig. »Und wie war es um den körperlichen Part bestellt?«, Katie spürte förmlich die Hitze, die ihre Wangen zum Glühen brachte. »War?«, ein glockenhelles Lachen entkam Camillas Lippen. »Mein liebes Kind, ich will ja nicht Ihre Vorstellungen von einer körperlichen Beziehung zwischen zwei Liebenden jenseits der fünfzig zertrümmern, in der Sie wahrscheinlich annehmen, Leuten in unserem Alter wäre es gerade mal noch erlaubt, Händchen zu halten und sich hier und da mal einen Kuss auf die Wange zu geben. Aber ich darf Ihnen versichern, dass die Männer in der Ahnenreihe der Flints sich glänzend darauf verstehen, bis ins hohe Alter mehr als aktiv zu sein.« Ein breites Lächeln, gepaart mit einem viel sagenden Augenzwinkern versicherte Katie, dass sie dem nichts mehr entgegen zusetzen, geschweige denn hinzu zufügen hatte. »Camilla, eine Frage noch und dann lass ich Sie endgültig damit in Frieden.«, begann Katie und hoffte, dass sie mit ihrer forschen Art nicht über das Ziel hinaus zu schießen drohte. »Wie haben Sie gemerkt, dass Sie schwanger waren?« Gern hätte sie noch mehr erfragt, doch ihre Lippen blieben versiegelt aus Furcht, die überaus nette Misses Flint damit zu verärgern und mit ihrer unbedachten Art bei ihr in Ungnade zu fallen. »Wie Sie wissen, ist jeder Fluch eine Belastung, doch auch daraus kann man seine Vorteile ziehen. Ich weiß nicht, inwieweit Ihnen bekannt ist, dass die, mehr oder wenige, »Gabe« meines Mannes und unseres Sohnes, es ihnen erlaubt, den perfekten Zeitpunkt für eine Zeugung zu ... nun, wie drücke ich es am Besten aus?«, grüblerisch blickte Camilla zur Decke hinauf. »Erschnüffeln«, ihre hochroten Wangen leuchteten wie Lichter, als Camilla mit einem dankbaren Nicken für Katies Wortwahl fortfuhr. »Ganz recht. Nun, sie »erschnüffeln« gewissermaßen den Eisprung und dann geht alles ziemlich schnell.« Oh ja, schnell!, Katie schob den offensichtlichen Gedanken sofort beiseite. »Aber Sie haben nur Marcus, richtig? Wie haben Sie ...«, eine Frage zu viel, wie die junge Reporterin befürchtete. »Es gibt im Zyklus einer jeden Frau »sichere« Tage an denen man sich austoben kann, dennoch habe ich nicht auf Verhütungstränke und Zauber verzichtet. Die ersten Male, in denen man schier von der Macht eines solchen Aktes überwältigt wird, können erschreckend, bisweilen verstörend sein. Ich hatte Glück, dass sich unsere Zusammentreffen auf diese Zeiträume bezogen. Aber der Trieb muss unerträglich sein. Bei meinem Mann ist es natürlich die schwächste Form des Bannes, aber für meinen Sohn? Ich will mir gar nicht ausmalen, wie viel Mühe und Kraft ihn die Zeit auf Hogwarts gekostet haben mochte. Wie verzehrend es sein musste? Mein lieber Marcus muss schrecklich durcheinander gewesen sein, trotz der Hilfe von Severus und seinen Freunden.« Die Machtlosigkeit in Camillas Worten schlug ihr in die Magengrube wie eine eisige Faust. Katie mühte sich, ruhig zu bleiben und des Rest ihres Brotes zu vertilgen, während Camillas Stimmung abrupt von trübsinnig auf redselig umschlug. »Und Pucey und Montague wussten Bescheid?« Marcus hob den Blick, als er die zarte Gestalt Katies im Türrahmen zur Bibliothek ausmachte. »Nein«, erwiderte er gedehnt und stellte das Buch, das sich soeben noch in seinen Händen befunden hatte, wieder in das Regal zurück. »Aber ich dachte sie hätten ...«, fuhr Katie weiterhin nachbohrend fort. »Oh ja, sie haben mir geholfen, denn ohne sie hätte Snape in einer ziemlichen Klemme gesteckt. Adrian und den anderen war bekannt, dass es mir in der Zeit rund um den Neumond nie sonderlich gut ging, doch den wahren Grund dafür habe ich ihnen verschwiegen und auch Snape musste schwören, niemandem zu erzählen, was mit mir passiert.« Mit einem galanten Schwung machte er auf den Hacken kehrt und schritt auf sie zu. Sich mit den Armen zu beiden Seiten im Türrahmen abstützend, drängte er das Mädchen aus dem Raum. »Was soll das werden?« Ihre ernste Miene brachte ihn zum Schmunzeln. »Du hast mit meiner Mutter gesprochen?«, verlangte er zu wissen, ohne auf ihre Frage einzugehen, doch Katie schwieg eisern. Schnaubend fuhr sich Marcus durch das dunkle, dichte Haar, ehe er den Kopf schüttelte. »Ich habe versucht, an Informationen zu gelangen, die du mir aber bereits gegeben hast.«, gestand sie ihm zähneknirschend zu. »Aber ich wollte es ... nur verstehen.« »Deine Bemühungen in allen Ehren, Katie«, begann Marcus und griff nach ihren Händen, die sich kalt und leicht schwitzig anfühlten. »Aber ich nehme an, dass das alles recht schwer zu verdauen ist.« »Schwer zu verdauen?« Ein verächtliches Schnauben entfloh ihr. Plötzlich erstarrte seine Miene zu einer eisernen, vor Kälte triefenden Maske. »Wenn du es nicht willst, dann lass es wegmachen« Die junge Frau meinte, ihren eigenen Ohren nicht zu trauen. »Wie abgebrüht du bist«, fassungslos, so, als hätte man ihr mitten ins Gesicht geschlagen, blieb Katie stehen und entwand ihren Händen seinem Griff. »Machst du das bei allen Frauen? Zu Tode vögeln und dann, wenn mal etwas passiert, dass dir eigentlich von vornherein hätte klar sein müssen, aber nicht in den Kram passt, befehlen, das Resultat einfach auszulöschen?« »Lieber das Resultat auslöschen, als das Mädchen!«, fauchte er verteidigend. »Marcus!«, nun war Katie es, die sich frustriert durch die Mähne fuhr und hysterisch seinen Namen ausspie. »Das«, sie ergriff seine Hand legte sie auf ihren Bauch. »Hier. Da ist Leben drin.« »Wenn meine Mutter die Wahl gehabt hätte, glaubst du nicht, dass sie es sich nicht auch anders überlegt hätte?«, seine Stimme erhob sich zu einem markerschütternden Grollen. »Ein Monster auszutragen!« »Marcellus Lloyd Matthew Dorian Flint!«, Katie schnappte schockiert nach Luft, als sie Camillas Worte vernahm, die kochend vor Wut die Stufen hinauf geeilt kam um, ebenso wie Katie wenigen Minuten zuvor, mit der flachen Hand auszuholen. Die Wucht des Schlages reichte nicht einmal, ihn dazu zubringen, mit der Wimper zu zucken, dennoch starrte Marcus mit großen Augen auf die Frau hinab, die sich ihre schmerzende Hand hielt. »Nie, nie habe ich dich geschlagen. Nicht ein einziges Mal, doch vielleicht hätte ich das tun sollen! Du bist mein Sohn und ich habe dich, wenn auch unter unermesslichen Schmerzen, auf die Welt gebracht um dir zu zeigen, wie schön sie sein kann. Nie wieder will ich solch Worte aus deinem Mund hören, hast du mich verstanden?!« Hektische, rote Flecken breiteten sich auf dem Gesicht der Frau aus, während sich Camilla bemühte, ihre Atmung unter Kontrolle zu bringen und ihre Wut zu beherrschen. »Wir, dein Vater und ich, haben uns bemüht, dich nach bestem Wissen und Gewissen aufzuziehen, damit aus dir kein Scheusal wird, doch nun ich muss mit Entsetzen feststellen, dass ich versagt habe.« »Mutter«, erwiderte Marcus knurrend. »Sie hat aber eine Wahl.« Sein Nicken in Katies Richtung ließ ihr die Röte in die Wangen schießen. »Und ich hatte sie ebenso, Marcus!«, zischte Camilla. »Und ich habe dich gewählt.« Camilla streckte ihre Finger nach der Wange ihres Sohnes aus, die sie eben noch malträtiert hatte und strich sachte über den roten Fleck, den ihre Hand hinterlassen hatte. »Denk jetzt ja nicht, dass ich deinem Vater nicht hier von erzählen werde, wenn er übermorgen wieder nach Hause kommt.«, drohte sie und wandte sich nun Katie zu, die betreten den Blick gesenkt hielt und es vermied, in die freundlichen Augen zu sehen und darin ein Gefühl erkennen zu müssen, dass ihrem emotionalem Gemütszustand ebenso entsprach. »Ich möchte mich für das unsachgemäße Verhalten meines Sohnes entschuldigen, Katreace. Ihre Meinung kann, nachdem Sie dem Fauxpas beiwohnen mussten, nun nicht mehr als zu hoch von uns sein, wie ich befürchte.« Katie schüttelte den Kopf. Nach den letzten Minuten zufolge, machten sich die Flints mehr aus ihrem Erscheinungsbild als sie sollten. Nach ein paar letzten, erklärenden Worten, ließ Camilla ihren Sohn und dessen Begleitung wieder allein. Ihre Augen blickten müde und Katie nahm an, dass sie sich etwas hinlegen würde. Ein Gefühl von Mitleid machte sich in ihrem Inneren breit, als sie Camilla hinterher sah, die fortwährend den Kopf schüttelte. »Du hättest nicht so brüllen sollen!«, tadelte Katie ihn und erntete nur einen verstimmten Blick. Sein abfälliges Schnauben ließ sie ihre Hände in die Hüften stemmen. »Du hast sie verletzt. Sie liebt dich. Sie ist stolz auf dich und führst dich wie ein Erumpent auf!« Ihre Aussage tat auch er mit einem Schütteln des dunklen Hauptes ab. »Was ist ...«, begann Katie plötzlich und zwang ihn, sie anzusehen, indem sie sich vor ihn positionierte, »wenn ich es behalten will?« »Willst du nicht. Außerdem, was würde Wood dazu sagen, wenn der kleine Unfall jeden Monat weggesperrt werden müsste?« Seine Feststellung übergoss sie wie eisiges Wasser. Unschlüssig nagte Katie auf ihrer Unterlippe herum, während sie in ihrem Kopf nach den richtigen Worte suchte, die ihn weder amüsierten, noch verschreckten oder anderweitige, unvorhersehbare Emotionen in ihm auslösten. »Eine Missgeburt, ein Monster.«, legte er nach und vermochte nur langsam den Schock in ihren Augen zu registrieren. Ihr Versuch, ihn erneut zu schlagen, verlief sich im Sande, da er ihre Absicht bereits bemerkt haben musste. »Wenn ihr weiter so macht, dann ist Schluss mit lustig!«, fauchte er und kämpfte ihre störrische Haltung nieder. Widerwillig ließ Katie es zu, dass Marcus ihre Hand nach unten drückte. Tränen der Wut brannten in ihren Augen. »Du ...«, das Zittern, das ihre Stimme erfasste, ließ sich kaum mehr verheimlichen. »Wie kannst du nur so etwas sagen? Was hat dich so verbittert, so wütend gemacht, dass du so eine Meinung von dir und deinem Leben hast?« »Wenn ich die Wahl gehabt hätte, glaubst du nicht, dass ich mich anders entschieden hätte?«, knurrte er und verstand nicht, warum sie ihn nicht in Ruhe ließ. »Wenn du unbedingt sterben willst, warum tust du es denn nicht einfach?«, verlangte sie zu wissen und sah zu ihm auf. »Mach es so, wie dein Großonkel, entmanne dich und stürzt dich eine Klippe herunter.« Ihre Worte, so seltsam sie auch klangen, verunsicherten ihn. »Aber das kannst du nicht!«, zischte Katie und legte all ihre Wut in ihre Worte. »Das kannst du nicht, weil dich etwas zurück hält. Menschen, Marcus, Menschen, die dich mögen, dich lieben. Deine Familie, deine Freunde. Du würdest eine Lücke hinterlassen, und ich weiß, dass du das nicht willst.« »Bist du jetzt Hellseherin?«, spottete er und bemühte sich, ihre Aussage ins Lächerliche zu ziehen. »Nein, weil du das, was du Leben nennst, liebst. Die Höhen und Tiefen. Das Gute, wie das Schlechte. Und behaupte jetzt nicht, dass es dir nicht gut gegangen wäre!«, merkte Katie an und kurz zog er Erwägung, über ihre Worte nachzudenken. »Ich habe mal gelesen, dass man die Toten nicht verurteilen, sondern die Lebenden bedauern soll. Ich weiß nicht, ob das stimmt, und ich glaube auch nicht, dass der Spruch auch der Richtigkeit entspricht, aber wem nützt es, wenn etwas fehlt? Mir würde etwas fehlen, nämlich der Beweis, das da jemand war, der mich vielleicht nicht so liebte, wie er sollte, aber dafür wird es jemanden geben, den ich lieben kann. Verbiete mir nicht, das Leben zu verschenken, das du nicht willst!« Ihre Wut war greifbar und würde sich in einem Knistern entladen, sobald Marcus die Finger nach ihr ausstrecken würde. »Ich will leben, aber ...«, begann er und konnte ihren Anblick kaum ertragen. »Ich hasse mich!« Ein Knurren wallte in ihm auf, ehe er sich mit beiden Händen durch das dunkle Haar fuhr. Katie griff nach seinen Händen und bemühte sich, ihm zu zeigen, dass er nichts von dem Glauben sollte, was er sich einredete. »Nein«, meinte sie und schüttelte den Kopf. Zögernd streckte die junge Frau ihre Finger nach seinem Gesicht aus und fuhr über die kantigen Knochen seines Gesichtes. Plötzlich wirkte er, als wäre um Jahrzehnte gealtert. Der Fluch zerrte an seinen Kräften und so abstoßend der Gedanke auch sein mochte, er hatte ihr Mitgefühl. Katies Hände verweilten an seinen Wangen, ehe sie sich auf ihre Zehenspitzen stellte und ihn mit sanfter Gewalt aufforderte, sie zu küssen. Vorsichtig, zärtlich und behutsam bettete Katie ihren Mund auf seine Lippen. Sie hatte zugelassen, dass er sie berührte, hatte eingewilligt, dass er mehr als einmal die Gelegenheit bekam, dass sich beide auf körperlicher Ebene begegneten. Vielleicht ließ er es ja zu, dass auch sie, wenn auch nur für einen kurzen Moment, einen Platz in seinem Herzen hatte. Marcus hatte sie dringlichst dazu angehalten, ihn nicht zu provozieren und doch hatte sie sich ihm hingegeben. Eine Vereinigung in beiderseitigem Einvernehmen. Marcus hatte sie gewarnt und er tat auch jetzt noch. »Warum hast du mit mir geschlafen?« Noch immer die Augen geschlossen haltenden, entkamen ihr die Worte in einem rauen Flüsterton. »Animalischer Sexualtrieb«, sagte er beiläufig klingend und kam nicht umhin, dass sich ein kleines Grinsen auf seine Lippen stahl. »Du warst da, willig und hast nicht auf mich gehört. Eine bessere Gelegenheit hätte sich mir nicht bieten können.« »Ist das deine Masche? Die Mädchen so lange zu beknien, bis sie sich dir freiwillig hingegeben?«, hakte Katie nach und starrte ungläubig zu ihm auf. »Ich kann nicht über Misserfolge klagen«, spottete Marcus und seine Lippen zierte nun ein überhebliches, arrogantes Grinsen. Katie schwieg und wurde unter seinen strengen Blicken immer kleiner. »Was ist?«, wollte sie wissen und bemerkte eine Woge des Unbehagens in sich aufkommen. »Deine Frage, von vorhin.«, sagte er ungerührt. Fragend legte Katie die Stirn in Falten. »Die, die du mir nicht stellen wolltest.«, fuhr Marcus fort. »Du meinst, die ich dir nicht stellen konnte, weil du zu beschäftigt warst?«, hakte Katie nach und erntete ein schiefes Lächeln. »Ja. Also, ich mutmaße einfach, dass du wissen wolltest, ob ich mich genauso verhalten hätte, wenn ein Mann das Interview geführt hätte, richtig?«, fragte er. »Zum Teil, aber ja.«, sagte Katie und blickte verwirrt drein. »Ich kann dich beruhigen, bei einem Kerl habe ich es nicht nötig, meine Verführungskünste zur Anwendung zu bringen.«, meinte er mit einem Schulterzucken. »Und um dir zu versichern, dass ich nur Interesse an willigen Weibchen habe, habe ich darauf bestanden, dass eine Reporterin das Gespräch führt.« »So? Ich wusste gar nicht, dass man Ansprüche stellen darf?«, arglos blickte Katie drein und nahm sich vor, ihren Chef nach dieser Form einer möglichen Diskriminierung zu fragen. »Auch hatte ich darauf bestanden, dass man mir keine alte Hexe ins Haus schickt.«, meinte Marcus weiter. »Frischfleisch, hm?«, hakte sie nach und schüttelte den Kopf. »Wäre eine andere, junge, attraktiven und willige Reporterin nicht auch in Betracht gekommen?« »Denk nach, Katie Bell«, sagte er und tippte mit dem Zeigefinger gegen ihre Stirn. »Gibt es beim Tagespropheten noch andere, junge Frauen?« Kurz überlegte sie wirklich und tatsächlich gab es noch zwei, drei andere Mädchen, die man ebenso in Erwägung hätte ziehen können. Verwirrt begann sie zu blinzeln. »Oh, du ahnungslose, kleine Katie Bell«, spottete er und grinste erneut. »Der Zufall wollte wohl, dass du über meine Türschwelle trittst.« »Der Zufall oder eher dein Portemonnaie?«, hakte sie nach. »Mehr Scharfsinn, als ich dachte«, sagte er und beugte sich zu ihr herunter. »Mein Chef wollte mir nicht sagen, wer der nächste sein soll, den ich interviewe.«, erklärte Katie. »Das ist das Bestreben eines solchen Artikels.«, meinte er. »Aber jedes andere Mädchen wäre doch auch infrage gekommen?«, bohrte sie weiter. »Mag sein«, sagte Marcus leichthin. »Aber nicht jedes Mädchen pfeffert mir einen Quaffel in die Magengrube, während seines ersten Quidditch-Spiels.« Er griff nach ihrem rechten Arm und schob den Ärmel hoch, sodass eine lange, helle Narbe sichtbar wurde. Beschämt entwandt ihm Katie ihrem Arm, doch Marcus hielt sie zurück. Er sah ihr genau in die Augen, während er kleine Küsse entlang ihres Armes verteilte. »Ich habe darüber gelesen und es die ganze Nacht bestaunen dürfen, und es tut mir leid, Katie.« Tränen rannen über ihre Wangen, als sie seine Worte vernahm und er seine Lippen auf ihre Haupt drückte, die dem hellen Strich folgten. »Träume können platzen«, brachte sie mit erstickter Stimme hervor. »Ich wollte es aus eigener Kraft schaffen, aber jetzt kann ich gerade einmal mit Mühe und Not eine Schreibfeder halten.« »Ein verräterischer Traum, dem du da nach gejagt bist.«, bemerkte er entschieden und Katie verzog den Mund zu einem verzerrten, traurigen Lächeln. »Aber du hast nicht aufgegeben.« Die junge Frau schüttelte den Kopf. »Ich werde nicht aufgeben«, gab sie zurück. »Und es ist mir egal, wenn ich allein bin.« Der Trotz in ihren Worten ließ ihn schmunzeln. Das Mädchen vor ihm war tough genug, nicht klein beizugeben. »Warum ich?«, verlangte sie zu wissen und schritt neben ihm her. »Warum nicht?«, hakte er nach und erntete ein frustriertes Schnaufen. »Eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten ist unhöflich!«, zischte Katie und musste sich mit einem spöttischen Grinsen und einer erhobenen Augenbraue zufrieden geben. »Du warst eben verfügbar.«, erwiderte er mit einem Schulterzucken. »Wieso kaufe ich dir das nicht ab?«, wollte sie wissen und verzog pikiert dreinblickend das Gesicht. »Um ehrlich zu sein«, begann er und blieb stehen, »Ich lasse nur nicht gern jemanden so nah an mich heran.« »Jemanden wie mich?«, auch Katie hielt in ihren Bewegungen innen und blickte unschlüssig zu ihm auf. »Zum Teil.«, gestand Marcus und fuhr sich abermals durch die dunklen Haare. »Warum?«, leise und beinahe flüsternd entkam ihr diese kleine Frage. »Weil es mir Angst macht.«, entgegnete er. »Der Umgang mit zwischenmenschlichen Gefühlen gehört nicht gerade zu meinen Spezialitäten.« »Du ... hast Angst?«, plötzlich wirkte er wie ein kleiner, verängstigter Junge, während er sie mit großen Augen betrachtete und bejahend nickte. Katie schwieg, denn ihre sonst so scharfe Zunge, die meistens immer eine passende Antwort parat hatte, wurde aufgrund von Trauer und Schuld zum Schweigen verdammt. »Seit dem Vorfall, damals, auf Hogwarts, habe ich mich bemüht, dem weiblichen Geschlecht aus dem Wege zu gehen. Zwar hatte ich es meiner niederen Intelligenz zu verdanken, dass ich noch ein Jahr wiederholen musste, doch als ich diesem Ort endlich entkommen konnte, habe ich mich in Enthaltsamkeit geübt. Ich konnte dieses Tier keiner Frau aussetzen.« »Warum dann gerade ich?«, wollte Katie wissen und blickte zu ihm auf. »Ich ... weiß es nicht.«, meinte er und zwang sich zu einem Lächeln, das seine Aussage entschuldigen sollte. »Du ... warst plötzlich da, so stark und standhaft. Und ich nahm an, dass du meinem Vorhaben von vornherein einen Riegel vorschiebst, mich bis in die hintersten Ecken der Hölle verwünschst und fluchtartig das Haus verlässt. Aber du dummes Mädchen musstest dich hier ja unbedingt festsetzen.« »Ich nehme meine Aufträge sehr ernst.«, sagte Katie und nickte, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. »Und dieser Auftrag?«, wollte er wissen und deutete auf den Verlobungsring an ihrem Finger. Katie vermied es, ihn anzusehen. Sie betrachtete weder Marcus, noch den Ring, der sie unschwer daran erinnerte, was in den letzten Stunden vor sich gegangen war. »Wie kam es dazu?« Marcus' amüsierte Haltung strafte den Ernst in seiner Stimme Lüge. Ein Seufzer entkam ihren Lippen, als die junge Frau ihr Haupt von einer Seite zur anderen wand. »Du willst also nicht darüber reden?«, hakte er nach setzte sich wieder in Bewegung. »Doch«, gab sie keinlaut vor und versuchte, mit ihm Schritt zu halten. Erneut steuerte er den Korridor an, in dem sich die Gästezimmer befanden. Katie ließ es zu, dass er ihr in aller Ruhe den kümmerlichen Rest ihrer Kleidung vom Körper streifte. Ihre anfänglichen Erläuterungen, der Verlobung mit Oliver Wood bezüglich, hatten ihn rasend gemacht. Dieser Windbeutel hatte doch allen ernstes die Situation um Leben und Tod ausgenutzt, um das Mädchen um deren Hand zu bitten. »Wärst du da gewesen, hättest du es sein können«, hatte Katie gemeint, als er ihre zitternde Haut mit fordernden Küssen bedeckte. »Ich konnte nicht«, gestand er und sah zu ihr auf. »Nenn' es Feigheit, Katie Bell. Aber verurteile mich nicht für die Last, die ich zutragen habe, obwohl so ein Tod wahrscheinlich am Besten für alle Beteiligten gewesen wäre.« Mit schockgeweiteten Augen blickte das Mädchen zu ihm hinab. »Nein«, sagte sie hastig. »So habe ich das nicht gemeint.« »Ach nein?« Eine dunkle Augenbraue hatte sich skeptisch dreinblickend empor gehoben. Katie schlug sich schuldbewusst die Hände vor das Gesicht. »Bei Merlin, wir haben wirklich genug Mord und Totschlag gehabt!« Zwischen zwei Küssen stimmte er ihren Worten mit einem bejahenden Knurren zu. »Ich meinte eigentlich, dass du der mit dem Antrag hättest sein können.«, fuhr sie fort und ergab sich seinen fordernden Händen. Dass er die Nase rümpfte, bemerkte Katie zu seinem Glück nicht. »Ich glaube, dass du mir vorhin nicht zugehört hast.«, sagte er stattdessen und zog das Zarte Fleisch ihres Bauches zwischen seine Zähne. »Entsagung jeglicher Fleischeslust, Miss Bell. Es reicht, wenn Werwölfe durch die Gegend streifen, Riesen alles Zertrümmern und hiesige Spinnen mehr Nahrung finden, als sie je hätten vertilgen können.« Bei den Gedanken an Riesenspinnen und Werwölfen überlief sie ein eisiger Schauer. »Ich ...«, begann sie und wand sich unter seinen Lippen. »Sprich' weiter!«, forderte Marcus und versuchte der sich ihm entgegen reckenden Katie in die Augen zu sehen. »Ich ... ich kann nicht. Nicht, wenn du das machst!«, jammerte sie und rügte sich, der primitiven Gier wiedereinmal nachzugeben. »Könnten wir das später ausdiskutieren? Bitte!« Ihr Flehen kam einer schönen Melodie in seinen Ohren gleich, doch wenn sie sich ihm schon so bereitwillig entgegen bog, konnten diese nichtigen Ausführungen ruhig noch etwas warten. Wie auch immer er es schaffte, das Tier in seinem Inneren zu bändigen, war ihr schleierhaft, dennoch tat sie gut daran, den Rest seiner Selbstbeherrschung nicht noch mehr auszureizen. Murrend beklagte er plötzlich etwas, das ihm wohl nicht behagte. Knurrend zog er ihre Schreibfeder hinter seinem Rücken hervor, nachdem Marcus sich, dicht an Katie gedrängt, eine Verschnaufpause gönnte. Er drehte sich auf den Rücken und griff sich mit Zeigefinger und Daumen an die Nasenwurzel, ehe ein frustriertes Seufzen von sich gab. Seit drei Monaten war die junge Frau neben ihm nun schon mit diesem Witz eines Hüters verlobt und Marcus vermutete stark, dass sie seinem Antrag nur aus Mitleid zugestimmt hatte. »Liebst du ihn?«, wollte er wissen und drehte sich wieder auf die Seite, um in ihr noch immer erhitztes Gesicht zu sehen. Katie wich seinem durchdringenden Blick aus und machte eine Geste, die an ein Schulterzucken erinnern sollte. »Nach diesem Wochenende? Und nach dem, was du mir angetan hast?«, bei den letzten Worten hob sie den Blick. Ein regloser Ausdruck trat in seine Augen. »Ich bin mir der Tragweite unseres Handelns bewusst«, gab er zu und betonte absichtlich das kleine Wörtchen, dass das Tun ihrerseits am ehesten entsprach. Unweigerlich glitten seine Finger über ihren Bauch, ehe Katie ein erneutes Zittern erfasste. »Gibst du mir jetzt eine Antwort oder muss ich dich noch einmal danach fragen?« Sein Ton war fordernd und schneidend. »Ich habe ihn gern und vielleicht liebe ich ihn auch.«, gab Katie zu. »Aber?«, hakte Marcus nach und ließ nun den Daumen seiner rechten Hand über ihre Lippen gleiten, die die junge Frau sofort aufeinander presste. »Oliver hatte mich zwar im Eifer des Gefechts gefragt, doch ich habe seinem Antrag erst vor ein paar Monaten zugestimmt. Damals erschien mir die Sache zu heikel, zu vage, um seinem Drängen nachzugeben. Dann, nach dem Krieg, hatte ich mich auf das Spielen von Quidditch fixiert und sein Anliegen von damals schon fast wieder vergessen. Dann kam mir dieser dämliche Unfall in die Quere, der lange Krankenhausaufenthalt folgte und endlich hatte ich mehr oder weniger Erfüllung in meiner jetzigen Arbeit gefunden. Ich hätte seinem Antrag nie zustimmen sollen, aber es ist besser jemanden an seiner Seite zu haben, den man kennt und dem man vertraut.« Ihre Aussage quittierte er nur mit einem abfälligen Schnauben. »Du heiratest ihn also, weil er dein Freund ist? Weil er nett ist und vorgibt, dich zu kennen?« Der Argwohn in seiner Stimme ließ leise Wut in ihr aufkommen. »Ja, das habe ich doch gerade gesagt.«, knurrte Katie und verstand nicht, was ihm an ihren Ausführungen nicht gefiel. »Du willst also den Rest deines Lebens mit einem Jungen verbringen, statt mit einem Mann zusammen zu sein?«, bohrte er weiter. »Du meinst, mit einem Tier?«, fauchte sie zurück. »Vorsicht, Miss Bell«, gebot Marcus ihr. »Was willst du denn hören? Ich kann doch nicht einfach innerhalb von drei Tagen mein gesamtes Leben auf den Kopf stellen.«, beinahe flehend entkamen die Worte ihrem Mund. »Du hast dein Leben innerhalb von wenigen Stunden komplett über den Haufen geworfen. Wenn du nicht gewollt hättest, dass das passiert, dann hättest du mich aus dem Zimmer gejagt und würdest nicht jetzt hier liegen und dich mit einem schlechten Gewissen herumplagen, dass du deinen kleinen Verlobten betrogen hast. Mehrmals, wie ich eigens feststellen durfte und anmerken darf.«, Die Realität war ernüchternd und Marcus behielt unweigerlich Recht damit. SIE hatte sich auf IHN eingelassen, hatte ZUGELASSEN, dass er Dinge mit ihr anstellte, zu denen ein Oliver Wood nie würde fähig sein. Dafür musste sie die Verantwortung tragen, so folgenreich diese auch sein mochte. »Ob du bleibst, oder gehst, ist dir überlassen. Doch wenn du gehst, wirst du dich erklären müssen und wenn du bleibst, ist das nicht nötig.«, seine Worte sollten beruhigend sein, doch Marcus' Vorhaben hatte nicht ganz den erwünschten Effekt. »Das ist Erpressung!«, wimmerte Katie und setzte sich auf. »Du erpresst mich.« »Es gibt nun einmal kein Zwischending. So ist das nun mal, Katie.« Die ernüchternde Wahrheit schlug ihr ein riesiges Loch in die Brust. So sehr sie Oliver auch ihr Vertrauen entgegen brachte, überkamen sie Zweifel, ob er sich mit einem Flint'schen Spross arrangieren konnte. Und ob er ihr ihren Ausrutscher verzieh, stand auf einem ganz anderen Bogen Pergament geschrieben. »Möchtest du lieber allein sein?«, wollte Marcus wissen und setzte sich ebenso auf. Schweigend strichen seine Finger über ihre Wirbelsäule, während Katie ihr Gesicht in ihren Händen barg und den Kopf schüttelte. Ein schluchzender Laut entkam ihren Lippen, als sie ihr Haupt in seine Richtung wandte. Katies Körper bebte, als sie die Finger nach der Feder ausstreckte. Kapitel 6: epilogue. -------------------- dark. ☾Epilogue.☽ Oliver, ich will nicht in dein Gesicht sehen und die Enttäuschung darin erkennen müssen, wenn du das Ende dieses Briefes erreicht hast. Deine Augen haben dann die Tatsachen bereits erfasst, während dein Verstand dir vorzugaukeln droht, dass es sich hierbei wohl nur um einen Scherz handeln müsse, doch nun bin ich es, die Dich enttäuschen muss. Deine Einwände, vor wenigen Wochen, waren sehr berechtigt, als Du mich ermahntest, mich nicht auf das Angebot des Tagespropheten einzulassen und an einer Reihe von Artikeln zu schreiben, die mir nicht gut täten. Und ich stimme darin unweigerlich mit Dir überein, dass es ein Fehler war. Bitte, Oliver, versteh´ mich nicht falsch. Meine Gefühle und die Zuneigung, die ich Dir entgegengebracht habe, beruhten stets auf Ehrlichkeit, Vertrauen und der Wahrheit. Dennoch bin ich nicht bereit, den Rest meines Lebens mit dir zu verbringen. Jetzt nicht, und in der Zukunft ebenso wenig. Es lag nie in meiner Absicht, Dich zu verletzten, doch meine nun vorherrschende Lebenssituation erlaubt es mir nicht, ein Bündnis mit Dir einzugehen. So abrupt Dir meine Entscheidung auch vorkommen mag, habe ich lange für diese Einsicht kämpfen müssen. Ich möchte nicht, dass Du denkst, dass unsere Zeit mir nichts bedeutet hätte, denn das hat sie, ohne jeden Zweifel. Doch Dein Weg ist, ebenso wie meiner, ein anderer und ich wünsche mir für Dich, dass Du lernen wirst, mit meiner Entscheidung umzugehen, denn niemand versteht Dich wohl annähernd so gut, wie ich und deshalb weiß ich, dass ich nur so, mit einem glatten Bruch, unserer Beziehung ein Ende setzen kann. Den Ring, den Du mir gabst, bekommst Du wohlbehalten wieder zurück, da ich nun für ihn keine Verwendung mehr habe und er seinen einstigen Zweck erfüllt und seine Arbeit zu meiner Zufriedenheit vollbracht hatte. Mein Herz jedoch hängt weder an ihm, noch will es zurück in das Leben, das mich einst gefangen nahm. Bitte, Oliver, denk nicht schlecht von mir, denn mein Bestreben war es, dich glücklich zu machen, aber der Lohn für meine Mühen war es nie wert. Ich hoffe und wünsche mir für Dich, dass du jemanden findest, der dich verdient. Jemanden der Dich glücklich macht und den es sich lohnt, zu heiraten und mit ihm alt zu werden. Katie, Birmingham, 13. Dezember 2ooo . . . Siebzehn Jahre später . . . »Aiden« Der schwarzhaarige Junge wandte sich zu der Frau um, ehe er nickte und den großen Schrankkoffer, der auf einen Metallwagen bugsiert worden war, auf den Pfeiler zwischen den Gleisen und 9 und 10 richtete, Anlauf nahm und innerhalb eines Wimpernschlages darin verschwand. Zufrieden blickte sie ihrem ältesten Sohn nach, ehe sie den Kopf zu ihren anderen beiden Kindern umwandte und ihnen ebenso auffordernd suggerierte, ihrem Bruder zu folgen. »Lachlan«, wies sie den Mittleren an, der mit seinen dreizehn Jahren bereits einen halben Kopf größer war, als sie. »Ja, Mum.«, murmelte er, schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf. »Ich weiß doch, wie es geht.« Als auch der zweitälteste der Jungen verschwand, spürte sie, wie ihr Jüngster an ihrer Hand zog. »Mum«, ängstlich blickte Kester zu seiner Mutter auf, die ihm jedoch ermutigend über den Kopf strich und ihm ein Lächeln schenkte. Mit eiligen Schritten passierte auch der jüngste Spross den Eingang zum Gleis 9¾. »Jedes Jahr das Gleiche«, knurrte der hochgewachsene Mann hinter ihr, ehe Katie die vertraute Wärme seiner Hand auf ihrer Taille spürte. »Es sind deine Söhne«, sagte sie leichthin, und ließ ihren Kopf gegen seine Schulter sinken. »Kommst du? Sonst fängt Kessy wirklich noch an, zu weinen.« »Das muss er von dir haben«, ein schiefes Grinsen legte sich auf seine Lippen, doch nur wenige Augenblicke später verzogen sie sich zu einer schmerzvollen Fratze, da seine Gattin ihm einen kräftigen Stoß in Rippen verpasst hatte. »Von deiner Schlagkraft hast du jedenfalls nichts eingebüßt.« »Das wäre ja noch schöner!«, knurrte sie unter zusammengebissenen Zähnen und schritt mit ihrem Mann an der Hand auf den aus Backsteinen bestehenden Pfosten zu. Mein Dank gilt allen, die diese Geschichte verfolgt und mit Interesse an der Reise von Miss Bell teilgenommen haben. ~ *Steckbriefe zu den Kindern Aiden Robert Thomas Flint *24. September 2oo1 Slytherin Lachlan James August Flint *27. August 2oo4 Slytherin Kester David Winston Flint *25. Februar 2oo6 Gryffindor Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)