Reinkarnation der Engel von Khyre (1. Teil - Gottes Planet -) ================================================================================ Kapitel 1: Meine Geburt ----------------------- Kapitel 1 - Meine Geburt Singende Vögel. Der unendliche Tag. Angenehme Luft. Ewiger Frühling. Das ist die Welt, in die ich hinein geboren wurde. Schale um Schale schlug ich mich frei. Ich blinzelte und schloss die Augen gleich darauf wieder. Alles was ich sah, war weiß und brannte. Ein Licht schien mir direkt ins Gesicht und erwärmte meine weiße Haut. Das erste was ich hörte, war Gemurmel; Stimmen, zu Tausenden, verschwommen im Singsang eines Flusses. Nach und nach konnte ich höhere und tiefen Stimmen unterscheiden. Melodien und einfache Laute und Töne. Plötzlich kochte in mir etwas hoch. Spannung, Wärme, Kälte, Entspannung - Gefühle. Ich spürte plötzlich etwas auf meiner Haut, als ich mich bewegte. Ich musste in einer Art dünnflüssigen Flüssigkeit sitzen, deren Tropfen milde an meinem Arm herab glitten, als ich ihn aus ihr bewegte. Und dann dieser Geruch! Düfte von allen Seiten strömten auf mich ein; von Blumen aller Art von der Rose bis zum kleinen Veilchen, von Mitlebewesen und meiner selbst - ein sanfter, balsamierender und leicht süßlicher Geruch, der mir vollkommen vertraut schien; von der Natur wozu Pflanzen aller Art zählten, Wasser und Erde. Ich roch - den Duft des Frühlings. Das Leben. In diesem Moment kannte ich all die Namen noch nicht, ich wusste nicht, welcher Gegenstand mit welchem Geruch zu verbinden war, welches Gefühl mit welchem (Bezugs-)Gegenstand und doch war das Leben für mich in diesem Augenblick schon unvergesslich. Unbeschreiblich. Und lebenswert. Eine Welt, die auch wenn ich sie jetzt, wo ich dieses Buch schreibe, mit Wörtern beschreibe, die durchaus wertend sind, eine Welt der Ausgeglichenheit war. Ich öffnete die Augen. Ich hob die schweren Lieder und wagte zu sehen. Abermals kam mir dieses strahlende, blendende Licht entgegen und ich überlegte, ob ich nun nicht lieber die Augen für immer geschlossen behalten sollte, da es ja so oder so keinen großen Unterschied machen würde, ob ich in einer vollkommen schwarzen oder vollkommen weißen Welt leben würde. Doch nach und nach, Mal um Mal, wie ich die Augen schloss und wieder öffnete, fingen sich einige Dinge aus dem weiß zu lösen und wurden immer dunkler. Ich fing an Kontraste zu sehen, Formen bildeten sich heraus, Übergänge entstanden und zu guter Letzt erschienen mir Farben. Rot, blau, gelb, grün, lila, violett...wie man sie alle bezeichnen kann. Aber es ging nicht um irgendein Wissen, es war einfach so, dass ich merkte, dass das ganze Bild vor meinen Augen immer komplizierter wurde und mein Kopf immer schwerer erschien, schmerzte und sich dann erleichterte, durchflutet wurde von einem weder kühlen noch warmen Gefühl, das sich durch mein Gehirn schlängelte, sich ausbreitete über meinen Kopf hinaus, aus dem Raum in dem ich mich befand und ins Unendliche weitete, bis ich mir gar nicht mehr denken konnte, wohin er gewachsen war. Ich bekam meine erste wertende Empfindung: Mein Herz schien sich um Nanometer nach links und nach rechts zu verschieben und lies mich spüren, dass es da war. Ich empfand die Farben als schön. Nach einer Weile fand ich einige Farben sogar schöner als andere, ohne, dass sich das Bild vor mir verändert hatte. Ich hatte mich lediglich auf einige Farben mehr konzentriert. Neugierig, ob ich noch mehr dieser schönen Dinge zu sehen bekommen könnte, suchte ich nach einer Möglichkeit, mein Bild zu verschieben oder zu erweitern und siehe da - mein Kopf regte sich schon von alleine, drehte sich mein Hals und ich konnte ein neues Bild wahrnehmen. Andere Formen, andere Farben...verblüfft blickte ich um mich. Nach etwa einer Viertelstunde hatte ich den Raum um mich zur Genüge analysieren können, all diese seltsamen Farben und Dinge zusammen mit den Geräuschen und Gerüchen abspeichern können. Meine Feststellung war: Ich saß in einem großen weißen Etwas, das eine dünne Schale hatte (später würde ich Ei dazu sagen). Und in der gleichmäßigen Schale war ein Unterschied. Diesen betastete ich und fasste erstaunlicherweise ins Nichts! Ich hätte gedacht, dass sich dieser Farbunterschied doch etwas anders anfühlen musste, als die Schale meines Eis. Denn - die Flüssigkeit, in der ich saß fühlte sich auch anders an als die Schale. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste war, dass ich aus dem Loch, das ich beim Schlüpfen aus dem Ei geschlagen hatte das Mosaik an der Himmeldecke des göttlichen Gefildes sah und mit meinem vergleichsmäßig kurzem Arm nicht die Möglichkeit hatte, an diese Decke zu fassen und die Form des Mosaiks zu spüren. Aber das wusste ich ja noch nicht. Ich muss sagen, dass es furchtbar banal klingen muss, wie ich hier alles aufzähle und im Grunde saß ich nur wie gebannt da und bestaunte Dinge, die für jeden Menschen vollkommen natürlich sind. Nur in diesem Augenblick war alles noch neu, es traten Dinge in mein Leben, die ich zuvor noch nie gesehen hatte. Was mich am meisten an diesem Augenblick noch heute verwundert ist, dass ich keine Angst hatte. Ich meine jeder hat doch normalerweise Angst, wenn er Dinge kennenlernt, die ihm fremd sind, oder? Ohne genau bestimmen zu können, warum man diese angst verspürt. Doch in diesem Augenblick war da einfach nichts als - ja - nichts. Was man an Gefühlen wirklich erwartet hätte. Ich lies einfach alles auf mich einwirken, sich in meinem Gehirn verfestigen, wachsen. Mir war, als würde in meinem Kopf etwas wachsen, je mehr ich von dieser Welt sah. Je detaillierter und komplizierter eine Form war, desto detaillierter und komplizierte schien etwas in meinem Kopf zu wachsen. Je mehr Farben ein Gegenstand hatte, desto mehr Farben erschienen mir im Kopf. All diese Abbildungen schienen meinen Kopf schwerer zu machen und gaben ihm das Gefühl von Fülle, doch nach einiger Zeit wurde er wieder leichter und es gab ein wenig mehr Platz. Und die Dinge, die ich sah, die ich vorher bestaunt hatte, erschienen mir gewöhnlich und ich wollte andere Dinge sehen, und seien sie ähnlich. Ein Beispiel wäre zum Beispiel die Mosaikbesetzte Decke, die ich sag. Das waren lauter kleine Farbpigmente, die nebeneinander geschichtet waren und nach einer Weile hatte ich das Bild genau aus diesem Blickwinkel gemerkt. Jetzt war er aber langweilig und so hatte ich den Kopf gedreht und ein weiterer Teil des Mosaiks bot sich mir dar. Das war zwar nur ein kleiner Erfolg, aber das gab mir wieder dieses weder warme noch kalte Gefühl, das sich durch mein Gehirn schlängelte. Doch diesmal verband sich ein Bild mit dem anderen, ich begriff, dass der eine Teil des Mosaiks, den ich aus dem ersten Blickwinkel gesehen hatte, zu dem anderen Teil des Mosaiks gehörte, das ich aus meinem neuen Blickwinkel sah, gehörte. Ich schuf Zusammenhänge. Bald schon, nachdem ich alle möglichen Verränkungen in meinem Ei getan hatte, un ich alle Blickwinkel ausgetestet hatte, wurde mir langweilig. Was tun? Mich überkam ein neues Gefühl: die Wut. Mein Körper versteifte sich, wurde wärmer und ich fing an, mich immer heftiger zu bewegen, sodass mein Ei nach links und rechts schwankte, nur um dieses steif machende Gefühl loszuwerden. Und als alles nichts half, schoss ein weiteres Seltsames Gefühl mir durch den Körper. Ich spürte, wie ein Brummen durch meine Luftrohre lief - so schnell, dass ich es gar nicht mit verfolgen konnte- und schließlich gab ich eine Laut von mir. Ein Knurren. Erstaunt und belustigt über diesen Laut, brummte ich ein zweites Mal. Lauter und leiser, höher und tiefer, dann klappte ich den Mund auf und schrie: laut - leise- mittellaut- leise- laut usw. Man hätte meinen können, dass irgend jemand der draußen lebenden Personen herein gekommen wäre um zu schauen, was los war, aber die waren die Geräusche aus diesem Teil des Palastes schon gewohnt und scherten sich nicht darum. Und so konnte ich munter und ungestört vor mich hin schreien. Und mit einem Mal bewegte ich mich so stark und - unterstützt durch einen Schrei - brachte ich die Kraft auf, mein Ei umzuwerfen. Das Ergebniss war -für meine Verhältnisse zu der Zeit - bombastisch: Das Ei zerbrach, die Flüssigkeit lief aus und ich erfuhr meinen ersten Schmerz im Leben. (Wenn auch kein starker.) Er durch fuhr meinen Körper wie ein Blitz, und wirkte noch eine ganze Weile nach. Wieder war ich kurz wütend. Doch der Sturz brachte auch seine guten Seiten mit sich. Die zerbrochene Schale lies sich leicht von ihren Nebenstücken lösen und ich war aus meinem Gefängnis befreit. Um heraus zu kommen kroch ich auf meinen Knien und Händen aus der Schale und bekam zum ersten Mal einen Teppichboden zu spüren. Als ich das flauschige Gefühl unter meiner rechten Hand spürte, die sich als erstes Körperteil aus dem ei gewagt hatte, erschrak ich. Dann, nach einem weiteren Tasten legte ich auch meine linke Hand auf den Teppich. Ich empfand ein weiteres Mal das Gefühl von Schönheit. Allerdings fühlte er sich anders als das Gefühl der Schönheit beim Sehen - es war das Gefühl, dass etwas angenehm war. Kaum war mein Körper ganz aus dem Ei entschwunden, packte mich ein Drang, mich auf meine Beine zu stellen! Seltsam nicht wahr? Wäre dies ein Bericht einer menschlichen Geburt, so hätten die Wissenschaftler wohl sofort verkündet, dass hier einiges nicht stimmte. Aber zum Glück ist das hier ja meine Geburt und da müssen mich Studien nicht interessieren. Ich will des weiteren auch nicht mehr im Detail neuer Erkenntnisse meinerseits erzählen, sonst würde ich wohl nie mit dem Schreiben fertig werden. Aber ich kann sagen, dass meine Geburt mich dazu veranlasst hat, alle Dinge, die ich spüre, rieche und tue wirklich zu spüren oder genauer gesagt - zu leben. Und dass ich im Grunde ein wohl sehr einfach gestrickter Mensch dein muss, der sich gerne mit diesen banalen Dingen wie einfach nur Leben zufrieden gibt...Aber als Nachteil sehe ich das nicht an. Bald schon nach meinen ersten Schritten, kam einer der Erzengel in die Halle. Ich war eine der Massengeburten. Neben meinem Ei standen weitere 30 Eier, die aber alle noch nicht ausgeschlüpft waren. Aber dieser für viele Leute negative Umwelt, weil das Wort Massenproduktion auch für viele als negatives wort empfunden wird, war mir nicht bewusst. Ich lernte nur den ersten Engel meines Lebens kennen, der mir meine Kleidung gab, meine Flügel reinigte und mich innerhalb weniger Tage zum sprechen brachte. Denn, das ist eine der ‘supertollen’ Fähigkeiten der Engel, wie Toki so ironisch meinte, dass Engel eine extrem hohe und schnelle Lernfähigkeit haben. Nur, wenn man selbst ein Engel ist, fällt einem das gar nicht so auf. Und so wurde ich in die große, weite Welt hinaus geschickt. In das Himmelsreich Gottes. Kapitel 2: Integration ---------------------- Kapitel 2 - Integration Für mich, die nur die Erziehungshalle meines Erzengels Rillsama gewohnt war, war der erste Schritt in unsere Welt ein echtes kleines Abendteuer. Ich spürte, als ich über die Schwelle trat, zum ersten Mal Gras, denn obwohl Rillsama es mir mehrmals geraten hatte, habe ich meine Schuhe, die das Aussehen von grünen Lackschuhe besaßen, nicht angezogen. Es war einfach zu angenehm, das weiche Gras, dessen kühle Halme sanft meine Sohle kitzelten, zu spüren. Hinter mir lag die Erziehungshalle, ein großes, vollkommen in weiß gekleidetes Gebäude mit barock verzierten Arkaden und einer riesigen Kuppel als Höhepunkt. Ich hatte meinen Geburtsort noch nie von außen gesehen und von hier wirkte es noch viel größer, als ich es innen empfunden hatte. Ich drehte mich einmal im Kreis und fand eine idyllische Landschaft um mich vor. Vereinzelt standen hier und da einige Bäume, die in beruhigendem grün erstrahlten auf einer nie zu endenden Grasfläche. So etwas wie eine Sonne gab es nicht, doch die ganze Landschaft war dennoch von einem gleisenden, wärmenden Licht erfüllt. Auch Wind herrschte nie. Alles stand still und friedlich - lediglich die Spiegelglatte Fläche eines Sees, der sich in meiner Nähe befand, kräuselte sich, als ein anderer Engel mit seiner Hand durch die klare Flüssigkeit fuhr. Rasch lief ich zu dem anderen Geschöpf. Ich empfand den Anblick dieses anderen Ichs als unbeschreiblich schön. Es war das Interessanteste, was mir je im Leben passiert war. Bisher hatte ich nur mit Rillsama einige Worte gewechselt und war mir immer klein und nichtig vorgekommen. Unser Verhältnis war recht kühl gewesen, denn außer einigen kurzen Sprachübungen und Erklärungen zum Gebrauch der Flügel und der anderen Körperteile hatten wir uns nicht großartig unterhalten. Doch nun stand hier ein Lebewesen, wie ich, das auf der selben Ebene stand, wie ich. Cersia hieß sie und war auch erst eine Woche alt. Ihr langes, golden schimmerndes, lockiges Haar fiel ihr locker über den gesamten Körper, an dem sie ein elegantes, weißes Kleid trug, das ihre Reinheit in Kombination mit den tiefblau schimmernden Augen voll zur Geltung brachte. Ihr Handgelenk, das unter dem Ärmel hervortrat, war zart und auch die langen, dünnen Finger, die sich abrundeten und wie öffneten waren hell und rein. Besonders gefiel mir die mit dünnen Bändern und Blüten verzierte, blaue Haarspange, mit der sie einige Strähnen nach hinten gebunden hatte. Irgendwie schien sich Cersia ihrer Vollkommenheit aber gar nicht bewusst zu sein - sie unterhielt sich in höflichem Ton mit mir. Fragte mich, wie ich hieß und lud mich zu sich nach Hause ein. Ich antwortete ihr, dass ich den Namen Fynn erhalten hatte und nahm die Einladung dankend an. Innerhalb kurzer Zeit hatte sich mein Verhältnis zu ihr jedoch stark verändert. Cersia führte mich in die Stadt der Engel und ich musste erfahren, dass alle Engel so ein anmutiges Antlitz besaßen, dass alle diese für mein Empfinden reinen Farben Blau, Gold und Weiß besaßen und elegante Kleider trugen. Auch wenn ich fand, dass Cersia eine der schönsten Engel war, wurde ihr Ansehen für mich immer normaler. Auch unser Verhältnis zueinander änderte sich. Unsere Sprechweise - sie lehrte mich noch einige weitere Wörter, die ich von Rillsama nicht gelernt hatte, weil sie nicht dem gehobenen Sprachstandard zugehörten - und unsere Themen erweiterten sich. Sie nahm mich mit auf Feste, stellte mich den “Anderen” Engeln vor, die sich in ihrer Stimmlage und ihrer Statur von uns unterschieden und integrierte mich in die Gesellschaft. Ich lernte, dass man in zwei Geschlechter unterschied: Männliche und weibliche Engel, die sich aber außer in den signifikanten Merkmalen, die ich oben erwähnt hatte, nicht groß unterschieden. Wir alle waren der Güte Gottes unterworfen, der uns erschaffen hatte und Gesellschaftspflicht war ruhiges, zurückhaltendes Verhalten und das wahren der Gebote, die wir in einer Schule lernen sollten. Wir durften uns auf Festen in Form von Tänzen und Gesprächen vergnügen, wobei ein gewisser Abstandsradius eingehalten werden musste. Wir durften Speisen und Getränke zu uns nehmen, jedoch waren diese nicht zwingend notwendig für uns, weil unsere Körperenergie direkt mit Gott verbunden war. Wir waren sozusagen die Inhaber seiner Kraft - würden aber im Umkehrschluss auch verschwinden, wenn Gottes Kräfte verschwinden würden. Ich tanzte zum ersten Mal in meinem Leben. Und ich tanzte miserabel. Aber bevor ich zum Tanzen kam, fiel mir zum ersten Mal etwas auf. Als ich wartend am Rand der Tanzfläche stand und den anderen weiblichen Geschöpfen zusah, wie sie von männlichen aufgefordert wurden, liefen die männlichen Geschöpfe im Abstand an mir vorbei und warfen mir nur ab und an flüchtige Blicke zu. Oder bildete ich mir das nur ein? Nun, also tippte ich einen der männlichen Geschöpfe an und bat um einen Tanz. Der Angesprochene blickte mich eine Weile unsicher an, nahm dann aber doch an. Doch schon nach einem Lied verneigte er sich und ging. Ein wenig schade, fand ich und teilte das Cersia auch nach dem Tanzabend mit. “Hahah...”, lachte sie und blickte mich grinsend an. “Na kein Wunder. Du siehst ja auch anders als wir aus!” “Wie bitte?”, fragte ich verwirrt und legte meine Stirn kur in Falten. “Na hör mal, du willst mir doch nicht erzählen, dass du noch nie in einen Spiegel oder zumindest auf eine spiegelnde Wasserfläche geschaut hast, oder?”, fragte Cersia noch immer glucksend. “Was ist das - ein Spiegel?”, meinte ich nur verwundert. Ich hörte dieses Wort zum ersten Mal in meinem kurzen Leben. Danach folgte eine Stille des Schocks von Cersias Seite. “Aber...guck mal, deine Haare zumindest...!”, meinte sie, nahm eines der flatternden, grünen Strähnen, die mich ständig verfolgten und hob sie mir vor das Gesicht. “Meine Haare?!”, rief ich erschrocken, als ich begriff, dass Cersia dies grünen Strähnen als meine Haare definierte. Das konnte doch nicht sein! Meine Haare waren doch wohl nicht anders farben als die der anderen! Aber um ehrlich zu sein hatte mich mir darüber nie Gedanken gemacht... Ohne mir lange philosophieren zu lassen, zog mich Cersia zu sich in die Wohnung und stellte mich vor einen körperhohen Spiegel. Und zum ersten Mal sah ich mich. Ich sah ein dünnes Geschöpf, das noch zierlichere Arme als Cersia hatte, das einen kurzen Rock trug, der in leichtem grün gehalten war und an der Hüfte mit einem roten Stein zusammen gehalten wurde. Ärmel hatte mein Kleid keine! Es ging nur bis über mein Decolté und bestaß außer dem Stein keinerlei wunderschöner Verzierungen, wie die anderen Engel sie trugen. Und meine Haare und meine Augen! Beide waren sie in grün gehalten!!! Ich besaß eigentlich keine Farben ,die andere Engel kennzeichneten! Kein Blau, kein Gold, nur eine blasse weißliche Haut... Jetzt verstand ich die Abneigung, die man mir zugeteilt hatte. Ich war ja seltsam! “Sag mal, Cersia...”, begann ich und drehte mich zu meiner Freundin. “Was denn?” “Findest du mich nicht komisch?” “Haha...doch schon. Aber du bist deshalb ja auch interessant.” “Interessant?” “Ja. Und außerdem hast du ein nettes Wesen!” “Das haben hier doch alle...” “Ja, deshalb bist du ja auch nicht so komisch.” “Aber mein Aussehen!” “Ach, jetzt mach dir doch keine Gedanken!” Doch dieser Konformismus hatte mich durch und durch geprägt. Ratlos wandte ich mich an Rillsama, doch dieser meinte nur, dass bei meiner Produktion wohl irgendein Defekt aufgetreten sein müsse und wollte nicht, dass ich weitere Fragen stelle. Meine Laune besserte sich auch nicht wirklich, als Cersia und ich durch Zufall einen männlichen Engel näher kennen lernten. Er war scheinbar ein wenig tollpatschig. Als er Cersia zu einem Tanz herausforderte, trat er ihr mitten im Tanz auf die Füße, sodass sie laut aufschrie und zusammen sackte. Alle drehten sich verwundert zu den beiden um und da packte ich beide und zog sie an den Händen aus dem Saal. “T-Tut mir Leid...ich wollte nicht so laut schreien, das war nur der Schock!”, entschuldigte sich Cersia stammelnd bei ihrem Tanzpartner. “Nein! Ich bin schuld! Schließlich ....bin ich ja so dusselig und trete dir auf die Füße! Dabei sind sie so schön!”, murmelte der Tanzpartner zurück. “W-Wie bitte?”, wunderte sich Cersia und lief rot an. Ich blickte die beiden ein wenig verdutzt an. Sie benahmen sich wirklich komisch...Warum sagt dieser männliche Engel zu Cersia, dass ihre Füße schön waren? Wir hatten doch alle schöne Füße, oder? Und warum waren die beiden überhaupt so aufgeregt? Das konnte doch jedem mal passieren...Doch meine Gedanken wurden mal wieder durch einen Entsetzensschrei des männlichen Engels unterbrochen. “Dein rechter Fuß ist total angeschwollen! Und das ist alles meine Schuld!” “Ach nicht- nicht so schlimm! Mach dir keine Sorgen , das geht schon...” Was sollte das Drama? Diese Verletzung müssten wir doch nur Rillsama bringen, der würde sie sofort heilen...Gerade wollte ich Cersia genau dies vorschlagen, als Toki mir das Wort abschnitt, bevor ich überhaupt sprechen konnte. “Mein Name lautet Toki, Toki Hayer. Und wer seid ihr?” “Cersia, Cersia Foam.” “Ein wunderschöner Name. Cersia, dürfte ich euch zur Heilanstalt bringen?” “Wenn....also...ich möchte euch keine Umstände machen...” “Keineswegs! Schließlich habe ich euch ja in diese Situation gebracht!” Und schon hob er Cersia an und trug sie zu Rillsamas Arbeitsplatz, der Kuppel der Güte, wie die Erziehungshalle mit richtigem Namen genannt wurde. Denn den Namen Erziehungshalle hatte ich dem Gebäude gegeben, weil ich dort aufgewachsen war. Die Kuppel der Güte war der Arbeitsplatz aller Erzengel, die die Geburten verwalteten und hatte seinen Namen auf Grund der Tatsache, dass wir Engel in der Güte Gottes geboren wurden, wofür wir ihn ehren und lieben sollten. Wie dem auch sei - Toki trug Cersia davon zur Kuppel und Cersia rief mir nur “Mach dir keine Sorgen, wir sehen uns später!”, nach und lies mich stehen. Nun, dass er Cersia behilflich sein wollte, wo er schon schuld an ihrer Verletzung war, konnte ich ja verstehen, aber hätte Cersia nicht einfach zu Rillsama fliegen können? Wo war denn da der Abstandsradius? Die folgende Zeit kam Toki immer öfter. Er sprach auch ein bisschen mit mir, aber die meiste Zeit blieb er bei Cersia. Da ich mir immer wieder vorkam wie das fünfte Rad am Wagen blieb ich nun auch öfter weg. Ich schaute mir die Stadt an, die im Gegensatz zu der Kuppel der Güte oder auch Gottes Palast, der im Zentrum der Stadt lag, sehr schlicht gehalten war. Die meisten Häuser waren aus Holz und die Straßen waren nur mit Sand oder Erde belegte Böden. Je weiter man ins Zentrum der Stadt vordrang, desto seltener wurden jedoch die Holzhäuser und immer mehr aus Granit oder anderem Gestein aufgebauten Gebäuden waren da. Auch der erdige Boden wurde abgelöst von einem Steinweg, der je mittiger, desto reichlicher verziert war. Im Zentrum der Stadt, vor Gottes Palast, befand sich ein großer gepflasterter Platz, in dessen Mitte ein Mosaik lag, das einen vollkommen erleuchteten Baum und dessen filigran abgearbeitete mit Engeln und anderen Lebewesen bestückte Wurzeln, darstellte. Gottes Palast selbst war einem römischen Tempel ähnlich, die Säulen, die ein schneeweißes Gebäude stützen, welches mehrstöckig war und dessen Profil von vielen Treppen geprägt war, die sich entweder um einen Vorsprung schlängelten oder nur seitlich am Dach entlang verliefen. Uns Engeln war der Zutritt ohne Ankündigung strengstens untersagt. Und eine Ankündigung durften wir nur in dringendsten Notfällen an Gott richten. Aber was für dringende Notfälle hatten wir schon, wir, die wir in dieser friedlichen Welt lebten? Die ganze Stadt umgab keine greifbare Stadtmauer und dennoch herrschte eine Art Bannkreis vor, sodass ich nicht aus der Stadt gehen konnte. Auch wenn die Stadt nicht gerade klein war - sie bot Platz für über 40 000 Engel - fühlte ich mich plötzlich, da ich die Grenzen erkannte wie in einen engen Käfig gesperrt. Nachdem ich jeden Winkel meiner Welt erkundet hatte, die mir, je deutlicher mir die Grenzen vor die Augen traten, immer enger wirkte, musste ich mich irgendwie anders beschäftigen. Gab es nicht vielleicht irgendwo noch einen Weg hier heraus? Oder waren wir Engel dazu verdammt hier in diese Käfig eingepfercht zu leben? Und zu beschloss ich, in die Schule zu gehen, um mich genauer zu erkundigen. Kapitel 3: Der goldene Käfig ---------------------------- Kapitel 3 - Der goldene Käfig Das Schulgelände war Teil der Kuppel der Güte, also war ich gezwungen, wieder an meinen Ursprungsort zurück zu kehren. Dort angekommen wies man mich in einen Unterrichtraum, wie man ihn sich als Mensch vorstellt: Bücher, Holzbänke und Mitschüler mit einem Lehrer. Für mich war das alles sehr neu, aber wenn ich heute so darüber nachdenke, kommt es mir schon ein wenig seltsam vor, wie im menschlichen Mittelalter unterrichtet worden zu sein, wo wir Engel ja mühelos Informationen aufnehmen und speichern konnten wie USB-Sticks; aber hier trotzdem langsam, Schritt für Schritt, unsere Lektionen lernten. Das erste, was man mir einbläute, waren die 10 Gebote. Dabei handelt es sich aber nicht um genau die Gebote, wie man sie heute aus der Kirche kennt; also zum Beispiel die christlichen: (...) 2 Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. 3 Du sollst neben mir keine anderen Götter haben. 4 Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde. (...) 10 Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, dein Vieh und der Fremde, der in deinen Stadtbereichen Wohnrecht hat. Sondern “unsere” 10 Gebote lauteten da: 1. Wende dich keinem anderen als Gott zu. 2. Töte keinen deines Blutes. 3. Triffst du einen Engel bösen Blutes, wie alle Anhänger Satans, so töte ihn. Denn dieses Monster ist deiner Sprache, deines Anblickes und deiner Seele nicht wert. Satan und dessen Gefolge sind deine Feinde. 4.Stelle keinen Befehl in Frage, denn Gott ist allwissend. (...) 10. Halte dich an die Gebote, denn dein Verstoß wird mit dem Tode bestraft. Die Gebote, die Engel zu beachten hatten, waren detailliert und streng auf die Zerstörung Satans und der Ehrung Gottes ausgerichtet. Ich lernte brav und stellte mir die Schwarzengel wie Monster mit einer Fratze und gewaltigen Waffen vor, die mit ihren schwarzen Schwingen unsere Welt und die andere Welt, die ich noch betreten sollte, ins Chaos stürzten. In den Büchern fand sich kein Bild der so genannten Schwarzengel, doch der Lehrer, ein Erzengel hoher Klasse mit glänzend weiß-goldenen, langen Haaren betonte immer nachdrücklich, wie gefährlich und verdorben diese Schwarzengel seien, die dort “draußen” auf uns warteten. Wesen, die nichts als Zerstörung im Kopf hatten, die und sofort töten würden und die einzige Lösung ihre Beseitigung wäre. Je länger ich zur Schule ging, desto unheimlicher wurde mir die Welt “draußen”. Unsere erste Aufgabe, die noch recht einfach war - meinte zumindest unser Lehrer - wäre es, Albträume, die Schwarzengel in den Köpfen der Menschen zerstreuten, mit einem Traumfänger einzufangen und somit zu vernichten. Um im Falle des Kampfes bereit zu sein, bekamen wir Schüler Fechtunterricht und auch allgemeine Kampftechniken beigebracht. Unsere Traumfänger besaß auch eine Spitze, an der man den Schwarzengel dann abstechen konnte. Aber ich war ganz und gar nicht erpicht darauf, zu kämpfen. Ich war zwar sehr wendig und beherrschte die Techniken gut, wofür ich auch gelobt wurde, aber dennoch kamen mir Zweifel auf. Was passierte denn, wenn ich einen Schwarzengel tötete? Als ich die Frage meinen Kampflehrer stellte, antwortete er nicht und verwies nur auf die Gebote. Fragen durfte ich hier nicht stellen. Das Bild des Käfigs trat immer deutlicher in mir hervor. Ich hatte so viele Fragen, aber keiner, der sie hätte beantworten können, wollte sie mir beantworten. Über den Tod oder das töten konnte ich mit Cersia nicht sprechen, da sie noch nie “draußen” gewesen ist und sich auch nicht den Kopf darüber zerbrochen hat. Theoretisch hätte ich noch andere Engel ansprechen können, die schon einmal draußen gewesen sind, doch ich machte mir nicht mehr die Hoffnung, eine Antwort zu bekommen. Was denn passieren könnte, würde ich ja dann selbst sehen. Und so schaffte ich es, meine Angst vor der gefährlichen Welt “draußen” hinten anzustellen und statt dessen kam in mir immer stärker der Drang auf, die Welt “draußen” zu erkunden und endlich aus diesem Käfig frei zu kommen. Nach wenigen Wochen (so würde ich die Länge beschreiben, wenn ich in menschlicher Zeit rechnen würde, wobei es im Himmelsreich ja keine Nacht gab, mit Hilfe welcher man die Zeit hätte einteilen können) durfte ich endlich meinen ersten Schritt nach “Draußen” machen. Man führte mich zu einem Portal, das sich nur für gekennzeichnete Engel, die ihre Ausbildung abgeschlossen hatten, öffnete. Es war vollkommen harmlos, könnte man sagen. Wie auch noch weitere Portale befand es sich zwischen zwei Hütten der Hauptstadt. Es hatte weder einen prächtigen Rahmen noch sonst irgendein besonderes Merkmal wie z.B. ein Leuchten oder Sonstiges. Es war schlicht und einfach eine Art Loch, durch das man in eine andere Landschaft blicken konnte. Und so lief ich auf das Portal zu und überschritt die Grenze. Ich erwartete nichts, weil ich das ja noch nicht kannte, aber jetzt so im Nachhinein würde man vielleicht ein ein Geräusch oder irgendetwas erwarten, wo man doch in eine andere Welt trat...Aber da war nichts, ich ging einfach weiter, lief ein Stück in der Luft, blickte mich nochmals in Richtung meiner alten Welt um und - fiel. Und zwar ein ganzes Stück, bis ich schließlich auf einem weichen, von Blüten übersäaten Boden aufkam. Erschrocken fuhr ich nach oben herum und suchte nach der Stelle, von wo aus ich ungefähr gefallen war und fand mitten in der Luft einen winzigen, schwarzen Rundbogen vor, der allmählich, immer schmaler werdend, verschwand. Man hatte mir erklärt, dass diese Portale überall, an jeder Stelle des Traumes geöffnete werden konnten und dass, falls dies in der Luft sein sollte, auch wegen unserer Fähigkeit, fliegen zu können, kein Problem sei...allerdings hatte ich ein großes Manko: Ich konnte nicht fliegen! Das mag jetzt vielleicht komisch klingen, weil Engel ja sich angeblich vom Menschen durch ihre Flügel und somit ihrer Fähigkeit, Fliegen zu können, unterscheiden. Aber es war eine Tatsache: Ich konnte prima am Boden kämpfen, aber Fliegen konnte ich kein Stück. Trotz Flügel. Also rieb ich mir kurz die Hände, stand auf, nahm meine Waffe, den Traumfänger, der aus einer langen Stange, einem Fangnetz und dem aufgesetzen Stachel bestand, und blickte mich ausgiebig um. Ich wurde hierher geschickt, weil der Traum mich “auserwählt” hatte. Das heißt, dass Engel von unterschiedlichen Eigenschaften eines Traumes angezogen wurden, der sie dann um Hilfe, um Befreiung “bat”. So stand es zumindest im Lehrbuch...Aber wo sollten hier Albträume sein? Diese kleinen, stacheligen Kugelmonstern mit zu Schlitzen verengten Augen? Hier war nichts als eine unendliche Blumenweise. Dabei standen die Blumen aber so dicht, dass die Stängel nicht mehr zu stehen waren. Ich watete eine Weile durch das Blumenmeer, vorbei an Bäumen, die ebenfalls von diesen rosa und gelben Blumen als Baumkrone besaßen. Beim Gehen kam mir erneut eine Frage: Wie erschuf Gott eigentlich diese ganzen Sachen? Und wie wurde er erschaffen? Lange blieb mir zum Grübeln jedoch nicht, denn plötzlich zeichnete sich vor mir ein Gegenstand ab, der absolut nicht in dieses Bild von einem Blumenmeer passte: Ein fasst vollkommen schwarzer Gegenstand. Irritiert ging ich darauf zu und erkannte die schwarzen Flügel. Kapitel 4: Eine kennzeichnende Begegnung ---------------------------------------- Kapitel 4 - Eine kennzeichnende Begegnung Ich erstarrte augenblicklich. Das war einer. Ein Schwarzengel. Ich blinzelte. ‘Komisch’, war mein erster Gedanke, ‘Der sieht ja ganz anders aus wie ich ihn mir vorgestellt hatte.’ Da war kein Monster mit großen Klauen oder Waffen und auch keine riesige Waffe...Er sah aus wie ein Gottesengel. Nur mit dem entscheidenden Unterschied, dass er andere Farben besaß: Seine langen, glatten Haare waren schwarz mit einem lilastich und seine Kleidung, wie auch seine Schwingen waren dunkel. Der Schnitt der Kleidung unterschied sich auch von unserem: Er war eher schlicht: Ein langärmliges Hemd, ähnlich aufgeteilt wie chinesische Kleidung, eine Hose ebenfalls schlicht. Und trotzdem eigentlich genau das selbe Lebewesen, wie ich... Aber dann kamen mir wieder die Worte meines Lehrers ins Ohr: “Hinterlistig”, “...wollen dich vernichten...” , “...Monster...”. Ich umklammerte meine Waffe fester. Dann trat ich ihm entgegen, bis ich nur noch wenig von ihm entfernt stand. Er regte sich nicht. Seine Arme lagen verschränkt hinter seinem Kopf, der Kopf war angelehnt an einen Baum, der hinter ihm stand. Seine Augen waren geschlossen. Da war keine Fratze, sondern genauso ein Mund wie meiner und eine Nase. Ich atmete tief. Dann brachte ich endlich, stockend, ein paar Wörter heraus: “I-Ich - ich werde dich jetzt töten!” Die Augen des Schwarzengels schlugen schlagartig auf und ich schreckte zurück. Das Lila in seinen Augen - sein Blick durchbohrte mich. Seine Augenbrauen drückten seine Augen nach unten, sein Mundwinkel schien mir mehr nach unten gerichtet als zuvor. Er war schön. Trotz des bösen Blickes, der mir ein mulmiges Gefühl in der Magengegend erzeugte. “Hörst du? Ich töte dich jetzt!!”, schrie ich ihm entgegen, vollkommen paradox verlaufend zu meinen Gedanken. Meine Hand, mit der ich meinen Traumfänger auf ihn richtete, zitterte stark Meine Zähne klapperten auch ein wenig und ich hatte das Gefühl, dass mir die Beine jeden Moment versagen würden. Dennoch blickte ich ihm weiterhin in die Augen. “Verschwinde.”, warf er mir nur in lautem und hasserfüllten Tonfall entgegen. “Verzieh dich, Gottesengel.” Und das Gottesengel sprach er so betont und scharf aus, dass ich, ohne zu wissen warum, verletzt war. Ich war ein Gottesengel, ja und? Und er ein Schwarzengel. Ein Schwarzengel.....Meine Gedanken rasten. Er war ein Schwarzengel, ich musste ihn töten. Aber warum? Wenn ich ihn töte, einen, der mir so gleich ist...töten, das hieße, sein Leben auszulöschen. Aber er will doch sicher weiter leben? Er hatte doch bestimmt genauso Gefühle wie ich? Aber wenn er lebt, dann wird er Alles zerstören, schließlich ist er ja ein Nachkomme Satans...aber...wie kann es sein, dass ein Nachkomme Satans mir so ähnlich sieht? Wenn Satan doch das Gegenteil von Gott ist....Oder ist das nur ein Trick, verwandelt er sich in einen Gottesengel, um Vertrauen zu erzeugen? Aber er will doch kein Vertrauen, schließlich meinte er doch, ich solle Verschwinden....ich musste ihn töten....sonst tötet er mich vielleicht...aber warum steht er dann nur so da und starrt mich an? Warum zückt er nicht seine Waffe? Warum....wo ist das Monster? Nach einer langen Gedankenpause wrang ich mich endlich zu ein par Worten heraus: “Aber...ich muss dich doch töten....”, nur kam ich mir bei diesen Worten so verloren vor, dass ich ihn fragend anblickte. “Hau ab.”, kam es nur wieder von seiner Seite. “Das kann ich nicht! Meine Aufgabe lautet, jeden Schwarzengel zu töten, den ich sehe!” “Du nervst.” Und mit diesen Worten, riss er mir meinen Träumfänger mit solcher Geschwindigkeit aus der Hand, dass mir nur ein Schatten vor Augen trat - und - mein in zwei Teile zerbrochener Traumfänger! “NEIN!! MEINE WAFFE!!”, schrie ich ihm entgegen, aber er blickte mich nur ein wenig unverständlich an. “Gott schickt dich mit ‘dem da’” - wobei er verächtlich auf das Kopfstück des Traumfängers mit seinem kurzen Stachel, blickte - “in den Kampf?!” “Ja..na und?” “Wie - ‘na und’?”, äffte er mich nach. “Mit dem Teil kannst du nicht mal ein Kaninchen erschlagen! Naja, erschlagen schon, aber nicht erstechen...” “Was ist denn ein Kaninchen?”, fragte ich ahnungslos. Das Wort war mir noch nie in meinem Sprachwortschatz aufgetaucht. “B-Bitte was?!”, blickte mich der Schwarzengel fassungslos an. “Du - kennst - keine Kaninchen?!” “Nein.”, gab ich entschlossen zurück. “Verdammte Scheiße, nein!” “Wie bitte?”, von seinem letzen Ausdruck hatte ich nicht mal die Hälfte verstanden. Aber er muss sich wohl ziemlich aufgeregt haben...er hatte immer noch diesen fassungslosen Blick... “Sag mal - mit was für einer Weltfremdheit schickt man euch Engel eigentlich in die Welt?! Ach egal...kann mir doch Wurst sein....”, fasste er sich wieder. “Verschwind einfach...Mach die Fliege, los, nimm deine wohlgepflegten Flügel und entschwinde in dein warmes Nest!!” “Du meinst, ich soll fliegen?” “JA VERDAMMT!!!” “Aber...ich würde ja gerne...”, murmelte ich und scharrte mit getrübtem blick nach unten, “Aber ich...kann nicht....” “Wie, du kannst nicht? Töten kannst du mich jetzt eh nicht mehr, dann hau lieber ab, bevor ich dich zu Hackfleisch verarbeite!!” “Nein, ich meinte....ich kann nicht fliegen....”, gab ich kleinlaut zu. Und dem Schwarzengel platze wortwörtlich der Kragen. Er kugelte sich vor mir auf dem Boden vor Lachen. Obwohl ich Lachen als etwas positives kannte, kam ich mir plötzlich unheimlich peinlich vor. Was war denn so lustig daran? Ich wusste ja, dass ich ein gewisses Manko hatte.... “Du - “, japste der Schwarzengel und seine Augen tränten vor Lachen - “Du kannst nicht fliegen?!?!?!” Ich schwieg nur noch. Ich kam mir so entsetzlich blöd vor. “Sag mal...du verarscht mich gerade, oder?!” “Was heißt verarschen?” “Reinlegen.”, antwortete er halb ernst. “Nein.” Auf meine Antwort hin schüttelte der Schwarzengel nur den Kopf, noch immer mit einem Kräuseln auf den Lippen. Dann schluckte er kurz und blickte mir ernst ins Gesicht hinauf. “Oh- mein - nein, ich sprech’s nicht aus....”, murmelte er. “Sag mal...was bist du denn für ein Wesen? Ein Engel”- und er musste wieder glucksen. “- der nicht Fliegen kann?” “Ich weiß doch, dass ich komisch bin!! Das - das....”, am liebsten hätte ich geflucht, aber da mir die Worte zum Fluchen fehlten, zischte ich vor Wut einfach nur, was der Schwarzengel äußerst amüsant fand. “Das ist nicht lustig!”, rief ich ihm der Verzweiflung nahe entgegen. “Ich bin wütend.” “Ja dann fluch doch!” “Das kann und darf ich nicht!!” “Das ist ganz einfach...wie wäre es mit z.B. ‘*Himmel, Ar..’ Moment, das ist glaub ich zu hart für’nen Gottesengel...ähm...dann eben ‘verdammt nochmal’!” “Ver - ?”, setze ich schon an, um ihm nachzusprechen, doch sofort blieb mir die Zunge stecken. Ich konnte mir doch von einem Schwarzengel nicht beibringen lassen, wie man flucht! “Ach, dürft ihr lieben, netten, kleinen Gottesengelchen keine Flüche aussprechen?”, erriet er meine Gedanken. Ich blieb stumm. Was hätte ich auch erwidern sollen? Jetzt musste ich auch noch einem Schwarzengel bestätigen, dass er im Recht steht! Und ich fing an, zu wimmern...ich stand wirklich am Rande der Verzweiflung! Was würden die Lehrer in Gottes Reich mit mir machen, wenn ich ihnen einen kaputten Stab zurück brächte und wenn sie erfahren würden, dass ich mich mit einem Schwarzengel unterhalten hatte und unfähig war, ihn zu töten??? Und was sollte ich jetzt machen? Wer sagte mir, ob er mich nicht am Ende dieses netten, kleinen Gesprächs ohne Erbarmen einfach umbringen würde? Ich sackte zusammen. “Hab ich dich zur Verzweiflung gebracht?”, hakte der Schwarzengel wie mir schien genüsslich nach. “Ja.”, erwiderte ich trotzig und mir liefen Tränen die Wangen herunter. “Na, na, na, wer wird denn da gleich weinen? Besonders resistent seid ihr Gottesengel ja nicht.”, meinte er mit ruhigem Tonfall. “Am besten wäre es, wenn du mich gleich umbringen würdest..aber ich darf ja nicht sterben, weil ich einen Teil von Gottes Kraft beinhalte und ...und....ich kann aber auch nicht zurück...und außerdem willst du mich sowieso töten....aber ich will nicht sterben....”, stammelte ich irgendwelche Satzbrocken. Mir drehte sich einfach alles im Kopf, meine Gedanken waren vollkommen durcheinander, ich wollte einfach nur meine Wut, meine Verzweiflung - alles los werden. Wobei ich natürlich nicht genau drauf achtete, was ich von mir preis gab... “Du beinhaltest Gottes Macht? Das heißt, wenn alle Engel sterben würden, wäre Gott auch futsch?” “Futsch?” “Tot. Verreckt. Er würde ins Gras beißen.” “Ja.”, lief es mir über die Lippen wie gelernter Schulstoff im Unterricht. Schule...ich würde nie mehr in meinen schönen goldenen Käfig zurück kehren...Cersia und diesen neuen Engel Toki nie mehr wieder sehen...und ich ergoss mich weiter über dem riesigen Blütenmeer, auf dem ich saß. Alles erschien mir so falsch. Ich saß hier in einem wunderschönen Feld von Blumen und verzweifelte, ich unterhielt mich mit einem Schwarzengel, den ich eigentlich töten sollte und..ich war auch falsch, ein Produktionsfehler, der falsche Farben hatte, der nicht fliegen konnte....und dann hatte ich wieder Angst zu sterben...aber wäre es nicht besser wenn? ... nein, ich durfte nicht...ich bin Schuld, wenn der ehrenwerte Gott Energie verlieren würde... Ein wenig unschlüssig stand der Schwarzengel neben mir und sah mir zu, wie ich in immer tiefere Depressionen versank. Er lief um mich herum, vielleicht schaute er sich auch um und schließlich beugte er sich zu mir herunter. “Hey, hörst du?”, flüsterte er mir ins Ohr. “Ich werde dich nicht töten.” Überrascht blickte ich ihn an und mir wurde sofort leichter ums Herz. “Du wirst mich nicht t-“, wollte ich ihm fröhlich entgegen rufen, doch er hielt mir mit der Hand den Mund zu. “Bist du verrückt, das hier rumzuschreien?!”, flüsterte er mir mit ernstem aber gleichzeitig ein wenig ängstlichen Blick abermals ins Ohr. “Wenn meine Leute raus bekommen, dass ich einen Gottesengel hab laufen lassen....fliegen kannste ja nicht.... dann bin ich dran!” “Würde es nicht reichen, wenn die uns hier sehen würden, wie wir uns unterhalten? Statt uns zu bekämpfen?” “Nö, schließlich könnte ich ja ‘ne Menge Informationen aus dir herausquetschen, bevor ich dich elendig verrecken lasse...”, erklärte er mir. “Was war ‘Verrecken’ nochmal?” “Tö-ten. Mensch Engelchen erweiter’ mal deinen Wortschatz...” “Du? Weißt du was?” “Hm?” “Du hast ‘ne komische Sprache.” “Als ob du da besser wärst! Mir hat ‘n Kumpel mal von einem Gottesengel erzählt, der ihn mit irgendwelchen Beschwörungsfloskeln zugeschwallt hat, bevor er versucht hat, ihn umzulegen.” Ich überlegte. Kumpel? Vielleicht ein anderes Wort für Kamerad? Zuschwallen...was macht man mit Beschwörungsfloskeln....sie beschwören? Also zuschwallen = beschwören? Umlegen....ach ja! Das war töten! Nach meinem langen Denkprozess, den ich mit nachdenklichem Gesicht, mit dem Blick auf den Boden gerichtet vollzog, wandte ich mich wieder dem Schwarzengel zu, der mich angrinste. Aber nicht unbedingt böse; sein Augenbrauen lagen weich auf der Stirn und ein Mundwinkel war leicht nach oben gezogen. “Du...bist wohl wirklich ein wenig langsam...” “Langsam? Gar nicht wahr! Ich bin sogar sehr schnell - naja im Vergleich zu den anderen Gottesengeln!”, verteidigte ich mich, wobei ich mich natürlich auf meine Kampftechnik auf dem Boden bezog. “Ach? Das geht noch langsamer?!”, wunderte sich der Schwarzengel, wobei er sich keine Mühe machte, in seiner Stimme deutsch zu zeigen, dass er keine hohe Meinung von den Gottesengeln haben musste. “Nun ja....”, murmelte er und lies sich nach hinten fallen. “Und da will uns Satan Angst machen von wegen, die werden euch alle vernichten....wenn ihr alle so einen langsamen Denkapparat habt - “ “-Moment!”, unterbrach ich ihn.”Satan meint, wir wollten euch vernichten?” “Ja. Und das versucht ihr ja scheinbar schon mit allen Mitteln. Ich hab schon von dutzenden Fällen gehört, wo irgendwelche von uns von total fanatisch besessenen Gottenengeln verfolgt wurden....Wobei sich bei weitem keiner von diesen Gottesengeln so bescheuert angestellt hat, wie du...” “Bescheuert?” “Ja. Ungeschickt meine ich.” “Ist bescheuert = ungeschickt?” “Nein. Bescheuert ist ähm..naja..dumm und ungeschickt in einem.” “Achso...Ähm...ja. Dann bin ich also dumm und ungeschickt...” “So direkt würde ich das nicht sagen...Nein, Spaß bei Seite. Tut mir Leid, wenn ich manchmal ein bisschen sehr ironisch bin...ist eigentlich nicht wirklich meine Art. Es ist nur..ich hab einfach was gegen Gottesengel. Ich mein - ist ja auch normal, wenn man ein Untertan Saaatans ist...bei der Erziehung...aber ihr macht euch auch nicht gerade beliebt. Wenn ihr dann wie Monster hinter uns herjagt und versucht uns mit einem Zahnstocher zu pieksen!” “Ihr seid doch die Monster! Ihr tut doch Böses, vernichtet alles Gute und verteilt Albträume!!!” “Na na...wir sind nur ganz unschuldige Arbeiter, die bei Satan ein bisschen Kohle abbauen und verheizen....Und die Kleinigkeit mit den Albträumen kannst du bei mir so oder so vergessen - da”, rief er und zeigte auf einen Eimer, der aber so flach war, dass er fast schon in den Blumen unterging. - “Da sind meine Albträume drin, die ich verteilen soll. Aber wer bin ich denn!? Die holde Blumenmagd, die dann zur Hochzeit von Gott und der Welt Albträume verstreut?! Da kann man die Zeit hier doch viel sinnvoller für ein kleines Päuschen oder Pläuschen nutzen...” Ich blickte ihn unsicher von der Seite an. “Was ist?”, fragte er, doch seine Stimme war sonderbar weich... “Du....du bist mir suspekt...”, grummelte ich und umschlang meine Beine mit den Armen. “Ja, du mir auch.”, bestätigte der Schwarzengel wie selbstverständlich, als hätten wir uns gerade über das Wetter unterhalten. “Du hast mein Weltbild zerstört...” “Ja, du meines auch. Und?”, fragte er und blickte mich herausfordernd an. Ich musste seit Langem endlich mal wieder lachen. “Jetzt tu nicht so, als ob das was selbstverständliches wäre!!”, rief ich ihm halb lachend entgegen. “Naja. Ist zumindest genauso normal wie wir zwei.”, grinste er mir entgegen und ich merkte, wie er sein eigenes Lachen unterdrückte. “Darf ich fragen, wie du heißt?” “Ich heiße Fynn, Fynn Fish. Und du?” “Access, Access Time.” Er lächelte. Und auch wenn ich so nicht denken sollte, empfand ich ihn als angenehm. Irgendwie beruhigend. Auch wenn er ein Schwarzengel war und so unfreundlich gewesen war. Und so lächelte auch ich ihm zu. “Fynn, wie wäre es mit einem Handel?” “Was für ein Handel?” “Na ich reparier dir deine ‘Waffe’ und kipp dir meine Albträume in den Traumfänger und dafür kommst du mich wieder besuchen, wenn ich Schicht hab. Wie wär’s?” Ich stockte. Ich fand das unheimlich großzügig von ihm. Aber konnte es nicht sein, dass er mich nur hinter’s Licht führen wollte? Wie vorhin schon erwähnt Informationen aus mir heraus quetschen wollte? Aber andererseits...wenn ich ablehnte, wer garantierte mir dann noch, dass ich lebend zurück in das Reich Gottes kehren würde? Und so ging ich den Handel ein. “Gut.” “Und damit ich weiß, in welchem Traum du dich aufhälst, geb ich dir das hier.”, sagte er und legte mir, ehe ich noch etwas erwidern konnte, ein schwarzes Band um den Hals. “Aber - aber wenn das einer der Wachposten an den Portalen merkt!”, versuchte ich mich heraus zu winden und wollte das Band abnehmen. Doch ich wusste nicht, wie ich es hätte wieder öffnen können. “Nun, dann wollen wir ein bisschen von Satans Macht missbrauchen.”, trällerte er vergnügt und hielt seine Hände vor meinen Hals. Dann schloss er sie Augen, vorüber sich seine Stirn kurz in Falten legte und warmes, bläuliches Licht aus seinen Händen in das Band floss. Ich wollte zurück weichen, aber ich konnte nicht. Ich war wehrlos. Schon nach wenigen Sekunden entließ mich Access dann aber. “Jetzt ist es für diese Wachposten unsichtbar.”, erklärte er und zwinkerte mir zu. “Und wenn du das nächste Mal kommst, bring ich dir das fliegen bei, ja? So was muss man einfach lernen...” Ich blickte stumm und sorgenvoll auf den Boden. Ich wusste jetzt schon, dass ich nie mehr wieder das Reich Gottes verlassen wollte. Schon gar nicht, weil ich jetzt unter ständiger Bedrohung eines Schwarzengels stand. Aber andererseits war er so freundlich....Ungewöhnlich freundlich für einen, der mein tiefster Feind sein sollte... Ich beschloss, es bei einem schüchternen Nicken zu belassen und wandte mich zum Gehen um, aber darin bestand schon mein nächstes Problem. Ich konnte mit meiner Waffe Dimensionsportale öffnen, nur leider hingen die mitten in der Luft...Also musste mit Access da aushelfen... Und so umarmte er mich von hinten und flog mich kurz vor das Portal, wohin ich hinein sprang. Zu meinem glück, da gleich hinter dem Portal ein Wächter gerade in Richtung Stadt blickte. *Himmel, A**** und Zwirn = schwäbischer Kraftausdruck Kapitel 5: Was nun? ------------------- Kapitel 5 - Was nun? Nach meiner Ankunft konnte ich weiterhin getrost zur Schule und den anderen Tätigkeiten der Gottesengel nachgehen. Man bot mir einen Harfenkurs an, aber ich lehnte ab. Irgendwie kam ich mir seltsam vor. Ich blickte mich um, in meinem goldenen Käfig. Sah die Landschaft, so unbekümmert und friedlich. Sah die Gottesengel, so unbekümmert und friedlich. Alles stand still. Alles bewegte sich und war zugleich still. Jetzt, wo ich ein kleines Stück von der Welt ‘draußen’ gesehen hatte, kam mir das Leben hier eintönig vor. Es war sicher schön, auf einem Ball zu tanzen. Oder einen Teil seiner Kraft bei einem Kampftraining unter Beweis zu stellen. Sicherlich war auch die Schule interessant, aber dennoch fehlte mir etwas. Vielleicht ein paar dunklere Farben? Hier, wo alles in Licht getaucht war, alles nur kleine Schatten besaß und von Farben wie blau, weiß und grün dominiert wurde... Ich erinnerte mich an den Schwarzengel mit seiner dunklen Kleidung und der lila-schwarzen Haarfarbe....Und immer wieder verdrängte ich den Gedanken an ihn. Ich wusste, dass ich bald wieder in die Träume von Menschen geschickt werden sollte, aber ich hatte schon seit dem ersten Moment, wo ich wieder in Gottes Reich getreten war, beschlossen niemals wieder zurück nach draußen zu gehen; wenn mir mein Leben lieb wäre...Der Schwarzengel war weder mein Lehrer noch mein Freund, sondern mein Todfeind, der die Aufgabe hatte, mich zu beseitigen. Ja, wahrscheinlich hatte er sich nur mit mir unterhalten, weil er Informationen über Gottes Reich und seine Macht bekommen wollte. Und ich Idiot hatte ihm sogar Welche gegeben....Wütend über mich selbst schlug ich mir mit den Fäusten auf den Kopf. Seine Worte flirrten mir immer und immer wieder im Kopf herum: ‘...Access, Access Time....weltfremd....tut mir Leid, bin sonst nicht so ironisch...’ Sein Lachen, seine bösen Blicke und wieder das Lächeln. Er war ganz anders als diese Gottesengel hier. Komisch. Aber auch irgendwie etwas Besonderes. Ob alle Schwarzengel so waren wie er? Vielleicht...aber auch die Gottesengel unterscheiden sich voneinander. Schon komisch..obwohl wir alle aus Gott entstanden sind, sind wir alle verschieden..... Ich drehte eine Runde um den See. Cersia hatte ich seit längerem nicht mehr gesehen. Und den anderen männlichen Engel auch nicht. Wohin die beiden wohl verschwunden waren? Ich seufzte und ließ mich am Uferrand nieder, zog die Schuhe aus und ließ meine Füße ins Wasser gleiten. Ein seltsames Gefühl. Das hatte ich zuvor nie ausprobiert....eine kühle Flüssigkeit, die sich rasch um meine Hat schloss. Ich fühlte mich, als hätte man mir noch eine weitere kühlere Haut um die Füße gelegt. Ich schwenkte mit dem Füßen im Wasser umher. Er kribbelte ein wenig, aber es kitzelte nicht. Einfach so schwenkte ich die Füße im Wasser. Schön war das. Aber nach einer Weile wurde mir das langweilig....es verlor völlig den Reiz. Enttäuscht starrte ich auf die Oberfläche des Sees und verfiel abermals meinen Gedanken. Letzendlich hatte ich aber keine Wahl mehr, weil man mich von der Schule aus zwang, nach ‘draußen’ zu gehen. Ich habe so gute Dienste geleistet, also solle ich nochmals gehen, meinte Rillsama. Und keine Angst haben. Wenn die wüssten....aber sie wussten es nicht. Und ich konnte es ihnen unmöglich sagen.....Und so schickten sie mich ein weiteres Mal in die Traumwelt. “Nicht stoßen!!”, wollte ich gerade noch rufen, als mich der Wächter zum spaß schon durch das Portal geschubst hatte. “Aiaiaiai!!”, schrie ich und landete mit einem lauten ‘Flopp’ in einem Blumenmeer. - Schon wieder? War ich denn in den Traum des gleichen Menschen gefallen, der das Gleiche nochmal träumte? Das war noch äußerst ungewöhnlich... Ich richtete mich auf und blickte mich um. Tatsache. Die tupfengleiche Blumenwiese und ihre Bäume. Seltsam. Nun gut, es soll auch eintönige Menschen geben...warum dann nicht auch eintönige Träume? Ich schluckte. Mein altes Problem fing wieder an, mich zu beschäftigen: Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass mich der Schwarzengel unter all diesen Menschen und ihren Träumen wiederfand? Eigentlich 1:6.000.000.000 ...oder so.....erleichtert seufzte ich. Wovor hatte ich denn Angst? Nun. Die Frage wurde prompt zwei Sekunden später beantwortet, als eine Hand meine Schulter packte und meinen Körper in Richtung ihres Besitzers drehte. “Fynn!”, rief mir der Schwarzengel Access strahlend entgegen. Oh Backe... “Ähm....hallo, wie....geht’s dir?”, antwortete ich unbeholfen und versuchte mit Hilfe von Gesten die Worte aus mir heraus zu würgen. “Lass die Floskeln. Freut mich, dass du gekommen bist! Mir war schon so langweilig...habe jetzt schon ein paar Mal Dienst gehabt, aber du bist nie da gewesen...” “Äh... ja....ich...kann nicht so oft raus...”, versuchte ich mich herauszuwinden. Schließlich war seine Aussage ja schon eine halbe Bitte, dass ich öfter kommen sollte! Er sprach mit mir, das wären wir schon die besten Freunde und dabei waren wir Erzfeinde! Ich schluckte. Mal wieder. “Sollen wir uns setzen?”, fragte er höflich. “Nun....” “Du musst natürlich nicht, wenn du nicht willst”, meinte er mit beruhigender Stimme, setzte sich dann aber selbst in den Schneidersitz und blickte mich von unter her an. Seine Augen waren weit geöffnet, kein Hauch von Hass war darin zu sehen. Nein, im Gegenteil..es war eher Wärme...und das bei dieser Farbgebung...Die großen Pupillen, umspielt von einem lila-schattenen Kranz hauchdünner nach außen strebender Linien und schimmernden Lichtern ergab das Bild seiner Augen. Es bestand aus lauter kleinen Details, im Zusammenklang einem Kaleidoskop gleich...eine ganze Weile blickte ihc ihm fasziniert in die Augen. Er wich meinem Blick nicht aus. Mandelförmig schlossen seine mit geschwungenen Wimpern bestückten Lieder ab, über denen locker die dichten Schwarzen Haare zu Strähnen gebündelt herab hingen und leichte Schatten auf die reine Haut warfen. Sein ganzes Erscheinungsbild strahlte Freihait für mich aus - die langen schwarzen Haare waren eigentlich unordentlich zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden worden, derart, dass die Hare vor den Ohren nicht in das Band eingeschlossen wurden, sondern lässig in Strähnen herab hingen. Die Unordnung aber stand ihm, passend zu der lässigen Haltung, die er einnahm. An den Ärmeln seiner Kleider zeichneten sich bereits recht gut ausgeprägte Armmuskeln ab, aber er wirkte dennoch sanftmütig, wie er so seine Hände hielt - die langen Finger leicht geknickt. “BUUUH!”, rief er mir plötzlich entgegen und stand, noch bevor ich einen Schrei loslassen konnte, direkt vor mir und blickte mir frech in die Augen. Starr vor Schreck blickte ich zurück und stammelte. “Äh....äh...warum hast du...- ?” “Dich erschreckt? Einfach so! Du warst so in Gedanken und da bot es sich eben an.” Er grinste, zwinkerte kurz und sah mich wieder mit diesem weichen Blick an.... “Hör mal”, setzte ich an und er hörte mir wieder mit ernster Miene zu. “Wir sind doch Feinde, oder?” “Formell ja.”, antwortete er mir. Dann ging er ein paar Schritte und drehte sich auf dem Absatz zu mir um. “Aber das ist mir egal. Wenn Gott und Satan ihre Streitereien austragen wollen, sollen sie das machen. Aber ich finde, dass wir uns da keine Gedanken machen müssen. Und solange uns hier niemand sieht, stört es auch keinen. Ich möchte gerne mit dir befreundet sein, Fynn.” “Befreundet?”, wiederholte ich zaghaft. So seltsam es klingen mag, aber ich fand dieses Wort in diesem Moment angebracht ohne aufzuhören mich zu fragen, ob hier nicht einges falsch oder verkehrt war. “Du kannst ja ein bisschen darüber nachdenken, wenn du möchtest. Aber nicht jetzt. Unsere Zeit ist ja leider begrenzt. Willst du mir nicht etwas über Gottes Reich erzählen?” Meine Warnblinklampen leuchteten auf. “Nein.”, antwortete ich. “Ich darf nicht. Du bist ein Schwarzengel.” “Na gut, dann erzähle ich dir ein bisschen was von meiner Welt, wenn du das hören möchtest.” “Ja - “ brach es leise aus mir heraus und ich brach ab, um nachzudenken. Ist er so leichtsinnig, mir Informationen zu liefern? Oder warum wollte er das erzählen? Auch wenn ich ich wunderte, wollte ich unbedingt seine Welt kenne lernen! Das war unheimlich spannend für mich. Also entschloss ich mich, mich einfach über die Info so freuen und antwortete nochmals: “Ja, gerne.” Und Access erzählte. Von riesigen Kohlebergen und schweißtreibender Arbeit. Arbeit, Arbeit und Frauen, das war - neben dem Essen - der Alltag eines Schwarzengels. Access “Arbeitsplatz” bestand aus einem Teil eine “Kohlereihe”, der ca. einen Meter mal zwei Meter umfasste. Seine Werkzeuge waren eine Schaufel, ein Pickel und ein Schubkarren. Eine Kohlereihe, das war schlicht und einfach eine Wand in einer Höhle, die durch den Kohleberg gegraben worden war und nun abgebaut werden musste. Pro Kohlereihe waren ca. 50 Schwarzengel beschäftigt; vier Kohlereihen ergaben einen Sektor, der von je einem höher gestellten Schwarzengel beaufsichtigt wurde. Dieser gab dann Tipps zum abbau besonders schwieriger Stücke, besorgte eventuell noch zusätzliches oder neues Werkzeug, um das alte zu ersetzen und gabelte Faulenzer auf. Das Faulenzen wurde hart bestraft: Entweder wurde einem das Essen entzogen oder der sogenannte “Freigang” gestrichen. Der “Freigang”, das war eine Woche im Jahr, in der die weiblichen Schwarzengel schichtweise von ihrem Kochdienst - sie bekochten die Schwarzengel Tag für Tag und besorgten das Essen - befreit wurden und zu den Arbeitern ausschwärmen durften. Den Arbeitern war es, sobald eine der weiblichen Schwarzengel auf sie zukam, erlaubt, die Arbeit niederzulegen oder auch den Arbeitsplatz ganz zu verlassen. In dieser Woche wurden in der Regel mehrere tausend Nachkommen produziert, eine Regel also, mit der sich Satan einiges an Mühe - und war die Erzeugung neuer Schwarzengel - ersparte. Ansonsten blieb den Schwarzengeln an Freizeit nachmittags je eine Stunde und nachts ein Schlaf von acht Stunden. “Aber das ist doch zerstörend!”, warf ich ein. Zu arbeiten stellte ich mir unglaublich anstrengend vor, denn allein schon den halben Tag (menschlich gerechnet) in der Schule zu sitzen war anstrengend; und arbeiten dann wohl erst recht! Nun, ich kann heute sagen, dass meine Vorstellung von Mühe damals läppisch war, denn die Mühe, die ein Schwarzengel pro Tag verrichtete, war weitaus mehr - nahezu unvorstellbar - aus menschlicher Sicht gesehen. “Aber, wir hatten keine Wahl”, erklärte mir Access. Wer sich weigerte, weiter zu arbeiten, sei er nun erschöpft oder leide unter Sisyphos, wurde er entweder “Abteilungsleiter” oder starb. Um Abteilungsleiter zu werden, benötigte es eine Ausbildung. Und genau diese Ausbildung hatte Access angefangen. “Dieses eintönige Herumgehacke auf Felsbrocken, das Schaufeln und Wegkarren, das Schmelzen, der Dreck, die Hitze, diese primitiven Gespräche, die stickige Luft, der Lärm....alles....alles macht mich wahnsinnig!”, beschrieb Access, jedes Substantiv erschöpft oder verächtlich betonend und stütz, nachdem er geendet hatte, seine Stirn mit der Hand. “Tag für Tag ein und der selbe Rhythmus...diese angeblich befreienden Tage des “Freigangs”, die in Wirklichkeit nur zur Zeugung von neuem Arbeitsmaterial dienen....die Mehrheit von uns schätzt sich tatsächlich glücklich damit! Ich habe diese Ausbildung angefangen, um dort rauszukommen, auch wenn ich Satan durch meinen Aufstieg meinen Dienst erweise, was mir absolut nicht passt.” “Wieso? Ich verstehe vieles nicht...wofür arbeitet ihr so hart?”, fragte ich etwas verwirrt und runzelte die Stirn. “Na damit der gute Herr Satan Energie bekommt!”, antwortete Access mit einem Tonfall, der mir übertrieben freundlich vorkam. Ironie, das war mir zu diesem Zeitpunkt noch kein Begriff. “Aber Gott hat doch auch Energie und wir müssen keine neue erzeugen!” “Gott! Gott! Der ist ja der Vollkommene! Wegen dem müssen wir doch schuften! Kennst du die Geschichte nicht? Satan ist der böse Teil Gottes, den Gott aus sich verbannt hat, weil er ihm lästig war. Man hätte meinen können, dass dieser Teil dann einfach verschwindet, aber so einfach ist es leider nicht. Denn selbst ein Teil Gottes ist so mächtig, dass er als eigenes Lebewesen existieren kann. Also hat sich daraus ‘Satan’ entwickelt, der nun Komplexe hat und Gott zeigen will, dass er was wert ist! - Ne, war nur’n Witz...Ich kenne Satans Gründe nicht, warum er etwas gegen Gott hat, ....aber warum musste Gott auch diesen bösen Teil aus sich verbannen?! Wenn Gott sich selbst so akzeptiert hätte, wie er ist, hätten wir Schwarengel jetzt nicht so darunter zu leiden! Aber nein, Gott muss ja perfekt sein!” “Nun....”, gab ich klein bei. “Tut mir Leid, dass ich das hier an dir heraus lasse, mich hat das beim Arbeiten immer wieder beschäftigt....” Ich überlegte. So etwas hatte man mir nie über Gott und Satan erzählt. Gut, wir waren ja Gottes Diener, uns etwas Schlechtes über sich zu erzählen hieße ja, sich ins eigene Fleisch zu schneiden - wenn er denn welches hätte.. . “Satan also....”, versuchte ich zu verknüpfen, “als schwächerer Teil Gottes verliert Energie, die erzeugt wird und muss deshalb ständig neue erzeugen?” “Ich gehe mal davon aus, ja.”, stimmte mir Access zu. “Und warum gerade Kohle? Warum erzeugt ihr eure Energie mit Kohle?” “Du fragst mich Sachen! Was ein Kaninchen ist, weißt du nicht, aber welcher Stoff wie viel Energie erzeugt, weißt du?” “Naja....das vielleicht nicht..aber ich weiß eben, dass es auch andere Energiequellen wie Kristalle und so gibt...deshalb...” “Kristalle?” “Ja, manche von uns können Energie in Kristallen bündeln und diese Energie wird dann in dem Stein vervielfacht.” “Ach ja? Praktisch...” Access zuckte kurz mit den Augenbrauen, den Blick zum Boden gewandt, und wiegte mit dem Kopf kurz zur Seite, um schließlich mit seiner Erklärung fortzufahren: “Nun...so viel ich gehört habe, ist Satan in diese Kohleschlucht verbannt worden und somit gezwungen, seine Energie aus Kohle zu holen...aber da bin ich mir nicht sicher. Aber...lass uns lieber von etwas Lustigem sprechen....Wolltest du nicht ein paar Flugstunden bei mir nehmen?”, änderte er spontan das Thema und grinste mich freundlich an. “Und das findest du lustig?”, gab ich schmollend zurück. “Dass du nicht fliegen kannst? Ja, immer noch! Aber das kann man ja ändern. Komm.”, forderte er mich auf, stand auf und streckte mir seine Hand entgegen. Verwundert blickte ich seine Hand an. Mal ganz davon abgesehen, dass er trotz der von harter Arbeit gekennzeichneter Haut sehr schöne Finger besaß - die Geste berührte mich. Kapitel 6: Abschiedsworte ------------------------- Kapitel 6 - Abschiedsworte Eines Tages kam Erzengel Rillsama zu mir. Ich, die ich wusste, dass ich Access wieder treffen würde, sang glücklich ein wenig vor mich hin, doch als der Erzengel vor mir erschein, verstummte ich jäh. Sein Blick war ernst und ich befürchtete schon, dass ich eines der vielen Lieder der Schwarzengel angestimmt hatte, die Access mir während unserer Begegnungen beigebracht hatte, doch die Meine Rillsamas wandelte sich bald in Wohlwollen und er verkündete mir, dass ich nun, nach so gut verrichteter Arbeit in die zweite Stufe, also der Stufe des Gelehrten aufsteigen würde. Im Klartext: Dieser Auftrag hier war mein letzer und meine letzte Chance, Access nochmal zu treffen. Ich überlegte. Ich überlegte auch noch, als ich durch die Blumenwiese dieses immergleichen Traums stapste. Was sollte ich sagen? Die Wahrheit. Also, dass wir uns nie wieder sehen würden. Aber das konnte und wollte ich nicht! Konnte ich diesen Aufstieg nicht verhindern? Nein, er war ja schon beschlossen.... “Haah...-” “Warum seufzt du so schwer?”, begrüßte mich eine bekannte Stimme. “Access!”, rief ich ihm traurig entgegen. “Der bin ich. Was ist los?” “Es...ich...” Ich konnte das nicht so einfach sagen. “Wurdest du befördert?” “Ja! Aber woher weißt du -?” “War nur eine Vermutung. Schließlich musste das ja irgendwann kommen.” Stille breitete sich um uns aus und wir liefen eine Weile stumm nebeneinander her. “Und jetzt?”, fragte ich nach einer Weile und blickte Access ins Gesicht; seine Augen, die mir mit der Zeit immer vertrauter geworden waren, seine lockeren Strähnen, die warmen Hände...diesen ganzen Schwarzengel, der mir so wichtig geworden war, sollte ich nie wieder sehen können? Nie - wie - der. Allein schon bei dem Gedanken schien sich in mir ein großes Loch aufzutun, das hemmungslos meine ganze Freude zu verschlingen schien. Leere machte sich in mir breit und ich mein Blick erstarrte ohne einen weiteren Gedanken auf der Rinde eines der Blütenbäume. In all dieser Schönheit, die uns umgab, standen wir regungslos wie fehl am Platz. Auch Access schwieg, obwohl er sonst doch immer so oft einen lustigen Kommentar gebracht hatte, mit dem jede trübe Situation ihren Glanz zurück bekam. Dann schlaug er die Augen zu - und lächelte mir plötzlich entgegen. Seltsamerweise, schien sich in mir, als hätte man ihm ein Zeichen gegeben, ein Funke der Hoffnung zu sprießen, nur allein dank der Tatsache Access Lächeln zu sehen. Was hatte er im Sinn? “Komm.”, meinte Access und streckte mir die Hand entgegen. “Trübsal blasen nützt nichts! Selbst wenn wir beide morgen starben würden - was ja nicht mal der Fall ist - sollten wir unseren gemeinsamen Tag so gut wie möglich genießen! Weißt du Fynn, ich wollte dir schon immer mal danken.” “Danken?” Ich runzelte die Stirn. “Ja. Auch wenn du anfangs ja eigentlich überhaupt nichts mit mir zu tun haben wolltest - du wolltest mich sogar töten - wobei ich bei dem Gedanken daran immer wieder lachen muss - “ und auch jetzt zeichnete sich ein wohlwollendes Grinsen auf seinem Gesicht ab, eher aber, als grinse er in sich hinein. “Ich habe durch dich wunderschöne Erinnerungen gewonnen, die mich in meiner verbleibenden Lebenszeit mit Sicherheit glücklich machen werden. Allein schon der Gedanken an dich, an unsere Lehrstunden oder unsere Diskussionen bringt mich bei der Arbeit zum Lächeln. Danke, Fynn.” Ich schluckte. (Mal wieder.) Und schwieg, Access in die Augen schauend. Ich hätte gerne geweint, so traurig und glücklich machten mich diese Worte und die Erinnerungen, die mir dabei durch den Kopf schwirrten...aber ich behielt meine Fassung. Diese schönen Erinnerungen waren kein Grund zu weinen, nein! Irgendwie fand ich aber auch nicht die Worte, um auszudrücken, was in mir vorging. Und schließlich stammelte ich nur vor mich hin: “Access, das ähm...du...musst mir nicht danken....” “Und wie!” “Aber ich hab doch gar nichts gemacht!” “Doch.” Er lächelte und in seinem ‘doch’ schien mir etwas Triumphierendes; er sprach es aus, als ob er es besser wüsste als ich - ohne dabei aber an Weichheit in seinem Tonfall zu verlieren. “Du hast mit mir ein Stück deines Lebens geteilt.” Ich schwieg kurzzeitig und beschloss schließlich, mich zu setzen. “Aber das tun doch auch andere.”, antwortete ich. “Aber du bist für mich etwas Besonderes.”, entgegnete mir Access und setze sich ebenfalls. “Zum Einen mal inhaltlich, klar. Du, die in der quasi Gegenwelt zu meiner lebt, die so verschieden von mir ist, die mir ganz neue Gedanken öffnet, bist für mich ein Rätsel, das ich immer weiter ergründen könnte. Zum Anderen aber liegt in deinem Ausdruck etwas Warmes, Beruhigendes. In deiner Nähe zu sein, bedeutete für mich Frieden, Entspannung.....vielleicht auch Licht? Ich kann das nicht genau beschreiben.” Seine Worte verdutzten mich immer mehr. Dass ich vom Inhalt meiner Erzählungen her etwas Besonderes war, konnte ich verstehen; aber den Rest....Stimmt, wir hatten hier Frieden. Unter so harten Bedingungen zu arbeiten, wie er sie mir beschrieben hatte, war sicher unangenehm....aber andererseits ist das doch klar. So logisch, dass man es doch eigentlich nicht aussprechen muss. Ich muss aber auch sagen, dass ich auch glücklich war. Wirklich glücklich - Es hat mir unglaubliche Freude bereitet, mit ihm über unsere Welten zu sprechen, ihn Lachen zu sehen oder ihn einfach nur zu sehen. Wenn er nicht mehr da wäre...-“ ”Fynn, ich hab’s.”, sagte Access und schlug sich mit der Faust auf die Handfläche. “Eine Lösung unseres Problems? Also wie wir uns doch treffen könnten?”, schreckte ich aus meinen Gedanken hoch. “Äh nein, das nicht.”, antwortete er etwas verschämt. “Ich meinte das Wort, das ich gesucht habe! Bei dir fühlt sich meine Seele rein!” “Fühlt sie sich das denn sonst nicht?”, fragte ich erstaunt. Reinheit, Ruhe, Frieden...das Alles waren Selbstverständliche Dinge für mich. “Nun....ich spüre es sonst nicht wirklich. Bei dem ständigen Stress ist mein Kopf so belastet, abgelenkt und zugleich eingeschränkt durch Pflichten, Sorgen, Wut....ich arbeite wie eine Maschine, deren Last störende Gefühle sind....meine Gedanken oder Träume sind mit Ausbruch aus dieser riesigen Maschine verbunden, in der ich nur ein Zahnrad im Getriebe bin. Ich will sie nicht mehr sehen, diese Gesichter meiner mürrischen Kollegen, deren einzige Freude der Freigang und vielleicht noch der Schlaf sind. Dieser ständige Konkurrenzkampf um weibliche Schwarzengel oder um mehr Respekt vor dem Vorgesetzten....man fühlt sich von allen Seiten eingequetscht...und dann die stickige, verrußte Luft, der wenige Platz, die Hitze....ich hab dir davon erzählt..Hier scheint das Alles weit weg zu sein, wie ein Albtraum. Hier bei dir gibt es keine Schranken, ich kann denken und fühlen, was ich möchte und mich bewegen, wohin ich möchte. Ich kann mit dir über meine Welt sprechen, als wäre es eine Sache von Tausenden, ein Stück Geschichte, nichts weiter.” Irgendwie war das nicht das, was ich hören wollte, also konnte ich nur antworten: “Nun ja, das stimmt. Hier bist du frei.” Aber ich wusste auch nicht genau, was ich hören wollte....Tatsache war die, dass ich mal wieder feststellte, wie ungerecht doch dieses ganze System war, das Satan aufgestellt hatte. Aber Access hätte sich bei jedem Gottesengel, der sich zum Diskutieren und zum friedlichen Umgang miteinander angeboten hätte, so gefühlt. Aber was wollte ich denn hören? Ich schüttelte den Kopf. Ich war so egoistisch! Access hatte mir gedankt und mir lediglich formuliert, was in ihm vorgeht, weil ich ihn darum gebeten hatte. Und ich? Ich sagte gar nichts. Dabei war ich doch auch glücklich, ihn kennen gelernt zu haben! Ich sollte mich auch bedanken und gute Worte zum Abschied finden! Ich war ein solcher Idiot! Ich seufzte vor Wut. “Hab ich ...”, fragte Access, “etwas Falsches gesagt?” “Äh, nein.”, winkte ich beschwichtigend ab. “Doch, habe ich.” Ich runzelte die Stirn, sagte aber nichts, weil ich ja der selben Meinung war, wie er. Access fuhr sich durch die Haare, den Blick traurig und nachdenklich zu Boden gewandt. “Es ist eigentlich nicht das, was ich sagen wollte. Aber ich kann mir das auch nicht erklären. Sobald ich beginne zu reden, komme ich in einen Redefluss und kann mit meinen Worten letztendlich doch nicht das sagen, was ich fühle. Das, was ich gesagt habe, ist vielleicht ein Teil von dem, was in mir vorgeht. Ein Teil. Vielleicht die logische Erklärung für mein Glück. Aber eigentlich kann ich nicht in Worte fassen, was ich denke oder fühle. Ich kann es vielleicht mit Worten wie Freiheit oder Reinheit beschreiben, aber ich weiß nicht, was es ist. Ich weiß nur, dass es schön ist. Nyachr!” Er raufte sich die Haare. “Das ist alles so seltsam. Und ich fühle mich auch komisch, wenn ich darüber spreche.” “Ehrlich gesagt...ich finde es auch komisch.”, antwortete ich und erhob mich, sodass ich mich nun zu Access herabbeugen musste, “ Aber statt sich über komische Dinge zu unterhalten sollten wir lieber die Zeit, die uns noch bleibt, genießen. War das nicht dein Plan?” Access lachte - auch wenn ich nicht sagen konnte, ob das Lachen meinen Worten galt oder etwas anderem. “Das ist so ein Unsinn, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Tut mir Leid”, meinte er, schaute zu mir auf und ergriff die Hand, die ich ihm entgegenstreckte, um sich aufzurichten. Statt zu antworten lächelte ich nur und blickte ihn ebenfalls an. Ich fühlte mich, als würde ich ihn tief in meinem Inneren verstehen, auch wenn ich den Grund dafür nicht verstand...als ob ich in ihm wie in mir eine Art Lichtquelle spürte. Ja, ich spürte schon immer eine Art ‘Lichtquelle’ in mir, so eigentlich, wie Access sie mir beschrieben hatte...meinte er etwa diese? Aber ich dachte, das wäre Gottes Energie in mir....aber jetzt, wo ich sie auch in ihm spürte....egal! Keine Gedanken verschwenden. Viel wichtiger war es doch, dass - eh? Da war es schon wieder: Access typische Lächeln. So wie er immer lächelte. Warmherzig. Offen. Manchmal ein wenig geheimnisvoll. Oder selbstsicher, wenn er die Augen ein wenig weiter schloss. Oder....- “Ich glaube,”, unterbrach Access meine wissenschaftliche Interpretation seines Lächelns, “du bist um einiges weiser als ich.” “Äh wie? Ich und weise?!” “Ja, du brauchst nicht viele Worte, um dein Glück mit anderen zu teilen.” “Äh...” Ich und weise? Woh kaum...so tollpatschig und kompliziert, wie ich war! Doch statt eine wirkliche Antwort abzuwarten, beugte er sich im 90̊ Winkel herab und sah mich mit kindlichen, neugierig fragenden Augen von unter her an und fragte mich bittend: “Singst du was für mich?” “Ja, gerne.”,antwortete ich ihm lachend. Und auch Access lächelte mal wieder in sich hinein, wahrscheinlich, weil er selbst über sein Verhalten eben amüsiert war. Und so begleitete ich mit meinem Gesang den Rundflug, den wir zwei starteten und während dem wir uns über lustige Geschichten, die wir erlebt hatten, unterhielten. Es war unbeschreiblich schön. Access trug mich ein paar Mal, wie er es damals getan hatte, als ich von ihm das Fliegen lernte, und ich spürte nochmals seine warmen Hände, in denen ich mich damals wie an diesem Tag geborgen fühlte. Aber auch diese Zeit verging wie jede andere und letzen Endes fanden wir uns am Boden wieder, wo ich meinen Träumfänger ergriff. “Fynn, mir fällt da etwas ein!”, rief Access, von einem Gedankenblitz getroffen. “Ja?” “Meintest du nicht, dass - “, doch dann unterbrach er sich und senkte den Kopf. “Vergiss es.” “Ja was denn?”, fragte ich und musste lachen, weil er mir sagte, ich solle etwas vergessen, was er mir noch nicht mal mitgeteilt hatte! Access schielte mich nur von der Seite an und ich sah seine sich kräuselnden Lippen, die zu gerne mit gelacht hätten. “Ich höre?”, fragte ich ein zweites Mal. “Nun - nein. Das wäre tödlich.” Ich runzelte die Stirn. “Also...du...meintest doch, dass du die merkwürdige Fähigkeit hättest, Leute einzukleiden...” “Ach, und du meinst, wir könnten dich verkleiden?”, schlussfolgerte ich gespannt. “Ja. Aber das wäre der reine Selbstmorg, weil in den Geboten der Gottesengel steht, dass ein Verstoß gegen die Gebote mit dem Tode bestraft werden würde.” “Und wenn schon?” Ich habe so oder so nicht viel zu verlieren.”, antwortete ich knapp. Erschrocken blickte Access mir in die Augen. “Aber dein Leben - “ ”Ist eh nichts wert, wenn ich wieder in meinen Käfig gesperrt werde. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich machen sollte. Cersia spricht so oder so die ganze Zeit mit Toki und der Rest dieser Gesellschaft sind Langweiler oder welche, die mich wegen meines Aussehens nicht leiden können. Auch ich würde nur noch von den Erinnerungen mit dir leben. Warum sollten wir es dann nicht mal versuchen?” Access blickte mich immer noch wie gebannt an. Ich wusste nicht, ob ich in seinen Augen Dankbarkeit oder Tadel ablesen sollte. “Aber...von Erinnerungen zu leben ist doch immer noch besser, als sein Leben auf’s Spiel zu setzen! Zumal ich sehr wohl glaube, dass du auch unter den Gottesengeln gute Freunde finden könntest.” “Nein, könnte ich nicht. Ich kenne sie, ich lebe schon so lange dort.” “Aber du kannst doch unmöglich alle kennen. Es gibt sicher mindestens einen unter ihnen, der gut oder besser zu dir passt und durch den du dann nicht dein Leben riskierst!” “Access, das Leben auf Gottes Planeten an sich ist mir nichts wert. Ich habe kein ziel, alles dort ist schon gut und richtig, es gäbe nichts zu ändern. Alles ist perfekt. Was für einen Zweck hätte mein Leben denn, außer dass ich ein laufender Energiespeicher für Gotte Energie bin?” “Und die Erinnerungen?” “Die reichen mir nicht. Oder...ist es so, dass du selbst Angst vor dem Tod hättest?” “Nun, Angst vor dem Tod - wer hat die schon nicht? Mir geht es im Grunde genauso wie dir. Ich bin theoretisch den ganzen Tag beschäftigt und habe eine Aufgabe, aber eigentlich ist es egal, ob ich lebe oder sterbe.” “Und die Erinnerungen?”, gab ich in ironischem Tonfall zurück. “Wenn ich wüsste, dass du dafür glücklich und am Leben bist...würden mir die Erinnerungen genügen.” “Dann sind wir uns ja einig.”, schloss ich und erschuf kurzerhand ein Kopftuch. “Aber Fynn - !” “Keine Widerrede. Möchtest du ein weißes oder blaues Oberteil?” “Ich will nicht, dass du stirbst!!” “Dann willst du also, dass ich unglücklich werde?” “Wa-? Nein!!” “Also, dann sag mir, welche Farbe dein Oberteil haben soll.” “Fynn!! Es ist doch gar nicht sicher, dass du unglücklich wirst!” “Es ist auch nicht sicher, ob wir sterben werden.” “Doch! Es ist um einiges wahrscheinlicher!!” “Nein, ist es nicht! Ohne dich bin ich unglücklich!”, schrie ich ihm nun schon entgegen. “W-Wie?” Ich seufzte mit gesenktem Blick und ließ das gerade erschaffene Kopftuch sinken. Ich Idiot. “Ich würde einfach gerne mit dir zusammen bleiben. Aber das ist egoistisch...es tut mir Leid...Ich hätte beinahe dein Leben auf’s Spiel gesetzt.” Plötzlich schloss mich Access vollkommen unerwarteterweise von hinten in die Arme. “Tut mir Leid, dass ich dir so nahe rücke, aber...” Es war das erste Mal, dass er oder irgendwer mich umarmte! Ich spürte eine mir fremde, aber behagliche Wärme, die Existenz von Access Körper die sich bei dieser Nähe mit meiner zu einem verbinden zu schien und dabei all meinen inneren Schmerz, der in mir zuvor aufgelodert war, davon spülte. “Wenn du dir deiner Sache sicher bist, werde ich mit dir gehen. Ich möchte so gerne mit dir gehen.” Und ich spürte, wie der Druck seiner Umarmung intensiver wurde. Sein Atem verlief direkt an meinem Ohr. Er war unregelmäßig. Weinte er? Seine Hände ruhten direkt auf meinem Herz und mir wurde mit einem Mal sein Herzschlag bewusst. Ja, ich hatte das Gefühl als ob er sich sogar meinem annähern würde. Oder war es mein Herzschlag, der sich seinem näherte? Pochpoch, pochpoch.... “Fynn?” “Äh...........ja?” Vollkommen perplex schreckte ich aus meinen Erkenntnissen auf. Access löste sich von mir so schnell, wie er mich umarmt hatte, Kühle breitete sich kurzzeitig an mir aus, und ich blinzelte eine Weile vor mich hin, bis ich ihm schließlich in die Augen blickte. Seine Augen schienen leicht rötlich und in ihnen blinkte der Ansatz einer Träne, die Access sich aber sofort wegwischte. “Ent - schuldige”, stammelte er, dass...dass...vergiss das gerade einfach.” “Ja, gut.”,antwortete ich noch etwas benommen. “Ähm...blau oder weiß?” “Wie bitte? “Na, ob du ein blaues oder weißes Oberteil möchtest.” “Äh....ein blaues!” Und Access Blickte mich so undefinierbar zwischen Freude und Verwirrung an, dass ich fast wieder gelacht hätte. “Gut! Dann bekommst du eine weiße Hose und einen dunkelblauen Gürtel.” Und ich kleidete Access ein. “Und das Kopftuch tun wir ...so hin.”, erklärte ich ihm und hielt seine Haare mit dem Tuch nach hinten. Dann siehst du zwar aus wie ein Freak, aber egal...wir müssen es nur bis zu Gott schaffen, um unter sein Urteil zu fallen.” “Und da meinst du, dass ein Freak mehr Chancen hätte? Dann ziehst du dir aber auch noch was freakiges an!”, scherzte Access und grinste. Ich konterte mit einem stummen Nicken und einem unglaubwürdigen Blick. “ Nein, das ist ja nicht das Problem.”, kam Access zum Ernst der Lage zurück. “Es ist eben so, dass man mit dieser Frisur meine Augen zu deutlich sieht. Die Farbe ist zu eindeutig....wie wäre es so?”, schlug Access vor und hob sich das Tuch wie ein Scheich. “Hmm....ja, dann aber ...Moment....” Ich verlängerte das Tuch noch erheblich und band es ihm schließlich ähnlich wie einen Schal um den Hals. “Jetzt siehst du aus wie einer von diesen Oberengeln..keine Ahnung, wie der Grad nochmal heißt...” “Erzengel?” “Nee...drunter...” “Ach schade...ich wäre bestimmt ein super Erzengel!” “Das glaubst auch nur du!” Und wir mussten beide darüber lachen, wie Access einen höchst eingebildeten Erzengel mimte. “Jetzt noch das Stirnband - fertig.” “Aber meine Haare....die schauen noch raus....” “Stimmt! Ähm....dann brauchen wir mehr Haarbänder. Und du musst deinen Zopf sauberer binden.” “Menno...ich mag den aber so...” “Keine Widerrede! Haare aufmachen!”, befahl ich und musste mir selbst eingestehen, wie gespannt ich darauf war, Access mit offnen Haaren zu sehen. Gehorsam band er daraufhin sein Haarband auf und Stück für Stück löcherten sich seine Haare, bis sie wie ein Fluss herab fielen. Ich war baff. Access sah einfach wunderschön aus. So schön, wie kein anderer männlicher Engel seiner Art. Wie lang seine Haare tatsächlich waren, wurde mir erst jetzt bewusst und ich muss sagen, ihre Länge überragte fast die meinige. Etwas beschämt blickte Access vom Boden zu mir und wieder zurück. “Hättest du mir dann noch ein paar Haarbänder?”, fragte er unsicher. “Äh ja! Sofort!”, schreckte ich (mal wieder) auf und erschuf ihm drei schwarze Haarbänder, um ihm gleich darauf beim Befestigen zu helfen. Seine Haare waren voll und erstaunlich schwer, dafür aber auch glatt und sehr weich und ich verfolgte den lilafarbenen Schimmer seiner Haare, wie er hin und her huschte während ich Access frisierte. “Fertig!”, rief ich schließlich triumphierend und blickte Access nach getaner Arbeit an. Dass er ein Schwarzengel war, konnte man nicht mehr erkennen. Seine Flügel hatte er eingezogen, sodass er fast wie ein verkleideter Mensch aussah. Seine lilanen Augen waren im Schatten des Kopftuches verborgen, sodass ihre Farbe nicht mehr zu erkennen war und auch die gottesengeltypische Kleidung zeigte ihre Wirkung. “Jetzt können wir gehen!”, meinte ich zufrieden und warf einen letzen Blick auf mein Werk. “Und du bist dir wirklich sicher?”, fragte Access und Besorgniss schwang unüberhörbar in seiner Stimmte mit. “Ja.” “Ganz sicher?” “Ja.” “So wirklich, wirklich?” “Ja-ha.” Er grinste ein letzes Mal, dann hob ich ihn an und wir flogen gen Dimensionstor, unwissend, ob uns dem Tod oder dem Glück entgegen. Kapitel 7: Das Ende ------------------- Kapitel 7 - Das Ende Ich schob mich als erstes durch das Tor und sah mich um, mit der einen Hand noch immer Access jenseits des Dimensionstors haltend. Die Luft war rein. Also zog ich Access mit auf Gottes Planeten. Wir warteten gespannt, ob nicht irgendein Alarmzeichen losgehen würde, das den Planeten vor Satan und seinen Abkömmlingen warnen sollte und das zugleich unser beider Ende wäre. Aber es geschah nichts. Unsicher blickten wir uns an. Dann, langsam, wagten wir einige Schritte aus der Gasse, die zum Dimensionstor führte. Meine Schuhe schienen mir in der Stille unerhört laut auf dem Boden entlang zu schleifen und während wir uns in Richtung des Palastes Gottes bewegten ließ mich jeden Knirschen kleinster Steine unter meinen Schuhe zusammen zucken. Es war wirklich ungewohnt still. Ich lugte um jede Ecke, doch da war niemand. Niemand war auf den einst belebten Straßen und mir kam das Wort ‘Totenstille’ in den Sinn. Meine Gedanken kreisten. Wo waren alle hin? Hatte man uns schon entdeckt und wartete nur auf das Urteil, das über uns gesprochen werden sollte? Würden wir, sobald wir den Platz der Güte betreten hatten tödlich verenden? Auch Access war beunruhigt. Er warf mir ab und an fragende Blicke zu, sagte aber nichts. Gerade sah ich schon die Pflastersteine des Platzes vor uns, als ein lauter Zuruf mein Herz zum Stillstand brachte. “FYNN!! Hey!”, rief Cersia hinter mir und ich drehte mich um. Toki folgte ihr schweratmend. Beide sahen aus, als wären sie ein ganzes Stück gerannt. “Bist du auch so spät dran?”, fragte Cersia erleichtert; gab mir aber, die ich ein wenig über die Frage verwirrt war, keine Gelegenheit, ihr zu antworten. - Sie hatte den verkleideten Access entdeckt. “Was ist das für ein komischer Typ?” “Äh...das ist ein Engel höheren Grades.”, antwortete ich. Mein Herz pochte mir vor Aufregung unwohl schwer in der Brust. Hatte ich gerade zu laut und zu schnell gesprochen? Oder hatte ich den Kleiderstil womöglich nicht ganz getroffen? “Was hast du denn mit einem höheren Engel zu schaffen?” “Äh nun...das ist eine lange Geschichte...ich...reden wir später drüber. Ich muss schnell zu Gott.” “Ja, das müssen wir alle.”, antwortete Cersia bestimmt. Ich runzelte nochmals die Stirn, unterband es mir aber zu fragen, weil wir dann nur noch länger dort gestanden hätten. “Gehen wir dann zusammen?”, schlug Cersia vor. Ich schluckte. Was sollte ich auch antworten? Ich hatte Angst, dass Cersia und Toki verdächtigt würden, bei Access’ Einschleusung dabei gewesen zu sein, nun, ablehnen konnte ich auch nicht! “Von mir aus.”, murmelte ich also und drehte mich zum Gehen um. Das war wohl die blödeste Antwort, die ich hätte geben können, denn Cersia hob hinter mir nun drohend die Stimme: “Fynn, du bist heute komisch.” Ruckartig machte ich auf dem Absatz kehrt. Verdammt! Je länger wir hier rumstanden und diskutierten, desto größer war die Gefahr, dass doch jemand vorbei kam und uns entdeckte! Unsere einzige Möglichkeit, um Gnade bezüglich meines Vergehens zu erbitten war, direkt mit Gott zu reden. “Wir reden später, ok? Ich habe es wirklich eilig!”, gab ich abweisend zurück. Und ich zog Access in die Mitte des Platzes und rief “Gott, mein ehrenwerter Schöpfer, ich benötige eure Hilfe! Ich komme zu euch, da mir kein anderer Weg mehr offen stand!” Und wie ich es in der Schule gelernt hatte, öffnete ich der Platz, ein helles Licht trat hervor und verschlang Access und mich. Noch benommen von dem grellen Licht blinzelte ich. Wir befanden uns auf einem roten Teppich aus Filz. Wir, das hieß nicht Access und ich, nein, wie ich zu meiner Verblüffung und meinem Ärger feststellen musste, hatten sich auch Toki und Cersia in das Licht gedrängt und waren mit teleportiert worden. “Willkommen.”, ertönte eine undefinierbare Stimme hinter mir. Der Schall ihrer Worte schien durch uns und letztendlich durch die Wände wie Butter zu zerfließen. Ich frehte mich um und sah mich nach der Schallquelle um. Der Raum, in dem wir standen, war riesig. Die Decken entschwanden in undefinierbare Höhen, gestützt von langen, weißen Säulen. Durch Fenster, groß wie Wände flutete weißes Licht in das Zimmer und ließ die Wände in einem strahlenden Weiß aufleuchten. Hinter uns lag ein Tor, groß wie ein ausgewachsener Bau, deren Flügel reich mit Ranken verziert waren. Und von diesem Tor führte der Teppich, auf dem wir standen bis zu einem Platz, der erhöht am anderen Ende des Raumes lag. Doch der Platz war leer. Er schwebte und seine Fläche, die aber nicht erkennbar war, füllte sich mit einer Art Wolke. Nach langem hinblicken, konnte ich einen Sockel erkennen, aber keine Gestalt. “Gott?”, fragte ich in den Raum. “Ja?”, ertönte es wieder. Doch mit diesem Wort brach eine Flut von Licht über uns herein, die durch unsere Körper drang, sich kurz darin sammelte und wieder abklang. Und dieser Prozess setzte sich bei jedem weiteren Wort Gottes fort. “Gott!”, rief ich abermals, “ich habe eine Bitte an dich!”“Du kommst äußerst ungelegen. Aber obwohl ich momentan nicht die Zeit habe, Bitten zu erfüllen, werde ich dich anhören.” Je länger er sprach, desto eher schien ich einen Umriss zu erkennen, aber vielleicht war es auch nur der Wunsch, der Stimme einer Gestalt zuordnen zu können. Denn die Umrisse blieben viel zu kurz, sodass ich sie zu keinem richtigen Bild zusammen fügen konnte. “Du kommst wegen dem Schwarengelgebot, nicht wahr?” Ich fühlte mich unglaublich ertappt. Natürlich hat er es gewusst. “Ja. Aber woher - ?”, fragte ich. “Haha.....”, lachte Gott, was mich ein wenig an das Lachen eines alten Mannes erinnert, wenn ich heute daran denke, und er fuhr fort: “Denkst du, ich kenne und vor allem erkenne meine Kinder nicht? Deine Arbeit lief einfach zu gut, Fynn. Aber wie ich sehe, bist du unversehrt, was mich bei einem Sohn Satans äußerst wundert. Nun lösen wir erst einmal die Maskerade.” Gesagt, getan. Gott sprach und schon lösten sich Kopftuch und Haarbänder bei Access und auch seine ursprünglichen Kleider kamen wieder zum Vorschein. Da tat sich ein schriller Schrei neben mir auf. Cersia war sich schützend hinter Tokis Rücken geflüchtet. “Ein SCHWARZENGEL! Fynn, das hätte ich nie von dir gedacht!!!” Ich schlug die Augen nieder. Dass es ein Verbrechen war wusste ich ja, aber ich hoffte so inständig, dass Gott das anders beurteilte. Seine nächsten Worte jedoch erstaunten mich zutiefst; sie waren nicht an mich gerichtet: “Die, die die größte Sünde begangen hat, schreit am lautesten.” Cersia erstarrte. Access und ich drehten uns zu ihr. Welche Sünde? Eine größere Sünde als ich begangen hatte? Das war unmöglich! Cersia hatte Gottes Planeten doch nie verlassen! “Ich kann dir nicht sagen, ob dir diese Tat nicht bald zum Verhängnis werden wird.”, fügte Gott mit kaltem Tonfall hinzu. Cersias Lippen bebten. Ich hatte das Gefühl, dass sie gleich anfangen würde, zu weinen und ich bekam schon Mitleid, doch sie beherrschte sich.”Angesichts der knappen Zeit, die mir verbleibt und auch der Tatsache, dass du meine Tochter Fynn unberührt gelassen hast, sollst du belohnt werden.”, wandte sich Gott nun Access zu. “Ich will dich segnen und in meinen Kreis aufnehmen. Bist du bereit, dich von deinem bisherigen Leben zu lösen und mir bis zum Tode dienen?” Access, von dem Urteil positiv überraschte antwortete nach kurzem Zögern entschlossen und mit Freude, die deutlich zu entnehmen war, nickend mit “Ja, ich will.” “Gut. Ich muss anbei noch eine weitere wichtige Sache regeln. Und wie von Zauberhand ergriff uns ein warmer Strom, der uns alle zusammen rückte. Auf Access perlten Nadeln aus Licht ein, die sich an seinen Körper hefteten und schließlich in ihn eindrangen. Ich wusste nicht, ob es so schmerzhaft war, wie es aussah, denn Access Miene verzog sich nicht und auch sein sonstiges Äußeres blieb unverändert. Nun waren wir vier dran: Nebel umhüllte uns und bildete Flocken, die mit unserem Körper verschmolzen und ich hatte das Gefühl, als würden sie irgendwo tief in meinem Inneren andocken. “Ich habe eure Seelen nun die Fähigkeit der Reinkarnation einverleibt; ihr folgt nun die Verantwortung. Bitte erschreckt nicht, die Last wird geringer, sobald die anderen Engel ebenfalls die Fähigkeit der Reinkarnation erhalten haben.” Und kaum einen Wimpernschlag später war mir, als fiele, wie ein überschweres Paket, ein beklemmendes Gefühl in meiner Brust. Ich stutzte vor Schreck und meine Augen weiteten sich kurzzeitig. Doch mehr wollte ich mir nicht anmerken lassen - die anderen verzogen keine Miene. Was für eine Memme ich doch war! “Ich will euch kurz erklären, was gerade vor sich geht, ehe ich euch entlasse und weitere Engel zu mir bestelle. Es ist so: Satan wird diesen Planeten angreifen.” “Wie? Ein Angriff?!”, rief ich erschrocken. Access’ Augenbrauen zuckten. “Ich hielt es kaum für möglich, doch meine Kraft neigt sich ihrem Ende zu.”, fuhr Gott fort. “Als ich damals den unangenehmen Teil in mir verbannte, tat ich etwas Erleichterndes und zugleich den größten Fehler meines Lebens, denn die Wunde, die dadurch entstand zehrte von diesem Tag an wie eine Wunde an mir. Wie ein Loch in einem Fass, ein kleines Loch, aber immerhin eines, rann seit diesem Tag Energie ins Nichts. Satan hingegen kann wachsen. Er besitzt meine Fähigkeit, Nachkommen zu zeugen, die ihn mit Energie versorgen. Als ich ihn damals verbannte, hatte ich keine Ahnung, wie gut man aus der Kohle, die sich rund um diesen Ort befand, Energie gewinnen konnte...Mein Ende wird kommen, aber es ist noch nicht alles verloren. Es gibt zwei Dinge, die ihr beschützen müsst: Jetzt, nachdem ihr die Fähigkeit zur Reinkarnation erhalten habt. Dieser Planet hier unterliegt einem Schutz, den ich ihm damals, als ich begann ihn zu erschaffen, auferlegt habe. Satan kann Dank diesem Schutz den Planeten nicht einnehmen. Seine Oberfläche kann er zwar zerstören, aber er kann ihn nicht besiedeln. Dieser Schutz kann allerdings nur bestehen, solange ihr eure ganze Liebe mir, als Gott dieses Planeten, zuwendet. Durch eure Liebe kann zwischen uns ein Band geschaffen werden, das über den Tod hinausgeht. Allein über die Liebe habe ich die Möglichkeit, meine Fähigkeiten auf euch zu übertragen. Deshalb habe ich auch die Gebote verfasst. Sie sollten verhindern, dass ein Schwarzengel oder Gottesengel euch in die Versuchung führt, eure Liebe mir abzuwenden. Bei euch beiden, Cersia und Toki, kann ich nicht sagen, ob die Fähigkeit der Reinkarnation und das Tragen der Verantwortung einwandfrei funktioniert hat, weil ihr euch bereits von mir abgewandt habt. Ich hoffe für euch das Beste. Das zweite, was ihr beschützen müsst, ist ein Planet namens Erde. Er befindet sich unweit von hier und unterliegt dem Schutz meines Planeten. Meine Idee war es, euch, falls ein Fall wie jetzt eintreten sollte, dort wieder zu gebären, da sich einige Parallelen zwischen den dortigen Organismen und den von mir erschaffenen Wesen aufweisen. Ihr werdet als Menschen wiedergeboren werden. Diese Wesen besitzen ein Bewusstsein, das unserem nicht unähnlich ist. Eure Aufgabe als Menschen wird es sein, die Liebe zu mir und meinem Planeten aufrecht zu erhalten. Denn gebt ihr meinen Planeten auf, so wird auch die Erde schutzlos sein und ebenfalls nach kurzer Zeit von Satan übernommen werden.” “Was will Satan denn von der Erde?”, wunderte ich mich. Access hatte mir bereits von verschiedenem Handel der Schwarzengel mit den Menschen erzählt, aber ein so rechtes Bild von dem Planeten konnte ich mir nicht machen. “Kurz gesagt: Auf der Erde befinden sich Rohstoffe, die Satan bei seiner Energiebeschaffung äußerst nützlich sind”, erklärte Gott.”Satan wird immer versuchen, Energie anzureichern, um endlich ein vollwertiges Lebewesen zu werden. Aber das muss euch nicht weiter wichtig sein. Merkt euch nur eines: Wagt es niemals, das Wort der Liebe auszusprechen! Niemals, hört ihr? Denn dann ist das Band gerissen. Untersteht euch, überhaupt das Gefühl der Liebe gegenüber einem anderen Wesen zu entwickeln, denn dann werdet ihr als Träger der Schutzes unnütz. Und nun geht, ich werde mich nun - “ Doch weiter kam er nicht, denn eine Flut aus Licht überschwemmte uns und löschte alles um uns aus. Gott hatte sich in seinem hohen Alter verschätzt und Satan war ihm zuvor gekommen. Und so versanken unsere vier Seelen, die als einzige in der Lage waren, Gottes Planeten zu schützen, in tiefer Dunkelheit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)