Pirates of the Caribbean von BluejayPrime (Freedom of the Seven Seas) ================================================================================ Kapitel 5: Sturm ---------------- „Jack…“ Anamaria strich ihm vorsichtig über die Wange. „Jack, sieh mich an, bitte.“ Er reagierte nicht. „Lass mich dein Gesicht sehen. Bitte, Jack.“ Folgsam drehte er den Kopf zu ihr, starrte jedoch weiter an ihr vorbei ins Leere. Behutsam fuhr Anamaria ihm mit einem Finger über das Nasenbein. Jacks Finger zuckten, doch er stieß ihre Hand nicht weg. „Das wird schon wieder.“, murmelte sie, „Was ist mit deinem Arm?“ Sie griff nach seinem Ärmel, um diesen hochzuschieben, doch er entzog sich ihrer Hand und verschwand ohne einen Kommentar in einer anderen Ecke des Laderaumes, wo er weiterhin die Wand anstarrte. Rasch erhob sich Anamaria, um ihm zu folgen, doch Bill hielt sie zurück. „Lass ihn, Mädel. Trösten kannst du ihn später, und wie auch immer es dir beliebt, aber zuerst müssen wir von hier verschwinden.“ „Wie denn?! Hier sind überall Soldaten – und wir sind auf einem Schiff, falls du es noch nicht gemerkt haben solltest!“ Langsam aber sicher gingen auch mit ihr die Nerven durch – was durchaus nachvollziehbar war anhand der Tatsache, dass auf sie alle der Galgen (und auf Jack vermutlich vorher noch Becketts private Folterkammer) wartete. „Was haltet Ihr davon, Eure weiblichen Reize einzusetzen, Missy?“, schlug Hector vor, und Anamaria war sich für einen Augenblick nicht ganz sicher, ob das nun ernst gemeint war. Diese Bemerkung führte dazu, dass Bill ihm erneut einen bösen Blick zuwarf, doch in Anamarias Kopf hatte bereits ein Plan Gestalt angenommen. „Inwiefern?“ „Verzaubere den Offizier, der die Luke zum Deck bewacht, dann springen wir über Bord und zu den Inseln. Meiner Kenntnis nach gibt es dort Lagunen und Mangrovenwälder, dort findet uns niemand.“ „Das klingt vernünftig.“, murmelte Anamaria. Bill verdrehte die Augen, sagte jedoch nichts. „Verzeihung, Captain?“ Beinahe hätte Anamaria die Augen verdreht, als der Soldat tatsächlich ein paar Schritte in ihre Richtung machte, sie jedoch förmlichst darauf hinwies, dass er noch lange nicht den Rang eines Captains innehatte, und dass sie ihn bitte mit „Lieutenant Norrington“ ansprechen solle, vorausgesetzt, sie wünsche noch einmal das Wort an ihn zu richten, was er allerdings (und dies zeigte lediglich sein Tonfall) nicht weiter begrüßen würde. „Nun, was gibt es, Miss?“ Seine Stimme klang zwar gelangweilt, aber nicht unbedingt unfreundlich, und sie erkannte, dass er maximal in Bills Alter, also Anfang bis Mitte Zwanzig sein konnte. Fast tat er ihr leid. „Einem meiner Freunde geht es sehr schlecht, Lieutenant Norrington, Sir.“, sagte sie und bemühte sich um einen möglichst unterwürfigen und verzweifelten Tonfall, „Könnten wir vielleicht einen Arzt bekommen?“ Ihr neuer bester Freund schien verwirrt. „Das ist gegen die Vorschriften.“ Damit hatte Hector bereits gerechnet. „Könnt Ihr dann nicht selbst nach ihm sehen?“, bettelte sie in, wie sie fand, herzzerreißendem Tonfall, „Ein so erfahrener Offizier wie Ihr wird sich doch sicher mit kleineren Wunden auskennen…“ Nun schien der Lieutenant selbst kurz davor zu sein, die Augen zu verdrehen, doch er bedachte sie mit einem misstrauischen Blick, entschied dann offenbar, dass sie die Wahrheit sagte, und begab sich ins Innere des Laderaums. Weit kam er nicht, denn Hector schlug ihn kurzerhand bewusstlos und nahm ihm die Waffen ab. „In Ordnung, was jetzt?“, fragte Anamaria und trat nervös von einem Fuß auf den anderen. „Ihr könnt gern hierbleiben, wenn Ihr wollt.“, knurrte Hector und wollte an ihr vorbei vor die Tür treten, doch Anamaria hielt ihn zurück. „Warte! Was ist mit Jack? Seine Hände sind gefesselt, so kann er nicht schwimmen…“ „Ich mach‘ das.“, sagte Bill rasch, griff nach dem Schlüsselbund vom Gürtel des Soldaten und befreite Jack von den Handschellen. Anamaria sah besorgt zu ihrem Freund, der noch immer vollkommen apathisch dasaß und von Bill auf die Beine gezogen werden musste. „Jack!“ Drängend packte der Pirat die Schultern seines Freundes und schüttelte ihn. „Jack, hörst du mich? Es gibt andere Schiffe als die Pearl, wir müssen uns nur eins besorgen, aber zuerst müssen wir von hier verschwinden, sonst lässt Beckett uns alle hängen! Denk an die Crew, Mann!“ „Aye.“, murmelte Jack und fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, „Aye, die Crew… ja, ich… lass uns von hier verschwinden, ja…“ „Achtung! Gefangene fliehen!“ Der Ruf kam schneller als erwartet und schlagartig brach unter der ehemaligen Crew der Black Pearl Panik aus. Ohne dass noch jemand auf Bill oder Hector hörte, die verzweifelt versuchten, ihre Leute zusammenzuhalten, rannte alles kopflos durcheinander, die Matrosen stürzten sich in Todesangst über die Reling ins hoffentlich rettende Wasser und Bill packte kurzerhand Jack und Anamaria an je einem Arm und verhalf ihnen dazu, es den Matrosen gleichzutun, während die Kugeln von Becketts Soldaten ihnen um die Ohren pfiffen. „Schießt!“, fauchte Beckett, „Wehe euch, wenn auch nur einer sein Ziel verfehlt! Tötet sie alle, bringt mir nur Sparrow lebendig!“ Als sie ins Wasser stürzte, durchbrachen die Kugeln neben ihr die Oberfläche, eine nach der anderen. Blut färbte das ohnehin aufgrund der Dunkelheit undurchsichtige Wasser noch dunkler, große, schwarze Wolken trieben umher, zu viel, als dass es nur von Bills Wunde hätte stammen können… Lass es nicht an dich heran, Anamaria., befahl sie sich selbst, Schwimm, einfach geradeaus, lass nicht Jacks Hand los, sieh dich nicht um… Der Sauerstoffmangel schnürte ihr die Kehle zu, doch noch immer zischten Kugeln durch das Wasser – sie wagte es nicht, aufzutauchen und nach Luft zu schnappen. Etwas schweres, dunkles streifte ihr Bein, sank unaufhaltsam Richtung Meeresgrund. Becketts Soldaten zielten gut… Luft! Hustend streckte sie den Kopf über Wasser, um einen kurzen, herrlichen Atemzug zu tun. Im selben Augenblick trag sie etwas genau zwischen die Schulterblätter. Der Schlag presste ihr erneut die Luft aus den Lungen, weiß glühendes Metall schien sich seinen Weg durch ihren Körper zu bohren, durch ihre Rippen, in ihre Lunge. Ihr Aufschrei wurde von einer Welle erstickt, die im selben Augenblick über ihr zusammenschlug. Schlagartig schienen ihre Lungen wie mit Wasser gefüllt, sie schmeckte etwas eigenartig metallisches auf den lippen und Jacks Hand entglitt ihren Fingern, die sich seltsam taub anfühlten. Erneut schlugen die Wellen über ihr zusammen und diesmal fehlte ihr die Kraft, sich wieder an die Oberfläche zurückzukämpfen. Sie schien zu fallen, tiefer und immer tiefer, bis die schmale Mondsichel über ihr in einem Meer aus Finsternis versank und sie weder das unruhige Seewasser noch die Kälte, die von ihrem Körper Besitz ergriff, mehr spürte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)