Die Vergessenen Wächter von caramel-bonbon ((KaRe) Der Zauber einer anderen Welt) ================================================================================ Kapitel 10: Hindernisse ----------------------- Der Mittag war bereits vorbei und noch immer hatte sich an der Landschaft nicht viel verändert. Kai hatte das dumpfe Gefühl im Kreis zu fahren. Laut Rei befanden sie sich auf einem Hochplateau, das durch und durch aus Eis bestand. Er erklärte ihm, dass die Antarktis größer war als ganz Europa. Folglich war es unmöglich, an einem Tag das Wächtertier des Feuers zu finden. Und je länger sie unterwegs waren, desto mehr Zweifel stiegen in Kai auf, ob sie sich überhaupt auf dem rechten Weg befinden würden. Er vertraute Rei zwar, aber er hatte ihm nie mitgeteilt, wie er die Richtung gewählt hatte. Unbewusst verkrampfte sich sein Griff um die Halterung, wo er sich festhielt. Rei drehte sich zu ihm um. „Alles in Ordnung?“ Er schaute ihn freundlich, aber ernst an. Kai zog die Augenbrauen zusammen. „Ich frage mich nur, ob wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Woher wissen wir, wohin wir gehen müssen?“ Reis Gesicht entspannte sich sichtlich und sein Blick huschte kurz zu Byakko. „Wächtertiere sind miteinander verbunden. Sie spüren ihre Anwesenheit über sehr große Distanzen. Zwar nur schwach, aber wenn sie sich konzentrieren, leitet sie das Band zueinander. Sie können auch nicht sagen, um welches Wächtertier es sich handelt, oder ob es bereits entdeckt wurde. Vertraue Byakko, solange nichts dazwischen“, abrupt brach Rei ab. Sein Blick war starr an Kais Kopf vorbei gerichtet, die Augen weit aufgerissen. Scharf zog er die Luft ein. Die Farbe war aus seinen Wangen gewichen. „Oh nein!“ Beinahe panisch wirbelte er zurück und klammerte sich an der Halterung fest. „Byakko! Beeil dich, wir müssen irgendwo Schutz suchen!“ Der große Tiger fuhr seine Krallen aus, rammte sie in das Eis unter seinen Pfoten, stieß sich mit kräftigen Hinterläufen vom Boden ab und schoss nach vorne. Seine Sprünge wurden schneller, länger. Sein Rücken streckte sich und zog sich kraftvoll wieder zusammen. Weit streckte er die Schnauze nach vorne und legte die Ohren dicht an. Kai drehte sich um, um den Grund von Reis plötzlicher Panik in Erfahrung zu bringen. Er wünschte, er hätte es nicht getan. Erschrocken schaute er wieder nach vorne und betete das erste Mal in seinem Leben, dass sie schnell ein Versteck finden würden. Denn die weiße Wand, die mit rasender Geschwindigkeit ihnen immer näher kam, machte keinen harmlosen Eindruck. So schnell sie konnten schlitterten sie über das glatte Eis. Um den Luftwiderstand so gut es ging zu verringern, kauerten sich Kai und Rei tief auf die Fläche des Schlittens und der Schnee, der von Byakko aufgewirbelt wurde, peitschte ihnen ins Gesicht. Der Eisfels, den sie ansteuerten, kam immer näher, doch mit einem Blick nach hinten sahen sie mit Entsetzen, dass die Schneewand nicht mehr weit weg war und sie schon bald eingeholt hatte. Byakko sammelte alle seine Kraft zusammen und stieß sich vom Boden ab. Der Eisfels kam immer näher, doch nicht schnell genug. Rei riss sich die dicken Handschuhe von den Händen und versuchte mit vor Kälte steifen Fingern, die Schnur zu lösen, die eines der Bündel zusammenhielt. Er fluchte. Als er die Decken zusammenschnürte, hatte er nicht damit gerechnet, es in so einer Situation öffnen zu müssen. Zitternd zerrte er am Knoten. Noch nie hatte Kai ihn so unruhig gesehen, geschweige denn fluchen gehört. Er wollte ihm helfen, doch Rei rastete beinahe aus und schlug seine Hand weg. Der Sturm hatte sie fast eingeholt. Die ersten Schneeflocken wirbelten um ihre Köpfe und nahmen ihnen die Sicht. Eiskalte Windböen jagten ihnen Tränen in die Augen. Kai riss sich nun seinerseits den Handschuh von der Hand und schob sie in den rechten Stiefel. Mit der anderen hielt er Rei an der Schulter fest und drückte ihn grob zur Seite. „Lass mich mal“, rief er durch den heftigen Wind. Er zückte seinen Dolch und setzte ihn an das vereiste Seil. Mit kräftigen Bewegungen schnitt er es schließlich durch und ließ es wieder in den Stiefel gleiten. Rei schnappte sich die befreiten Felldecken. Er blinzelte gegen die Tränen an und versuchte auszumachen, wie weit sie noch vom Eisfelsen entfernt waren. Gerade rechtzeitig bemerkte er, dass Byakko eine scharfe Kurve vollzog und konnte sich noch am Schlitten festhalten. Dabei fiel ihm eine Decke aus dem Arm. Kai hinter ihm hatte den Richtungswechsel nicht kommen sehen und kippte vom Schlitten. „Byakko, stopp!“, schrie Rei und sprang hinterher. Der Russe hatte sich bereits aufgerappelt. Den Arm schützend vor das Gesicht haltend, stapfte er durch den immer heftiger werdenden Sturm, versucht, das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Er konnte fast nichts sehen. Zu allem Übel stolperte er und fiel der Länge nach hin. Fluchend blickte er nach unten und entdeckte die Decke, die Rei fallen gelassen hatte. Er stand auf und schnappte sich das Fell, das bereits mit einer Schneeschicht bedeckt war. „Kai, beeil dich, der Sturm wird immer schlimmer!“ Er blickte in die Richtung, aus der er die undeutliche Stimme wahrgenommen hatte und konnte Reis dunkle Silhouette ausmachen. So schnell es ging kämpfte er gegen den Wind an, bis er bei Rei war. Er hatte seine Handschuhe nicht wieder angezogen, er war zu sehr damit beschäftigt, in Sicherheit zu kommen und packte Kai, um ihn hinter sich herzuziehen. Eine Windböe riss sie beinahe von den Füßen und ließ sie über die klobigen Stiefeln stolpern. Endlich beim schützenden Eisfelsen angekommen, breitete Kai hastig die Decke am Fusse der Eiswand mit dem meisten Windschatten aus, warf sich zu Boden, riss Rei mit sich und zog die zweite Felldecke über sie beide. Schützend legte er den Arm um ihn und drückte ihn an sich. Byakko hatte die Lederbänder, die ihn mit dem Schlitten verbanden, durchgebissen und legte sich dicht an Reis Rücken, um sie zusätzlich zu schützen und zu wärmen. Rei drückte sich gegen Kai. Der Sturm fegte über ihre Körper hinweg und die Windböen drangen in jede kleinste Öffnung unter die Felldecken und fuhren zwischen die Kleidernähte, brannten auf ihrer Haut wie tausend kleine Nadelstiche. Ihre Zähne klapperten und Reis Finger drohten demnächst abzufallen. „Kai, gib mir den Dolch“, stotterte er mit blauen Lippen. Kaum wurde das Messer in seine Hand gedrückt, begann er an Kais Jacke zu nesteln und schaffte es, den ersten Knopf zu öffnen. Der Russe erschauderte vor Eiseskälte. Doch Rei ließ sich nicht beirren und schob den Stoff seines Hemdes zur Seite. Gänsehaut zierte Kais nackte Brust. „Was machst du da?“, fragte er und schlotterte hemmungslos. Ohne zu antworten hob Rei mit zitternder Hand den Dolch zu seinem Hals, setzte an und durchschnitt das dünne Lederband, das seinen Nacken umschlang und an dem der Lavastein baumelte. Er fiel zwischen sie auf das Fell der Decke und sofort spürte Kai die Wärme in seine Gliedmaßen zurückströmen. „Rei“, keuchte er und drückte ihn fester an sich, um auch ihm von seiner Wärme zu spenden. Der Chinese öffnete mit seinen steifen Fingern die restlichen Knöpfe von Kais Jacke und ließ seine Hände darunter gleiten. Sie schmerzten, als sie langsam begannen aufzutauen. Er kniff die Augen zusammen und presste sich noch näher an den warmen Körper, der sich deutlich beruhigte, legte den Kopf auf die wärmer werdende Schulter und zog die Beine etwas an, um sie mit Kais zu verweben. Er brauchte diese Wärme, er brauchte so viel, wie er bekommen konnte. Starke Arme legten sich um seine Schulter und Taille und zogen ihn etwas unter den Russen. Dabei fiel Kais Jacke ganz auf und das Hemd darunter öffnete sich. Ohne nachzudenken ließ Rei seine Finger unter den Stoff gleiten. Seine Haut war so warm. Er konnte seine Muskeln spielen fühlen, als Kai begann, die Knöpfe an Reis Jacke zu öffnen. „Was soll das?“, fragte er, doch der Russe ließ sich nicht ablenken. „So hast du doch nichts davon“, erklärte er mit einem neckischen Unterton. Fast schon grob riss er Reis Kleidung beiseite und schlang dann die Arme um seine Taille, zog ihn so nah an sich, dass sich ihre Haut berührte und drückte ihn auf das Fell. Kais Körper erhitzte sich zunehmend und sein Atem hauchte heiß über Reis Ohr. Ihm wurde schwindelig. Zuvor die extreme Kälte und nun diese Hitze brachten seinen ganzen Kreislauf durcheinander. Zudem konnte er sich nicht konzentrieren, Kais schneller Herzschlag lenkte ihn ab. zugegebenermaßen nicht nur sein Herzschlag, sondern auch diese Nähe, die ihn jedes Mal aufs Neue verwirrte. Er vergrub sein Gesicht in die Halsbeuge und erschauderte unter dieser Körperwärme, während der Sturm eisige Schneeflocken um sie wirbelte. Kai hatte Gänsehaut. Und er wusste, dass das nichts mit den Wetterumständen zu tun hatte. Auch nicht mit Reis kalten Fingern, die sich in seinen Rücken krallten. Eher war es wegen den Berührungen allgemein und des Atems, der seinen Hals streichelte. Er durfte die Beherrschung nicht verlieren, obwohl es ihn beinahe verrückt machte. Er musste sich unter Kontrolle halten. „Kai, beruhige dich ein bisschen, du bist zu erregt. Wenn du so weiter machst gehen wir in Flammen auf und ich weigere mich, von dir abzulassen, bevor dieser Sturm nicht vorbei ist“, nuschelte Rei und seine Lippen strichen leicht über die nackte Haut. Sofort schoss dem Russen die Röte ins Gesicht. Er konnte den Hintergedanken, der sich bei Reis Worten in seinen Kopf drängte, nicht abschütteln. Die Zweideutigkeit war einfach erschütternd. Auf seinen Atem konzentriert, bemerkte Kai nicht, dass die katanischen Winde, die diesen grausamen Sturm mit sich brachten, langsam verebbten. Noch immer hielt er Rei fest umschlungen, um ihn warm zu halten. Seine Körperwärme ließ den Schnee um sie herum schmelzen, doch das gefettete Leder der Außenseite der Decke verhinderte, dass es aufgesogen wurde. Erst Byakko erweckte ihre Aufmerksamkeit, als er sich den Schnee vom Fell schüttelte. Rei zog seine Hände zurück und begann sofort, sich wieder einzupacken und die Jacke zuzuknöpfen. Erst dann erhob sich Kai und hielt ihm die Hand hin, um dem Chinesen beim Aufstehen zu helfen. Die Decke rutschte runter. Gleichzeitig griffen sie nach den beiden Decken, um sie aufzuheben. Dabei fiel das dünne durchschnittene Lederband mit dem daran hängenden Lavastein auf den Boden, der sich deutlich von seinem Untergrund abhob. Rei bückte sich erneut und hob ihn hoch. „Dass ich nicht eher daran gedacht habe. Dabei ist das so offensichtlich. Du brauchst die ganzen Kleider gar nicht.“ Kai grinste und machte keine Anstalten, seine Jacke wieder zu schließen. Ihm war ganz angenehm warm. „Etwas Gutes hat es. Ich habe jetzt meinen eigenen Ofen dabei. Kai, wenn ich friere musst du einfach damit rechnen, dass ich dich dazu nötige, mich zu wärmen“, freute sich Rei und grinste hinterhältig, „und außerdem kannst du gleich den Schlitten flicken, ich ziehe meine Handschuhe nicht wieder aus.“ Er ließ den Lavastein in seiner Jackentasche verschwinden, schnappte sich die beiden Decken und setzte sich auf die Ablage, um Kai dabei zuzusehen, wie er die Lederbänder von Byakkos Gespann zusammenknotete. Es dauerte nicht lange, da standen sie wieder hintereinander auf dem Schlitten und wurden vom Tiger Richtung Horizont gezogen. Rei hatte sich nach hinten gelehnt und genoss die Wärme an seinem Rücken. Der Himmel verfärbte sich bereits dunkel, als ihre Reise ein abruptes Ende nahm. Byakko stoppte vor einem Abgrund und starrte hinunter. Unter ihnen tobte die kalte Brandung an die Eiswand des Plateaus. Zu ihren beiden Seiten sahen sie in unregelmäßigen Abständen riesige Brocken sich von den Klippen lösen und ins dunkelgraue Meer stürzen, so dass die Gischt weit in die Höhe spritzte. Respektvoll wichen sie einige Schritte zurück. Kai verzog den Mund. „Grandios. Und wo lang jetzt?“ Rei zog sich die Handschuhe aus, kniete vor Byakko und nahm seinen Kopf in beide Hände. Sanft knetete er seine Ohren, worauf der Tiger anfing zu schnurren. „Im Sturm muss die Verbindung abgebrochen sein. Er hat uns in die ungefähre Richtung geleitet, aber jetzt müssen wir wohl auf ein Zeichen hoffen.“ Seufzend fuhr sich der Russe durch die Haare. Ein Grummeln ließ ihn jedoch aufhorchen. Rei grinste ihn schief an. „Lass uns etwas essen, wir können sowieso nichts tun.“ Er erhob sich, nahm eine der Decken und breitete sie auf dem Schlitten aus und begann, etwas vom getrockneten Fisch und Fleisch auszupacken und Brot in Stücke zu brechen, während Kai Byakko von seinem geflickten Gespann befreite, da er keine Probleme damit hatte, die vereisten Lederriemen mit bloßen Fingern zu lösen. Sie aßen gemächlich, sprachen nicht viel miteinander und Kai blickte in Gedanken versunken in den Horizont. Ein Flackern jedoch riss ihn aus seinen Fantasien und ließ ihn die Augenbrauen zusammenziehen. Er schaute genauer hin und tastete blindlings nach Reis Arm, um ihn ebenfalls auf die höchst seltsame Erscheinung aufmerksam zu machen. „Wieso ist der Himmel plötzlich grün, Rei?“ Hosted by Animexx e.V. 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