Die Vergessenen Wächter von caramel-bonbon ((KaRe) Der Zauber einer anderen Welt) ================================================================================ Kapitel 2: Die heilige Lichtung ------------------------------- Mehrere Tage zogen ins Land, während denen der junge Krieger sich erholte und seine Wunden sich unter der Fürsorge des Heilers schnell schlossen. An das scharfe Essen hatte er sich mittlerweile gewöhnt, auch wenn er dachte, es niemals lieben zu können. Er sprach nicht viel. Einerseits, weil er ohnehin nie viel gesprochen hatte, andererseits, weil außer dem Heiler niemand von den Geistlichen in diesem Tempel sprach und der Heiler selbst verwirrte ihn nur mit rätselhaften Antworten und blieb auch sonst unantastbar und geheimnisvoll. Eines Tages, als er den Krieger auf dessen körperliche Gesundheit durchcheckte, stellte er ihm eine Frage. Etwas überrascht starrte er den Heiler an. „Magie? Unerklärliche Dinge?“, hakte der junge Krieger nach und erntete ein Kopfnicken. „Was soll ich schon davon halten? Ich habe noch nie etwas erlebt, was mich dazu bringen würde daran zu glauben.“ Der Heiler nickte abermals und seufzte nur. „Es gibt viele Dinge, die der durchschnittlichen Verstand nicht zu erklären vermag. Übernatürliche Dinge. Unlogische Dinge. Dinge, die allen Regeln der Natur zu widersprechen scheinen. Sie gehen weit über den normalen menschlichen Verstand hinaus.“ Der Krieger packte den jungen Chinesen an den Oberarmen, schüttelte ihn leicht. „Zeig es mir. Ich will es sehen“, verlangte er mit erregt geweiteten Augen, ein Glitzern lag darin, doch der Heiler zögerte. „Bitte!“ „Ich weiß nicht, ob du schon bereit dafür bist.“ Doch der Krieger ließ nicht locker, flehte ihn an. Der Jüngere gab schließlich nach und schickte ihn aus dem Zimmer, um alle seine Sachen zusammenzupacken. Er selber steckte einen Schlauch Wasser in seine Tasche, band sich einen langen Umhang um und setzte sich einen Hut auf den Kopf. Als der Krieger mit seinen Sachen zurückkam, drückte er ihm die gleiche Ausrüstung in die Hand und wandte sich zum Gehen. „Wir machen eine kleine Wanderung“, antwortete er auf die unausgesprochene Frage. Ohne noch weitere Worte zu verlieren, verließ er den Tempel, den Hof und betrat das dürre, leere Land. Schweigsam trotteten sie nebeneinander über den vertrockneten Boden. Der Krieger konnte ab und zu eine Schlange oder eine Maus erspähen, die hinter einem Stein verschwand. Er blickte zurück. Der Tempel müsste eigentlich noch zu sehen sein, doch durch die extreme Hitze war die Luft dermaßen verflimmert, dass sich auf dem Sand der Himmel spiegelte und den Tempel unsichtbar machte. „Heiler, wo bringst du mich hin?“ „An einen Ort, an dem du an deine Grenzen stoßen wirst.“ Er grummelte, war das doch schon wieder eine Antwort, mit der er nichts anzufangen wusste. Egal, was für Fragen er dem geheimnisvollen jungen Mann auch stellte, entweder er bekam ein Rätsel oder gar nichts als Antwort. Noch nicht einmal seinen Namen konnte er herausfinden. Und den Heiler schien seinerseits nichts zu interessieren. „Heiler, wann willst du mir eigentlich meine Fragen beantworten? Es ist nicht besonders einfach einem Fremden zu vertrauen.“ Dieser war mittlerweile stehen geblieben und hatte sich zu ihm umgedreht. „Alles zu gegebener Zeit. Geh erst mal hier rein.“ Er deutete auf einen schmalen Spalt im Fels, der sich als Eingang einer gut versteckten Höhle herausstellte. Neugierig trat der Krieger hinein, dicht gefolgt vom Chinesen. In der Höhle war es erstaunlich kühl, der Krieger zog seinen Mantel enger um sich. Seine Augen hatten sich noch nicht ganz an die Dunkelheit gewöhnt und somit stieß er in seinen Führer, der mittlerweile stehen geblieben war. Er drehte sich zu ihm um und blickte ihn vielsagend an. „Was auch immer jetzt geschehen mag. Bleib hinter mir. Und beeil dich!“ Mit diesen Worten drehte er sich abrupt um und schritt weiter seines Weges. Der Krieger verstand die Ernsthaftigkeit des anderen nicht ganz, in dieser Höhle war nichts und der einzige Weg, der hinein oder hinaus führte war der Eingang, von wo sie gerade gekommen waren. Doch der Heiler steuerte direkt auf eine Felswand zu. Kurz vor der steinernen Mauer blieb er noch mal kurz stehen und warf einen letzten Blick zurück. Dann machte er einen weiteren Schritt und war verschwunden. „Wa-!“ Scharf zog der Krieger die Luft ein. Erschrocken schaute er sich um, wo der Chinese stecken konnte. Doch er war alleine. Zögernd hob er eine Hand und legte sie auf den Stein, wo der andere vorhin verschwunden war. Er war so stabil und hart, wie er erwartet hatte. Doch plötzlich erschien eine Hand durch den Stein, packte ihn und zog ihn in Richtung der harten Felswand. Eschrocken presste er die Augen zusammen. Doch als er nicht wie erwartet sein Gesicht an den Fels klatschen spürte, riss er sie auf. Vor ihm stand der Chinese. Hinter ihm war nur eine Felswand. Er blinzelte einige Male, um sich klar zu werden, was soeben geschehen war. Der Heiler drückte ihm einen Schlauch mit Wasser in die Hand. „Hier, trink. Hast du dich wieder eingekriegt? Wir müssen weiter.“ Er hatte sich noch nicht wirklich beruhigt. Aber er nickte trotzdem und folgte dem Chinesen, der nun durch den langen Gang lief, in dem sie gelandet waren. Fackeln erhellten ihn und warfen gespenstische Schatten auf die steinernen Wände. Gierig züngelten die Flammen hinter den beiden her, beruhigten sich erst, als sie mehrere Meter weitergegangen waren. Der Gang beschrieb eine Kurve und dahinter konnte der Krieger endlich den Ausgang sehen. Licht schien ihm entgegen. Freudig beschleunigte er seine Schritte und trat hinaus. Doch er befand sich nicht wie gedacht im Freien. Er befand sich in einem riesigen, kreisrunden Raum, über ihm erstreckte sich nicht der Himmel, sondern ein Dach aus Kristallen, die diesen Raum taghell erleuchteten. Doch mit den Füßen stand er auf Gras und eine kleine Gruppe von Bäumen befand sich in ihrer Nähe, auf deren Ästen Vögel hockten, wie er noch nie gesehen hatte. Sie waren groß und bunt und das Federkleid jedes einzelnen funkelte wie das kristalline Dach selbst. Zwischen den Bäumen lag ein kleiner Tümpel mit glasklarem Wasser, in welchem ebenso seltsame Fische schwammen, wie die Vögel nicht von der Erde waren. Fasziniert nahm der Krieger alles genau in Augenschein. Dieser Ort musste verzaubert sein. So etwas konnte unmöglich in seiner grausamen Welt Wirklichkeit sein. „Schön, nicht wahr?“ Der Chinese hatte ihn beobachtet und trat nun näher. Der Krieger nickte ehrfurchtsvoll. „So etwas habe ich noch nie gesehen.“ Ein schräges Grinsen zierte das Gesicht des Heilers. „Natürlich nicht. Es ist nicht von dieser Welt. Aber sieh dich genau um. Was siehst du?“ Er kniff die Augen zusammen. „Nun ja, abgesehen vom Offensichtlichen…?“ Der Heiler nickte, doch war es zu erwarten, dass keine anständige Antwort kam. „Dies ist ein heiliger Ort. Er verknüpft Raum und Zeit. Sollte jemals ein Normalsterblicher oder jemand ohne reinen Herzens hierherkommen, so würde er sofort für den Rest seines Lebens dem Zauber verfallen sein. Aber natürlich können Normalsterbliche diesen Ort gar nicht erst finden. Schau genau hin“, der Chinese zeigte mit einer Hand in eine Richtung, wo eigentlich die Wand des Raumes stehen sollte. Doch die Luft war von Magie so erfüllt, dass nur verwischte Konturen ausmachbar waren. Er machte einige Schritte in die Richtung, verengte die Augen zu Schlitzen, um besser erkennen zu können. Es war keine Wand, das war ihm bewusst. Er erkannte etwas, das aussah wie eine Pforte. „Ist das ein Tor?“, fragte er verwirrt. „Gut erkannt. Schau dich jetzt noch mal um.“ Abermals ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen, ignorierte diesmal aber gekonnt alles andere. Der Nebel schien sich zu lichten und überrascht weiteten sich seine Augen. Da, wo eigentlich die Wände des kreisrunden Raumes sein sollten, befanden sich nichts als Tore, eines neben dem anderen und jedes Tor war individuell künstlerisch gestaltet. Es waren unzählige. Und er erkannte nicht, aus welchem sie ursprünglich gekommen waren. War er verloren? Der Chinese sah die Unsicherheit in den roten Augen und legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm. „Keine Angst. Ich kenne mich hier sehr gut aus. Und da auch du kein Normalsterblicher bist, wirst du dem Zauber nicht erliegen.“ Das war etwas zu viel für den ansonsten hart gesottenen Krieger. Er ließ sich ins Gras sinken. „Was soll das heißen, ich bin kein Normalsterblicher? Ich bin ein Mensch, ich habe getötet, einer wie ich hat doch kein reines Herz!“ Der junge Heiler ließ sich neben den Krieger auf die Knie sinken. Er schien wirklich am verzweifeln zu sein. Doch er wusste, dass er tief im Innern stark genug war. „Das tut hier nichts zur Sache. Ich werde dir alles erklären, wenn du bereit dafür bist. Ich habe dich gewarnt, dass ich dich an einen Ort bringe, an welchem du an deine Grenzen stoßen würdest. Das wirst du noch häufig in nächster Zeit. Ich habe dich vor die Wahl gestellt und du hast dich entschieden. Es war dir vorherbestimmt, hierher zu kommen. Und nun, lass uns gehen“, mit diesen Worten erhob er sich und blickte auf den jungen Mann herunter, “ich denke, es ist genug für einen Tag. Kai.“ Entsetzt starrte der noch immer am Boden hockende Krieger in das Gesicht über sich. „Woher-? Ich habe dir meinen Namen nie gesagt!“ Der Chinese wandte sich ab, ließ seinen Blick über die verzauberte Lichtung schweifen. „Hier herrschen Kräfte, Kai, die nicht so einfach zu verstehen sind. Ich kenne diesen heiligen Ort schon so lange, weiße die Magie zu meinen Gunsten zu nutzen. Diese Lichtung setzt Kräfte in einem frei, die man sich nie zu erträumen wagen würde. Kai, ich kann in dir lesen wie in einem offenen Buch, seit einigen Minuten weiß ich alles über dich, über deine Vergangenheit, über deine geheimsten Geheimnisse, dein Schicksal. Gespürt hatte ich es schon, als dich meine Gehilfen halbtot von der Schlacht zu mir brachten. Deshalb habe ich dich hierher gebracht.“ Stumm hatte Kai den Worten des Chinesen gelauscht. Er wusste nicht, ob er das alles nun glauben wollte, oder ob er es nicht doch viel lieber als einen einzigen großen Witz abhacken sollte. Das war alles so verwirrend. Seine ganze Welt war auf den Kopf gestellt worden, alles, woran er glaubte und nicht glaubte, ergab keinen Sinn mehr, plötzlich schien es ihm, als wüsste er nicht einmal mehr, wer er überhaupt war. Der Heiler wusste über die Angst und Unsicherheit, die im Russen aufkeimte und bot ihm die Hand. Dankend hielt er sich daran fest und ließ sich aufhelfen. „Komm, gehen wir.“ Kai nickte nur stumm und folgte dem anderen blindlings durch eines dieser unzähligen Tore, hinter dem sich der steinerne, von Fackeln gezäumte Gang befand, durch den sie schon auf die Lichtung kamen. Wieder traten sie durch die so stabil aussehende Felswand, was dem Russen einen Schauer über dem Rücken jagte. Sie durchquerten die kühle Höhle und schritten durch den Felsspalt nach draußen. Gleißendes Licht traf sie und stach ihnen in den Augen. Kai blinzelte, um sich schneller an die Helligkeit zu gewöhnen. Als er endlich sehen konnte, weiteten sich seine Augen abermals ungläubig. Die Wüste war weg. Hier war es grün und angenehm warm, die Luft war leicht feucht. Sie standen mitten im Wald vor dem Eingang einer steinernen Höhle. „Willkommen in China, Kai. Übrigens, mein Name ist Rei.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)