Genpuku - Tag der Erwachsenen von Weissquell (Eine FF zu dem WB "Was geschah davor") ================================================================================ Kapitel 2: Identität -------------------- Glossar: Daimyou = Lehnsherr Genpuku = Zeremonie zur Volljährigkeit Das Haus in dem er wohnt, liegt ein wenig abseits. Es ist nicht gerade groß, aber es ist gut gepflegt und nicht so baufällig, wie manches andere auf dem Anwesen. Natürlich ist es kein Vergleich zu dem Gebäude in dem sein Großonkel, der Daimyou, wohnt. Er bekommt ihn nur sehr selten zu Gesicht, doch das ist ihm nur recht so. Schon allein deshalb ist er froh, dass das Haus, in dem er mit seiner Mutter wohnt, ein wenig außerhalb der Siedlung liegt. Leise steigt er die Holzstufen zur Haustür hinauf und so geräuschlos wie möglich öffnet er sie und drückt sich hinein. Vorsichtig sieht er sich um. Seine Mutter muss in einem der anderen Räume beschäftigt sein. Dann schleicht er behutsam hinüber zur Küche, legt Reis und Gemüsekorb neben die Feuerstelle, schiebt die Tür zum Garten auf und verschwindet hinter dem Haus. Kurz darauf öffnet sich die Tür zum Kochbereich erneut und eine Frau in einem grünen Yukata schaut hinein. „Inu Yasha?“ Ihr Blick fällt auf die Lebensmittel. Sie seufzt leicht. Dann durchquert sie die Küche und öffnet die Tür zum Garten. Dort auf dem kleinen Hinterhof befindet sich ein Brunnen für Trinkwasser und wenn sie an der Veranda entlangblickt, sieht sie an dem kleinen Fluss hinter dem Haus, ihren Sohn sitzen. Er hat ihr den Rücken zugewandt, hockt mit bloßem Oberkörper am flachen Flussufer und scheint mit irgendetwas beschäftigt zu sein. Langsam tritt sie an ihn heran. Ein Blick über seine schmalen Schultern sagt ihm, dass er dabei ist, sein Gewand zu reinigen. Ihr Herz wird schwer. Behutsam hockt sie sich hinter ihm nieder. Inu Yashas Kopf sinkt noch ein Stück tiefer. Izayoi ist unschlüssig. Sie kann sich ungefähr denken was passiert ist, doch sie weiß nicht recht, wie sie ihren Sohn darauf ansprechen soll. Behutsam streckt sie die Hand aus um ihn zu trösten, doch sie entschließt sich anders. Stattdessen fragt sie: „Haben sie dir an der Ausgabestelle nicht mehr Gemüse geben wollen?“ „Der Korb ist mir aus der Hand gefallen und das meiste war dreckig“, nuschelt der Junge kaum hörbar. Izayoi seufzt erneut. „Das macht doch nichts“, meint sie beruhigend, „Wir werden trotzdem satt werden. Morgen kann ich ja wieder gehen.“ „Nein!“, kommt es sofort von dem Jungen vor ihr, „Ich kann das schon.“ Daraufhin verstärkt er sein Bemühen, seinen Kragen sauberzubekommen. Die Frau zögert kurz, dann erwidert sie: „Aber ab morgen nicht mehr. Du wirst morgen fünfzehn und damit volljährig. Botengänge sind keine Aufgabe mehr für einen Mann.“ Einen Moment lang hält der Junge inne. Dann sagt er leise: „Ich geh nicht hin.“ Überrascht hebt Izayoi den Kopf. „Nicht? Aber das Genpuku ist eine wichtige Zeremonie für dich. Ich habe schon dein Gewand dafür herausgelegt. Ich habe es damals von deinem Vater erhalten. Ich bin sicher er würde wollen, dass du es jetzt trägst.“ Ein missmutiges Schnaufen ist zu hören, dann dreht der Hanyou sich von seiner Mutter weg. Das Säubern seines Yukata hat er inzwischen aufgegeben. „Die wollen mich doch da gar nicht haben“, sagt er bitter, „Dieser elende Mönch hasst mich. Der lässt mich niemals teilnehmen.“ Izayois Gesicht wird ernst: „Das hat nicht er zu entscheiden.“ „Er weigert sich doch auch, mir Unterricht zu geben“, schnaubt Inu Yasha ärgerlich. „Aber das Genpuku kann er dir nicht verwehren. Du hast das gleiche Recht darauf wie die anderen auch. Alle Jungen in deinem Alter werden mit fünfzehn in die Erwachsenenwelt aufgenommen und bei dir ist das nicht anders.“ „Ich bin aber anders!“, schreit Inu Yasha zornig auf. Wütend drischt er mit der Faust auf die Wasseroberfläche ein, dass die Tropfen nur so spritzen. Grimmig starrt er auf die Klauen an seinen Fingern. „Ich bin völlig anders als die anderen! Und das wird sich niemals ändern. Sie werden mich niemals anders behandeln als ein Monstrum!“ Nun legt sich Traurigkeit auf das Gesicht der Frau. „Du bist kein Monstrum“, stellt sie leise klar. Sanft gehen ihre Finger zu der Schramme an seiner Schläfe, sie ist schon wieder beinah verheilt, aber man sieht das verschmierte Blut noch. Doch kaum berührt sie ihn, fegt seine Hand die ihre entschieden beiseite und er rückt ein Stück von ihr ab. So hockt er nur am Flussufer, hat die Arme um die Knie geschlungen und starrt mit bitterer Miene in die trägen Fluten. „Dein Vater war auch kein Monstrum“, fügt sie behutsam hinzu, „Er hatte mehr Herz und guten Willen als ich den meisten Leuten hier zuspreche. Deinen Großonkel vielleicht ausgenommen.“ Inu Yasha schnauft verächtlich auf. „Wenn er nett wäre, warum lässt er das alles dann zu?“ Izayoi ist sich klar, dass diese wenigen Worte mehr von dem Frust ihres Sohnes ausdrücken, als vermutlich ersichtlich. Und sie weiß, es ist nicht leicht, es ihm verständlich zu machen. Sie hat es schon oft versucht, doch das ist ihrem Sohn natürlich keine Hilfe. „Du weißt warum“, sagt sie, „Er hat uns aufgenommen als niemand sonst uns eine Unterkunft gewähren wollte. Und hier leben wir im Verhältnis zu vielen anderen gar nicht so schlecht. Wir haben ein Dach über dem Kopf und immer genug zu Essen und das verdanken wir deinem Großonkel. Wir sind auf sein Wohlwollen angewiesen. Deshalb müssen wir uns immer vorbildlich verhalten, sonst könnte er beschließen uns fortzuschicken.“ „Warum gehen wir dann nicht gleich?“, kommt es bitter. Der Junge vor ihr zittert leicht. Betrübt lässt die Frau den Kopf hängen. Sanft legt sie ihm die Hand auf die Schulter „Es wird sich alles irgendwann fügen. Hab Geduld, Inu Yasha!“ Mit einem Ruck stößt der Hanyou ihre Hand mit der Schulter beiseite und springt auf. Mit bleichem Gesicht funkelt er sie an. „Ich hasse diesen Namen!“, schreit er, „Warum musste er mich so nennen? Er erinnert alle doch nur daran, dass ich anders bin. Ich kann mich anstrengen wie ich will, sie hassen mich trotzdem und das nur wegen Ihm! Wenn ich könnte, würde ich den Namen sofort loswerden, aber sie lassen mich ja nicht zur Zeremonie. Und selbst wenn, sie würden mich auch nicht akzeptieren, wenn ich einen Erwachsenennamen hätte.“ Wild funkelt er seine Mutter an. „Ständig hacken sie nur auf mir rum, beschimpfen mich und schmeißen Steine nach mir und ich muss mir das alles gefallen lassen, obwohl ich sie ohne Probleme in Stücke reißen könnte. Verdient hätten sie es! Aber so etwas tun ja nur Youkais und keine Menschen, also benehme ich mich wie ein Mensch, doch ich bin keiner! Aber ein Youkai bin ich auch nicht. Und ich bin auch zu alt um ein Kind zu sein, aber ohne das Genpuku bin ich auch kein Erwachsener. Was bin ich eigentlich? Was?“ Vor Wut bebend steht der Inu Yasha da, doch es ist nicht nur der Frust der ihn zittern lässt, sondern auch die schreckliche Hilflosigkeit. Izayoi blickt ihn an. Sie ist bleich geworden und sie muss schwer schlucken. Sie versteht seinen Schmerz mit jeder Faser ihres Körpers, doch sie kann leider niemanden zwingen, ihren Sohn zu tolerieren. Eine Träne läuft über ihre Wange. „Inu Yasha...“, flüstert sie traurig. „Hör auf, mich so zu nennen!“, schreit er und dann dreht er sich um, springt mit einem Satz über den Fluss und verschwindet im Wald dahinter. Izayoi springt auf: „Inu Yasha!“, ruft sie ihm besorgt nach, doch er achtet nicht auf sie. „Sei aber heute Abend rechtzeitig vor der Dämmerung zu Hause.“ Sie weiß, er hört sie vermutlich nicht mehr, aber sie hofft zumindest, dass er selbst daran denkt. Schweren Herzens wischt sie sich über das Gesicht und wendet sich dann wieder dem Haus zu. Das leichte Plätschern hinter ihrem Rücken jedoch bemerkt sie nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)