off the beaten track von asio_otus (das Doppelleben) ================================================================================ Prolog: -------- Ich heiße Fibi und ich bin ein Mohrenkopfpapagei. Ihr wisst nicht was das ist? OK, ganz kurz: ganze 23 cm bin ich groß. Ich habe relativ kurze Schwanzfedern, welche fast vollkommen von meinen Flügeln verdeckt werden. Mein Gefieder ist grün mit gelbem Bauch und grauem Kopf. Und ich hab ganz süße, gelbe große Augen. Aber nehmt euch vor meinem Schnabel in Acht. Wenn ihr nicht lieb zu mir seid, verpass ich euch n neues Piercing! Gut das wir das geklärt haben. Also, ich werde euch einen Einblick in meine Welt gewähren. Die meisten von euch denken jetzt sicher: „Langweilig. Was hat ein Papagei denn zu bieten. Der sitzt den ganzen Tag blöd im Käfig rum und frisst mal n paar Körner.“ –FALSCH! Das machen wir nur, wenn IHR uns keine andere Chance lasst! Ansonsten erkunden wir unsere Umgebung, finden alles interessant, alles muss mal untersucht werden und wir haben immer Unsinn im Kopf. Hauptsache wir haben die volle Aufmerksamkeit von euch. Wir sind sehr auf das Wohl unserer Schwarmmitglieder bedacht. Mein Schwarm war vor kurzem noch recht klein und überschaubar. Da wäre zum einen meine liebe Anja, meine eigentliche Besitzerin. Wäre sie männlich, hätte ich sie schon längst zu meinem Partner gemacht. Mein eigentlicher Partner ist leider vor kurzem verstorben. Dann gehört noch Ceratos zum Schwarm, Anjas Wolfsmischling. Er ist noch nicht so alt wie ich. Ich bin übrigens 6 Jahre alt, also noch recht jung. Ceratos ist eine treue Seele und stets an Anjas Seite. Die anderen Beiden sind Yuugi und Mia. Yuugi ist Anjas bester Freund. Sie sind wie Schwester und Bruder zueinander. Als Anja zwölf Jahre alt war hat er sie in seiner Familie aufgenommen, bzw. wurde sie von seinem Großvater adoptiert. Zudem ist er ihr Meister. Er betreibt mit seinem Großvater ein Dojo für allerlei Kampfkünste u.a. Kenjutsu und trainiert auch Anja. Mia ist die Freundin von Yuugi. Aber auf einmal vergrößerte sich mein Schwarm. Schlagartig änderte sich meins und Anjas Leben. Wie? Hört gut zu! Kapitel 1: Wo ist Fibi? ----------------------- Wir kamen gerade vom Tierarzt. Die mussten mich ja unbedingt mal wieder durchchecken. Pfui. Ich war noch ein wenig aufgeregt. Wisst ihr, ich mag die Weißkittel [= Tierärzte] nicht so. Die piksen einen immer. Und danach fühlt man sich irgendwie so benommen. Es war ein kalter Oktobertag. Anja hatte mich unter ihre Jacke gesteckt. Sie transportiert mich ungern in einer Transportbox, was ich sehr gut finde. Ich saß also unter ihrer Jacke, da war es schön wollig warm. Plötzlich war da dieser Knall! Ich hab mich furchtbar erschreckt und bin aus ihrer Jacke gefallen. Es folgte ein weiterer Knall. Ich hab mich so erschreckt, dass ich die Orientierung verlor und einfach drauflos flog. Ich hörte nur noch: „Fibi, was hast du? Komm zurück! Fibi!“ Als ich mich endlich etwas beruhigt hatte, war Anja nicht mehr da. Ich hab mich in einen Baum gestellt und erst mal umgeschaut. „Wo bin ich? Wo ist Anja? Ich kann mich an diese Gegend gar nicht erinnern…“, ich war total verzweifelt. Ich kletterte instinktiv erst mal höher um einen besseren Überblick zu erhaschen. „Fibi!“ Ein Pfiff. „Komm her!“ „Moment, das ist doch Anja! Anja, ich komme!“ Ich kletterte also wieder runter. „Miep!“, schrie ich mit voller Stimme. „Can I help you?“ Das war nicht Anja. Da ist noch jemand. Ich hielt inne. Durch das Geäst erhaschte ich einen jungen Mann. „Wer ist das?“, fragte ich mich. Ich kletterte noch etwas tiefer so konnten sie mich sehen und ich sie. „Fibi, komm zu mir!“, Anjas Stimme zitterte leicht. Bevor ich zu ihr konnte musste ich mir erst noch den Typ neben ihr mustern. War er vertrauenswürdig? Er war fast einen Kopf größer als Anja. Sein Schopf war rot gefärbt, drunter blitze schwarz hervor. Die Länge der Haare ließ sich nicht eindeutig bestimmen, etwa schulterlang. Seine grünen, kalten Augen fixierten mich. Er trug einen schwarzen Anorak. „Du brauchst was womit du sie locken kannst! Mom‘, ich hol was.“ Seine Stimme war ruhig, tief und sehr bewegend. Er verschwand aus meinem Blickfeld. „Hey!“, eine tiefe, brummige Stimme gefolgt von einem bullig, kantigen Mann tauchte auf, „Unbefugte haben hier nichts zu suchen! Verschwinde!“ „Aber, mein Vogel…“, fing Anja an. Der Fremde entgegnete lauter: „Wird’s bald? Oder soll ich dir Beine machen?“ Anja wirkte eingeschüchtert und verschwand! Wie konnte sie nur? Wie konnte sie mich nur alleine lassen. Schnief! „Was soll ich jetzt tun?“, ich tippelte den Ast auf und ab. „Wo ist sie hin?“, die Stimme kannte ich bereits. Es war der Typ mit den rot-schwarzen Haaren. Er hielt etwas in der Hand. Ich glaube, es war gelb. Der Bullige antwortete achselzuckend: „Hab se rausgeschmissen.“ „Was?!“, Rotschopf gab das Gelbe einer weiteren Person, die ihm gefolgt ist. Jetzt erkannte ich auch was es war: Eine Banane! Der Rotschopf rannte zur Mauer, öffnete die Gittertür in der Mauer und lugte um die Ecke. Die Bananenperson hatte braune Haare, die ihm wild durchs Gesicht flogen und ihm bis unter die Ohren reichten. „Sieht bequem aus, sein Schopf. Außerdem hat er die Banane! Wir schlussfolgern: vertrauenswürdig!“, ich breitete also meine Flügel aus und setzte zum Sinkflug an. Nur noch dieser Windböe trotzen. Geschafft. Schön fluffig hier und riecht nach frisch gewaschen. „WAAAHHHH!“ Das Bananenwesen ließ einen Schrei von sich und zappelte unangenehm. Doch ich hielt mein Gleichgeweicht. Mit dem Schnabel grabschte ich eine Strähne. Als er sich wieder beruhigte, oder vor Schreck erstarrt war, tastete ich mich langsam vorwärts, schaute nach unten und schaute ihm direkt ins Gesicht. Er sah sehr erstaunt und verängstigt aus. „Ryan?“, der Rotschopf kam zurück. „Da sitzt etwas auf meinem Kopf!“, Bananentyps Stimme versagte fast. Ich beäugte immer noch sein Gesicht. Er hatte rehbraune Augen, etwas zu dichte Augenbrauen, dichte, mittellange Wimpern, die alle paar Sekunden sich bewegten, eine schmale Nase. Sein Mund stand sperrangelweit offen. „Möp!“, ich sagte höflich Hallo. Gelächter ertönte. Es muss ein herrlicher Anblick gewesen sein. Erst jetzt bemerkte ich das noch weiter menschliche Wesen hinzugekommen waren. Zwei davon sahen sich ziemlich ähnlich. Abgesehen von ihrer Strähne, die bei einem pink beim anderen grün war, und ihren Klamotten waren sie identisch. Ein junger Mann mit kurzen schwarzen Haaren stand hinter ihnen. Er war der größte von allen. Das Bananenwesen schien ruhig zu stehen. Ich breitete erneut die Flügel aus und segelte auf seine Hand. „Tja, Pech gehabt, die Banane ist nun meins!“ Ich zupfelte an der Schale rum, bis ein Loch entstand, dann genießte ich in Ruhe die leckere Frucht. Bananentype bewegte sich zu seinem Gunsten immer noch nicht. „Lektion 1 – wie fange ich einen entflogenen Vogel, der sich in einen Baum gestellt hat? – erfolgreich abgeschlossen.“, meinte der Rotschopf, „Lasst uns reingehen, bevor er die Banane aufgefuttert hat und wieder weg fliegt. Ach und Ryan wackel nicht zu viel.“ Dieser Ryan lief völlig steif nach drinnen, wahrscheinlich aus Angst, er könnte es mir zu unangenehm machen. Brav. Mich juckte das aber wenig. Bevor die Banane nicht in Sicherheit, sprich in meinem Bauch war, ließ ich mich nicht ablenken und werde ich auch nicht so schnell von seiner Hand gehen! Zunächst befanden wir uns in einem kleinen Raum. Hier herrschte das pure Chaos, alles voll gestapelt und überall lagen tonnenweise Kabel. Und dann kamen die mit ‘nem Karton an! Die wollten doch tatsächlich, dass ich da rein geh. Plötzlich ging alles ganz schnell: Kaum hab ich mich umgucken können, schon war alles dunkel. Mein Vogelverstand sagte mir: Ruhig bleiben, Augen schließen und ein kleines Nickerchen machen. Als endlich wieder Licht in den Karton drang, befanden wir uns in einem anderen Raum. Mich schauten 6 Augen intensiv an. Da waren die Augen des Bananentyps, die des Jungen mit der pinken Strähne und die des Jungen mit der grünen Strähne. „Möp!“, ich begrüßte sie höflich. Vorsichtig kletterte ich auf den Rand des Kartons und schaute mich erst mal um. Das Zimmer war viel größer als das zuvor. Ich nehme an, dass es ein Wohnzimmer war. Der Karton stand auf einem kleinen niedrigen Tischchen. Die Jungs saßen auf der riesigen Polstergarnitur. Es hatten noch gut 6 weitere Personen drauf Platz. Der Korpus war aus schwarzem Leder, die Sitz- und Rückenteile aus weißem Leder. Gegenüber der Couch befand sich ein langer Fernsehschrank, darauf ein Flachbildfernsehr und da drüber ein nicht ganz so langer Hängeschrank mit einem Regalbrett an jeder Seite. Der Raum war noch größer. Schaute ich die Zwillinge, so ging es rechts weiter. Dort stand ein großer Tisch, an welchen gut 10 Personen Platz nehmen konnten. Mehr konnte ich nicht sehen, denn ein Teil des hinteren Raumes wurde von einer Wand verdeckt. Als ich gerade mit der Inspektion fertig war, begann ein reger Wortwechsel zwischen den beiden ähnlich Aussehenden und dem Rotschopf, wobei die beiden sich untereinander abwechselten: „Können wir ihn nicht behalten?“, pinke Strähne. „Nein!“, Rotschopf. „Wir werden uns um ihn kümmern!“, grüne Strähne. „Nein!“ „Wir bringen ihm Kunststückchen bei!“ „Nein!“ „Er wird unser Maskottchen!“ „Nein! Nein! Nein!“, der Rotschopf ist dabei aufgesprungen. „Dürfte ich vielleicht auch noch was dazu sagen? Schließlich geht es hier ja um mich!“, ich tippelte auf dem Kartonrand auf und ab. „Also, erstens ich bin eine SIE! Zweitens meint ihr das für immer? Drittens habt ihr hier Sonnenblumenkerne versteckt? Dann würd ich mir das nochmal überlegen.“ Ich legte den Kopf schräg und zeigte meine süßen großen Augen. Der Rotschopf ignorierte einfach meine Fragen: „Wir müssen sie zurück bringen!“ „Wie denn?“, fragten die andern verdutzt. Er hatte sich bereits wieder auf das Sofa gesetzt und tippte eifrig auf ‘nem Laptop rum. Eine Weile war nur das tippen der Tastatur zu hören. Dann meldete sich der Rotschopf wieder: „So, ich hab ‘ne Anzeige ins Net gestellt.“ „Was? Wie kannst du nur?“, das waren wieder die beiden gleichaussehenden. „Und nun werd ich dem ZZF noch 'ne Mail schicken!“ „Dem was?“, die gleichaussehenden grinsten. Der Rotschopf begann zu erklären: „ ZZF heißt Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e.V. Die haben einen bundesweiten Suchdienst und können den Besitzer herausfinden. Auf jeden Fall können sie den Züchter ausfindig machen. Währenddessen hatten die beiden mich auf die Hand genommen und sind mit mir ins Nebenzimmer geschlichen. Dort tüftelten sie, hämmerten, bastelten, bis sie einen umwerfenden Spielplatz für mich errichteten. Als der Rotschopf und die anderen um die Ecke lugten präsentierten sie mit einem posaunenden „Tada“ ihr Werk. Ich saß stolz mitten drin. Doch der Rotschopf schien alles andere als erfreut zu sein. „Jungs…NEIN!“, mahnte er sie. Ein trostloses Bild ergaben wir, als wir alle drei die Köpfe hängen ließen. Ein wenig enttäuscht war ich, denn die zwei gaben sich wirklich viel Mühe. Der mit der pinken Strähne ließ nicht locker und meinte vorwurfsvoll: „Aber DU darfst ein Haustier haben?“ Rotschopf schaute verwirrt. „Naja, dieses kleine Eulenvieh, das hier immer rum schwirrt.“ „Dieses kleine Eulenvieh ist ein Steinkauz. Und er wohnt hier nicht, sondern ist Stammgast bei uns. Ich kann doch nichts dafür, dass er immer auf der Matte steht. Und außerdem wartet auf ihn keiner.“, langsam gingen ihm die Argumente aus. Da half ihm der Bananentyp weiter: „Ces hat recht. Die Kleine wird sicher traurig sein.“ Die Zwillinge schmollten: „Spielverderber!“ Es vergingen Tage und ich saß immer noch bei den Zwillingen. Mittlerweile kannte ich auch ihre Namen. Der mit der pinken Strähne nannte man Lilo und der mit der grünen Stich. Sie waren einfach nur fürsorglich. Soweit sie Zeit hatten beschäftigten sie sich mit mir. Entweder bastelten sie mir wieder neues Spielzeug oder wir hatten mal wieder Blödsinn im Kopf. Eines Tages zum Beispiel hatte ich Ryan, das ist der Bananentyp, Schokoladenstücke unter den Kopf geschmuggelt, als er aufwachte, musste er feststellen, dass die Schokolade geschmolzen war. Na dann mal ab unter die Dusche! Den anderen Tag war Cesco, der mit den roten Haaren, gerade mit abspülen beschäftigt. Ich legte ihm immer wieder eine verschmutzte Gabel hin, welche mir Lilo reichte. Komischerweise haben nur die Zwillinge den Ärger abbekommen. Cesco und Ryan sind vollkommen in Ordnung. Sie haben fast immer irgendwelche leckeren Sachen in den Händen. Ryan hatte auch die Banane für sich entdeckt, das heißt er aß jetzt mindestens eine Banane pro Tag und die teilte er netterweise mit mir. (So aß er eigentlich nur 'ne halbe Banane...) Wenn Cesco oder so versuchten etwas zu reparieren, war ich immer zur Stelle und wollte mithelfen. Das funktionierte aber nicht immer. Meistens scheuchte er mich dann immer wieder weg. Aber so schnell wird man mich nicht los! Der Fünfte im Bunde, das war Neil. Oftmals bemerkte man seine Anwesenheit erst relativ spät. Er war sehr ruhig. Das einzige was man von ihm wahrnahm, war sein permanentes Trommeln, was oft eine hypnotische Wirkung hat. Wenn er einmal was sagte, so war das entweder sehr wichtig oder es war so treffend, das es erst mal eine Weile unberührt im Raum stand. Seine Freundin war da schon etwas gesprächiger. Sie war auch immer freundlich zu mir. Nicht so die anderen beiden Zicken. Damit meine ich Cesco's Freundin Vivien und Ryan's Freundin Chrissy. Die konnten ‘s nicht mit Tieren. Und allgemein waren sie etwas seltsam. Ich hatte das Gefühl, ihnen sind die anderen egal. Hauptsache Ryan und Cesco waren zufrieden. Es gab aber noch jemanden, den ich nicht ausstehen konnte: Paccito, der Steinkauz. Ich weiß gar nicht was ich ihm getan habe. Aber kaum sah er mich, machte er auch schon Jagd nach mir. Das ging dann durch das ganze große Haus – solange die Türen offen standen. Zum Leid der anderen. Denn wenn ich auf Flucht bin, da sehe ich kaum noch was um mich herum ist und stoß schon ab und an mit dem ein oder anderen zusammen. Die Wohnungseinrichtung war dann vor uns nicht mehr sicher. Die WG-Mitglieder fluchten. Der Einzige, der diese Katastrophe noch retten konnte war Cesco. Er hatte da ganz bestimmte Methoden: die eine, Paccito auffordern aufzuhören oder hinauszugehen – was überhaupt keine Wirkung zeigte. Paccito aussperren – war auch nur von kurzer Dauer. Mich im freien Flug zu fangen und unter seine Fittiche zu nehmen – das Unangenehmste für mich. Das war fast jedes Mal ein halber Herzinfarkt so aus der Luft genommen zu werden. Eigenartig ist nur, dass er das so einwandfrei kann. Ich konnte ihm kaum ausweichen. Die effektivste Methode ist jedoch immer noch das Füttern von Paccito, worauf er nach draußen geleitet wurde. Paccito hatte schon einen seltsamen Geschmack. Der aß nur rohes Fleisch. Pfui! So vergingen die Tage in der Kommune. Eines Tages jedoch kam Cesco aufgeregt nach Hause und strahlte übers ganze Gesicht. „Was ist los, Ces? Hast du im Lotto gewonnen?“, fragte Lilo erstaunt. „Seit wann spielst du Lotto?“, hatte Stitch mal wieder was verpasst? Cesco wedelte mit einem kleinen Zettel: „Wisst ihr was das ist?“ Er marschierte in die Küche, wo Ryan und Neil gerade auf der Suche nach essbaren waren. Ryan riss Cesco den Zettel aus der Hand. Er war ratlos: „Ne Nummer?!“ Die Zwillinge, die Cesco in die Küche gefolgt waren, nahmen das Stück Papier an sich. Schauten sich an und schmissen es achtlos weg. „Wertlos“, damit gaben sie mir wieder ihre Aufmerksamkeit. Ich war bereits auf dem Küchentisch und bediente mich an den Trauben in dem Obstkorb. „Sag mal, seit ihr verrückt? Ihr könnte das doch nicht einfach so wegschmeißen!“, Cesco war außer sich. „Warum nicht?“, Lilo, dieser Spitzbub, versuchte mir meine Traube wegzunehmen. Da hatte er aber die Rechnung ohne mich gemacht. Als er gerade die Traube in den Fingern hatte, biss ich zu. „Aua!“ Meine Traube! Er ließ daraufhin die Traube fallen. Ich schnappte sie mir und flog auf den Küchenschrank. Lilo lutschte an seinem Finger. Er sah verärgert aus. „Das ist die Nummer von der Besitzerin von Fibi!“ – Plumps! Da lag die Traube unten. Verdutzt war ich über diese Aussage. Sehnsucht und Heimweh machten sich in meinem Herzen breit. Cesco hatte bereits sein Handy gezückt und tippte die Nummer ein. Lilo riss ihm den Zettel aus der Hand. „Hey, was soll das? Geht’s dir noch gut?“, Cesco schrie schon fast, „Los gib den Zettel her!“ Ein paar Sekunden verharrten alle. Als noch immer nichts geschah, fügte Cesco ruhiger hinzu: „Sei vernünftig, Lilo. Die Kleine ist bestimmt schon ganz verzweifelt. Und schau dir Fibi mal an. Der Vogel ist ja schon ganz krank vor lauter Heimweh.“ Zum Glück hatten sie mir noch keinen anderen Namen gegeben. Ich nehme mal an, dass ihn Cesco damals aufgeschnappt hatte. Damals. Ja, an dem Tag hab ich Anja das letzte Mal gesehen. Miep. Lilo schaute traurig und enttäuscht drein. Er beäugte mich. Anschließend übergab er Cesco das Stück Papier. Ohne ein weiteres Wort verließ er das Zimmer. Stitch folgte ihm. Die Küche war nun gefüllt von Kummer und Trauer. Die Stille machte sich erneut breit. Die schaurige Stimmung wurde nach ein paar Minuten von den Tippgeräuschen des Handys unterbrochen. Cesco nahm das Gerät ans Ohr. Ai, war ich aufgeregt! Ich flatterte auf seine Schulter, knabberte an seinen Haaren und seinem Ohr. Dann kletterte ich unter seinen Haaren durch auf die andere Schulter und wollte gerade mein Ohr auch noch ans Gerät legen, da nahm er es weg. So eine Frechheit! Ich will auch wissen, was Anja sagt! Folgend sagte er nur: „Besetzt. Ich versuch’s später nochmal.“ Beim zweiten Versuch hatten sich alle im Wohnzimmer versammelt. Ich hatte mich auf Cesco’s Schulter gesetzt. Erneut tippte er die Nummer und nahm sein Handy ans Ohr. Ich lauschte: Duud... duud... duud... „Geh schon ran, Anja. Ich bin's doch bloß“ Duud.. „Ja?“, eine Stimme ertönte an der anderen Seite der Leitung. Es war Anja. Vor Aufregung fiepte ich. „Hi. Cesco hier. Wir haben hier einen kleinen Papagei und nehmen an, dass er dir gehört…“, meinte Cesco. „Du nimmst an!“, unterbrachen ihn die Zwillinge. Er fixierte sie finster an. „Fibi? Ein Mohrenkopfpapagei?“, Anja schien genau so aufgeregt zu sein wie ich. „Ja. Klein, grün mit orangenem Bauch und grauem Kopf.“ „Und ganz großen Augen“, ergänzten Lilo und Stitch schwärmend. „Ja, ich glaub das ist Fibi!“, sie freute sich, „Wann kann ich sie abholen?“ „Moment!“, darauf hin sprach er zu Ryan: „Wann hemmr mal Zeit?“ Ryan blätterte im Terminkalender und antwortete dann: „Sorry, sieht schlecht aus! In drei Wochen?!“ „Was?!“, zu Anja meinte er: „Hör mal. Komm doch einfach morgen zu unserer Autogrammstunde im 174 [ausgesprochen: one hundred seventy four] vorbei, Ok? Wir sind vom 14 bis 17 Uhr da. Sag einfach, du hast n persönlichen Termin bei uns und die bringen dich dann schon zu uns. Bis dann!“ Und schon hatte er aufgelegt. „NO GO!“ Neil schrie Cesco an, sodass es mich erst mal von seiner Schulter schmiss und ich hilfesuchend bei den Zwillingen unterschlüpfte. „Nicht nur, dass du deinen Namen in Verbindung mit unserer Band nennst. Nein, was sollen wir mit einem Vogel in unserer Autogrammstunde?“ „Hey, beruhig dich“, Cesco schien unberührt zu sein. „Neil hat recht! Was soll jetzt diese Achtlosigkeit? Die ganze Zeit versuchen wir aufs peinlichste genau unsere Identität geheim zu halten und was machst du? Machst n Treffen mit ‘ner Fremden während unserer Autogrammstunde aus.“, jetzt fiel ihm auch noch Ryan in den Rücken. Als Neil und Ryan noch weiter auf Cesco rumhacken wollten, unterbrach sie Lilo: „Hey Jungs! Beruhigt euch wieder!“ „Ja, genau! Wir haben einen Plan“, Stitch grinste. „Na das kann ja was werden.“, Ryan war alles andere als begeistert. „ Wir präsentieren sie als Maskottchen“, stolz hoben die Zwillinge Fibi hoch. „Hört auf, das hatten wir schon mal.“, wies Cesco sie zurück. Ryan jedoch sah den Hoffnungsschimmer: „Warte Cesco. So blöd ist die Idee gar nicht. Wenn wir sie als Maskottchen rausgeben, dann können wir sie ohne Probleme in die Autogrammstunde nehmen.“ „Das klärt das Problem mit dem Namen nicht.“, Neil war immer noch verärgert. „Vielleicht bemerkt sie’s ja gar nicht“, hoffte Ryan. So, ich glaub es wird mal Zeit das ich einiges erkläre: All dies erfuhr ich allerdings auch erst nach dem Telefonat. Aber ich versteh es nicht so ganz. Vielleicht versteht ihr es. So viel ich mitbekommen habe, haben die Fünf (Ryan, Cesco, Lilo, Stitch und Neil) eine Band. In ihrer Band nennen sie sich aber nicht mehr bei ihren Namen, sondern da heißt Ryan Buddy, Cesco Sisto, Lilo Pinky, Stitch Brain und Neil heißt Roy. Fragt mich nicht warum. Anscheinend führen sie ein Doppelleben. So weiß niemand, außer der Manager, das Team und ihre engsten Freunde wer sie wirklich sind. Verrückt. Und das geht jetzt schon über Jahre so. Ihre Band ist eine Newcomer-Band. Der morgige Auftritt ist allerdings nur im kleinen Rahmen geplant. Sozusagen ein kleiner Schub für den Geldbeutel. Im letzten Jahr spielte die Band als Supporting Act (Vorband) bei vielen Konzerten der berühmten Stars sehr erfolgreich (und mussten auch viel blechen). Jetzt hoffen sie, dass sie dieses Jahr mit ihrer eigenen kleinen Tour genauso gut rüber kommen. Ach übrigens sie nennen sich: „Off The Beaten Track“ Das hat mir alles Paccito erzählt. Manchmal ist er doch zu was zu gebrauchen! Er hat mir auch die Band-Aufstellung genannt. Wollt ihr sie hören? Also am Schlagzeug, wie könnte es auch anders sein, finden wir Neil (bzw. Roy). Am Bass sind Lilo und Stitch (Pinky und Brain). Sie sind auch für die Backgrounds Vocals zuständig, ebenso Cesco (Sisto). Er spielt Keyboard oder Gitarre (oder ein anderes Instrument, was benötigt wird), je nachdem. Er ist aber auch neben Ryan für den Gesang zuständig. Ryan (Buddy) ist der Bandleader. Er und Cesco haben die Band gegründet. Er spielt Gitarre und ist der Leadsänger der Band. Noch zu nennen ist der Manager „Flo“. Und zum Team zählen u.a. auch die Techniker, die für den Sound und die Lichteffekte zuständig sind, wie Max und Tobi. Aber Schluss jetzt mit den nebensächlichen Dingen. Ihr wollt doch sicher wissen, wie ich wieder zu Anja komme, oder nicht? Nein? Ihr wollt zuerst mehr von der Band erfahren? Das ist ja mal wieder typisch. Fünf gutaussehende Jungs musizieren zusammen und ziehen jegliche Aufmerksamkeit auf sich. Und was ist mit mir? Ich brauch auch Aufmerksamkeit. Bin ich nicht auch süß? Ok, ihr bekommt noch was ihr wollt! Aber zuerst geht’s mit mir weiter! Ätschgäbele! Vor Aufregung konnte ich kaum schlafen. Immer wieder musste ich an Anja denken. Ach, ich vermisse sie so sehr. Am nächsten Morgen weckte ich die Zwillinge früh. Sie fanden es zu früh, denn sie schmissen mit ihren Kissen nach mir. Mann, da will man einmal freundlich sein und schon wird man wieder bestraft. Naja, so machte ich mich alleine auf in die Küche. Cesco war bereits auf und las in ‘ner Zeitschrift. Ich flatterte auf den Tisch, begrüßte ihn mit einem Miep und nahm eine Traube aus dem Obstkorb. „Wo hast du die Zwillinge gelassen? Schlafen die etwa noch?“, er hatte von seiner Zeitschrift aufgeschaut, „Du darfst heut wieder nach Hause. Freust dich schon?“ „Ich glaube, auf eine Antwort kannst du lange warten. Meinst du sie versteht was du sagst?“, Ryan betrat noch etwas verschlafen die Küche. Etwas säuerlich flog ich ihm ins Gesicht, setzte mich dann aber auf seine Schulter. Beziehungsweise ich versuchte mich zu setzen. Doch ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich auf seiner nackten Haut keinen so guten Halt finden werde. So flog ich auf die offenstehende Tür und schaute auf ihn herab. Er rieb sich etwas benommen die Schulter. Meine Krallen hatten wohl etwas seine zarte Haut beschädigt. Uiuiui, böse Fibi. Cesco lachte: „Wenn das nicht der Beweis war.“ „Ach, hör auf! Hast du schon Kaffee gekocht?“ „Jep, oder meinst du ich trink hier Tee?“, Cesco lugte in seine „Coffee“-Tasse und nahm einen Schluck. „Wer weiß, wer weiß“, Ryan holte eine Tasse aus dem Schrank und schenkte sich Kaffee ein. Dann setzte er sich zu Cesco an den Tisch. „Wie lang bist du schon wach?“, er musterte Cesco. Dieser saß bereits vollkommen angezogen und fertig am Tisch, als wolle er jeden Moment los, oder war bereits außer Haus gewesen? „Ich war bereits mit dem Hund draußen. Große Runde durchs Revier. Somit ist er für den Rest des Tages schon mal etwas ruhig gestellt.“ Ach, hab ich ihn euch schon vorgestellt? Chestromanci, er ist ein Münsterländer. Etwas hyperaktiv, braucht also viel Bewegung und Abwechslung, ansonsten ist er ganz lieb. Wir beide verstehen uns. Manchmal darf ich sogar auf ihm reiten. Aber ich mag das gar nicht so. Er ist nicht so groß. Da sitz ich dann lieber auf den Schultern der anderen. „Kümmert sich Vivien nachher um ihn?“, Ryan machte sich nebenbei einen Toast. „Ich hätte meinen Hund gern im Ganzen wieder! Chestromanci und Vivien verstehen sich nicht wirklich. Das solltest du langsam wissen. Solang du noch stehst, willst du mir die Kaffeekanne geben?“, Cesco streckte die Hand nach der Kanne aus. Ryan reichte sie ihm. Ich flog erneut auf den Tisch aber diesmal hatte ich Appetit auf Apfel. Ich knabberte den Apfel an. Cesco schien nicht sehr erfreut darüber, da er mir den Apfel weg nahm. Ich versuchte nach ihm zu packen, doch ich erwischte ihn nicht. Er teilte den Apfel in zwei Hälften. Von einer Hälfte gab er mir die Hälfte. Immerhin etwas. „Ach ja, der Hund der sich mit niemandem versteht.“, murmelte Ryan während er sich mit seinem Toast setzte. „Hey, das stimmt nicht. Er mag mich, dich, die Jungs, reicht das nicht? Dass er Vivien und Chrissy nicht ausstehen kann, da kann ich nichts dafür. Gut, er ist nicht unbedingt einfach. Aber sag nicht gleich niemand.“, da war aber einer eingeschnappt. Er schien seinen Hund ganz schön zu mögen. So wie Anja mich. Ach, Anja. Bei dem Gespräch kam dann noch raus, dass sich irgendein guter Bekannter um Chestromanci am Nachmittag kümmert. Allmählich stießen auch die anderen zu der Unterhaltung, die dann aber nur noch um den Ablauf des Tages ging. Und plötzlich ging alles ganz schnell. Alle hatten es auf einmal ganz eilig. Ich wurde in einen selbst gebauten Vogelbauer gesteckt. Natürlich ohne meiner Einwilligung. Und prompt stand ich auch schon in einer Ecke eines mir völlig unbekannten Raumes. Etwas weiter rechts vor mir war eine Tischreihe mit fünf Stühlen auf gestellt. Zwei Menschen legten noch irgendwelche Kartenstapel auf den Tischen zurecht. Die Tür am anderen Ende des Raums wurde geöffnet. Die Zwillinge traten ein. Gott sei Dank! „Lilo! Stitch! Kommt holt mich hier raus!“, schrie ich. Sie schienen mich zu verstehen, denn sie liefen direkt auf mich zu. Nach ihnen kamen auch noch die anderen in den Raum. Als Lilo vor dem Vogelbauer stand, machte er ihn aber nicht auf, sonder schaute mich an und meinte: „Du musst jetzt ganz schön tapfer sein.“ Stitch ergänzte: „Ja, denn gleich kommen ganz viele Leute, die dich anschauen.“ „Wir müssen jetzt auf unsere Plätze. Da!“, Lilo zeigte auf die Tischreihe, „Wir bleiben also in der Nähe.“ „Miep, geht nicht.“ Doch sie gingen. Alle fünf hatten sich bereits gesetzt. Auch Flo hatte einen Platz an den Tischen. Doch er stand noch. Er vergewisserte sich, ob alles passte, alles am Platz war. Paccito erzählte mir, dass mit Flo noch nie was schief gegangen sei. Alles war professionell bis ins kleinste Detail geplant. Er ging zu den zwei Männern an der Türe und wechselte kurz ein paar Worte mit ihnen. Dann ging er wieder zu den anderen. Einer der Männer verließ den Raum. Sie schienen etwas angespannt. Ich hörte Cesco sagen: „Bin gespannt wie viele kommen. So bekannt sind wir ja noch nicht.“ Die Tür ging erneut auf. Der Mann, der den Raum so eben verlassen hatte kam wieder rein. Hinter ihm Menschen! Viele Menschen! Ich hatte noch nie so viele auf einmal gesehen. Sie stürmten alle auf die Fünf zu, hielten Bücher oder Zettel in der Hand. Sie reichten sie den Jungs und die schrieben drauf. Oho. Was soll denn der Unsinn? Nachdem sie bei den Jungs waren, fanden manche auch den Weg zu mir. Sie standen vor meinem Vogelbauer und glotzten blöd oder fotografierten wie die Irren. Manche wagten es auch den Finger hineinzustecken. Doch dann rief Stitch: „Beware of biting bird!“ und damit es auch alle verstanden, übersetzte es Flo nochmals: „Vorsicht bissiger Vogel!“ Auf Stitch Kommando schnappte ich auch nach einem Finger, doch ich täuschte den Biss nur vor und verfehlte ihn knapp. Ruckartig wurde er aus dem Gitter gezogen. Die eine las nun auch das Schild, welches Lilo und Stitch am unteren Ende des Käfigs befestigt hatten: „Our mascot Fibi. Beware of biting bird! Don’t put your finger between the bars!“ Und darunter nochmals übersetzt. Irgendwann hörte ich durch das Stimmengewirr Ryan flüstern: „Wie sollen wir eigentlich wissen wer sie ist?“ „Ich hab sie bereits gesehen. Damals als Fibi auf dem Baum gelandet ist.“, erinnerte sich Cesco. „Mann, das ist nun schon das fünfte Foto, das sie von mir gemacht hat“, ich schaute das Mädchen giftig an. Sie sah ganz lieb aus. Abgesehen von ihren Haaren, die sind glaub einmal zu viel in den Farbtopf gefallen. Sie hatte große blaue Augen. Und ein schmales Gesicht. Kleine zierliche Lippen und eine kleine Stupsnase. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen. Ihr Haar war eigentlich glatt, nur die Spitzen kräuselten sich leicht. Unter ihrer schwarzen Haarfarbe schimmerte ein Rot hervor. Und schon wieder ein Foto. Mann, ich sah schon Sternchen. „She’ll not come. “, Ryan war skeptisch. Ich erhaschte seinen Blick. „Just wait and see!“, Cesco schien noch zu hoffen. Doch es tat sich nichts. Keiner kam, der Anja auch nur ein bisschen ähnlich sah. Anja, hast du mich bereits vergessen? Magst du mich nicht mehr? Bist du mir böse? Tausend und abertausend Fragen gingen mir durch den Kopf. Was wenn ich sie nie wieder sehe? Nein! Anja, komm zurück! Ich bitte dich! Komm zurück! – aber keiner kam. Nachdem sich der Raum wieder geleert hatte und nur noch die Fünf da waren, hörte ich Ryan sagen: „Und was machen wir jetzt? – Wir können sie nicht mit auf die Bühne nehmen. Sie wird einen Herzinfarkt bekommen.“ Cesco schien nachzudenken. „Kann sie nicht zu dem, der auch auf Chestromanci aufpasst?“, schlug Neil vor. Cesco schien ganz und gar nicht von dem Vorschlag begeistert zu sein: „Nein, das wird nicht klappen. Erstens ist er in Zahring und braucht mit den Öffentichen Stunden bis er hier ist. Zweitens kann er’s nicht so mit Papageien. Es wäre relativ ungünstig, wenn wir der kleinen ein totes Hähnchen zurückgeben.“ „Und was ist mit deiner Sis? Die hatte doch auch mal so n Viech.“ Kaum hatte Ryan ausgesprochen starrten ihn die Zwillinge finster an, als wollten sie in ihm das große Leiden mit ihren Blicken hervorrufen. „Ist ja schon gut Jungs. Ich verbessere mich: Papagei! Zufrieden?“ Einen Augenblick schauten sie noch finster, dann meinten sie zu Cesco: „Deine Schwester wäre super. Fibi wird sie mögen.“ Meine Sis?!“, Cesco war erstaunt, dass gerade sie Ryan als Notlösung einfiel, zumal Kessy schon lang nicht mehr bei ihnen war und man auch sonst kaum etwas von ihr gehört hatte. Cesco willigte nach kurzer Überlegung ein und kontaktierte seine lang nicht mehr gesehene Schwester. Seine Schwester kam voller Freude auf die Jungs zu, begrüßte sie innig und weckte ihre Lebensgeister wieder. „Was macht ihr für ein Gesicht? Ihr habt gleich n Auftritt. Das wisst ihr schon, oder? Keine Zeit für Trübsal blasen!“, sie trieb die Jungs an. „Ich kümmer mich schon um das Vögelchen. Ach Ces, überlässt du mir deinen Wohnungsschlüssel? Dann können wir daheim auf euch warten“, sie grinste ihn an. Er überließ ihr seinen Schlüssel, während Lilo sie neckte: „Aber lass das Haus stehen! Ich will keine Aschehaufen an dessen Stelle sehen!“ „Ach, ein kleines Lagerfeuer hat noch nie jemanden geschadet.“, sie zwinkerte ihm zu. Bevor sie mit mir den Raum verließ meinte sie: „Los, enttäuscht mich nicht! Macht ne tolle Show!“ Ich hörte noch wie Neil flüsterte: „Sie ist wie ein kleiner Wirbelwind.“ Auf der Heimfahrt erzählte sie mir ziemlich viel. Ihr Mundwerk schien nicht still zu stehen. Aber all das interessierte mich nicht. Ich hatte nur noch Gedanken für Anja. Wie konnte es nur soweit kommen? Ich überlegte mir, was ich falsch gemacht hatte, dass sie mich nicht mehr mag beziehungsweise nicht mehr wollte. Anja, ich brauch dich! Die Jungs sind zwar lieb und nett, aber nicht zu vergleichen mit dir. Ich brauche keinen neuen Schwarm. Ich will mein altes Leben zurück. Uns ging’s doch gut. Und wir hatten unseren Spaß zusammen. Was ist los? Ich konnte mir keinen Reim auf ihre Reaktion machen. Es war alles so unlogisch für mich. Als die Jungs spät in der Nacht nach Hause kamen, verabschiedete sich Kessy mit den Worten: „Ich glaub euer Piepmatz ist schwer krank. Er saß die ganze Zeit unmotiviert, aufgeplustert, teilnahmslos im Käfig. Mein Bespaßen hatte keinen Wert. Ihr solltet die Besitzerin so schnell wie möglich finden!“ Die nächsten Tage waren grausam. Ich fühlte mich nicht wohl. Irgendwas machte mein Herz schwer wie Stein. „Was für eine glorreiche Idee! Und was machen wir nun?“, Ryan keifte Cesco an. Beide standen vor meinem Käfig und schauten mich an. Cesco schwieg. Im Hintergrund sah ich wie die Zwillinge anfingen zu tanzen. War das ein Freudentanz? „Dieser Tag ist so traurig, warum tanzen sie nur?“, dacht ich mir. Cesco holte sein Handy raus und tippte drauf rum. Dann ließ er es an seinem Ohr klingeln: Duud – duud – duud – duud. Nichts. Er drehte sich um und verließ den Raum. Ryan folgte ihm. Nur die Zwillinge blieben da. Sie holten Pinienkerne hervor. „Willst du einen, Fibi?“, Lilo gab ihn mir. Ich aß ihn lustlos. Auf einmal waren sie verschwunden. Wo waren sie hin? Ich lugte aus meinem Käfig. Kletterte raus und kletterte nach oben. So saß ich nun auf dem Käfig und schaute mich um. Auf dem Tisch lagen ein paar Pinienkerne. Nichts wie hin. Nun hatte ich auch Lilo und Stitch wieder entdeckt. Durch die offenstehende Türe habe ich sie nicht sehen können, denn sie befanden sich direkt dahinter. Aber was machten sie bloß? Sie bastelten an etwas. Ich flog auf Stitch Schulter. Kletterte seinen Arm hinunter, nahm das Holzstück aus der Hand und flog wieder auf den Tisch. Dort untersuchte ich es innig. Ich knabberte solange dran rum bis Stitch versuchte es mir weg zu nehmen. „Lass los Fibi wir brauchen das!“ Er war stärker wie ich. Ich schaute den beiden weiterhin zu. Versuchte hin und wieder etwas zu klauen, doch sie waren meisten schneller oder stärker wie ich. Nach Stunden, so schien es mir, waren sie fertig. Sie befestigten es an der Decke nahe meinem Käfig. Nun erkannte ich auch was es war: Ein Kletterspielzeug für mich. Ich war gerührt und musste es gleich ausprobieren. Es war mal wieder einmalig! Die kommenden Tage munterten mich die Zwillinge mit ihren ausgefallenen Ideen immer wieder auf. Auch Paccito tat seinen Teil hinzu. Allerdings auf seine Art und Weise. So jagte er mich eines Tages wieder. Ich flog ins Wohnzimmer, er hinter mir her und Lilo und Stitch waren hinter Paccito her. Ryan lief nervös um den Tisch rum. Cesco saß auf dem Sofa und telefonierte, sagte aber nichts. Kurz darauf lag er das Handy weg und nuschelte in sich hinein: „Wieder weggedrückt. Was hat sie nur?“ Ich setzte mich auf seine Schulter. Er fing an mich zu kraulen. „Möp!“ Aus dem nichts tauchte Paccito auf und stürzte sich auf mich. Ich konnte gerade noch ausweichen. Dabei krallte ich mich ganz arg in Cesco’s Oberarm. Dass er nicht aufschrie, wundert mich. Er packte den Steinkauz und schrie ihn an: „Du lässt sie in Ruhe! Ist das klar Freundchen? Los ab nach draußen!“ Er war bereits aufgestanden und hatte die Terrassentüre neben der Polstergarnitur geöffnet. Bei dem letzten Satz warf er Paccito nach draußen. Dieser konnte sich im Flug fangen und stellte sich in den nächsten Baum. Da sah ich sie zum ersten Mal. Leila. Besser gesagt, ich nahm an, dass sie es war. Sie stand anmutig, aufrecht, die Scene beobachtend etwas weiter hinten im Garten auf einem bogenförmigen Ast. Ich glaub, Paccito hatte diesen Ast mal Sprenkel genannt. Er hatte mir auch von ihr erzählt. Das war kurz nachdem Cesco nach Hause kam und so sehr von ihr schwärmte. Er war ziemlich eifersüchtig: „Immer nur dieser doofe Habicht. Ich weiß gar nicht, was so besonders an ihr ist. Gut, ich geb zu, sie ist ein Tick schneller als ich. Aber dabei hab ich Köpfchen.“ Er war in der Tat nicht der einzige eifersüchtige. Vivien, Cesco’s Freundin drohte ihm einmal: „Wenn du noch ein Wort über diesen Vogel verlierst, dann bring ich ihn eigenhändig um.“ „Pah, die kommt doch nicht mal zwei Meter an ihn ran ohne einen Kratzer ab zu bekommen. Leila wartet doch nur darauf, bis sie ihr schönes Gesicht zerkratzen kann. Und Cesco weiß das.“, war Paccito's Kommentar. Nichtsdestotrotz verlor Cesco nie wieder ein Wort über den Habicht in Gegenwart von Vivien oder ihrer Freundin Chrissy. Er riet mir auch bei Leila äußerst vorsichtig zu sein. Am sichersten sei es, wenn sie angebunden ist. Sie könne mich innerhalb von Sekunden schnappen. „Wenn sie dich einmal erwischt, ist’s vorbei. Sie ist eine gefährliche Jägerin. Aber von kleinen Vögeln will sie zum Glück meistens nichts wissen. Trotzdem musst du immer vorsichtig sein! Man weiß ja nie. Soviel ich weiß, jagt Cesco mit ihr vor allem Kaninchen, Hasen, Krähen und Enten.“, erklärte er mir. Ihr Blick war kälter als der von Cesco (und Cesco’s Blick ist schon starr und kalt genug). In diesem Moment starrte sie mich finster an. Mir war, als müsste ich sterben. Einige Sekunden hafteten ihre orange-roten Augen auf mir, schließlich blickte sie zum Himmel. Eine Krähe flog im großen Bogen über den Garten. Anschließend schloss Cesco die Terrassentür wieder. Beruhigt kletterte ich zurück auf seine Schulter. Ich schaute ihn an, zugegeben sah er nicht grade so aus, als wäre er mit den Gedanken anwesend. Als ich mich weiter umschaute, entdeckte ich es. Da war was Rotes an meiner Zehe. Nein, an meinen Zehen. Oh nein, ich blute! Moment – das ist nicht mein Blut! Ich schaute die Schulter hinunter und sah die Kratzer in seinem Sweatshirt und vor allem in seiner Haut. Oh weja. Er wird mich hassen. Ich tippelte auf seiner Schulter herum, entschloss mich dann, zu Lilo und Stitch zu fliegen, welche bereits auf dem Sofa Platz genommen haben. Cesco schien seine Wunde gar nicht zu registrieren. Ich wartete. Lilo meinte, sie seien proben. Was auch immer das heißen sollte. Nach Stunden, so kam es mir vor, kamen sie endlich wieder. Lilo und Stitch ließen mich auch sogleich wieder aus meinem Käfig. So lang keiner daheim war, durfte ich nicht frei fliegen. Ich begrüßte sie erleichtert. „Wir werden immer besser.“, meinte Lilo zu mir. Cesco war schon wieder am Telefonieren, als ich ihm freudig begrüßend auf die Schulter flog. Aus seinem Handy hörte ich nur das Tuten. „Was willst du?“, ertönte auf einmal Anjas genervte Stimme am anderen Ende der Leitung. „Du warst nicht da!“, antwortete Cesco ruhig. Es folgte eine Pause. Cesco erfasste erneut das Wort: „Willst du sie denn nicht wieder haben? Sie vermisst dich!“ Als wieder keine Antwort kam, meinte er betrübt: „Mach n Vorschlag für n Treffen. Meinetwegen bring ich sie dir auch. Sag mir nur wann!“ Anja überlegte und antwortete dann: „Komm morgen ab 16 Uhr ins Dojo, Untere Hauptstraße 10. Frage dort nach Yuugi, ok?“ Überrascht bekam Cesco nur ein „Ok“ heraus. Als er sich wieder gefangen hatte, war wieder nur das Tuten zu hören. „Seltsam…“, er schien aus dem Gespräch nicht schlau zu werden. Ryan sah ihn an und fragte besorgt: „Ist alles Ok?“ „Ja, ich denke schon.“ Ryan betrachtete ihn noch ungläubig, bevor er sich in sein Zimmer verzog. Ich war überglücklich. Endlich werde ich Anja wieder sehen. Warum machen die da alle einen auf traurig. Ich darf nach Hause! Sobald ich mich nach den Zwillingen umschaute, musste ich erschreckend feststellen, wie sehr sie litten. Wie ein Häufchen Elend saßen sie zusammengekauert am Boden. Jegliche Lebensfreude schien von ihnen gegangen. Schnell flog ich zu ihnen. „Freut ihr euch denn gar nicht für mich? Was ist los?“, ich bekam natürlich keine Antwort. Cesco bemerkte die zwei und kniete sich zu ihnen: „Hört mal, ihr wollt doch das Beste für Fibi, oder?“ „Wer sagt, dass das das Beste ist?“, konterte Lilo mit zittriger Stimme. Das war ich so gar nicht von ihm gewöhnt. Für gewöhnlich war er immer fröhlich drauf. Mir taten sie Leid. Derweil ich sie so sah, wusste ich nicht mehr so recht, ob ich überhaupt nach Hause will. Ich wollte nicht, dass sie traurig waren. Je länger ich darüber nachdachte, desto bewusster wurde es mir: Ich wollte beide Parteien! Sowohl Anja, als auch die Jungs. „Es ist ihr zu Hause und ihre Familie!“, argumentierte Cesco. Doch die Zwillinge hatten immer noch Einwände: „Warum kann das nicht ihr Zuhause sein? Warum können wir nicht ihre Familie sein?“ „Ich bring sie morgen da hin. Ohne Widerrede! Ich werde ihre Besitzerin fragen beziehungsweise darum bitten, dass ihr Fibi besuchen dürft, zufrieden?“ „Nein!“, da waren sich beide mal wieder einig. „Jungs kommt! Ich mach euch jetzt erst mal 'ne heiße Schokolade.“ Sie trotteten Cesco hinterher in die Küche. Den darauffolgenden Tag war ich so müde, weil ich die ganze Nacht kein Auge zumachen konnte. So aufgeregt war ich. Lilo und Stitch kuschelten noch einmal innig mit mir. Chestromanci schleckte mich ab, sodass ich danach erst mal mein Gefieder wieder in Ordnung bringen musste. Und auch den anderen fiel der Abschied schwer. Cesco packte mich in den Vogelbauer, den wir für die Autogrammstunde bereits genutzt hatten. Cesco betrat das Dojo. Ich wusste sofort wo ich war. Ich war Zuhause! „Miep“, ich schrie und pfiff. „Hey, du bringst uns Fibi wieder!“, es war Benny, ein kleiner zierlicher Junge, der durchaus ein kleiner Spitzbub war. Er schien sich zu freuen. Daraufhin begrüßte ich ihn. Er trainiert hier und hat auch Talent. „Guten Tag! Kannst du mir sagen, wo ich Yuugi finde?“ „Den Gang entlang, letzte Tür rechts. Er wartet bereits auf dich!“ Mein Begleiter klopfte an der Tür. „Komm rein.“, ertönte die mir so vertraute Stimme. Sie gehörte Yuugi. „Hi, ich bin Cesco. Ich bringe euch Fibi wieder!“, er durchforstete schnell den Raum, wurde jedoch nicht fündig, „Ist sie noch nicht da?“ „Setzt dich. Kann ich dir was zum Trinken anbieten? Kaffee, Saft, Wasser…?“, Yuugi war wie immer überaus gastfreundlich. Bei ihm war eigentlich fast jeder willkommen. „Nein, danke!“, Cesco lehnte ab und setzte sich an den Tisch, der an der rechten Wand am Fenster stand. Den Vogelbauer stellte er auf diesen ab. „Anja bat mich darum Fibi an mich zu nehmen.“ Cesco schien verwirrt aus: „Sie kommt nicht?“ Das war so typisch für sie, dachte ich mir. „Ja, der Grund warum sie Fibi noch nicht abgeholt hat“, Yuugi fing an zu erklären, „und warum sie nicht hier ist, ist, dass sie sich nicht getraut hat. Sie ist … – so seltsam es auch klingt – etwas arg schüchtern. Sie traut kaum einem Menschen. Sie geht schon mal in die Öffentlichkeit (auf die Straße, zum Einkaufen), doch ist sie immer froh, wenn sie keiner anspricht. Ich bin ganz froh, dass sie hier in meinem Dojo, in meinem Haus sich frei bewegen kann, ohne Angst.“ Yuugi machte eine kurze Pause um dies vorerst auf Cesco wirken zu lassen. Dann kam er zum eigentlichen Thema, während er Fibi heraus ließ: „Du musst wissen, sie hängt sehr an dem Vogel.“ Miep! Ich kletterte auf seine Schulter und begrüßte ihn freundlich. „Du sollst einen guten Finderlohn erhalten!“ „Wir wollen kein Geld!“, Cesco schien aus seiner Trance wieder erwacht zu sein, „Wir hätten da nur eine Bitte.“ Sofort war mir klar, worauf er hinaus wollte und mir war auch klar, dass dies nie geschehen wird. Diesmal war Yuugi verwirrt: „Und das wäre?“ Cesco begann langsam: „Wir würden gern Fibi besuchen. Meine Jungs haben sich so an sie gewöhnt. Sie haben sie sogar zum Maskottchen unserer Band ernannt!“ Aus heiterem Himmel lachte Yuugi, während Cesco beunruhigt drein schaute: „Warum lachst du?“ Yuugi nahm mich auf die Hand und meinte nur: „Ja das hast du mal wieder toll hinbekommen!“ Möp! Zu Cesco sagte er: „Sie hat eine besondere Gabe. Sie schleicht sich ziemlich schnell in die Herzen der anderen ein!“ Das stimmt doch gar nicht, oder vielleicht doch? Cesco sprach leise, mehr oder weniger zu sich selbst: „Das habe ich bemerkt.“ Sicherlich musste er – sowie ich – gerade an Lilo und Stitch denken. „Ich würde dir liebend gern, deinen Wunsch erfüllen. Es gibt da allerdings ein Problem. Ich glaube nämlich nicht, dass Anja damit einverstanden ist. Wie bereits gesagt, traut sie keinem Fremden und will mit ihnen nichts zu tun haben.“, Yuugi hatte sich wieder gefasst und sprach nun ernst. Cesco überlegt kurz, dann erinnerte er sich: „Ich glaube, ich habe sie schon mal gesehen. bevor Fibi zu uns stieß. Aber schweigsam war sie nicht. Und so unnahbar schien sie mir auch nicht.“ Yuugi war skeptisch: „Bist du sicher, dass es Anja war?“ „Wenn sie einen großen schwarzen Hund hat, der wie ein Wolf aussieht und sie beschützt, dann ja!“, antwortete Cesco. „Dann wird’s wohl Anja gewesen sein.“ Fast übereifrig meinte Cesco nun: „Was ist, wenn ich es schaffe ihr Vertrauen zu gewinnen?“ Yuugi grinste: „Du lässt nicht locker. Gefällt mir. Jedoch glaube ich nicht, dass deine Chancen sehr gut stehen. Vorerst solltest du es schaffen, sie noch einmal zu Gesicht zu bekommen. Ich werde sie nicht zwingen. Sie soll es von alleine wollen. Ich wünsch dir viel Glück! … Solltest du es tatsächlich schaffen, solltest du es schaffen, dass sie auch mit euch auf Achse geht, so werde ich dir zutiefst dankbar sein!“ Sie wechselten noch ein paar freundliche Worte, tauschten Handynummern aus, verabschiedeten sich und Cesco verschwand. Den Vogelbauer überließ er Yuugi beziehungsweise mir. Nun fiel es mir wieder ein. An was Cesco bestimmt gerade gedacht haben musste. Ceratos erzählte mir mal etwas, nachdem er mit Anja einen langen Spaziergang gemacht hatte: Es war meine Schuld, dass wir vom Weg abgekommen sind. Und dann musste da noch diese blöde Erdspalte sein. Anja ist genau reingerutscht. Sie saß fest, bis zum Oberkörper. Verdammt. Ich versuchte sich auszubuddeln. Ich kam allerdings nur mühselig voran. Da kam dieser Köter. Ein Münsterländer. Dieser Trottel musste gleich Alarm schlagen: „Herrchen, ich hab was entdeckt!“ Ich knurrte ihn an und versuchte ihn zu vertreiben. Da kam auch schon sein Herrchen. Ich hab ihn Rotschopf genannt, weil er so rote Haare hatte. Der Rotschopf wollte geradewegs auf Anja zu, doch ich stellte mich dazwischen und knurrte ihn mit gesträubten Fell an. „Verschwinde!“, schrie Anja zu ihm. Der Mensch blieb stehen. „Ich wollte dir nur helfen“, meinte er. „Ich brauche deine Hilfe nicht!“, sagte Anja. „Bist du dir sicher?“, der Rotschopf schaute skeptisch, „Ich bleibe, vielleicht änderst du deine Meinung noch.“ Er setzte sich, rief seinen Hund an seine Seite, holte einen Notiz Block aus seiner Tasche und fing an zu schreiben und nachzudenken. Nach einer Weile hatte ich Anja befreit. Sie blieb aber in sicherer Distanz zu ihm. Ich habe eigentlich gedacht, wir würden dann gleich verschwinden, doch Anja wollte noch bleiben. Ich fand das äußerst seltsam. Sie beobachtete den Rotschopf aus sicherer Entfernung. „Was machst du da?“, fragte sie. Leise fügte sie noch hinzu: „Er wird doch nicht auch noch die Szene skizzieren.“ Um den Rotschopf hatten sich inzwischen schon lauter zerknüllte Blätter angesammelt. Anja näherte sich ihm und las vorsichtig einige Blätter auf. Sie kam zu mir zurück und entfaltete diese. Auf allen stand nur ein Wort, welches sie laut vorlas: „Liebeslied?“ Der Rotschopf wollte ihr das Blatt entwenden, doch sie wich sofort zurück. „Hey, ich beiße nicht!“, meint er. „Er vielleicht schon“, sie zeigte auf mich. Ich knurrte ihn daraufhin an. „Ich versuch ein Liebeslied zu schreiben. Meine Freunde baten mich darum.“, erklärte unser Gegenüber. „Dann denk doch an deine Freundin.“ Oha, so kannte ich Anja gar nicht. Seit wann redet sie so viel mit Fremden? „Das mach ich doch schon die ganze Zeit.“, meinte der Rotschopf energisch. „Dann solltest du an deine Affäre denken!“, sie hielt sich die Hand vor den Mund, denn sie wusste, dass sie das lieber nicht hätte sagen sollen. Anja hatte schlicht weg gesagt, was sie dachte. Doch der Typ blieb ruhig: „Ich hab keine. Da gibt’s n Sprichwort, was ich sehr beherzige: Was du nicht willst das man dir tu', das füg' auch keinem andren zu! Ich will ja auch nicht, dass meine Freundin fremdgeht.“ „Dann kann ich dir auch nicht helfen“, sie reichte ihm mit weit ausgestrecktem Arm die Blätter und wir gingen nach Hause. So hatte ich Anja noch nie erlebt! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)