Brüder auf Reisen von Mondvogel ================================================================================ Kapitel 7: Neumondnacht im Moor ------------------------------- Ein GROSSES Dankeschön an all meine lieben Leserinnen, für ihre tollen Kommis! *euch alle umarm und erdrück* Stürzt euch nun ins Vergnügen und wie immer viel Spaß beim Lesen! Die blendende Sonne schien warm auf die Ebene hinab und vertrieb die letzte Kühle der Nacht. Inuyasha wurde von den kitzelnden Sonnenstrahlen geweckt. Gähnend setzte er sich auf. Zufrieden stellte er dabei fest, dass er sich bereits sehr viel kräftiger fühlte. Er schaute auf seine Wunden hinab. Sie waren fast vollständig geschlossen. "Wach?" sagte eine Stimme hinter ihm. Es war Sesshomaru, der ihn kritisch musterte. "Ja." antwortete der Hanyou überflüssigerweise und stand auf. Sesshomaru wandte sich ab und blickte nach Osten. Nebel stieg von dort auf und verbreitete eine düstere Stimmung. "Müssen wir dorthin?" fragte Inuyasha. "Ja." war die einsilbige Antwort. Inuyasha streckte sich und bewegte Arme und Beine. Es schien alles noch gut beweglich zu sein. "Na dann los. Oder?" schlug er vor. Die Frage zum Schluss deutete darauf hin, dass er auf die Entscheidung des Älteren wartete. Der war Angesichts dieses ungewöhnlichen Respekts überrascht sagte aber nichts dazu. Er nickte nur zustimmend. Sie ließen daraufhin den Leichnam der Libelle hinter sich und nahmen ihren Weg nach Osten wieder auf. Sesshomaru warf seinem Bruder einen unmerklichen Blick zu. Er hätte nicht erwartet, dass er so schnell wieder bei Kräften war. Tatsächlich sah Inuyasha munter und äußerst fit aus. Er hielt wirklich eine Menge aus. Sesshomaru hatte ihn in dieser Hinsicht wohl unterschätzt. Sie erreichten die Nebelwand am frühen Nachmittag. Oder der Nebel erreichte sie. Es sah so aus, als ob er über den Boden kroch und war so dicht, dass er wie Watte aussah. Er verschluckte alles, was ihm in den Weg kam. Als sie in den Nebel eintauchten verspürte Inuyasha ein kaltes Kribbeln auf der Haut, welches ihn unwillkürlich frösteln ließ. Der Nebel barg noch andere unangenehme Überraschungen: Schlammlöcher. Davon gab es so viele, dass Inuyasha gar nicht anders konnte, als dauernd hineinzutreten. Er hatte alle Mühe sich unter Sesshomarus spöttischem Blick wieder herauszukämpfen. Der Boden war weich und modrig. Sogar die Luft roch verfault. So weit es der Nebel zuließ erkannte man hier und da ein paar Bäume, die wie abgenagte Skelette in den Himmel ragten. "Was ist das hier? Ein Moor?" vermutete der Hanyou und schüttelte sich, um Schlamm von seiner Kleidung loszuwerden. "Ja." antwortete Sesshomaru und ließ seine scharfen Augen misstrauisch durch die Gegend steifen. Dieser Ort gefiel ihm gar nicht. Etwas gefährliches lag auf ihm. "Und je schneller wir hier herauskommen, umso besser." fügte er hinzu. "Da bin ich mal deiner Meinung." Auch Inuyasha fühlte sich unbehaglich. Sein Instinkt meldete verborgene Gefahren. Vorsichtig suchten sich die Brüder einen sicheren Weg über den sumpfigen Boden. Das war leichter gesagt als getan. Inuyasha fiel und stolperte dauernd. Er war noch nie zuvor in einem Moor gewesen und wusste nicht so recht wo er hintreten sollte. Dementsprechend handelte er sich herablassende Blicke von Sesshomaru ein. "Du brauchst mich gar nicht so anzuschauen!" fauchte Inuyasha, als er seinen Fuß mit einem schmatzendem Laut aus dem Schlamm zog. "Du wirkst ziemlich unbeholfen." entgegnete Sesshomaru wahrheitsgemäß. Darauf konnte Inuyasha nichts erwidern. Er murrte genervt und ging ab jetzt hinter seinem Bruder, um ihm die Arbeit zu überlassen. Der Youkai zog missbilligend die Stirn hoch, ließ Inuyasha jedoch gewähren. Es gelang ihm einen einigermaßen festen Weg zu finden, aber sie kamen langsam vorwärts. Zudem wurde der Nebel immer dichter und machte die Sicht so schlecht, dass man nur mehr einen halben Schritt weit sah. Es war warm und stickig. "Puh! Hier kann man kaum atmen." sagte Inuyasha nach einer Weile und fächelte sich Luft zu. Diese Stille war ihm unangenehm. Verwundert runzelte er die Stirn. Seltsam. Das war keine normale Stille. Es war viel zu still. Inuyasha hob den Kopf und kniff die Augen zusammen, um seine Umgebung vor sich besser zu erkennen. "Sesshomaru?" Keine Antwort. Er griff nach vorn, bekam aber nur Nebel zu fassen. Beunruhigt lief er Stück voraus, stolperte prompt und fuchtelte wild mit den Armen, um das Gleichgewicht zu halten. "Sesshomaru!" rief er nochmals, wesentlich lauter. Seine Worte kamen jedoch nicht weit. Sie wurden vom Nebel aufgesogen und erstickt, wie Wasser von einem Schwamm. Es blieb weiterhin still. Unbehaglich steiften Inuyashas Blicke umher. Sah so aus, als ob sie getrennt worden wären. Nun, dann musste er eben auf eigene Faust hier herausfinden. Das würde doch nicht so schwer sein. Was Sesshomaru konnte, konnte er schon lange. Immer nur gerade aus gehen- das war das sicherste. Fünf Minuten später hatte er sich verirrt. Er wusste weder wo Osten war, noch ob er überhaupt vorwärts gekommen war. Hier sah alles gleich aus. Seit mindestens einer Stunde war er unterwegs und nichts hatte sich verändert. Er war niedergeschlagen und mit den Nerven bald am Ende. Am Anfang war er langsam und vorsichtig gegangen, aber schon bald zehrte die Ungeduld an ihm. Von Sesshomaru war keine Spur. Er konnte ja auch einige Meter entfernt vorbeigegangen sein ohne, dass Inuyasha es bemerkt hätte. Bei diesem dichten Nebel war alles möglich. Er erwies sich außerdem als äußerst tückisch und hinterhältig. Er verstand es seltsame, kleine Wesen zu verstecken, die sich leise in Inuyashas Verstand einschlichen und ihn Dinge sehen ließen , die gar nicht da waren. Dabei kicherten sie die ganze Zeit vor Vergnügen. So kam es, dass Inuyasha plötzlich Kagome sah, die knapp an ihm vorbeilief. "K- Kagome..." Er starrte ihr entgeistert nach und versuchte zu glauben, was er gerade gesehen hatte. Kagome war tot. Sie konnte also nicht da sein. Er schüttelte den Kopf. Die Phantasie konnte einem manchmal seltsame Streich spielen. Aber vielleicht ist es ihr Geist, dachte er. Mit diesem Gedanken im Kopf lief er dem Mädchen entschlossen nach. "Kagome, warte!" rief er flehend. Sie hörte ihn aber nicht. Mit tauben Ohren lief sie weiter, führte Inuyasha immer mehr in die Irre. Der behielt sie fest im Auge. Als er nah genug war streckte er den Arm nach ihr aus. Er fasste sie an der Hand und zerrte sie herum. Entsetzt ließ er sie so schnell wieder los, als hätte er sich verbrannt. "Was..." Das Gesicht vor ihm war nicht Kagomes. Es war eine verzerrte Fratze, aus deren Mund ein hohles Lachen kam. Die Augen rollten wie verrückt in den Höhlen. "Wer bist du?" rief Inuyasha und sprang zurück. Das Wesen lachte schallend, starrte ihn schräg an und verpuffte plötzlich. Es verschwand so schnell, wie es gekommen war. Der Spuk war aber noch nicht vorbei. Die einkehrende Stille wurde von giggelnden Geräuschen unterbrochen. Jemand versteckte sich da und machte sich heimlich über den Hanyou lustig. Es waren mehrere. Viele verschiedene Stimmchen erklangen von allen Seiten, sodass sich Inuyasha von ihnen eingekreist sah. Er drehte sich um die eigene Achse und versuchte die Besitzer der Stimmen auszumachen. "Kommt raus!" rief er herausfordernd. Als Antwort hörte er nur aufgeregtes Flüstern und gleich darauf tauchten überall Ebenbilder von Kagome auf. Sie hatten alle missgestaltene Dämonengesichter, die das Ergebnis eines verzweifelten Versuches waren, eine halbwegs erschreckende Mimik aufzusetzen. Wesen, die bekannte Personen nachbildeten und diese aber so umgestalteten, dass sie zu Monster wurden? Davon hatte Inuyasha schon mal gehört. "Ah. Ihr seid Nebelgeister." stellte er fest und hob seine Klaue. Sie waren keine ernst zu nehmenden Gegner. Nur kleine Knirpse, die keine Möglichkeit verstreichen ließen jemanden Streiche zu spielen. Damit war jetzt Schluss. "Sankontessou!" Die scharfe Klaue zerfetzte alles rundherum und scheuchte die Nebelgeister auf. Sie kreischten übertrieben schrill auf und flohen in heller Panik durcheinander, wobei sie sich gegenseitig wegstießen und anrempelten. Man konnte nur undeutliche Schemen von ihnen sehen, da sie so schnell davonflitzten. Einige umkreisten Inuyasha racherfüllt, aber als der warnend seine Hand hob schrieen sie entsetzt auf und stoben davon. "Diese elenden Knilche." murmelte er leise vor sich hin. Er blickte sich forschend um. Diese Nebelgeister hatten ihn noch tiefer ins Moor geführt. Er war schon vorhin verloren gewesen, aber jetzt kannte er sich noch weniger aus. Langsam tappte er weiter durch den wabernden Nebel und versuchte irgendetwas vertrautes zu finden. Ein Baum, den er schon mal gesehen hatte oder vielleicht ein helles Licht. Es genügte ihm auch, wenn wenigstens der Nebel etwas nachließ. Aber das Unglück schwebte wie eine dunkle Wolke über ihm und schien nicht so schnell wieder von ihm ablassen zu wollen. Sesshomaru ging unbeirrt durch die Moorlandschaft. Er hatte sich so langsam an diesen Boden gewöhnt. Immer leichter fiel es ihm festen Grund auszumachen. Dadurch kam er schneller Vorwärts als am Anfang und hoffentlich würde er auch bald draußen sein. Dieser Ort war nämlich eine einzige Plage für die Nase. Die Luft war dick und von einem grünlichen Ton gekennzeichnet. Es war schwer Witterungen aufzunehmen. Trotzdem vermisste Sesshomaru nach einer Weile einen vertrauten Geruch. Er blickte über seine Schulter, um nach Inuyasha zu sehen. Sein Verdacht wurde bestätigt: Sein Bruder war nirgends zu sehen. Dieser Idiot hatte es tatsächlich fertiggebracht vom Weg abzukommen. Wer weiß wo er jetzt war. Sesshomaru blickte sich unschlüssig um. Schließlich beschloss er einfach mal weiterzugehen, in der Annahme, dass Inuyasha das gleiche tat. Wenn das der Fall war, dann würden sie sich außerhalb des Moores wieder treffen. Schon bald bekam er es aber auch mit Problemen zu tun. Die Nebelgeister hatten auch ihn entdeckt und spielten ihm die gleichen Streiche wie Inuyasha. Sie tuschelten aufgeregt und flitzten geduckt von Baum zu Baum. Was Sesshomaru gleich darauf sah war eine Wiese. Eine große helle Wiese, die geradezu einladend wirkte. Er ging misstauisch darauf zu. Diese Wiese sah irgendwie falsch aus. Er merkte bald, dass er richtig lag. Als er einen Fuß auf das Gras setzte verpuffte das schöne Bild mit einem leisen "Plopp". Daraufhin hörte man gedämpfte giggelnde und kichernde Laute, die sich alle Mühe machten so spöttisch wie möglich zu klingen. Sesshomarus Blick gefror zu Eis. Er wusste jetzt von wem diese Laute kamen. Derartige Scherze ließ er nicht mit sich machen. Schon gar nicht von solchen Winzdämonen wie die Nebelgeister. Er hob seine Giftklaue. "Dokkaso!" Die Attacke traf einen Nahen Baum und schmolz ihn in sekundenschnelle weg. Kreischend stoben Dutzende Nebelgeister auf, die sich dort versteckt hatten. Sie riefen Sesshomaru Flüche und Verwünschungen hinterher, während sie sich Hals über Kopf aus dem Staub machten. Heute war nicht ihr Glückstag. Gleich auf zwei solche gefährliche und humorlose Wesen zu treffen war zuviel für sie. Missgelaunt zogen sie sich zurück. Der Youkai beachtete sie nicht weiter und setzte seinen Weg fort, als wäre nichts geschehen. Auch er konnte den Überblick bald nicht mehr behalten. Zwar wusste er ungefähr wo er sich befand, aber er was sich nicht sicher genug. Zunächst schien das kein ernst zu nehmendes Problem zu sein. Schließlich konnte er ja jederzeit fliegen. Umso überraschter war er, als er nicht in die Luft aufsteigen konnte. Seine Füße schienen regelrecht am Boden zu kleben. Das Moor hatte an alles gedacht, um jeglichen Fluchtweg unmöglich zu machen. In der Zwischenzeit irrte Inuyasha weiter herum. Er glaubte längst nicht mehr daran von hier herauszufinden und ging nur deshalb weiter, um sich irgendwie zu beschäftigen. Schon bald wurde aber klar, dass er sich in einer ziemlich hoffnungslosen Lage befand. Völlig fertig setzte er sich schließlich auf einen umgekippten Baumstamm und starrte ins Leere. Seine Situation war einfach lächerlich! Er wurde von einem Moor aufgehalten. Von einer leblosen Ansammlung aus Schlamm, Wasser und modrigen Pflanzen. Schlimmer konnte es gar nicht werden. Wie sehr er sich da irrte. Das Schlimme kam erst und zwar von hinten. Inuyasha merkte es, als ihm ein stinkender Geruch in die Nase stieg. Langsam drehte er sich um und erblickte einen Teich. Blasen stiegen vom Wasser auf, die an der Oberfläche zerplatzten und einen fauligen Geruch verströmten. Es blubberte wie in einem Hexenkessel. Das war noch nicht alles. Gerade wollte sich der Hanyou wieder umdrehen, als plötzlich zwei gelbe Glubschaugen aus dem Wasser auftauchten und ihn neugierig fixierten. Alarmiert sprang er auf und zog Tessaiga. "Na los komm raus, was immer du bist!" rief er herausfordernd. Das Wesen blinzelte belustigt und ging der Aufforderung tatsächlich nach. Mit aller Gemütlichkeit kam es aus dem Teich gewatschelt. Inuyasha verzog bei seinem Anblick angeekelt das Gesicht. Vor ihm saß ein schleimiges Etwas, das wie eine verschrumpelte Kartoffel aussah. Inuyasha fiel auch die Bezeichnung "Klumpen" ein. Der Dämon hatte keine bestimmte Form. Er veränderte sie kontinuierlich. Mal war er klein und flach, dann wieder beeindruckend groß und breit wie ein Schrank. Gier blitzte in seinen trüben Augen auf, als er Inuyasha von oben bis unten musterte. Der zeigte sich unbeeindruckt. So ein schwächlicher Dämon war kein ernst zu nehmender Gegner. "Pah! Komm nur her, dann mach ich dich fertig!" Er hielt ihm die Spitze Tessaigas dorthin, wo er die Nase vermutete. Der Dämon starrte auf das kalte Metall und gluckerte spöttisch. Sabber tropfte aus seinem riesigen Maul. Inuyasha schnaubte. "Und wisch dir gefälligst dieses ekelhafte Zeug weg!" fügte er hinzu. Er schwang sein Schwert, mit der Absicht den Dämon in zwei Teile zu schneiden. Mitten in der Bewegung stutzte er plötzlich. Tessaigas Klinge flackerte kurz gelblich auf und begann sich zu verändern. Er wurde zu einer normalen rostigen Klinge. "Oh nein.... nicht jetzt." murmelte Inuyasha. Er wusste genau was das bedeutete und Entsetzen breitete sich in ihm aus. Der Dämon beobachtete ihn schräg. Er hatte bemerkt, dass sich etwas veränderte, aber es schien ihm nicht sonderlich zu interessieren. Unbeeindruckt kroch er weiter auf Inuyasha zu, der da wie angewurzelt stand und mit wachsendem Erschrecken beobachtete, wie er sich in einem Menschen verwandelte. Auch Sesshomaru hatte jetzt Orientierungsprobleme. Das gestand er sich jedoch nicht ein und ging mit eisernem Willen immer weiter und weiter. Bald verfiel er in einem gleichmäßigen Trab, bei dem sich seine Füße einfach selbstständig bewegten. Irgendwann, es war schon eine ganze Weile vergangen, witterte der Youkai einen angenehm frischen Geruch. Erstaunt hob er den Kopf. Es war der Geruch von Gras und trockener Erde, den man normalerweise in einer Weiten Ebene vortraf. Er hatte den Ausgang gefunden! Lange genug hatte es ja gedauert. Er wandte sich der Richtung zu und beschleunigte seine Schritte. Er wollte diesen Ort so schnell wie möglich hinter sich lassen. Aber etwas oder jemand hielt ihn auf. Vor ihm tauchte eine bekannte Gestalt auf. Sie stand gar nicht weit weg und sah Sesshomaru erstaunlich ähnlich. Die langen silbernen Haare wehten wild durcheinender, obwohl es vollkommen windstill war. Die Gestalt sah zwar ein bisschen blass aus, aber es Sesshomaru kannte sie nur zu gut. "Vater." flüsterte er ehrfürchtig. Gerade wollte er auf ihn zugehen, als ihm die Nebelgeister wieder einfielen. War das schon wieder einer ihrer Streiche? Ja bestimmt. Immerhin war sein Vater längst tot. Er verdrängte seine Gedanken an ihn und ging schweigend an ihm vorbei, ohne ihn zu beachten. Da hörte er seine Stimme. Sie suchte sich erst gar den Umweg zu den Ohren, sondern erklang gleich in seinem Kopf: "Sesshomaru. Ich habe dir doch gesagt du sollst auf deinen kleinen Bruder aufpassen." sagte sie vorwurfsvoll. Der Youkai drehte sich bei diesen Worten ruckartig herum, aber sein Vater war verschwunden. Nachdenklich legte er die Stirn in Falten. Doch keine Nebelgeister. Aber was hatten diese Worte zu bedeuten? Was Inuyasha vielleicht in Gefahr? Tief in seinem Inneren spürte Sesshomaru, eine gewisse Verantwortung für ihn. Sein Instinkt als großer Bruder den jüngeren zu beschützen veranlasste ihn wieder umzukehren. Er dachte nur noch daran Inuyasha so schnell wie möglich zu finden. Entschlossen schlug er eine ganz bestimmte Richtung ein. Er war sich sicher, dass es die richtige war, obwohl er keine Ahnung hatte woher er diese Gewissheit nahm. Es war, als ob ihn jemand anderes führen würde. Und er vertraute diesem Jemand. Währenddessen stand Inuyasha, in seiner menschlichen Gestalt, vor einem schleimigen Dämon und überlegte fieberhaft, was er jetzt tun sollte. Gehetzt blickte er sich um. Seine Chancen standen nicht gut. Der Dämon hatte ihn fast erreicht, viel Zeit blieb ihm also nicht mehr. Er brauchte schnell einen Ausweg. Er durfte ihn jetzt nicht getötet werden, schließlich zählten seine Freunde auf ihn. Er hielt Tessaiga verzweifelt fest, aber es würde ihm nicht viel nützen, also blieb im Grunde nur eines: Er beschloss dem Dämon am besten aus dem Weg zu gehen. Anstatt "feiger Abgang" bezeichnete Inuyasha diese Taktik lieber mit "klugen Rückzug" , das durchaus auch zutraf. Er entfernte sich rückwärtsgehend, um seinen Gegner im Auge zu behalten. Man wusste ja nie mit welchen hinterhältigen Mitteln er angreifen konnte und Inuyasha wollte unangenehme Überraschungen vermeiden. Seine Denkweise war bis zu einem gewissen Punkt gar nicht so verkehrt. Sie hatte nur einen Haken. Er sah nicht, wohin er lief. So kam es, dass er nach kaum fünf Schritten einen Fuß falsch aufsetzt und prompt im sumpfigen Boden versank. Hastig versuchte er sich wieder herauszukämpfen, aber je mehr er zappelte, umso gieriger verschluckte ihn der Schlamm. Er steckte schon bis zu den Oberschenkeln im Morast, als der Dämon ihn erreichte. Wie eine schleimgesetzte Wand ragte er vor dem Hanyou auf und grollte aus tiefster Kehle. Er beugte sich zu seinem Opfer herab. Schleimtropfen lösten sich von seinem Körper und klatschen auf Inuyashas Gewand. Er verzog das Gesicht vor Ekel und schwang, aus einem reinen Reflex heraus, Tessaiga. Eine verzweifelte Aktion, die nur geringe Wirkung hatte. Die Schwertklinge kratzte den Bauch des Dämons zwar ein bisschen auf, aber die kleine Wunde schloss sich sofort wieder, ohne einen einzigen Tropfen Blut zu verlieren. "Ver... verdammt!" Inuysha konnte nichts anderes tun, als tatenlos zuzusehen, was weiter geschah. Ein seilförmiger Arm, so dick wie ein Stamm, spross aus dem Körper des Dämons und wickelte sich fest um seine Beute. Inuyasha wurde dadurch völlig bewegungsunfähig. Trotzdem hielt er Tessaiga verkrampft fest, in der Hoffnung es doch noch zu gebrauchen. Der Dämon öffnete ein riesiges Maul und gab den Blick auf einer Reihe spitzer Zähne frei, von denen fadenförmiger Geifer hing. Er rammte sie mit einem triumphierenden Knurren in Inuyashas Schulter. Ein heißer Schmerz durchfuhr ihn. Er spürte wie etwas in seinen Körper drang und ihn innerlich aufzufressen drohte. Gift, dachte er verschwommen und verlor das Bewusstsein. Sesshomaru war sich zwar ziemlich sicher, dass er in die richtige Richtung ging, aber er konnte sich dennoch beim besten Willen nicht vorstellen in diesem Ort seinen Bruder zu finden. Außerdem wäre es ziemlich ungünstig wenn er sich wieder verirren würde. Gerade jetzt, wo er den Ausgang gefunden hatte. Er versuchte sich angestrengt den Weg zu merken und die kleinsten Hinweise einzuprägen. Zusätzlich hinterließ er Kratzspuren, als Markierungen, an den Baumstämmen. Mehr konnte er nicht tun. Zu seinem Glück zog sich der Nebel nach einer Weile sogar ein bisschen zurück. Man konnte jetzt die Umgebung viel besser erkennen und der Youkai nutzte die Gelegenheit, um sich suchend umzublicken. Seine Augen sahen nichts als kahle Bäume und blubbernde Schlammlöcher, aber er war ja nicht umsonst ein Hundeyoukai. Was seine Augen nicht wahrnahmen erledigte seine Nase. Sie meldete andere, nicht sichtbare Dinge. Das erste war Inuyashas Geruch. Er hing schwach in der Luft, aber etwas daran war merkwürdig. Er hatte sich verändert. Es roch nicht nach Halbdämon.... Sesshomaru traf es wie der Blitz, als er erkannte, was ihn so irritierte. Inuyasha war ein Mensch! Er muss seine dämonischen Kräfte verloren haben, dachte der Youkai. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Sein Bruder besaß das seltene Talent sich in ordentliche Schwierigkeiten zu bringen. Sesshomaru beeilte sich ihn zu erreichen, bevor es zu spät war. Er schritt schneller aus und registrierte jetzt auch noch den Geruch eines Dämons. Genau im richtigen Zeitpunkt erreichte er sein Ziel. Ein Blick genügte, um zu verstehen, was geschehen war. Inuyasha steckte halb eingesunken im Morast. Ein schleimiger Dämon machte sich über ihn her. Oder er wollte es gerade, aber er kam nicht mehr dazu. Sesshomaru sprang leichtfüßig auf ihn zu und zerfetzte ihn mit einem einzigen Hieb seiner Klaue. Der Dämon hatte gar nicht Zeit zu reagieren. Er zerfiel in tausend kleinen Klumpen, die zitternd und zuckend am Boden liegen blieben. Inuyasha kippte nach vorn. Der Youkai fing ihn rechtzeitig auf, um zu verhindern, dass er mit dem Gesicht in den Schlamm fiel. So sah er also als Mensch aus. Er hatte sich ziemlich verändert. Diese schwarzen Haare und die menschlichen Ohren.... Er sah so verletzlich aus. Sesshomaru wusste nicht so recht, was er davon halten sollte. Er umfasste den Oberkörper seines Bruders und zog ihn aus dem Schlammloch. "Recht dumm von dir zum Zeitpunkt deiner Schwäche alleine umherzuirren." sagte er mehr zu sich selbst und legte ihn auf festen Boden. Sein Blick fiel auf Tessaiga, das Inuyasha immer noch festhielt. Er zögerte kurz, nahm dann aber die Hand seines Bruders und schob das Schwert in die Scheide zurück. Jetzt bemerkte er auch die Schulterverletzung und er roch das Gift. Nun, das Gift könnte er neutralisieren. Das musste er wohl, denn dieser Körper konnte Dämonengift nicht lange standhalten. Dieser Gedanke löste etwas im Youkai aus. Vielleicht meldete sich sein Beschützerinstinkt. Er gab sich einen sichtlichen Ruck und streckte die Hand nach der Wunde aus. Augenblicklich entwich das Gift mit einem leisen Zischen aus dem Körper. Inuyasha stöhnte und regte sich ein bisschen, aber er lag immer noch in tiefem Bewusstsein. Der Youkai konnte nicht länger warten, bis er aufwachte. Sie mussten das Moor so schnell wie möglich verlassen, bevor noch etwas passierte. Mühelos hob er Inuyasha an der Taille hoch und klemmte ihn sich einfach unter dem Arm. Mit einem letzten Blick auf den zerstückelten Dämon machte er sich dann auf den markierten Weg zurück. Inuyasha erwachte, als spürte, dass ihn jemand auf den Boden legte. Langsam öffnete er die Augen. Das erste, was er sah, war der funkelnde Nachthimmel. Wie war das möglich? Im Moor wurde der Himmel wegen dem Nebel die ganze Zeit verdeckt. War er gar nicht mehr im Moor? Er tastete mit der Hand auf dem Boden herum bekam Steine und trockene Erde zu fassen. Mühsam setzte er sich. Ein Stechen durchfuhr seine Schulter. Er stöhnte leise auf und presste die Hand auf die Wunde. Jetzt erinnerte er sich wieder. Ein Dämon hatte ihn angegriffen und.... ja und dann? "Nun, wie ich sehe hast du es gut überstanden." sagte jemand hinter ihm. Inuyasha drehte sich um und riss erstaunt die Augen auf. "Sess.... Sesshomaru? Was..." " Ich bin rechtzeitig aufgetaucht, um dich Tölpel aus dem Schlammassel zu holen. Du hast Glück gehabt." "Was? Du hast mich...." Er konnte es kaum glauben. Sesshomaru hatte ihn gerettet? Ausgerechnet er? Niemals hätte er so etwas von ihm erwartet. Verlegen senkte er den Blick. Das war schon das zweite Mal, dass Sesshomaru ihn gerettet hatte. Vielleicht war jetzt ein " Danke" angebracht. Inuyasha schluckte. "Danke.... onii." sagte er leise. Diese höfliche Anrede als großer Bruder machte den Älteren einen Moment lang stutzig. Irritiert blickte er in eine andere Richtung und tat so, als ob dort etwas unglaublich interessantes wäre. Ein peinliches Schweigen trat ein. Inuyasha blickte stumm auf seine Hände und riss entsetzt seine Augen auf. Sie hatten keine Krallen! Er musterte aus den Augenwinkeln seine Haare. Sie waren schwarz. Oh nein. Er war ja ein Mensch! Das hatte er fast vergessen. Und das direkt vor Sesshomaru. Gerade er sollte davon niemals erfahren. Inuyashas Blick huschte zu seinem Bruder und er begann unbehaglich hin und her zu rutschen. Rein instinktiv versuchte er sich so klein wie möglich zu machen und sich irgendwo zu verstecken. Sesshomaru blickte ihn schräg an. "Ist was?" "Äh..... na ja. Ich... du weißt, dass... ich meine....." "Dass du dich bei Neumond in einen Menschen verwandelst? Ja, ich war überrascht, als ich dich so sah, aber ich wusste mehr oder weniger Bescheid." "Du wusstest es?" "Ich hatte meine Vermutungen." "Wieso hast du dann nie versucht mich zu töten?" Der Ältere schnaubte. "Willst du meinen Stolz verletzen?" "Äh... wenn man es so sieht..." Jetzt wo er es sagte klang es einleuchtend. Sesshomaru würde Inuyasha niemals angreifen, wenn er ein Mensch ist. Das wäre für ihn kein Ehrenvoller Kampf. "Wo sind wir eigentlich?" fragte der Jüngere unvermittelt und setzte sich aufrechter hin, um seine Umgebung besser zu betrachten. "In einer Steppe." antwortete Sesshomaru kurz angebunden. Inuyasha blickte sich neugierig um. Ja, es sah ganz nach einer Steppe aus. Hohes trockenes Gras erstreckte sich bis zum Horizont. Hier und da lugten ein paar dürre Bäume hervor. Der Hanyou wandte den Kopf. Einige Dutzend Meter weiter nordwestlich erhob sich eine graue Nebelbank, hinter der das Moor lag. Er war froh diesen Ort hinter sich zu haben. Eine Frage tauchte plötzlich in seinem Kopf auf und Sesshomaru schien heute in guter Stimmung zu sein seine Wissbegierde zu stillen. "Ähm.... Sesshomaru?" fragte er behutsam. "Was?" "Wie kann es jetzt Nacht sein? Als wir das Blumenfeld verließen war es gerade mal Morgen. Und im Moor waren wir kaum mehr als einige Stunden." Mit dieser Frage hatte sich der Youkai auch schon beschäftigt und eigentlich war die Erklärung ziemlich simpel. "In diesem Moor gehorcht die Zeit anderen Gesetzen." erläuterte er. "Sie vergeht schneller. Und jetzt sei still." "Ich glaube wir müssten bald weitergehen. Oder?" sagte Inuyasha eifrig, ohne die letzten Worte zu beachten. "In deinem schwächlichen Zustand? Ich will nicht dauernd auf dich aufpassen." "Aber..." "Wir warten bis die Sonne aufgeht." "Ich..." "Still jetzt!" Du klingst schon fast wie Rin, wollte Sesshomaru noch hinzufügen, verkniff sich diese Worte aber im letzten Moment. Inuyasha klappte resigniert den Mund zu. Außerdem hatte er alles beantwortet bekommen was er wissen wollte. Er rutschte ein Stück nach hinten, um sich gegen einen kleinen Felsen zu lehnen. Sesshomaru stand etwas abseits mit dem Rücken zu ihm. Seine Haare wogten in einer leichten Brise und er schien in Gedanken versunken zu sein. Inuyasha schloss behaglich die Augen. In seiner Nähe fühlte er sich seltsamerweise vollkommen sicher und geborgen. So sicher, dass er unbekümmert einschlief und auf den Schutz seines Bruders vertraute. Auch diese Gefahr wäre überstanden. Aber den beiden wird keine Atempause gegönnt. Im nächsten Kapitel müssen sie wieder kämpfen. Es wird "Die Spinnenreiter" heißen. :) Und jetzt ein bisschen WERBUNG FÜR MEINE ZWEITE FF! Sie handelt um Inuyashas Kindheit. Biiiiiiiiiite schaut doch mal rein, ja? *lieb anguck* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)