Schattenherz von Uki-kun ================================================================================ Kapitel 4: Schluss mit lustig ----------------------------- Die nächsten Wochen geschah... nichts. Nichts nennenswertes jedenfalls. Sie gaben mir Zeit ein wenig Kraft zu tanken und zur Ruhe zu kommen. Ich schlief sehr lange und gönnte mir mehr Blut als gewöhnlich. Ich vermisste Sam noch immer, ganz schrecklich, aber das würde sich vermutlich nie ganz legen. Ich fand mich allmählich damit ab, allein zu sein und auf mich gestellt. Ich fand eine Art sehr instabile Balance, die es mir erlaubte mein Leben weiterzuführen und dennoch in Andacht an Sam zu verharren. Die Wohnung war geräumt. Es gab nun keinen Ort mehr, der mich emotional mehr ruinieren konnte, als ich es ertragen hätte. Ein oder zweimal war ich sogar in die Kirche gegangen und hatte um auf ganz sicher zu gehen, den Herrn gebeten, falls es ihn denn gab, Samuel sein Seelenheil zu schenken. Man wusste ja nie. Gestern Abend hatte mich Vittorios Anruf geweckt. Er hatte mich gefragt ob ich ihn und Sophie ins Birds Nest begleiten wollte. Doch ich wollte nicht. Den Dolch, den ich der Medusa abgenommen hatte, trage ich seit diesem Vorfall bei mir. Ich habe ihn in einer unscheinbaren Schutzhülle und es mag albern klingen, aber mit ihm fühle ich mich ein bisschen sicherer, draußen. Mit den Wochen, in denen es langsam Winter wurde, fand ich die Idee eines Jenseits, in dem unsere Seele ein unbeschwertes Dasein fristen kann sehr tröstlich. Ich entschied mich daran zu glauben. Ich redete mir ein, Sam irgendwann, wenn ich dieses Leben zu ende gelebt hatte, wieder zusehen. Ich würde ihm all diese Dinge sagen, die noch gesagt werden mussten, ihm eine Ohrfeige verpassen und einen neuen Versuch starten, glücklich mit ihm zu sein. Aber dieses Kapitel musste warten, solange ich auf der Erde wandelte. Wie bereits erwähnt. Die nächsten Wochen geschah nichts. Genau genommen geschah auch an jenem Abend, an dem etwas geschah nicht direkt etwas. Aber es war der Stein des Anstoßes für eine ganze Menge unschöner Ereignisse. Ich saß in meinem Sessel und trank Intstantblut. Ein sehr vampirfreundlicher Chemiker hatte es erfunden und es war seit ein paar Jahren auf dem Markt. Wenn man so will ist es das blutige Äquivalent zu Fünfminutenterrinen. Ich sah die Lokalnachrichten während ich auf meine Lieblingssoap wartete. Aber was ich da hörte, ließ mir das Blut auf dem weg in meine Speiseröhre gefrieren. „-So rückt der Bürgermeisterkandidat Emerald Fletcher, unseren übernatürlichen Mitbürgern mit einer Reihe von Sanktionierungen auf den Leib. Er verspricht sichere Straßen bei Nacht und eine Entrechtung von jenen, die das Gesetz verletzen. So will er ein Ausgangsverbot für Vampire, ab 20:00 verhängen und Zuschüsse, für jene, die auf das neue Instantblut umsteigen“, erklärte die Nachrichtensprecherin. Ich schnaufte unschlüssig, was ich von alldem halten sollte. „Seine Befürworter sprechen von lange notwendigen Maßnahmen, zur Bekämpfung der gefährlichen menschenähnlichen Mitbürger.“ Ich starrte die Nachrichtentante ungläubig an und brauchte einige Sekunden um zu verdauen, was sie da gerade gesagt hatte. „Hast dir einen guten Zeitpunkt ausgesucht um zu gehen. Es scheint ungemütlich zu werden“, erklärte ich Sam, der nicht mehr da war. Ich stand auf, stellte den noch halbvollen Becher mit dem Chemiezeug auf den Tisch und schaltete den Fernseher aus. Hastig zog ich mich an und nahm auch das Messer mit mir. Es dämmerte bereits. Heute war Vollmond und ich würde jemanden warnen müssen. Vittorio bereitete sich gerade darauf vor, sich zu verwandeln. Er war kein unkontrollierbarer Berserker, wenn er seinen Wolfskörper an nahm. Und genau genommen war es auch ein anmutiger Wolf zu dem er wurde. Er war mehr eine Art Hulk mit schwarzem Fell, Schnäuzchen, Wolfsohren und einem Schweif. Sicher, er hatte das Bedürfnis zu jagen und zu toben, wenn es soweit war, aber er griff nie jemanden an und war im Blutrausch. Ganz im Gegenteil sogar. Er hatte sich ausgezogen und saß inmitten seines Zimmers um zu meditieren. Das Studentenwohnheim besaß eine Reihe von Einzel- und Doppelzimmern. Vittorio hatte dank den Beziehungen seines Vaters eines für sich allein bekommen. Sophie teilte sich ein Zimmer mit einem Mädchen, dass sie regelmäßig hinaus warf um mit jemandem den Beischlaf auszuüben. Vittorio würde weiterhin so hier sitzenbleiben. Er würde sich entspannen und sich sein Mantra aufsagen, bis der Vollmond aufging und er sich ganz von allein verwandelte. Ich erreichte den Campus als die Sonne gerade hinterm Horizont verschwunden war und meine Maskerade lange unnötig war. Ich hatte Die Kapuze abgenommen und die Sonnenbrille in meiner Tasche verstaut. Es war wirklich eisig geworden. Ich hatte mich dick in einen Wollschal und einen Wintermantel gepackt. Es dauerte nicht mehr lange und ich würde meine sibirische Mütze wieder brauchen. Peinlich eigentlich wenn man bedenkt, dass ich in Russland aufgewachsen bin. Aber ich verdanke es meiner Unsterblichkeit, dass ich so schnell friere... der Unsterblichkeit und meiner wirklich zierlichen Statur. Ich betrat die Eingangshalle des Wohnkomplexes für Studenten und nahm wohlwollend die Wärme zur Kenntnis, die mir entgegenschlug. Sophie hatte mich in den letzten Wochen einmal angerufen und herzlich eingeladen. An jenem Abend war mir nicht danach gewesen aber ich hoffte, dass diese Einladung immer noch galt. Ich zog mir Mantel und Schal aus, um nicht gleich wieder zu frieren wenn ich wieder in die Kälte ging. Hie und da huschten ein paar Studenten an mir vorbei, nahmen aber kaum Notiz von mir. Vermutlich hielten sie mich für einen der Ihren. Es gab einige Korridore, die mit Buchstaben versehen waren. Der Korridor, in dem Sophie ihr Zimmer bezogen hatte, trug die Bezeichnung D. Ich suchte und fand also Korridor D und fand schließlich auch ihre Zimmernummer. Doch mir öffnete nicht Sophie, sondern ein fremdes Mädchen. „Hallo, Ich suche Sophie“, sagte ich und musterte das Blondgelockte Engelein, das vermutlich einen weniger engelsgleichen Charakter besaß. Kaugummi kauend sah sie mich an. „Eh, die is schon vor 'ner Stunde in die Bibliothek gegangen. Lernt wohl da“, erklärte sie mir. Ich nickte höflich und mir fiel auf, dass ich keinen Schimmer hatte, was Sophie und Vittorio überhaupt studierten. „Kannst du mir sagen, wo die Bibliothek ist?“, fragte ich das Engelchen und gab mir Mühe den spitzen Unterton nicht zu sehr hören zu lassen. Sie wirkte als belief sich ihr literarischer Grundsatz auf die Boulevardpresse. Aber immerhin hatte sie erkannt, dass man in einer Bibliothek lernte. Gut gemacht, Mäuschen, sagte ein älterer Arzt, in meinem Kopf, der aus einer Comedyserie stammte, deren Wiederholungen ich oft nachts sah, wenn ich nicht schlafen konnte. „Was willst du denn von Sophie?“, grinste sie dann und ich stöhnte innerlich auf. Verglichen mit einem Menschen bin ich wirklich alt. Aber einige meiner Fähigkeiten als Vampir, hatte ich nie so recht in den Griff bekommen. Da gibt es etwas, das ähnlich auf Menschen wirkt, wie eine Lampe auf Mücken. Nur, dass ich im übertragenen Sinne hier die Mücke bin. Einige Menschen sind besonders anfällig dafür. Sie verfallen mir völlig und es wäre ein Leichtes, sie so einfach auszutrinken. Doch ein Narr, der hier von Magie spricht. Vermutlich sind es eher irgendwelche Pheromone. Bin ich nämlich ganz frisch geduscht, funktioniert dieser Trick nie. Engelchen schien also einer dieser Menschen zu sein, die auf mich flogen. Ich lächelte und wandte mich zum Gehen. „Na, ich werde die Bibliothek schon finden. Ich bezweifle eh, dass du sie betreten hast“, erklärte ich gutmütig und seufzte mitleidig, als ich begriff, dass sie mir voller Hingabe den Hals entgegenstreckte. Ein verlockendes Angebot. Aber keines, das ich jetzt annehmen konnte. Ich ging und warf mir den Mantel wieder über. Heute war, trotz der mutmaßlichen Hiobsbotschaft aus dem Fernsehen, einer meiner besseren Tage. Ich fragte einen Studenten, der an mir vorbei joggte nach dem Weg und er gab mir bereitwillig auf der Stelle weiter hüpfend Auskunft. Ich mag Bibliotheken wirklich gern. Der Geruch von alten Büchern hat etwas Tröstliches an sich. Sowieso kann ich diesem neumodischen Einrichtungsstil á la Ikea nichts abgewinnen. Ich mag es rustikal und altmodisch. Designerkram ist nichts für mich. Ebenso wenig wie moderne Kunst und Energiesparlampen. Sophie saß ganz in der Nähe des Eingangs, an einem kleinen Tisch und war in dicke, ziemlich alt aussehenden Bücher vertieft. Wobei auch neue Büchern in Büchereien und Bibliotheken schneller alterten, ob der groben Behandlung durch einige Schüler. Ich ging zu ihrem Tisch und blieb stehen. Ich wartete ab, bis sie mich wahrnahm. Es dauerte nicht sehr lange. Aber sie erschrak dabei. Vielleicht war ich gerade dabei meine sadistische Ader zu entdecken, aber ich freute mich darüber. „Was tust du denn hier?“, fragte sie verblüfft und ich tat als hätte sie mich gekränkt. „Hallo, danke es freut mich auch sehr dich zu sehen“, säuselte ich theatralisch. Die Aufseherin der Bücherhalle war schon lange gegangen und so war es den Schülern durchaus möglich, leise Gespräche zu führen. „Ja, sorry, hi und was tust du hier?“, wollte sie wissen. „Hast du die Nachrichten gesehen?“,fragte ich sie im Gegenzug. „Nein... ich war die ganze Zeit hier. Ich hab ende der Woche ein Kolloquium.“ „Nun, dennoch wird dir nicht entgangen sein, dass derzeit der Wahlkampf in vollem Gange ist?“ „Ja klar... Aber was ist denn nun?“ „Fletcher. Das ist.“ „Fletcher? Dieser abgedrehte Typ, der uns... der die Anderen vergraulen will?“ „Nicht vergraulen. Entrechten.“ Sie starrte mich einige Sekunden fassungslos an. „Damit kommt er nicht durch!“, sagte sie schließlich entschlossen. „Es sind schon ganz andere Witzfiguren, mit ganz anderen Dingen durchgekommen, Liebes. Das weißt du, wenn du auf der gleichen Erde aufgewachsen bist, wie ich“, sagte ich und fügte hinzu: „Und ich weiß es sogar noch ein bisschen besser.“ Sie schluckte und begann ihre Sachen zusammen zu packen. „Vittorio ist stolz auf das, was er ist. Er hält sich hier zwar bedeckt. Aber ich denke nicht, dass er sich ein Leben lang verstecken wird. Er kann aufbrausend sein und ist leichte Beute für solche... Leute.“ Sie legte die Bücher auf einen kleinen Rollwagen und nahm ihre Notizen. „Ich möchte, dass du mit mir ins Birds Nest kommst“, verkündete ich, ohne auf ihre Äußerung einzugehen und war selbst beinahe schockiert von meiner plötzlichen Unternehmungslust. „Was hast du vor?“ „Ich lasse mich nicht länger verarschen. Wenn die anfangen Pläne gegen uns zu schmieden, fangen wir an, uns zu verteidigen. Ich kenne keinen besseren Ort für einen Kriegsrat“, erklärte ich Sophie. Ich war durchaus zufrieden mit mir. Samuel wäre stolz gewesen auf mich. Wir machten uns auf den Weg ins Birds Nest und ich begrüßte, die dicke Hexe am Eingang freundlicher als sonst. Ich hätte mir keinen besseren Tag aussuchen können. Heute, war Karaoke Abend. Sophie, die mich nicht gut kannte, vermutete wohl, ich hatte mir diesen Tag aufgrund ausgeklügelter Überlegungen ausgesucht. Natürlich hatte ich das nicht. Ich war mehr der Typ für Entscheidungen aus dem Bauch heraus. Ersteinmal setzten wir uns an die Bar und ich bestellte uns etwas zu Trinken. Auf der kleinen Bühne stand gerade ein Dämon, der aussah wie ein Mensch, der jedoch anstelle der Augen zwei blutende, klaffende Löcher hatte. Er sag oder quietschte, besser gesagt Highway to hell. Heute bediente uns ein Barkeeper, den ich kannte. Er war ein Hexer und sein Name war George. Er kam aus Texas und hatte etwas von einem Cowboy. „Hey George“, sagte ich, als er mich sah. Es war noch sehr früh. Die Bar war noch nicht halb so voll, wie sie es sein konnte. Also beschloss ich warten und meinen Auftritt hin zulegen, wenn genügend Leute dort waren. Der Cowboy-Hexer-Barkeeper stellte uns unsere Drinks hin und bedachte mich mit einem mitleidvollen Lächeln. „Geht aufs Haus.“ Ich rollte mit den Augen. „Spar dir dein Mitleid. Die Drinks, nehme ich aber an.“ George blinzelte. Anscheinend hatte er den Haufen Elend erwartet, der ich noch vor ein paar Wochen gewesen war. Diesen Triumph gönnte ich dem Schicksal und auch George nicht. Ich nippte an meinem Giftgrünen Gebräu und stellte Sophie vor, bevor ich fortfuhr. „Trag mich für die Bühne ein. Halb zehn bitte.“ George sah mich verwundert an. „Du willst singen?“ Ich winkte ab. „Ich habe etwas zu sagen. Das geht alle etwas an.“ Sophie, neben mir, war ganz offensichtlich ziemlich beeindruckt oder verängstigt über mein plötzlich aufkeimendes Selbstbewusstsein. Es fühlte sich auch für mich eigenartig an. Aber langsam tat es richtig gut, auf mich gestellt zu sein. Mich beweisen zu müssen. Auch wenn da natürlich immer noch Sam, der in meinem Kopf herum geisterte. Aber ich nahm zum ersten Mal mein Leben allein in die Hand und tat etwas, anstatt vor mich hin zu leben. Leider muss ich zugeben mich auch das eine oder andere Mal bei dem Gedanken erwischt zu haben, nicht vielleicht doch mein Glück herauszufordern und mich von Armors Pfeil töten zu lassen. George verstand mich offensichtlich nicht, aber er trug mich ein. Er lächelte Sophie an und gab die Liste an einen Kollegen weiter. „Kann ich dich denn dazu bringen, etwas zu singen?“, fragte er sie und lehnte sich ein wenig zu ihr. Sie grinste und hielt seinem Blick stand. „Wenn du mitmachst und ich vorher noch mindestens einen Drink bekomme“ , forderte sie und klang dabei nicht halb so unverschämt, wie ihrer Wortwahl entsprochen hätte. George gefiel ihre offene Art, augenscheinlich und ich ließ die beiden ungestört flirten. Die Stunde meiner Rede rückte näher und ich musste mir ein wenig Mut antrinken um nicht doch noch Reißaus zu nehmen. Sophie bremste mich allerdings rechtzeitig, damit ich noch klare Worte formulieren konnte. Ich ging auf die Bühne und fühlte mich dort ganz und gar nicht wohl. Ich kannte viele der Leute in der Bar. Und was noch viel schlimmer war, sie kannten mich. Sie kannten mich als jemanden, der nie den Mund aufmachte und der eigentlich immer nur das Anhängsel seiner besseren Hälfte gewesen war. Aber heute war der Tag, an dem sich das ändern sollte. Mein Mund war schrecklich trocken, als ich ihn öffnete um etwas zu sagen. Außerdem wurde mein Gesicht schrecklich heiß. „Also, Hallo, mein Name ist Dante.“ Und noch während ich es aussprach fühlte ich, dass es sich anders anhörte als ich es beabsichtigt hatte. Ich fühlte mich, als blamierte ich mich ganz fürchterlich. Das Mikrophon war viel zu hoch für mich eingestellt und ich musste es herunterschrauben, sodass es ganz eigenartige Geräusche von sich gab, als ich es tiefer stellte. „Vermutlich habe ich mich immer noch weniger blamiert als wenn ich gesungen hätte“,nuschelte ich ein wenig zu dicht am Mikro, sodass die Leute, die mich bisher eher skeptisch beäugt hatten eher amüsiert betrachteten. Ich musste selbst schmunzeln und fasste ein wenig mehr Vertrauen in mich. „Leute, ich habe heute fern gesehen und was ich da gesehen habe, hat mir ganz und gar nicht gefallen. Es ist wegen diesem Emerald Fletcher“, erklärte ich und ließ meine Augen durch den Saal wandern. „Und?“, sagte eine junge Vampirin in einem wirklich ätzenden Tonfall. Ich bedachte sie mit einem strafenden Blick. „Das ist der Mann, der vor ein paar Jahren, in diesen Drogenskandal verwickelt war und sich freigekauft hat“, erklärte ihr, ihr Begleiter, der wohl besser verstanden hatte, worum es ging. „Allerdings wird er nur verdächtigt. Sein Pharmaunternehmen hatte, wie vielleicht der eine oder andere noch weiß, neue Medikamente an Wendigowelpen getestet“, ergänzte ich die Worte des Mannes. Für alle die, die dem Irrglauben aufgesessen sind, Wendigos seien Gestaltwandler und Dämonen, deren Geister auch menschliche Körper heimsuchen und sie zu ihres Gleichen machen können. Hier ein kleiner Exkurs. Die wirklichen Wendigos, sind in der tat primitive Dämonen, die inzwischen nur noch in den Wäldern Kanadas beheimatet sind. Sie haben dickes Fell, sehr lange Arme und scharfe Krallen und Fangzähne. Sie können nicht sprechen und leben auf Bäumen. Ihre Vorliebe für Fleisch hat ihnen den Ruf eingebracht Menschenfresser zu sein. Doch das ist nicht ganz richtig. Sie ernähren sich nämlich von jeder Sorte Fleisch. Allerdings nur von wirklich Lebendigem. Sam und ich hatten einmal das Vergnügen einen Wendigo zu treffen, als wir auf dem Weg zum Eisangeln waren. Er war nicht an uns interessiert. Auf jeden Fall, sieht so ein Wendigo sehr beeindruckend aus. Langes, schwarzes Fell, Spitze Zähne, lange Krallen und ein Gesicht, das ein wenig an einen Gorilla erinnert, der sich mit einem Wasserschwein gepaart hat. Genaugenommen sind sie auch nicht besonders helle. Das Einzige, was sie zu Dämonen macht, ist die Art ihrer Fortbewegung. Sie können auf den dünnsten Tannen sitzen und biegen diese nicht. Außerdem sind sie in der Lage ihren Geist vom Körper loszumachen und so ihre Beute auszukundschaften, ohne dass diese es merkt. Nun sind solche Wendigos auch sehr gesellig und paaren sich, mit wirklich grauenhaften Lauten und totaler Inbrunst, alle drei Monate. Wendigowelpen sind noch sehr klein, wenn sie zur Welt kommen. Höchstens vierzig Zentimeter lang, wobei ein ausgewachsener Dämon dieser Gattung zwei bis drei Meter misst. Wie Fletcher an diese kleinen Dinger gekommen ist, weiß ich nicht. Die Tatsache, dass er sie in seinen Besitz gebracht hat ist aber auch schon schlimm genug. Es tat mir ein bisschen Leid, die Stimmung so zum Kippen gebracht zu haben, aber ich hatte keine Ahnung, wie ich diese Leute sonst dazu bringen sollte mir ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Ich schluckte und sah in die Runde. „Fletcher will die, die gegen die neuen Gesetze verstoßen, wenn es soweit ist, entrechten. Ich brauche niemandem zu erklären was das bedeutet?“ Eine wirklich strahlend schöne, junge Frau stand auf. Ich roch, dass es eine Sirene war. Ihre Stimme glich einem Singsang und sogar ich musste mich zusammenreißen, um ihr nicht zu verfallen. Ihr langes goldenes Haar hatte sie sich über die lnke Schulter gekämmt und strich nun nervös mit den Fingern hindurch. „Vielleicht wird er ja gar nicht Bürgermeister. Vielleicht müssen wir uns gar keine Sorgen machen“, sagte sie mit so sorgenvoller Miene, dass sie ihre eigenen Worte Lügen strafte. „Die Normalsterblichen mögen uns nicht besonders“, erwiderte ich ruhig und machte das Mikro von der Halterung los. Ein paar Schritte machte ich nach vorn und setzte mich auf den Rand der Bühne, wobei ich immer noch in der Lage war, alles gut zu überblicken. „Auf lange Sicht bleiben uns nur zwei Möglichkeiten. Die Erste ist, sich so gut zu verstecken wie möglich und zu hoffen, dass einem niemand auf die Spur kommt“, ich machte eine kurze Pause und leckte mir über die Lippen. „Die Zweite ist, die Menschen davon zu überzeugen, dass auch wir Rechte haben. Die meisten von uns, haben doch noch nicht einmal eine Krankenversicherung“, erklärte ich schulterzuckend und sparte mir zu erwähnen, dass sowieso kein menschlicher Arzt in der Lage wäre einen der unseren zu behandeln. „Und was heißt das für uns?“, fragte die ätzende Vampirdame aus der ersten Reihe. Neben mir spürte ich auf einmal die Wärme eines anderen Körpers. Es war Sophie, die mir zur Hilfe eilte und den Rücken stärken wollte. Sie nahm mir das Mikro ab. „Warum machen wir nicht unseren eigenen, kleinen Wahlkampf? Wir lassen Flyer drucken und machen Infoveranstaltungen, damit die Leute sehen, dass wir keine Menschen zweiter Klasse sind.“ Die Leute murmelten ein wenig unwillig. Weiter hinten kletterte ein kleiner Gnom auf den Tisch und richtete seine Krawatte unter der er ein weißes Hemd mit roten Karos trug. „Soetwas hat noch nie was gebracht und wird auch niemals was bringen! Wir und die sollten unter uns bleiben!“, zeterte er. Ich sackte in mir zusammen. Viele von ihnen waren so viel älter als ich. Warum hörte niemand auf mich? „Jo, scheißen wir auf die Menschen! Wir kommen gut ohne die klar!“, sagte die ätzende Vampirin und ich sprang auf. Ich riss Sophia das Mikrophon aus der Hand. Wütend warf ich es ihr entgegen und fauchte: „Dann feiert weiter! Solange ihr noch könnt!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)