Double Tracked von Votani (Whitebeards Söhne) ================================================================================ Kapitel 1: runaway thoughts --------------------------- I Als dieser grünhaarige Mistkerl Marco das erste Mal auffiel, hatte er gerade an der letzten QuikTrip, die seinen Weg kreuzen würde, eine Rast eingelegt. Er stand an der Zapfsäule, wollte gerade seinen silbernen Mustang vollaufen lassen, als er aus dem Augenwinkel heraus den schwarzen Mazda wahrnahm, der auf den Parkplatz auffuhr und nahe des Shops hielt. Marco war nicht paranoid, aber rühmte sich mit einer recht guten Beobachtungsgabe. Und dieser Wagen klebte ihm schon seit Stunden auf den Fersen, hielt immer viele Meter Abstand und ließ andere Autos ohne Proteste überholen. Zwar hatte er es für einen Zufall gehalten, doch man konnte nie vorsichtig genug sein. Besonders nicht in einem Business wie diesem, wo man sich eine Sekunde noch sicher fühlte und in der nächsten schon ein Wagen an einem vorbeifuhr, dessen Fahrer einen mit Kugeln durchlöcherte. Marco hatte das alles schon gesehen und erlebt. Er hatte nicht vor, denselben Fehler zu begehen. Mit bedächtigen Bewegungen begutachtete er die Anzeige, schielte nur aus dem Augenwinkel zu dem Mazda mit den getönten Scheiben herüber. Dieser stand eine Weile einfach nur da, während auf der Tankstelle das übliche Treiben herrschte. Wagen kamen und gingen, die unterschiedlichsten Menschen betraten und verließen den Shop. Niemand schenkte dem anderen mehr als einen Blick, jeder kümmerte sich um sich selbst – das typische amerikanische Vorstadtleben eben. Inzwischen sah Marco wie sich die Autotür des besagten schwarzen Wagens öffnete und ein grünhaariger Typ ausstieg. Ohne sich umzusehen, verschwand dieser im Laden der Tankstelle. Durch die Glasfront verweilte er jedoch auch weiterhin in Marcos Sichtfeld. Er stöberte durch die Regale an der Fensterfront, Marco nie den Rücken zudrehend. Doch würde man wirklich einen Kerl mit giftgrünem Haar auf ihn ansetzen? Das war wie eine Leuchtrakete in dunkelster Nacht abzufeuern. Vielleicht wurde er ja doch paranoid? Als sein Tank voll war, schob er die Debitkarte in den Schlitz des Automaten und bezahlte. Wenigstens musste er dazu nicht in den Laden. Marco zog gerade die Wagentür auf, als Jazzmusik ertönte und er nach einem kurzen Zögern sein Mobiltelefon aus der Hosentasche zog. „Du hast ein ungünstiges Timing, Ace...“, meinte er mit gelangweilter Stimme, als er den Anruf beantwortete. Daraufhin kam vom anderen Ende der Leitung ein leises, beinahe verschlafendes Lachen. Unwillkürlich warf Marco einen Blick auf die Armbanduhr, die an seinem Handgelenk baumelte. Hatte Ace etwa bis gerade eben noch gepennt? Sie hatten fast drei Uhr nachmittags. Da war Marco mal ein paar Tage nicht da und der Schlafrhythmus des Bengels machte gleich eine 180 Grad Drehung! Er verdrehte die Augen, als er sich in den Wagen setzte, die Tür des Tankstellenshops aber auch weiterhin im Rückspiegel beobachtete. Sicher war eben sicher. „Bei dir hat doch jeder schlechtes Timing.“ „Was gibt’s?“, fragte Marco. Inzwischen betrat eine Frau betrat den Laden und zwei Jugendliche verließen ihn. „Steht meine Wohnung noch? Kein Feuer, kein Wasserschaden?“ Ace traute er wirklich so einiges zu, dabei sollte er gar nicht mehr bei ihm wohnen. Das war anfangs als reine Übergangslösung gedacht gewesen, aber irgendwie bekam es Ace nicht auf die Reihe sich eine eigene Bude zu suchen. Besonders anzustrengen schien er sich auch nicht. Marco hatte es schon vor ein paar Monaten aufgegeben, ihm die Mobilanzeigen der Morgenzeitung bereitzulegen. Vor allem, nachdem Ace sie jedes Mal sehr talentiert übersehen hatte. „Ich denke schon...“, erwiderte Ace und schwieg dann eine Weile, so dass Marcos Augenbraue automatisch in die Höhe kletterte. Was sollte das denn wieder heißen? In der Zwischenzeit beobachtete er, wie der Grünhaarige aus dem Laden trat und zu seinem Wagen zurückkehrte. Er trug nichts in der Hand, was für Marco nur bewies, dass der Kerl nicht ganz koscher war. Diese Vermutung stieg um ein Vielfaches, als er nicht gleich losfuhr. „Ehrlich gesagt, bin ich grad’ woanders. Deshalb ruf’ ich auch an, ich dachte, du könntest mich abholen, da du doch sowieso auf dem Weg nach Hause bist.“ „Ich bin in der Nähe von Jacksonville, das dauert noch eine ganze Weile“, erwiderte Marco. Vor den Abendstunden, sollte er gute Fahrt machen, würde er nicht zurück sein. „Warum rufst du nicht Thatch oder so an?“ „Das siehst du, wenn du hier bist...“, antwortete Ace aber doch nur vage. Zwar klang seine Stimme noch immer heiter, doch Marco kannte diesen Unterton, der ihr unterlag. Der zeugte von Ärger. Doch bevor er nachfragen konnte, fügte Ace ein „Ich send’ dir die Adresse“ und beendete das Gespräch. Das hatte Marco gerade noch gefehlt. Nicht nur, dass er wahrscheinlich diesen Bastard im Nacken sitzen hatte, sondern auch Ace, der sich schon wieder irgendeine Suppe eingebrockt hatte, die Marco nun auslöffeln durfte. II Wer auch immer der Kerl war, der den schwarzen Mazda fuhr, er musste Marco für einen blinden Amateur halten. Anders konnte es sich Marco nicht erklären. Schließlich war die Wahrscheinlichkeit ziemlich niedrig, dass sie ganz zufällig von Jacksonville die ganze Strecke bis zum südlichsten Punkt von Florida, Key West, denselben Weg hatten. Aber so war es, Stunde über Stunde konnte er den Mazda mal sehen und mal nicht, nur um ihn wieder zu entdecken, während die Route 1 sich hinzog wie Kaugummi. Allerdings liefen Marcos Gedanken zweigleisig von dem Zeitpunkt an, in dem er Ace’ Textnachricht bekam. Sie beinhaltete nichts weiter als eine Adresse, die Marcos GPS als ein Motel im Zentrum von Key West identifizierte. Was trieb er sich in einem Motel herum, wenn er die Wohnung für sich hatte? Marco hatte eher erwartet, dass Ace dort feierte und Marco danach sein Zuhause nicht mehr wiedererkennen würde. Und nun stellte sich heraus, dass er sich scheinbar darum ganz umsonst gesorgt hatte, weil Ace lieber in einem Motel pennte. Genervt knirschte er mit den Zähnen, warf zwischendrin aber einen Blick in den Seitenspiegel. Ace hatte sich doch garantiert von einer Frau abschleppen lassen, nachdem er sich erst mal hatte vollaufen lassen. Abermals warf Marco einen Blick auf die Uhr. Mittlerweile war es ungefähr sieben Uhr abends, doch durch die Regenwolken am Himmel schon längst dunkel. Die ersten Tropfen begannen die Scheiben und Marcos Arm, den er am Rand des offenen Seitenfensters abgestützt hatte, zu benetzen. Das Radio plärrte leise vor sich hin, spielte Pink wie Marco bei näheren Hinhören bemerkte, während der schwarze Mazda hin und wieder hinter den sechs Autos zwischen ihnen aufblitzte. All das machte Marco schläfrig, denn so wie er das sah, würde sein Verfolger erst einmal nichts weiter tun, als ihm hinterher fahren und warten, bis Marco ihm den Rücken zudrehte. Nur konnte er da lange warten, denn diesen Gefallen wollte er ihm nicht tun. Abermals an diesem Tag spielte Jazzmusik Marcos Gehörgang herauf und herunter und noch bevor er sein Handy aus der Tasche gezogen und einen Blick auf das Display geworfen hatte, wusste er, dass es sich dabei sicher um niemand anderen als Ace handelte. Kein bisschen überrascht, als dessen Name aufblinkte, beantwortete er den Anruf. „Wo bist du?“ „Ich hab’ doch gesagt, dass es eine Weile dauern kann!“, gab Marco nur mürrisch zurück. „Scheiße...“, hörte er Ace murmeln, während im Hintergrund etwas klirrte, das er nicht ganz zuordnen konnte. „Ich glaub’, man hat mir gestern was in den Drink gemischt.“ „Um dich betrunken zu machen, muss man dir nichts reinmischen...“, scherzte Marco, als er den Blinker setzte und auf die Spur zur Ausfahrt wechselte. Und obwohl er nur Scheinwerfer sehen konnte, war er sich sicher, dass der Wagen, der ebenfalls die Ausfahrt wählte, der schwarze Mazda mit den getönten Scheiben war. „Genauso einfach lässt du dich von ’ner Frau abschleppen.“ „Hör’ ich da etwa so was wie Eifersucht mitschwingen?“, kam die heitere Antwort und Marco schnaube belustigt. „Nicht einmal in deinen kühnsten Träumen.“ „Red’ dir das ruhig ein.“ „Zehn Minuten, dann müsste ich da sein“, bemerkte Marco schließlich mit einem Blick auf das GPS-Gerät und seine geschätzte Ankunftszeit. Nicht, dass man der wirklich vertrauen konnte. „Du musst leider ins Zimmer kommen. Ich hab’ schon die Rezeption angerufen, dass sie dir den Ersatzschlüssel geben, wenn du danach fragst“, erklärte Ace ihm und lachte leise auf, ehe er wieder einfach so das Gespräch abbrach und Marco abermals ein monotones Tuten im Ohr hatte. Was sollte das denn? Erst sollte er ihn abholen und jetzt konnte er nicht einmal seinen Hintern bis auf den Parkplatz bewegen? III Das Motel war von außen vermutlich genauso schäbig, wie es von innen sein würde. Es war eines, wo die Kakerlaken im Bad das Weite suchten, sobald man das Licht ein, und Bettwanzen einen als Büfett nahmen, sobald man es ausschaltete. Eben das typische Motel, in dem man dreckigen Sex mit einer unbekannten Frau hatte, nachdem man sich und jegliche Hemmungen unter den Tisch getrunken hatte. Am liebsten hätte Marco kehrt gemacht und Ace dagelassen. Wer wusste schon, was er als Souvenir mitschleppen würde? Abgesehen davon, dass er seinen Mustang eher ungern auf dem verlassenen Parkplatz zurückließ, weil er wusste, dass dieser grünhaarige Penner irgendwo lauerte. Aber er hatte wohl keine andere Wahl, da er nicht mit Ace übers Mobiltelefon diskutieren wollte. Generell war diskutieren mit Ace eigentlich eine verlorene Sache. Der Junge machte sowieso, was er wollte, ob Marco nun da war oder nicht. Genervt parkte er den Wagen nahe des Eingangs und stieg aus, um in der Rezeption zu verschwinden. Dort fragte er einen abgebrochenen Zwerg von einem Mann nach Ace und einem hinterlegten Schlüssel, den dieser auch ohne ID sehen zu wollen, herausrückte. So etwas geschah auch nur in Motels, die unter hundert Dollar die Nacht nahmen. „Werf’ ein Auge auf den silbernen Mustang“, meinte er lediglich und schob ihm zwei Zwanzigdollarscheine über den Tresen. Anschließend verschwand er auf den Treppen und stieg zwei Stufen auf einmal hoch, um nach Zimmernummer 116 zu suchen. Allerdings staunte er nicht schlecht, als er den Raum gefunden und aufgeschlossen hatte. Eine Weile stand er einfach nur im Türrahmen und starrte in Richtung des Bettes. Der verwunderte Ausdruck auf seinem braungebrannten Gesicht verwandelte sich relativ schnell zu einem Grinsen. Es hielt etwas Verschlagenes, das Marco nicht vor Ace verbarg. Ganz im Gegenteil. „Es war klar, dass du irgendwann mal so endest“, meinte er, als er sich schließlich aus seiner Starre löste, ins Zimmer trat und die Tür hinter sich schloss. „Was soll das denn heißen? Huh, Marco?“ Obwohl Ace nackt auf dem Bett lag, eine Hand mit Handschellen ans Bettgeländer gekettet war, brachte er noch sein typisches Grinsen zustande. Fast ungläubig schüttelte Marco den Kopf, ließ den Blick aber über den Körper des Schwarzhaarigen streifen, der ihm nicht ganz so fremd war, wie er eigentlich sein sollte. Ihn so ausgebreitet und entblößt zu sehen, war aber trotzdem eine nette Abwechslung – und Marco wusste, dass Ace wusste, dass er so dachte. „Der Schlüssel liegt auf dem Tisch“, bemerkte Ace mit rauer Stimme. Er zog die Beine an, um wenigstens seinen Schritt vor Marco zu verdecken. Dabei handelte er sicherlich nicht aus Scham... Schweigen folgte, während sich beide anstarrten. Erst nach einer ganzen Weile riss Marco seinen Blick von Ace und sah zu jenem Tisch herüber. Er stand mit zwei Stühlen vor dem Fenster des Zimmers, auf der Platte tatsächlich ein niedlicher, silberner Schlüssel. Marco holte ihn und näherte sich dem Bett an, ehe er sich auf der Kante niederließ. „Du liegst hier seit heute Morgen rum?“, fragte er mit einem faulen Grinsen am Mundwinkel. „Musstest du nicht mal?“ „Klar musste ich mal...“ Damit griff Ace mit der freien Hand nach der Bierflasche, die auf dem Nachtisch stand und schüttelte sie vielsagend vor Marcos Nase herum. „Ich bin ja auch nur’n Mensch.“ „Urgh!“ Angewidert zog Marco den Kopf zurück. „Halt mir das doch nicht gleich in die Fresse!“ Daraufhin sank Ace auflachend zurück in die Kissen, während die Handschellen ein leises Klirren abgaben und Marco an ihre Existenz erinnerten. Mit flinken Fingern schloss er sie auf, so dass sich Ace das aufgescheuerte Handgelenk rieb. Die kurzen, schwarzen Haare lagen auf dem Kopfkissen ausgebreitet – genauso wie in der Nacht in dem Holiday Inn, als er mit Ace in dessen Drogenrausch geschlafen hatte. Die Erinnerung ließ einen viel zu heißen Schauer seinem Rücken herunterjagen. „Zieh’ dich endlich an!“, murrte er und stand auf, um sich ein paar Schritte vom Bett zu entfernen. Dabei konnte er Ace’ interessierten Blick auf seiner Gestalt förmlich spüren. Es war fast so, als konnte er seine Gedanken ganz genau mitverfolgen. Als fraß sich sein Blick durch seine Haut und sein Fleisch, um genau zu verfolgen, was darunter vor sich ging. Er hätte ihn doch in diesem billigen Motelzimmer versauern lassen sollen... „Würde ich ja gerne, aber meine Klamotten sind weg“, erwiderte dieser irgendwann viel zu gut gelaunt für Marcos Geschmack. „Was soll das denn heißen?“ „Dass die Stripperin, mit der ich hier war, sie geklaut hat.“ Als Marco ihn verwundert ansah, zuckte Ace nur mit den Schultern. Entweder er hatte sich bereits mit seiner Situation abgefunden oder es erschien ihm als logisch, dass eine Stripperin mit ihm schlief, um ihn am nächsten Morgen ans Bett zu ketten und seine Sachen zu klauen. IV „Sie war offensichtlich nicht zufrieden mit deiner Leistung“, konnte sich Marco nicht verkneifen, als Ace in seine Sachen schlüpfte, die er aus dem Wagen geholt hatte. Gut, dass er gerade von einem Job zurückgekehrt war und deshalb seine Reisetasche dabei hatte. Gut für Ace. Hatte dieser darauf angespielt? Oder war es nur sein verdammtes Glück, das mal wieder für ihn gedacht hatte? Bei Ace konnte man das nie so genau sagen. „Geb’s zu, du hast es nicht hochgekriegt, oder?“ Daraufhin lachte Ace aber doch nur. Marco hatte nichts anderes erwartet. „Anders als du, krieg’ ich’s auch bei Frauen hoch“, konterte er, als er Marcos Dreiviertelhose schloss und dessen violettfarbenes Hemd überstreifte, die Tätowierung mit Whitebeards Zeichen auf dem Rücken verdeckend. Die Klamotten waren im Vergleich zu Ace’ sonstigen Outfits sehr farbenfroh und... irgendwie doch ein sehr interessanter Anblick. Das schien dieser jedoch etwas anders zu sehen, denn er musterte sich mit zusammengezogenen Brauen im Badspiegel, während Marco ihn durch die angelehnte Tür auch weiterhin beobachtete. „Das steht dir“, warf er belustigt ein, als Ace aus dem Bad kam. „Aber lass’ uns endlich gehen.“ Mit diesen Worten fuhr er sich durch das blonde Haar, ehe er sich umwandte und aus der Tür marschierte. Ace folgte ihm recht unbekümmert die Treppen herunter, wo der Kerl in der Rezeption sie heranwinkte. „Keine Auffälligkeiten, Sir.“ Damit sah er Marco erwartungsvoll an, der seinen Blick zunächst verwirrt erwiderte. Dann begann er sich jedoch zu erinnern. Für einen winzigen Moment da oben im Zimmer hatte er seinen grünhaarigen Verfolger da draußen beinahe vergessen. Eher widerwillig zog er noch einen Schein aus der Hosentasche und schob ihn über den Tresen, ehe er das Motel mit Ace verließ. Dieser ging neben ihm her und musterte ihn interessiert von der Seite. „Was war das gerade?“ „Was das war?“, wiederholte Marco genervt, als sie den silbernen Mustang erreichten. „Sechzig Dollar, die ich wegen dir aus dem Fenster geworfen habe!“ Damit sah er sich einmal rasch um und stieg in den Wagen. „Wofür?“, setzte Ace die Unterhaltung fort, nachdem er sich auf den Beifahrersitz geschoben hatte. Doch Marco schwieg, startete stattdessen in aller Ruhe den Motor und bog auf die schmale Straße ein. „Sagen wir einfach so, dass es sein könnte, dass ich einen Stalker habe“, warf er nach einer ganzen Weile ein. Gleichzeitig checkte er den Rückspiegel nach einem schwarzen Mazda mit getönten Scheiben. „Scheint fast so, als sei ich nicht der einzige, der sich etwas vergnügt hat...“ Marco brauchte Ace nicht ansehen, um über das vielsagende Grinsen auf seinen Lippen bescheid zu wissen, er konnte es aus seiner Stimme heraushören. „Im Gegensatz zu dir, hure ich nicht herum...“, stellte er sachlich fest, worauf Ace abermals leise lachte. Dieser Kerl nahm aber auch gar nicht ernst, was? „Ich hab’ keine Ahnung, wer er ist. Nur, dass er schon seit Jacksonville an mir klebt. Zumindest hab’ ich ihn da bemerkt. Aber vielleicht ist er mir auch den ganzen Weg von Virginia gefolgt. Wer weiß.“ Daraufhin sah Ace ebenfalls in den Seitenspiegel und betrachtete die dunkle Straße hinter ihnen. Diese war verlassen, man sah nicht mal einen betrunkenen Touristen über den Gehweg torkeln oder ein knutschendes Paar in einer schattigen Ecke herummachen. „Aber erzähl’ mir lieber von dieser Stripperin“, fügte Marco nach einer Weile des Schweigens hinzu und riss seinen Blick kurzzeitig von der Straße, um Ace anzusehen. „Warum würde sie deine Klamotten stehlen? Ich meine,... es war doch ’ne Frau, wenn du von einer Stripperin redest, oder?“ Bei Ace wusste man nie. Das einzige, was er wusste, war, dass er selbst der erste Kerl war, mit dem Ace geschlafen hatte. Das und nicht mehr. Vielleicht hatte er Gefallen daran gefunden ohne das Marco es mitbekommen hatte. Allerdings musste er zugeben, dass ihm dieser Gedanke irgendwo doch missfiel. Es war eine Sache, wenn Ace mit Frauen schlief, eine andere, wenn er mit anderen Kerlen was anfing. Alleine dafür ohrfeigte sich Marco schon innerlich. „Was willst du wissen?“, hakte Ace nach, als er das Seitenfenster öffnete und die tropische Nachtluft hineinließ. „Ob sie besser im Bett ist als du? Da kann ich dich beruhigen: ihr seid nicht vergleichbar. Schon alleine vom Geschlecht ist das unmöglich.“ „Darum ging’s mir nicht!“, korrigierte Marco zähneknirschend. „Warum hat sie deine Klamotten geklaut?“ „Wahrscheinlich aus demselben Grund, aus dem sie auch meine Brieftasche gestohlen hat“, lenkte Ace schulternzuckend ein. „Dabei war noch nicht einmal viel Cash drin. Vielleicht grad mal zwanzig Dollar?“ „Sie hat deinen Ausweis gestohlen?“ Schön, dass sich Ace um sein Geld Sorgen machte, aber nicht um viel wichtigere Dinge wie seinen Ausweis oder seine Sozialversicherungsnummer. Von der wusste Marco, dass er sie immer bei sich trug, obwohl man das gerade nicht tun sollte. Dummer Bengel! „Du hängst nicht sehr an deiner Identität, oder?“, fragte Marco trocken nach und abermals zuckte Ace mit den Schultern. Kopfschüttelnd konzentrierte Marco sich wieder auf die Straße. Darum würden sie sich kümmern, nachdem sie ihren Verfolger losgeworden waren. Dieser war vor wenigen Sekunden aus einer schmalen Seitenstraße eingebogen. Zumindest war sich Marco ziemlich sicher, dass er es war, auch wenn es unmöglich war, es in der Dunkelheit erkennen zu können. Da waren nur zwei helle Scheinwerfer, die das Dunkel zerschnitten. V „Lass’ uns trinken gehen!“, warf Marco auf halben Weg zu seiner Wohnung ein. Dass Ace ihn beinahe überrascht ansah, konnte er diesem nicht einmal verübeln. Für gewöhnlich war Ace es, der vorschlug in die Bar zu gehen und nicht Marco. Marco war der, der dagegen war, sich aber von ihm überreden ließ. „Wer bist du? Und was hast du mit Marco gemacht?“, stichelte Ace belustigt, so dass der Angesprochene genervt die Augen verdrehte. „Willst du den Kerl etwa zur Wohnung führen?“ Schon so konnte sich das eigene Zuhause schnell in das zukünftige Grab verwandeln, aber so würde es nicht nur ein zukünftiges, sondern ein frühzeitiges werden. „Zum Grandline?“, fragte Ace lediglich. Marco nickte. Das Grandline war eine der bestbesuchtesten Bars in ganz Key West und dazu noch das Stammlokal von Whitebeards Leute. Marco wusste nicht, ob sein Verfolger sich dessen bewusst war oder nicht, doch wenn nicht, dann hatten sie einen großen Vorteil. Heimspiel eben, ein einziger Mann gegen die Söhne Whitebeards! Leider hatte Marco so viel Pech wie Ace Glück hatte. Als der silberne Mustang auf dem Parkplatz vor dem Lokal stand und Marco den Blick durch den Innenraum schweifen ließ, fiel ihm auf, dass keiner ihrer Leute hier war. Die Nacht, in denen die Jungs sich ausnahmsweise nicht unter den Tisch tranken, musste natürlich die Nacht sein, in der Marco seinen Verfolger hierher lockte, um dessen Motiv auf den Grund zu gehen. Natürlich! Wie hatte Marco darauf nicht kommen können? Im Gegensatz zu ihm, schien Ace sich nichts weiter dabei zu denken. Aber wann machte der sich auch schon mal Sorgen um irgendetwas? Mit seinem Glück überlebte der das hier ohne eine Schramme, während die erste Kugel, die fiel, wahrscheinlich Marco direkt zwischen die Augen traf. Angepisst schob er sich auf den Barhocker neben Ace, als dieser zwei Bier bestellte. „Das wird schon, Marco“, meinte er beschwichtigend, als Makino zwei Flaschen unter dem Tresen hervorholte, sie öffnete und ihnen vor die Nase stellte. „Ich setz’ es auf die Rechnung“, informierte sie Ace, ehe sie einen anderen Kerl ansteuerte, der sie heranwinkte. Kurz sah Ace ihr lächelnd nach, ehe er sich wieder Marco zuwandte und eine Flasche näher zu ihm herüberschob. „Trink’! Nach ein paar Bier sieht alles schon ganz anders aus.“ Damit setzte er seine eigene Flasche an seine Lippen und kippte sich den Alkohol den Rachen herunter. Inzwischen besah sich Marco die Flüssigkeit in der Flasche, ehe sich seine Aufmerksamkeit auf die Tür des Grandline richtete, wo ein grünhaariger Kerl eintrat und einen Tisch in der Ecke nahm. „Ja, tot wahrscheinlich...“, murmelte Marco eher zu sich selbst als zu Ace, der sowieso nicht zuhörte. Im Vergleich zu diesem hing Marco etwas mehr an seinem Leben und war kein Träumer, der sich für die Inkarnation von Peter Pan persönlich hielt. VI „Okay, ich hab’ einen Plan“, begann Marco, nachdem sie beide ihr zweites Bier angefangen hatten. Gut, dass Ace, genauso wie er selbst, sehr trinkfest war. Sie saßen noch immer am Tresen, während um sie herum gefeiert wurde. Touristen und Bewohner von Key West besetzten gleichermaßen die Tische und hatten sich längst zusammengetan, um eine gute Zeit zu haben. Im Hintergrund spielte Kenny Chesney, während Rauch, Alkohol und Gelächter in der Luft lag. Und in der hintersten Ecke des Lokals saß noch immer der grünhaarige Typ, den Marco die ganze Zeit im Augenwinkel beobachtet hatte. Er hatte Whiskey bestellt gehabt und trank genauso fleißig wie Ace, was Marco darauf schließen ließ, dass er auch eine ganze Menge vertrug. Seine kurzen Haare waren nicht das einzige Merkmal, das ihm ins Auge fiel. Nein, genauso auffallend war der muskulöse Bau, den man nur bekam, wenn man regelmäßig trainierte. Was genau er trainierte, spielte für Marco keine Rolle. Das einzige, was wichtig war, war dass er beim näheren Hinsehen nicht wie ein Amateur auf ihn wirkte. Allerdings war das ziemlich paradox, wenn Marco darüber nachdachte, wie auffällig er ihm mit dem Wagen gefolgt war. War es wirklich ganz bei Versehen passiert? Oder hatte der Typ darauf angespielt, von Marco gesehen zu werden? Wusste er überhaupt, dass Marco ihn längst bemerkt hatte? Doch Marco verwarf diese Gedanken wieder. Sie mussten auf der Hut sein, so viel war klar! „Ich seh’ die Zahnräder hinter deiner Stirn förmlich arbeiten“, stellte Ace fest und brachte ihn somit auf den Boden der Realität zurück. Er grinste schief und Marco erwiderte es, anstatt ihm einen finsteren Blick zuzuwerfen. Sollte es auf ihren Stalker nur so wirken, als ob sie sich amüsieren würden, statt etwas zu planen – Marco konnte das nur recht sein. „Hör’ zu...“, fing er an, darauf bedacht, so wenig wie möglich die Lippen zu bewegen. Er war schon genug Leuten begegnet, die selbst aus dieser Entfernung Lippen lesen konnten. In diesem Business sicher sehr praktisch, auch wenn er selbst nicht unter die Wenigen gehörte, die diese Kunst beherrschten. In diesem Fall hätte sie ihm sowieso nicht weitergeholfen, da ihr Stalker mit niemanden redete. „In ungefähr einer halben Stunde geh’ ich aufs Klo“, erklärte Marco und stieß seine Flasche nebenbei gegen Ace’ zum Prost an. Dieser grinste und nahm einen Schluck. „Ich muss aber auch mal“, warf er ein, wobei ihn Marco jedoch fließend überging. „Wenn ich den Kerl richtig einschätzte, wird er diesen Moment nutzen und sich zu dir gesellen und dich mehr oder weniger dazu überreden, mit ihm mal kurz vor die Tür zu treten. Ob er nun an Paps, an uns generell oder nur an mir interessiert ist, ist dabei egal. Wahrscheinlich erwartet er dann, dass ich auch das Lokal verlasse, nachdem ich bemerke, dass du weg bist. Ich bin ziemlich sicher, dass er da mit dir im Schlepptau warten wird. Nur werde ich das Ganze beobachten und durch die Hintertür dazustoßen, um ihn zu überraschen.“ „Und was hab’ ich dabei zu tun?“, fragte Ace und zog die Brauen zusammen. Wahrscheinlich klang der Plan ziemlich langweilig für seine Ohren, was Marco jedoch völlig egal war. Hierbei ging es schließlich nicht um Spaß. „Du tust,... was du immer tust“, erwiderte er grinsend. „Unterhalte ihn, lenk’ ihn ab – geh’ ihm bloß nicht so viel auf die Nerven, dass er dich an Ort und Stelle erschießt. Verstanden?“ Nicht, dass Marco tatsächlich damit rechnete. Es erschien logischer, wenn dieser grünhaarige Mistkerl Ace als Lockvogel benutzen würde. Abgesehen davon, dass mit Ace’ Glück die Kugel ihn wahrscheinlich haarscharf verfehlen würde. VII So schön oder unschön die Szenarien waren, die Marco durch den Kopf gegangen waren, stimmten sie relativ selten mit dem tatsächlichen Geschehen überein. Und obwohl Marco das wusste, es oft genug erlebt hatte, überraschte es ihn trotzdem immer wieder. Er schob sich gerade aus der Hintertür des Grandline heraus, grinste die besorgte Makino noch einmal an, ehe er die Tür hinter sich lautlos schloss. Die Bodyguard 38, die stets hinten in seinem Gürtel steckte, zog er heraus und entsicherte sie. Die Pistole war auf den sandigen Boden gerichtet, als er zur Ecke des Lokals schlich. Bisher hatte alles ganz genau nach Plan geklappt. Marco hatte getan, als suche er die Toiletten auf und hatte versteckt zugesehen, wie sich der grünhaarige Kerl kurz darauf auf seinen Barhocker geschoben hatte und mit Ace ins Gespräch verfallen war. Dabei hatte er ganz genau auf dessen Hände geachtet, die sein Hawaiihemd an der Seite etwas hochgezogen und Ace somit einen guten Blick auf die Pistole erlaubt hatten. Und obwohl Marco Ace angesehen hatte, dass es ihm nicht passte, sich ohne jegliche Wehr nach draußen abführen zu lassen, hatte er sich doch kommentarlos den Weg durch die Menge des Grandline gebahnt. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass sie diesen Gang im Angesicht eines Pistolenlaufs machten. Bis zu diesem Punkt war alles genau nach Plan gelaufen. Auch noch, als Marco um die Häuserwand herumschielte und beide nahe des schwarzen Mazdas in einer schattigen, verlassenen Ecke des Parkplatzes entdeckte. Keine Laterne erleuchtete diesen Bereich und auch so war die Straße und die Umgebung relativ verlassen. Die, die noch um diese Uhrzeit unterwegs waren, befanden sich meist innerhalb der Lokale, der Promenade oder nahe der Strände, aber ganz sicher nicht auf einem langweiligen Parkplatz wie diesem. Beinahe instinktiv schraubte Marco den Schalldämpfer auf seine Pistole. Nur für den Fall der Fälle, obwohl er ihn lieber lebendig überwältigen wollte. Er mochte vielleicht auf der falschen Seite des Gesetzes stehen, aber er war niemand, der grundlos Menschen tötete. Aber noch bevor er die Chance hatte, irgendetwas zu tun, ertönte eine laute Stimme und ließ ihn in seiner Haltung gefrieren. „Ich weiß, dass du hier bist!“, rief der Grünhaarige aus. Dem festen, beinahe eiskalten Ton nach zu urteilen, wusste er es tatsächlich. Da war kein Fragen in der Stimme, sondern eine Aussage mit einem fetten Ausrufezeichen dahinter. Marco knirschte lautlos mit den Zähnen, rührte sich jedoch nicht. Er schielte nur abermals um die Hauswand herum, da er sich sicher war, dass er unsichtbar für sie sein musste. Doch es schien, als rechnete der Grünhaarige damit, dass er sie beobachtete, denn er zog Ace von dem Mazda weg an dem dieser gelehnt hatte und drückte ihn in eine kniende Position. Erst jetzt und beim angestrengten Hinsehen bemerkte er, dass er Ace Handschellen angelegt hatte. Wunderbar! Das lief ja mal wieder ganz toll! „Ich weiß ja nicht, mit wem du glaubst, es hier zu tun zu haben, aber diese Tricks funktionieren bei mir nicht“, erklärte dieser Mistkerl, ehe er seine Pistole entsicherte und sie an Ace’ Schläfe hielt. „Du kommst besser mal raus, wenn dir was an dem Kerl hier liegt!“ „Da kannst du lange warten“, entrann es Ace, nicht ganz so locker wie sonst, aber auch nicht so ernst wie er angesichts der Waffe an seinem Kopf sein sollte. „Marco ist stur.“ Er lachte gepresst auf. „Er kriegt’s ja nicht mal hin bei mir über seinen Schatten zu springen, obwohl ich ganz genau weiß, dass er heiß auf mich ist!“ Hatte Marco sich soeben verhört oder hatte Ace tatsächlich das gesagt, was er dachte, gehört zu haben? Verwirrt hob Marco eine Augenbraue, weil er nicht ganz sicher war, was ihn mehr störte. Dass Ace ihn so leicht durchschaute oder doch, dass er es einem Fremden einfach an den Kopf warf. Jener sah mit einer Mischung aus Verwirrung und Anwiderung zu Ace herunter. Wer konnte ihm das übel nehmen? Ein solches Geständnis war wohl das letzte, was man von seinem Lockvogel erwarten würde. Das Letzte, was man von solch einem hören wollte. „Ist mir egal, was ihr beide am Laufen habt“, meinte der Grünhaarige nach einer Weile genervt und kratzte sich am Hinterkopf, die Waffe noch immer auf Ace gerichtet. „Entweder dein Freund kommt raus oder da wird ganz bestimmt nix mehr zwischen euch laufen. So einfach ist das.“ Dann sah er sich in der Nacht um. „Also, wenn Marco noch vor hat, irgendwann über seinen Schatten zu springen, dann sollte das jetzt geschehen, weil er sonst das Gehirn seines Freundes vom Boden aufkratzen kann“, fügte er lauter hinzu. Marco war sich sicher, dass wer auch immer der Typ war, er keine halben Sachen machte. Deswegen trat er auch seufzend aus den Schatten, die Waffe aufgebend in die Luft gestreckt, während er langsam näher trat. „Kick’ deine Waffe rüber!“, knurrte er, als Marco nahe genug bei ihnen war. „Und keine falschen Spielchen!“ Der Angesprochene tat, wie ihm geheißen, legte seine Bodyguard auf die Erde und kickte sie mit dem Fuß herüber, wo sein Gegenüber sie aufnahm und auf das Autodach seines Mazdas ablegte. „Auf die Knie!“ Marco ein Paar Handschellen hinwerfend, nickte er ihnen entgegen. „Leg’ sie dir selbst an.“ Als dieser der Aufforderung nachkam, vermied er es zu Ace herüber zu sehen, dessen Blick er schon wieder auf seiner Haut brennen spürte. VIII „Wenn ihr euch benehmt, muss ich euch nicht töten“, stellte der Grünhaarige fest, als er auf seine beiden Gefangenen misstrauisch herunterschaute. Fast so, als würde er erwarten, dass sie irgendetwas versuchten. Zumindest kam es Marco so vor. „Obwohl auf der Fahndungsliste tot oder lebendig steht.“ Nun grinste er verschlagen. „Nur falls ihr auf dumme Gedanken kommt.“ „Natürlich, warum bin ich nicht vorher drauf gekommen?“, entrann es Marco, als ihm endlich ein Licht aufging. „Roronoa Zoro, der eine der ruchlosesten Kopfgeldjäger Amerikas.“ Jetzt machte das alles auch viel mehr Sinn. Selbst Marco hatte schon von dem Kopfgeldjäger mit den grünen Haaren gehört, nur war ihm das nicht vorher eingefallen. Verdammt aber auch! Als Kopfgeldjäger folgte man nur seinen eigenen Befehlen und konnte sich alle Zeit der Welt lassen, Verbrecher zu schnappen, die man wollte. Deswegen konnte er ihm auch den ganzen Weg folgen, weil er für niemanden arbeitete und überall hingehen konnte, ohne irgendwelche Verpflichtungen oder Eile. Zoro schnaubte abwertend und Marco verzog das Gesicht. „So viel zu deinem Plan“, bemerkte Ace lediglich. „Huh, Marco?“ „Deine Vorstellung war auch nicht die aller Beste!“, zischte dieser zurück. „Nicht nur, dass du unserem Feind Informationen lieferst, sondern du musst es auch noch in die Welt hinausschreien! Soll ich dir nächstes Mal ein Megafon besorgen?“ „Informationen?“ Nun war es an Ace belustigt zu schnauben. „Ich wollte nur, dass falls er mich doch erschossen hätte, du weißt, dass ich weiß, dass du scharf auf mich bist.“ Zum ersten Mal war Marco dankbar, dass er Handschellen trug, weil er Ace sonst ganz sicher an die Kehle gegangen wäre. Aber so spürte er nur die Röte in sein Gesicht schießen, als er zornig Ace’ Blick begegnete. Dieser sah ihn mit diesem Ausdruck an, an dem Marco genau erkannte, dass Ace es meinte, wie er es gesagt hatte. „Und du denkst, dass ich nicht weiß, dass du weißt, dass ich weiß, dass ich scharf auf dich bin?“, zischte er zurück. Daraufhin brach Ace in leisem Gelächter aus, so dass Marco ihn genauso verwundert ansah wie Zoro es tat. Letzterer schien sowieso etwas verwirrt, aber wer rechnete schon damit, solch einer Unterhaltung beiwohnen zu dürfen, wenn er zwei Söhne Whitebeards dingfest machte. „Das hier ist keine Therapiestunde!“, fauchte er und richtete die Pistole auf Ace’ Brustkorb, den Finger am Abzug. Und obwohl man immer sagte, dass einem Sterbenden das gesamte Leben noch einmal vor dem inneren Auge ablief, fragte sich Marco, ob das überhaupt der Wahrheit entsprach. Denn wie konnte es sonst sein, dass es Marco war, dem all die Momente mit Ace bruchstückartig gezeigt wurden, als der Schuss fiel? Noch immer auf dem Boden hockend starrten sich Marco und Ace an, während das Echo des Schusses über den Platz hallte. Zoro sackte neben ihnen auf die Knie, presste eine Hand gegen seinen Bauch. Er schien genauso verwirrt, wie Marco sich gerade fühlte. Im nächsten Moment tauchte eine weitere Gestalt auf, die in der Dunkelheit nichts weiter als ein Schemen war. Dennoch kam dieser Marco verdammt bekannt vor. „Thatch?“, fragte er verwundert. „Alles in Ordnung bei euch?“, fragte Thatch ebenfalls reichlich verwirrt. Er trat näher und als Zoro perplex über seine Schulter zu seinem Angreifer schaute, holte dieser klanglos aus, um ihn mit dem Lauf seines Revolvers bewusstlos zu schlagen. Ächzend fiel Zoro gänzlich zu Boden und blieb liegen, woraufhin Stille herrschte. Wenige Sekunden später drangen jedoch aufgeregte Stimmen an ihre Ohren. Am Eingang des Grandlines konnte Marco einige Gestalten ausmachen, die sich umsahen, sie aber scheinbar noch nicht entdeckt hatten. IX „Was ist hier eigentlich los?“, fragte Thatch mit wispernder Stimme. „Ich wollt’ grad auf ein Bierchen bei Makino vorbeischauen, als ich eure Stimmen gehört habe – und den Kerl mit der Knarre auf Ace gerichtet!“ Marco klirrte leise mit den Handschellen. „Später. Erst mal müssen wir die hier loswerden.“ Damit erhob er sich, blieb jedoch in einer geduckten Haltung, um im Schatten der Autos zu verweilen, die zwischen ihnen und den Leuten vor dem Grandline standen. Er wandte nur seinen Blick zu Ace herüber, während Thatch Zoro nach den Schlüsseln durchsuchte. „Selbst jetzt erstaunt’s mich noch, was du für ein Glück hast...“, entrann es Marco kopfschüttelnd. Ace grinste ihn provokativ an, schwieg jedoch. Bildete Marco sich das ein oder schien sogar Ace ausnahmsweise ein bisschen erleichtert zu sein? Marco wäre es an seiner Stelle mit Sicherheit gewesen, wohl jeder normal funktionierende Mensch. „Ich hab’s!“ „Psst!“, zischte Marco. In der Ferne konnte er nämlich bereits Polizeisirenen vernehmen, ganz leise, aber eindeutig. „Mach’ uns los und lasst uns von hier verschwinden!“ Denn obwohl Whitebeard einen inoffiziellen Deal mit der Polizei in Key West hatte, vermieden sie es trotzdem, sich von ihnen erwischen zu lassen. Das ersparte Ärger und Zeit, vor allem aber Erklärungen. Nachdem Marco seine Handschellen los wurde und Thatch die von Ace aufschloss, sammelte er die zwei Waffen ein und ließ seine Handschellen in die Hosentasche verschwinden. Wenn es keine Beweise gab, konnte man es auch nicht Whitebeard und seinen Söhnen anhängen. Dann war er schon auf halben Weg zurück zu seinem Mustang und lauschte nebenbei den Sirenen, die inzwischen näher gekommen waren. „Ace, verdammt!“, zischte er, als er hinter einem Pick-Up anhielt und einen Blick über seine Schulter warf. „Was machst du jetzt schon wieder?“ „Zoro mitnehmen...“, bemerkte dieser schulternzuckend. Thatch und er hoben jeweils einen von Zoros Armen an, um ihn um ihre Schultern legen und ihn auf die Beine ziehen zu können. „Der Typ wollte dich erschießen!“, zischte Marco angepisst. Ihnen lief die Zeit davon - und was machte dieser Trottel...? „Hat er aber nicht, Marco.“ Obwohl der Angesprochene den Blick längst wieder der verlassenen Straße zugewandt hatte, konnte er das Grinsen aus Ace’ Stimme heraushören. Er steckte eine Nahtoderfahrung verdammt schnell weg, das musste Marco ihm lassen. „Außerdem können wir ihn nicht einfach hier verbluten lassen.“ Auch wenn Marco das für keine gute Idee hielt, ließ er das einfach mal so stehen. Jetzt war sowieso nicht der richtige Zeitpunkt, um zu diskutieren. Stattdessen schloss er den silbernen Mustang auf und ignorierte die wenigen Beobachter, die noch immer am Eingang des Grandline herumstanden. Aus dieser Entfernung durften sie ohnehin nicht mehr als über den Parkplatz schleichende Schemen sein. Thatch und Ace legten Zoro auf die Rückbank, auf die sich auch Thatch schob, um die Blutung vorerst mit seinem Hemd zu stoppen. Eher widerwillig, aber Marco ließ ihm da keine große Wahl. Ace schob sich auf den Beifahrersitz. Dann parkte Marco rasch rückwärts aus, um die dunkle Straße herunter zu brettern. Er ließ die Scheinwerfer vorerst aus und schaltete sie erst ein, als sie in eine verlassene Nebenstraße einbogen. Zwischen den Bäumen hindurch konnte Marco die Blaulichter sehen und wie sie größer wurden und schließlich auf den Parkplatz des Grandline einbogen. Marco drückte das Gaspedal durch, als Ace das Radio einschaltete und das Fenster öffnete. Beide grinsten unabhängig von einander, als das Adrenalin langsam aus ihrem Blut wich. X Genauso schnell wie Marcos Laune gestiegen war, fiel sie wieder, als er den Wagen am Straßenrand parkte und gefolgt von den anderen die Stufen zu seiner Wohnung gefolgt hochstieg. Die Tür stand offen, so dass Marco sogleich zu seiner Bodyguard 38 griff und Ace und Thatch bedeutete, die Klappe zu halten. Doch sobald er die Tür aufgestoßen hatte, ließ er fassungslos wieder die Waffe sinken. „Was zum Teufel...?“ Entsetzt trat er in sein vollkommen leeres Wohnzimmer hinein und sah sich um. Hier und da zeigten Abdrücke im Teppich, wo Möbel gestanden und weiße Flecken an den Wänden, wo Sachen gehangen hatten. Von seinem Zeug war jedoch keine Spur mehr. Beinahe panisch durchsuchte er die anderen Räume der Wohnung, doch diese sahen ganz genauso aus. Es war, als ob das Apartment leer stand, als ob keiner in ihm wohnte – nur, dass Marco schon seit Jahren hier hauste. Er hatte zwar nicht viel Kram gehabt, doch... das war doch wohl die Krönung! Das riesige Graffiti an seiner Schlafzimmerwand gegenüberstehend konnte Marco ganz langsam den Zorn in sich hochsteigen fühlen. „Wow, es sieht so... anders seit meinem letzten Besuch aus“, bemerkte Thatch verwirrt, als er es mit Ace geschafft hatte, Zoro in die Wohnung zu tragen. „Es sieht fast so aus, als hätte jemand deine Wohnung ausgeräumt, Marco...“, entwich es Ace, als dieser sich wieder zu ihnen ins Wohnzimmer gesellte. Plötzlich war es also wieder seine Wohnung, was? So schnell konnte es gehen! Zornig packte er Ace am Arm und zerrte ihn ins Schlafzimmer, so dass dessen roter Cowboyhut auf dem Weg dorthin von seinem Kopf rutschte und zu Boden fiel. „Danke für die tolle Nacht, Baby – nicht zu vergessen, die tollen Sachen!“, las Ace die Worte, die sich unter dem riesigen Graffiti-Herz befanden, laut vor. Marco konnte ihm ansehen, dass auch er eins und eins zusammenzählen konnte. Nur, dass dessen Reaktion gänzlich anders ausfiel als seine eigene. „Also hat ihr die Nacht doch gefallen...“ „Das ist alles, was dir dazu einfällt?“ Nur mit Mühe konnte sich Marco zurückhalten, Ace nicht eine reinzuhauen - und dabei hätte er es ausnahmsweise wirklich verdient! „Deine beschissene Stripperin hat meine gesamte Bude ausgeräumt und alles worüber du dir Sorgen machst ist, dass du doch gut im Bett warst?“ „Komm’ schon, Marco! Es sind nur Sachen, die können wir ersetzen.“ Nur Sachen, die sie ersetzen konnten? Sie? Ace würde keinen Finger rühren, wodurch die ganze Arbeit an Marco kleben bleiben würde. Abgesehen davon, dass man manche Sachen einfach nicht ersetzen konnte! „Sprich’ mich einfach nicht mehr an!“, war alles, was Marco sagte, obwohl ihm zig Dinge durch den Kopf gingen, die er Ace an den Kopf knallen wollte. Aber ganz ehrlich, die Zeit und die Worte wären sowieso verschwendet gewesen. Stattdessen holte Marco fluchend das Erste-Hilfe-Kästchen aus dem Auto, sowieso die Flasche Whiskey, die er im Kofferraum fand. Die war garantiert auch von Ace, denn Marco ließ nie irgendwelchen unnötigen Kram im Wagen. „Ihr braucht mich sicherlich nicht mehr, stimmt’s?“, meldete sich Thatch zu Wort, als Marco über Zoro gebeugt auf dem Wohnzimmerteppich hockte, ihm ein der zwei Paar Handschellen anlegte und diesen auf den Bauch drehte. Mit Ace’ Taschenmesser schnitt er das Hawaiishirt so weit wie nötig auf, um an die Schusswunde herankommen zu können. „Du kannst ruhig gehen, wenn du das nicht sehen willst“, murrte Marco und öffnete den Verbandskasten. Im Gegensatz zu einem normalen, befand sich in seinem alles, was er für nötig hielt, um auch Schuss- und Stichwunden vor Ort versorgen zu können, sollte er auf einem Job verletzt werden. Einmal im Monat füllte er es nach, weshalb Ace ihn kleinlich nannte, aber er selbst sich als praktisch ansah. Ace’ Glück glich er mit Planung aus - zumindest bildete er sich das ein. Als er die Pinzette aus seiner Verpackung holte, verschwand Thatch mit einem „Ich schau’ dann morgen wieder rein!“ aus der Tür. Es hatte Ace leise lachen, doch Marco ignorierte ihn. Der Bengel musste mal lernen, dass sein Handeln Konsequenzen mit sich brachte. Nicht nur für ihn selbst, sondern auch für andere. XI „Bist du immer noch sauer?“ „Warum sollte ich schon sauer sein?“, stellte Marco die Gegenfrage. Er lag unter dem roten Graffiti auf dem Teppich und benutzte seine aus dem Mustang geholte Reisetasche als Kopfkissen. Die Beine hatte er übereinander geschlagen und schaute ruhig zu Ace herüber, der im Türrahmen stand. Ein Grinsen hing an dem Mundwinkel des Jüngeren, als sich ihre Blicke trafen. Dann trat er gänzlich ein, schloss die Tür lautlos hinter sich und ließ sich neben ihm nieder. Obwohl Marco ihm eigentlich die Leviten lesen, ihn obendrein noch aus dem Zimmer werfen wollte, fand er sich selbst lediglich etwas zur Seite rückend, um Ace Platz zu machen. Dieser legte sich schweigend neben ihn. „Dass ich scharf auf dich bin, hat nichts damit zu tun, dass du es diesmal echt in den Sand gesetzt hast!“, erklärte Marco irgendwann. Nun wo Ruhe eingekehrt war und er Zeit zum Nachdenken gehabt hatte, ging ihm der Ton, in dem Ace das auf dem Parkplatz gesagt hatte, nicht mehr aus dem Kopf. Es hatte ein wenig... verzweifelt geklungen. Etwas zu verzweifelt für seinen Geschmack. „Eigentlich hab’ ich diesmal gar nicht so viel gemacht.“ „Ace...“ „Komm’ schon! Ich müsste nicht mit einer Stripperin schlafen, wenn ich jemand anderes hätte“, warf Ace ein und drehte sein Gesicht in Marcos Richtung, um ihn provokant grinsend anschauen zu können. Das konnte Marco aus dem Augenwinkel ganz genau sehen. „Da ist wohl was dran...“, lenkte er trotz allem ein. Im Grunde wollte er nicht mal, dass Ace für Sex zu jemand anderen ging. Allerdings war er der vollkommene Gegensatz zu Ace, er konnte nicht einfach über seinen Schatten springen und all seine Hemmungen über Bord werfen, nicht einfach die Konsequenzen außer Acht lassen. Anderseits... schien es selbst Konsequenzen zu haben, die Konsequenzen vermeiden zu wollen. Das war wohl einer dieser ewigen Teufelskreise, die weder richtige noch falsche Antworten hatten... „Willst du mich, Marco?“, fragte Ace leise, ein schmales Grinsen noch immer auf den Lippen. „Ich kann dir sagen, was ich nicht will...“, erwiderte er nach einiger Bedenkzeit. „Und, was ist das?“ „Dass du mit einer Stripperin schläfst“, sagte Marco und stellte Augenkontakt mit Ace her, indem er seinen Kopf ebenfalls in dessen Richtung drehte. „Auch mit keinem Stripper. Mit keinem Kerl. Keinem außer mir!“ „Ich denke,... das lässt sich einrichten“, erwiderte Ace. Er setzte sich auf, um sich über Marco zu beugen, sich rechts und links von seinen Schultern mit den Händen abzustützen, dass ihre Lippen nur Millimeter von einander getrennt waren. „Doch nicht jetzt...“, murrte Marco, ablenkenden Atem auf seinem Gesicht spürend. „Warum nicht?“ „Weil...“ Marcos Blick wanderte zu der geschlossenen Tür im Hintergrund. „Weil wir einen Kopfgeldjäger im Nebenzimmer schlafen haben, zum Beispiel.“ „Dann musst du dich halt zusammenreißen und leise sein“, flüsterte Ace und drückte ihm schmunzelnd seinen Mund auf. Dagegen konnte Marco wohl nicht mehr viel sagen, weshalb er sich stattdessen mit Ace drehte und ihn auf den Boden drückte, so dass ein Keuchen über dessen Lippen glitt. „Ich glaube, da muss sich mal jemand zusammenreißen und leise sein“, murmelte er gegen Ace’ Mund, so dass beide ein Grinsen miteinander teilten. „Übrigens habe ich noch die Handschellen. Dafür scheinst du ja einen Fetisch zu haben. Was, Ace?“ Hosted by Animexx e.V. 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