Eye for an Eye von Votani (Whitebeards Söhne) ================================================================================ Kapitel 1: Russisch Roulette ---------------------------- I Irgendwer hatte mal gesagt, dass die Rache auf dem Fuße folgte. Und obwohl Marco glaubte, dass da tatsächlich etwas dran war, war er erstaunt, wie schnell die Ereignisse von vor zwei Monaten wieder mit ihnen aufholten. Es war im Grandline, einer der bestbesuchtesten Bars in Key West, Florida, in der Whitebeards Söhne seit Jahren Stammkunden waren. Wie jeden Abend war der Pub mit den unterschiedlichsten Menschen gefüllt. Die meisten davon Touristen, die das Partyleben in vollen Zügen genossen. Marco saß mit Ace und Thatch am Tresen und trank, während Makino neue Gläser füllte. Die Luft war von Rauch und Alkohol geschwängert, von Stimmengewirr und Musik gefüllt. „Wenn das mal kein Erfolg war!“, sagte Thatch begeistert und stieß sein Glas klirrend gegen das von Ace. „Der Typ hat wirklich ganz schön aus der Wäsche geguckt...“, erwiderte dieser mit einem erheiterten Grinsen auf den schmalen Lippen. „Hast du das gesehen gehabt, Marco?“ Doch der Angesprochene hatte die Aufmerksamkeit auf den kleinen Fernseher über der Bar gerichtet, in dem die Nachrichten mit Untertiteln liefen. Die Stimme der Nachrichtensprecherin wäre sowieso bei all dem Krach untergegangen wie ein Stein im Wasser. So konnte man wenigstens mitlesen. Im Moment berichtete sie gerade über den Hurrikan Martina, der sich auf dem Atlantik gebildet hatte und nun auf das Festland zusteuerte. Momentan sah es zwar nicht so aus, als steuerte er Key West an, aber das konnte sich immer noch ändern. Das Gesprächsthema der letzten Tage war er auf jeden Fall. „Erde an Marco.“ Ace stieß ihm einen Ellenbogen in die Seite, so dass sein Kopf in dessen Richtung ruckte. „Was...?“ „Wir sind hier zum Feiern und nicht um Trübsal zu blasen“, sagte Ace. Doch gerade als er fortfahren wollte, unterbrach ihn die grünhaarige Barbesitzerin. „Jungs...“, murmelte sie. Marco brauchte nur in ihre besorgten Augen zu schauen, die auf die Tür des Grandline gerichtet waren, um zu wissen dass soeben Ärger eingetreten war. Es hätte ihm schon früher auffallen sein sollen, denn es war plötzlich merkwürdig still geworden. Sogar die Musik war heruntergedreht worden und jedes Lachen war abgestorben wie eine Pflanze, der man das Sonnenlicht entzog – nur schneller, tödlicher. Bedächtig trank Marco sein Glas mit einem Zug leer, bevor er über seine Schulter schaute. Zwei Kerle traten näher an sie heran. Einwohner sowie Touristen machten ihnen instinktiv Platz. Die Vergangenheit holte einen scheinbar immer wieder ein. In ihrem Fall war die Vergangenheit auch gleichzeitig die Rache. Ihre Personifizierung war ein Mann mit weißblonden Haaren, einer Sonnenbrille trotz der späten Uhrzeit, einem pinken Federmantel und einem Grinsen, das genauso wahnsinnig schien wie das des Mannes, den sie vor zwei Monaten eine Kugel durch den Kopf gejagt hatten. Der Mann neben diesem strich sich mit der Pistole in der Hand ein paar der blauen Haarsträhnen aus dem Gesicht, die ihm bis über die Schultern fielen. Der Rest ihrer Leute wartete am Eingang des Pubs. Sie betrachteten das Zusammentreffen der zwei Parteien mit Belustigung in den Augen. Sie wussten, was Marco auch gerade klar wurde: ihre Gegner waren ihnen hoffnungslos überlegen. Dabei spielte es gar keine Rolle, dass Marco, Ace und Thatch ihre Waffen nicht bei sich trugen, denn auch mit ihnen hätten sie keine Chance gehabt. II „Don Quichotte de Flamingo…” „Oh, Whitebeards Schoßhündchen erinnert sich sogar an meinen Namen, wer hätte das gedacht?“ Der Blonde lachte schallend auf; es war das einzige Geräusch in der gesamten Bar. Die meisten hatten inzwischen die Flucht ergriffen. Marco konnte ihnen das nicht verübeln, auch wenn es keine Option für sie selbst war. Nein, sobald sie eine falsche Bewegung machen würden, würde man sie erschießen. Flamingo kannte keine Gnade. Er war brutal und sah in allem sowieso nur ein Spiel. Andere Menschen waren nur Puppen für ihn, die er nach seiner Pfeife tanzen ließ. Und obwohl Ace das aus den unzähligen Geschichten, die es über das Flamingo gab, ebenfalls wissen musste, konnte Marco ihn zornig mit den Zähnen knirschen hören. Eine Hand von Marco fand unwillkürlich seinen Platz auf der Schulter des Jüngeren. Im Gegensatz zu Marco hatte dieser nämlich noch nicht persönlich Bekanntschaft mit dem Flamingo gemacht. Dafür war er noch nicht lange genug bei ihnen. Genauer gesagt, war Ace erst seit zwei Monaten Mitglied bei ihnen. Diese verdammten zwei Monate! „Ihr habt hier nichts zu suchen, das ist Whitebeards Gebiet“, erklärte Marco in einem ruhigen Ton, ließ Flamingo aber nicht aus den Augen. „Das ist eine schwierige Sache...“, erwiderte dieser und tippte sich mit dem Finger grinsend gegen das Kinn. „Aber fangen wir doch damit an, dass ihr nichts in Austin zu suchen hattet, aber einiges darauf anspricht, dass ihr doch dort gewesen seid.“ Flamingos Blick wandte sich von Marco zu seiner rechten Hand. Dieser hob seine Waffe, richtete sie auf die drei Männer an der Bar und nickte in die Richtung der Tür. Widerwillig erhoben sich Marco, Ace und Thatch, durchquerten das Grandline, ehe sie der Bar gänzlich den Rücken kehrten. Flamingo und seine Leute folgten ihnen an die frische Luft, die trotz des späten Abends noch immer schwül war. „Eigentlich sollte ich euch dankbar sein...“, warf Flamingo ein, als sie die Promenade entlang gingen. Sie führte am Strand, von dem Marco aus Erfahrung wusste, dass er zum Hafen und den dort leerstehenden Lagerhäusern führte. Schwer zu durchschauen war Flamingo nicht, obwohl Marco immer noch nicht genau wusste, was er mit ihnen wollte. Er könnte sie auch hier und jetzt erschießen, um an ihnen ein Exempel zu statuieren für all diejenigen, die nicht wussten was passierte, wenn sie sich mit dem Flamingo anlegten. Allerdings würde das nicht in sein Beuteschema passen, wurde Marco klar. „Bellamy hatte eine große Klappe ohne viel dahinter. So jemanden in meinem Namen arbeiten zu lassen, hätte meinem Ruf geschädigt, so dass ich ihn irgendwann sowieso hätte beseitigen müssen.“ Abermals lachte er auf. Das Geräusch ging Marco durch Mark und Bein. Der Kerl war skrupellos und sie befanden sich in seiner Gewalt. Das alles nur, weil Rache wie ein Spürhund war, der einen überall fand. III Der Rand des Hafens, wo sich die alten Lagerhäuser befanden, war verlassen und leer. Kein Wunder, hier gab es nichts zu holen, geschweige denn zu tun. Nur ab und zu verirrten sich ein paar betrunkene Teenager hierher, um in einer dunklen Ecke herumzumachen. Das hatte Marco schon des Öfteren beobachtet, wenn sie die geschmuggelte Ware von einem eingelaufenen Boot in den Truck schafften. In die Lagerhäuser zu gelangen war auch ein Kinderspiel. Zwar hätte Marco einen anderen Weg gewählt, doch einfach das Schloss kaputt zu schießen war auch eine Variante. Der Schuss hallte in der Nacht wieder, doch es kümmerte keinen. Auch wenn sich jemand die Mühe machte und die örtliche Polizei rief, würde die sich sicherlich nicht einmischen. Das war eine Abmachung, welche die Polizei selbst mit Whitebeard getroffen hatte. Inoffiziell, verstand sich. Er brachte Ruhe zu den Key Inseln und half ihnen bei der ein oder anderen Ermittlung, wofür sie ihn wiederum nicht in seine stillen Geschäfte einmischten. Beide Seiten profitierten von diesem Deal. „Das sieht übel aus, huh?“, entrann es Thatch, als ein Schrank von einem Mann sie ins Innere des Lagerhauses drängte. Es hatte keine Fenster, doch die grellen Neonlichter wurden blinkend eingeschaltet und gaben einen breiten Tisch mit zwei Stühlen preis. Marco hob eine Augenbraue und fuhr sich gleichzeitig durch die blonden Haare. Was sollte das werden? Ein Verhör? Rache konnte wirklich eine gemeine Schlampe sein. Sie war käuflich und bekam nie genug. Erst betrog Bellamy Whitebeard, so dass Marco mit ihm abrechnen musste. Dann kam Flamingo, um mit Marco abzurechnen. Es war offensichtlich, dass da nie ein Ende in Sicht war. Sollte Flamingo Ace, Thatch oder ihn töten, ihnen auch nur ein Haar krümmen, würden die Söhne Whitebeards ihn ganz nach oben auf die Abschussliste setzen. So lief das in diesem Business nun mal – daran würde sich vermutlich nie etwas ändern. Ein Auge für ein Auge, eh? „Natürlich kann ich euch das nicht durchgehen lassen...“, sagte Flamingo schließlich, als er sich grinsend vor seinen drei Gefangenen aufbaute. Im Hintergrund hörte Marco die Tür zur Freiheit zufallen. Das Geräusch brannte sich gegen seinen Willen in seinem Gehirn ein, genauso wie sich Flamingos Worte wie Säure durch seine Haut fraßen, bis sie auf Knochen trafen. „Aber unter den gegebenen Umständen bin ich bereit euch eine – sagen wir – faire Chance zu geben, eure süßen, kleinen Leben zu retten.“ Sein Grinsen wurde noch eine Spur breiter. Es war das Grinsen eines Clowns, der mit Granaten jonglierte. Es war das Grinsen des Teufels, wenn er seine Schützlinge bei lebendigen Leibe in einen Kessel mit kochendem Wasser warf und ihn über das Feuer stellte. „Cirkies!“, rief er nach seinem Gehilfen, der ihm daraufhin grinsend seinen Revolver überreichte. Flamingo öffnete die Trommel und ließ die Patronen auf seine Handfläche fallen, bevor er eine einzige wieder hineinschob und die Trommel drehte. „Russisch Roulette...“, murmelte Thatch mit einem Zittern in der Stimme, das jedem entging, der ihn nicht kannte. Aber Marco hörte es und ihm drehte sich der Magen um. Nur Ace schien unbeeindruckt. Wahrscheinlich hatte er noch nie von Russisch Roulette gehört, denn wenn es einen gab, der in dieser Szene leben konnte ohne es zu kennen, dann konnte es nur Ace sein. IV „Einer von euch gegen Cirkies“, erklärte Flamingo heiter. Er deutete mit dem Revolver auf beide Partien, wobei Cirkies geschockt dreinschaute. „Ihr spielt solange, bis sich der Schuss löst... und bla! Wir alle kennen die Regeln. Steht – in diesem Fall sitzt – euer Spieler am Ende noch, seid ihr frei zu gehen.“ Hier in dem verlassenen Lagerhaus donnerte Flamingos Lachen und wurde von den Wänden immer und immer wieder abgegeben. „Einverstanden?“ Nicht, dass sie tatsächlich eine große Wahl hatten... Das hier war nur ein Spiel mit der Zeit. Es hieß entweder jetzt auf der Stelle erschossen werden oder erst schwitzen und dann erschossen werden. Das waren doch mal gute Aussichten! Marco verzog das Gesicht. „Wenn du von Austin weißt, Flamingo, dann weißt du auch, dass ich Bellamy auf dem Gewissen habe“, sagte er ohne dass die innere Aufruhr nach außen drang. „Ich spiele. Die anderen lässt du gehen.“ Als hätte es Marco nicht geahnt, wurden seine Worte mit Gelächter von allen Seiten beantwortet. Allerdings hob Flamingo schon kurz darauf die Hand, welche seine Leute verstummen ließ. Es war ihnen anzusehen, dass sie Angst vor Flamingo hatten. „Genau weil ich es weiß, wird er spielen“, antwortete er belustigt und deutete mit der freien Hand auf Ace. Der schien keine Einwände zu haben, was Marco nicht wunderte. Schließlich war es Ace, der öfter zu diesen selbstzerstörerischen Dingen neigte. Daran war wahrscheinlich seine Vergangenheit Schuld - von der eigentlich niemand so genau wusste. Nur dass seine Mutter im Kindsbett starb und sein Vater wegen dreifachen Mordes hingerichtet worden war, als er noch ganz klein gewesen war. Daraufhin war er bei seinem Großvater untergekommen. Allerdings hatte Marco das nicht von Ace selbst, sondern aus gründlicher Recherche und eines an Zusammenreimen. „Euer alter Herr scheint langsam einzurosten, was? Dass er wirklich geglaubt hat, er könnte einfach nach Austin kommen und einen meiner Männer umlegen, ohne dass ich es bemerke. Na ja, er war schon immer ein Versager, der es nur mit Glück soweit gebracht hat.“ Flamingo lachte, lauter noch, als Ace den Abstand überbrückte und ihn am Kragen seines Mantels packte. „Du solltest lieber deine vorlaute Klappe halten!“, spuckte er Flamingo ins Gesicht. Gleichzeitig zogen seine Leute ihre Waffen und Marco fand fünf Pistolenläufe auf seine Gestalt gerichtet. Thatch rückte daraufhin etwas näher an Marco heran, was diesen die Augen verdrehen ließ. Das lief überhaupt nicht aus dem Ruder. „Nehm’ das auf der Stelle zurück!“, forderte Ace. „Spiel! Wenn du gewinnst, denk’ ich drüber nach.“ Unbeeindruckt zog Flamingo Ace’ Hände von seinem Kragen, trat zur Seite und deutete auf den Tisch mit den Stühlen. Dafür waren die also gedacht. Wunderbar. Marco wollte Ace aufhalten, doch riss sich zusammen und folgte ihm stattdessen schweigend zum Tisch. Dieser ließ sich wortlos nieder, aber sein Zorn war praktisch greifbar. Er machte sich offensichtlich keine Sorgen wie das Spiel ausgehen könnte, dafür war dann wohl Marco zuständig. Es waren sechs Kammern, eine Kugel und der Abzug, den sie abwechselnd drücken würden. Eine gute Chance zu überleben, gleichzeitig so furchtbar einfach zu verlieren. Alles zu verlieren, während Marco nur herumstand, weil ihm die Hände gebunden waren. V Cirkies war als erstes am Zug, doch nichts geschah. Als Ace den Lauf des Revolvers gegen seine eigene Schläfe presste, fragte sich Marco, was wohl den meisten Mut erforderte: Das erste Mal abzudrücken oder mit jedem weiteren Mal? Egal wie stark jemand war, mental oder physisch, jeder Herzschlag begann zu stolpern und zu rasen im Angesicht des Todes. Selbst Ace’, da war sich Marco sicher. Er starrte Ace’ Hinterkopf an, besah sich die ruhige Hand, die den Revolver hielt, und auch den Finger am Abzug, der nicht zitterte. Es klickte. Ace verharrte bewegungslos in seiner Haltung. Sein Zögern verriet ihn, die Ruhe war doch nur eine Maske. Sie begann zu bröckeln, als sich auch bei Cirkies auf der anderen Tischseite kein Schuss löste. Dazu musste Marco Ace nicht ins Gesicht sehen, ihm ging es schließlich genauso. Es stand zu viel auf dem Spiel. Ace’ Hand zögerte, als sie den Revolver von der Tischmitte nahm. Einen Augenblick sah Ace sich die Waffe an, ehe er sie abermals an seinen Kopf hielt. Drei leere Kammern, drei zum Ausprobieren. Man brauchte kein Mathegenie zu sein, um zu erkennen, dass die Chancen schwanden. Marco wusste, dass Ace sich dem ebenfalls bewusst war. Obwohl er ihn erst zwei Monate kannte, war er schon besser geworden, ihn zu durchschauen. Deshalb wusste er auch, dass er zu wenig Angst vor dem Sterben hatte. Das machte wiederum Marco manchmal Angst. Klick. Ace ließ die Waffe über die Tischplatte schlittern, so dass Cirkies sie mit der Hand stoppte. Auch dieser schien schon lange nicht mehr gelassen. Schweiß hatte sich auf seiner Stirn gesammelt und Panik stand in seinen Augen geschrieben. So sah eine Ratte aus, wenn sie mit einer Katze Auge in Auge stand. Und Marco wünschte sich, dass er die Kammer mit der Kugel erwischt hatte. Cirkies war kein Stück besser als Flamingo. Er war ein grausamer Mörder, der Geld über Menschenleben stellte. Ace hatte mit ihnen nichts gemeinsam. Ace konnte nicht sterben. Nicht so! Klick. Fünf leere Kammern, eine übrig. Ace’ Hand bebte, als er den Revolver aufnahm. Plötzlich schien das Spiel viel zu schnell zu Ende zu gehen, die Zeit förmlich zu rennen, sich zu überschlagen. Sie hatten doch erst gerade begonnen. Da konnte es doch nicht vorbei sein, oder? Marcos Hand schnellte vor und packte Ace’ Handgelenk. Der Revolver gefror mitten in der Luft. Er zeigte auf die gegenüberliegende Wand des Lagerhauses. „Marco...“ „Nein, das Spiel ist vorbei.“ Genauso wie Ace’ Hand, bebte auch seine Stimme - vor Wut und Angst und Ungerechtigkeit. Flamingo lachte leise auf, während Cirkies erleichtert ausatmete. „Marco...“, wiederholte Ace, als er den Kopf in seine Richtung drehte. Beide starrten sich an. Was hatte das überhaupt für einen Sinn? Sie hatten verloren, warum sollte Ace dann noch den letzten Zug tun? Kurzen Prozess würde Flamingo doch sowieso mit ihnen machen. Warum also? Doch Ace wirkte entschlossen. Manchmal zweifelte Marco wirklich an seinem Geisteszustand. Es war fast so, als wollte er sterben! Aber es war Marco, der ihn sterben ließ, als er seine Hand zurückzog. Es war Marco, der es nicht verhinderte, dass Ace den kalten Lauf gegen seine warme Schläfe legte, hinter der das Blut floss und der Puls pochte. Marco schloss die Augen. Dann konnte er sich wenigstens einreden, dass das nicht gerade passierte und er einfach nur daneben stand und zuschaute. Mit geschlossenen Augen war er kein Zuschauer. VI Ein weiteres Klicken folgte. Marco öffnete die Augen und sah verwirrt zu, wie Ace abermals den Abzug drückte. Wieder nur ein Klicken. „Was zum Teufel...?“ Mit einer flinken Bewegung entriss Marco Ace die Waffe, öffnete die Trommel und schaute hinein. Er konnte die Patrone sehen, sie steckte in der Kammer, dort wo sie auch sein sollte. Verdutzt schaute er von dem Revolver zu Ace und wieder zu dem Revolver zurück. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen“, begann er mit belegter Stimme, „dass sich die Kugel... verkantet hat.“ Flamingo lachte laut auf und Thatch stand plötzlich neben ihm mit einem Ausdruck auf dem Gesicht, der halb verwundert und halb belustigt aussah. Er legte Marco einen Arm um die Schultern und klopfte Ace mit der freien auf den Rücken. „Das heißt, das Spiel ist vorbei!“, rief er aus. „Es gibt keinen Verlierer, das heißt, dass es zwei Gewinner gibt.“ Als sich Ace erhob, traf sein Blick abermals auf den von Marco. „Manchmal hast du echt mehr Glück als Verstand“, bemerkte dieser, noch immer mit dem Revolver in der Hand. Ace grinste schwach. Anschließend schauten sie zu Flamingo herüber, der noch immer recht amüsiert über den Ausgang des Spiels schien. „Ich halte mein Wort“, sagte er grinsend, „manchmal zumindest.“ Hinter ihnen wurden die Pistolen seiner Leute entsichert. „Heute allerdings nicht.“ Marco hob die Hand mit dem nutzlosen Revolver beinahe aus Reflex, woraufhin nicht nur Flamingo in Gelächter ausbrach, sondern auch Cirkies. Immer wenn man dachte, es konnte kaum noch schlimmer kommen, wandte sich das Blatt wieder. Genauso wie im nächsten Moment. Die Tür zum Lagerhaus wurde aufgestoßen und eine kleine Gruppe von Männern trat herein. Gegen die Maschinengewehre, die sie trugen, sahen Flamingos Leute mit ihren Pistolen lächerlich aus. Sie ließen die Waffen sinken, während Marco über seine Schulter zurückschaute. „Paps...“ Er hatte darauf gehofft, aber fast nicht mehr daran geglaubt. „Ich hoffe für dich, dass meine Söhne unverletzt sind, Flamingo!“ Whitebeard trat durch die Tür, größer als alle anderen, und ließ seinen Blick über die Anwesenden streifen. Flamingo schien überrascht, aber doch recht unbeeindruckt. Ihn konnte wirklich nichts aus der Ruhe bringen, wie es schien. Die Gerüchte stimmten wohl. „Das ihr aber auch alles immer so persönlich machen müsst...“, entwich es ihm stattdessen theatralisch. „Paps, Söhne? Es ist wirklich eine Schande so sentimentale Typen wie euch am Leben zu lassen. Das ist verschwendete Luft.“ Hämisch grinsend richtete Flamingo seine Sonnenbrille – und für einen Moment wünschte sich Marco, dass sich doch bitte irgendwo ein Schuss lösen wollte, der ihn direkt zwischen die Augen traf. Allerdings mordeten sie nicht einfach blind darauf los. Sie hatten schon oft genug daraus gelernt, dass die Rache auf dem Fuß folgte. Genauso wie heute. Die Sache in Austin war anders geplant gewesen, Bellamy hatte nicht gewusst, wann Schluss war, so dass Marco ihn hatte erschießen müssen. Daraufhin war Don Quichotte de Flamingo persönlich gekommen, um ihn zu rächen. Wenn sie ihn erschießen würden, würde der Nächste kommen, der ihre Köpfe fordern würde. Rache war eben ein Gefühl, das jeder in sich trug und das nur darauf wartete, herausgelassen zu werden. Es war das Raubtier hinter den Gitterstäben, welches nach seinem Wärter schnappte. Dagegen war keiner erhaben, besonders nicht Menschen wie sie. „Das nächste Mal, wenn du Hand gegen einen meiner Söhne anlegst oder auch nur in die Nähe von Key West kommst, wirst du die Sonnenbrille nicht mehr brauchen, Don Quichotte de Flamingo“, sagte Whitebeard, woraufhin Flamingo abwehrend die Hände hob. „Beim nächsten Mal wirst du garantiert schon in deinem Sarg liegen, alter Mann.“ Mit diesen Worten schob sich Flamingo an Whitebeards Männern vorbei und verschwand. Dessen eigene Leute huschten wie eingeschüchterte Mäuse hinter ihm her. Keiner legte sich unfreiwillig mit Whitebeard an, geschweige denn, zog sich seinen Zorn zu. Nur Flamingo war verrückt genug, es zu tun. „Wie hast du uns gefunden, Paps?“, fragte Marco, als er den Revolver mit der verkanteten Kugel in seinen Gürtel steckte. „Makino...“, erwiderte dieser mit einer Belustigung in den Augen. Marco nickte bedächtig, während Thatch enthusiastisch neben ihm schwärmte, dass er sie auf ein Date ausfragen wollte. „Wenn sie mit dir ausgeht, dann lass’ ich mich glatt noch mal auf eine Runde Russisch Roulette ein.“ „Untersteh’ dich, Ace“, zischte Marco. Darauf grinste ihn Ace aber doch nur an. Beinahe so, als wusste er, dass Marco da am Tisch am liebsten mit ihm die Plätze getauscht hätte. „Das muss gefeiert werden!“, rief Thatch irgendwo im Hintergrund und ein Grölen hallte durch das Lagerhaus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)