Reunion von MichiruKaiou (Die letzte Instanz) ================================================================================ Kapitel 20: Beistand aus der Vergangenheit ------------------------------------------ Johto, See des Lebens Die Blätter raschelten. Seichte Wellen zogen ihre Bahnen über die Wasseroberfläche. Eine Sekunde später schien die Zeit stehen zu bleiben. Ein helles, grünes Licht durchzog den Wald und eine Lichtkugel erschien über der Mitte des Sees. Allmählich wurde das Licht schwächer, bis es gänzlich verschwand und alles wieder in seinem gewohnten Antlitz zu sehen war. Suicune betrachtete erwartungsvoll das Spektakel. Auf diesen Moment hatte es gewartet. Es beobachtete, wie Celebi aus der verblassenden Lichtkugel erschien und es hatte jemanden bei sich. Denjenigen, den es in einer anderen Zeit für ihn suchen sollte. Behutsam schwebte das legendäre Pokémon mit seinem Reisegefährten ans Ufer. „Vielen Dank, Celebi“, der junge Mann mit den braunen Haaren lächelte seinen alten Freund freundlich an, bevor er sich an Suicune wandte, „Dir soll ich helfen?“. Suicune nickte einmal, bevor es sich niederkniete und dem jungen Mann deutete, auf seinen Rücken zu steigen. „Ok“, er nickte entschieden und stieg auf. Sofort machte sich Suicune auf den Weg. ~*~ Reunion – Beistand aus der Vergangenheit Oder: die Einsamkeit vertreiben ~*~ Kanto, ehemals Alabastia Lucia wusste nicht, wie lange sie schon warteten. Paul schien zu schlafen, jedenfalls hatte er seine Augen geschlossen und bis jetzt keinen Ton gesagt. Gary war auch noch nicht wieder zurückgekommen. Was er dort oben wohl trieb? Für ihn musste es doch ein schrecklicher Anblick sein, das zerstörte Labor seines Großvaters zu sehen, dennoch war er hierher gekommen und wollte ausgerechnet diesen Ort aufzusuchen. Vermutlich weil es immer noch sein Zuhause war, egal wie es hier auch aussah. Lucia gähnte einmal herzhaft, sie fühlte sich müde und erschöpft. Mittlerweile merkte sie allzu deutlich, dass die Anspannung, die Aufregung und all die Gefühle, die sich noch dazu mischten und die sie gar nicht alle aufzählen konnte, langsam abklangen. Die Erschöpfung spülte alles wenigstens für den Moment hinfort. Sie musste ihre Gedanken einfach mal verloren gehen lassen, denn im Augenblick konnte sie sich nichts Entspannenderes vorstellen, als an nichts zu denken. „Hey, Lucia!“, eine bekannte Stimme riss die junge Koordinatorin jedoch schnell wieder aus ihrer Gedankenlosigkeit. Nach einem kurzen Moment der Verwirrung hatte sie auch die Herkunft der Stimme ausfindig gemacht. Sie erhob sich von der Wiese und winkte ihrer Freundin zurück, „Hallo Maike!“ Panzaeron landete sanft neben Lucia und ließ seine beiden Passagiere absteigen. Maike sprang sofort ab, um ihre Freundin zu umarmen. „Bin ich froh dich zu sehen. Hat Gary dich also in Sinnoh gefunden?!“ „Hey, du erdrückst mich ja“, stöhnte Lucia, musste jedoch auch leicht lachen. Diese Umarmung tat gut, es war schön auch wieder ein wohliges Gefühl zu empfinden. „Tut mir Leid“, Maike ließ verlegen von ihr ab, „Aber ich habe mir Sorgen gemacht. Garys Brief hatte dich nicht erreicht und dann hörten wir von diesen Trainerlagern in Sinnoh und-“ „Mir geht es gut. Ich bin auch froh, dass euch nichts passiert ist“, lächelte Lucia ihre Freundin an, bevor sie auch Drew diese Geste schenkte. Sie wusste, dass Maike ihn sehr gern hatte, auch wenn die beiden sich gerne mal stritten, doch er war ein guter Koordinator und ein guter Freund. Es hatte sie gefreut, gegen ihn bei einigen Wettbewerben antreten zu dürfen. „Sind die anderen noch nicht da?“, wollte Drew jedoch nur wissen, nachdem er Panzaeron wieder zu seiner Trainerin zurück geschickt hatte. Eine überschwängliche Begrüßung war von ihm definitiv nicht zu erwarten, aber Lucia hatte auch den Eindruck, dass ihn etwas sehr verletzt hatte. Was den beiden wohl widerfahren war? Auch Maike sah bei genauer Betrachtung hinter ihrem Lächeln nicht wirklich glücklich aus. „Nur wir beide und Gary sind hier.“ „Ihr beide?“, Maike warf einen neugierigen Blick über Lucias Schulter. Erst jetzt entdeckte sie Paul, der sich für ihre Ankunft offenbar wenig interessierte, da er immer noch schlafend im Gras lag. „Und wo ist Gary?“, wollte sie schließlich von Lucia wissen, da sie ihn hier nirgends entdecken konnte. „Der ist zum Labor gegangen“, Lucia wusste nicht, wie sie es besser ausdrücken konnte, denn ein Labor war ja eigentlich nicht mehr zu sehen, aber Maike wusste, was sie sagen wollte. „Er wollte bestimmt seine Heimat noch einmal sehen, bevor wir Morgen zur Zinnoberinsel aufbrechen.“ „Das denke ich auch“, stimmte Lucia ihrer Freundin zu. Und wer könnte es ihm verübeln. Welche Trauer der Anblick dieser Stadt auch hervorrufen mag, es war immer noch Alabastia, es war immer noch die Heimatstadt von Gary. Und die von Ash. „Ich hoffe, die anderen sind schon da, ich kann es kaum erwarten, alle zu sehen“, Ash versuchte seine traurigen Gedanken beiseite zu schieben und lieber der Freude Platz zu machen, die er verspürte, wenn er an das Wiedersehen mit seinen Freunden dachte. „Dann schau mal genau hin, ich kann auf jeden Fall Maike und Drew bereits sehen. Und wer ist da noch?“, Misty warf einen Blick nach unten in die Ferne, sie war sich sicher, dass bei den beiden Koordinatoren noch jemand stand. „Das ist ja Lucia!“, rief Ash begeistert aus, er wusste gar nicht, dass sie auch herkommen wollte. Gary musste sie in Sinnoh getroffen haben. Er hätte ahnen müssen, dass sie ihn ebenfalls begleiten würde. „Hey, Leute!“, rief er überschwänglich zu der Gruppe hinunter und machte so gut auf sich aufmerksam. Noch bevor Glurak wirklich gelandet war, war Ash bereits von dessen Rücken gesprungen, um seine Freunde zu begrüßen. „Ich bin so froh euch zu sehen! Vor allem dich Lucia. Du hast Gary in Sinnoh getroffen und dich entschlossen, mit uns zu kämpfen, was?!“ „Genau“, Lucia nickte entschlossen, „Und ich freu mich auch dich zu sehen, es ist schon eine Weile her.“ „Du bist also Lucia?!“, mischte sich Misty ein, bevor Ash weiter reden konnte. „Richtig, ihr habt euch ja noch nie getroffen“, fiel ihm jetzt wieder ein, „Misty, das ist Lucia, wir sind auch eine Zeit lang zusammen gereist, sie kommt aus Sinnoh. Und das ist Misty, sie ist die Arenaleiterin von Azuria City“, machte Ash die beiden nun miteinander bekannt. „Wow, du bist Arenaleiterin?! Aber willst du dann nicht lieber deine Stadt beschützen?“, Lucia warf ihr einen besorgten Blick zu. Wenn es hier auch so wäre wie in Sinnoh, dann wurden alle Arenen überfallen, die Leiter vertrieben und die Städte besetzt. „Nicht mehr nötig. Die Arena wurde bereits zerstört und Team Rocket ist weiter gezogen“, gab Misty bitter zu. „Das tut mir Leid“, Lucia hätte sich ohrfeigen können, warum nur musste sie das erwähnt haben?! „Sag mal, wo ist eigentlich Gary?“, Ash hatte sich inzwischen vergebens nach seinem Rivalen umgesehen. „Der ist im Labor“. „Wirklich?“, Ash sah Lucia mit einer Mischung aus Überraschung und Schock an. „Ich denke, er wollte gerne dort allein sein.“ „Hmm“, Ash wirkte auf einmal nachdenklich, so kannte sie ihn gar nicht. Doch Ash konnte Gary hier vermutlich von allen am besten verstehen. Doch plötzlich erregte ein anderer Rivale seine Aufmerksamkeit. „Das ist doch nicht etwa Paul?!“ „Doch, ist er“, Lucia lächelte leicht, während sie Ashs Blick folgte und sich zu Paul umdrehte. Doch sofort verstarb dieses Lächeln, als sie Pauls Augen sah. Er hatte sich aufgesetzt und starrte Ash mit funkelnden Blicken an. Ash hatte denselben Blick in den Augen wie er. Es war ein gruseliger Anblick, man bekam den Eindruck, als würde die Luft zwischen ihnen gleich Feuer fangen. „Ash, was ist los?“, fragte Misty besorgt. Warum sah Ash auf einmal so ernst aus? Wer war dieser Trainer dort überhaupt? Mit einem Blick durch die Runde schien außer Lucia niemand so wirklich zu wissen, was hier gerade passierte. „Gar nichts“, grummelte er und wandte sich ab. „Glurak, du kannst dich jetzt ausruhen. Ich werde zu Gary gehen“, mit diesen Worten setzte er sich wieder in Bewegung. „Aber Ash, denkst du nicht wir sollten ihn-“ „Schon gut. Ich weiß, was ich tue, das hier ist auch meine Stadt“, nach dieser Aussage ließ ihn jeder ziehen. Alle blickten ihm zwar noch ein wenig besorgt nach, aber was sollten sie schon tun?! Glurak versuchte auch nicht, das merkwürdige Verhalten seines Trainers zu verstehen und suchte sich stattdessen lieber ein sonniges Plätzchen, um noch die letzte Wärme des Tages aufzunehmen. Morgen hätte es sicher wieder Einiges zu tun. „Jetzt klär uns mal auf“, begann Misty schließlich, als Ash außer Hörweite war, „Wer ist der Typ und was ist da gerade zwischen den beiden abgelaufen?“, neugierig blickte sie zu Lucia. Auch Maike fand diese Frage sehr interessant und Drew sah bereits wieder einen Anflug von Schwierigkeiten, denn Streithähne könnten sie hier wahrlich nicht gebrauchen. Aber auch Paul verhielt sich weiterhin ruhig und hatte sich zurück ins Gras gelegt. „Paul ist ein alter Rivale von Ash, dem er während unserer Reise in Sinnoh immer wieder begegnet ist. Die beiden haben sich noch nie verstanden, aber seit einer Sache ist es besonders schlimm.“ Lucia dachte nicht gerne daran zurück, dennoch erzählte sie den anderen von dem Doppelkampf-Turnier in Herzhofen und dass Ash an diesem Tag Panflam von Paul übernommen hatte. Die beiden hatten danach so viele Kämpfe gemeinsam bestritten, doch irgendwie schien Panflam an seine Grenzen gestoßen zu sein und auch die besondere Fähigkeit Großbrand konnte Ash nicht kontrollieren, so dass Panflam nach einem Kampf, wo es zum Einsatz von Großbrand kam und es Ash angegriffen und schwer verletzt hatte, weggelaufen war. Ash hatte es tagelang gesucht und am Ende feststellen müssen, dass es zurück zu Paul gegangen war. „So war das. Mittlerweile hat sich Panflam zu Panferno weiter entwickelt, Paul hat es also geschafft. Ash fühlte sich schrecklich, als er gegen Panferno gekämpft hatte. Er kam sich verraten vor und hatte selbst das Gefühl versagt zu haben. Ich wusste gar nicht, was ich tun sollte, ich konnte ihm nicht helfen“, Lucia wusste noch genau, wie hilflos sie sich damals gefühlt hatte und es war das erste Mal gewesen, dass sie Ash so verletzt gesehen hatte. „Das hat er nie erzählt“, meinte Maike sichtlich berührt, aber vermutlich war das auch kein Thema, welches man mal eben beiläufig in eine E-Mail packte. „Rocko und ich mussten ihm versprechen, nicht mehr darüber zu reden. Seither hat er auch jeden Kampf mit Paul abgelehnt und der scheint das stillschweigend zu genießen, denn er hielt Ash schon immer für einen Schwächling. Ich glaube zwar, dass Panferno seine Entscheidung bei ihrem ersten Wiedersehen erklären wollte, aber Ash war es egal gewesen. Er kann weder Panferno noch Paul verzeihen, aber vermutlich am wenigstens sich selbst. Er hatte sich damals jedenfalls Vorwürfe gemacht, kein guter Trainer zu sein.“ „Ganz Unrecht hat er damit ja nicht“, kam es nüchtern von Drew und alle sahen ihn entsetzt an. „Drew?! Wie kannst du das nur sagen?“ Er blickte Maike ernst an, „Er konnte die Kräfte seines Pokémon nicht kontrollieren, er war als Trainer nicht stark und nicht fähig genug. Der beste Beweis ist, dass dieser Paul es war. Panferno wusste, bei welchem Trainer es stärker werden konnte, also hat es eine Entscheidung getroffen, die für es selbst am besten war. Das ist vollkommen normal. Was hättest du denn getan?“ „Ich hätte nicht einfach einen Freund im Stich gelassen“, entgegnete Maike stur. „Denkst du, Ash wurde im Stich gelassen? Für mich sieht es eher so aus, als wollte Panferno ihn in gewisser Weise beschützen.“ „Wie meinst du das?“, wollte auch Lucia wissen, beide Mädchen blickten den Koordinator verständnislos an. „Das kann gut sein“, kam es auf einmal von Misty, die Drews Argumente überdacht hatte und ihm im Nachhinein eher zustimmen musste, „Es hatte Ash verletzt und vermutlich Angst, dass es wieder passieren würde. Daher wollte es unbedingt diese Fähigkeit beherrschen, doch alleine schaffte es das nicht. Also hat es von sich aus wieder den Trainer gewechselt, weil es wusste, dass dieser Paul ihm helfen könnte, egal warum die beiden sich zuvor getrennt hatten. So wollte es vielleicht auch Ash beweisen, dass es stark sein konnte, auch wenn es nicht bei ihm als Trainer wäre.“ „Hmm“, Maike wollte es nicht wirklich zugeben, aber das wäre eine Erklärung dafür. Doch Ash tat ihr trotzdem Leid. Sie konnte sich vorstellen, dass es vor allem ihm aufs Selbstvertrauen schlug. „Wir sollten uns deswegen jetzt nicht streiten, es ist ohnehin nicht zu ändern. Ich denke, wir sollten uns lieber ein wenig ausruhen, wir haben Morgen viel vor“, schlug Misty vor. „Das ist eine gute Idee“, stimmte Drew ihr zu und wandte sich von der Gruppe ab. „Wo willst du hin?“, fragte Maike irritiert. „Mir einen ruhigen Platz suchen“, mit diesen Worten ging er unbehelligt weiter. „Maike?“, Lucia blickte besorgt zu ihrer Freundin, als sie diesen traurigen Gesichtsausdruck bei ihr bemerkte. „Ich weiß nicht, was los ist.“ „Willst du ihn allein lassen?“ „Ich weiß nicht, ich-“ „Geh ihm lieber nach“, mischte Misty sich ein und erntete einen fragenden aber auch hoffnungsvollen Blick von Maike. „Wenn er so viel nachdenkt, könnte er selbst schnell zu einem unfähigen Trainer werden. Er sollte sich lieber auf Morgen konzentrieren, aber er scheint mir sehr abwesend zu sein. Du bist sicherlich die Einzige, mit der er über seine Probleme reden kann, du solltest herausfinden, was ihn belastet. Außerdem habe ich den Eindruck, dass dir das auch auf der Seele brennt“, Misty schenkte ihrer Freundin ein verständnisvolles Lächeln. „Danke“, Maike nickte und folgte Drew schließlich. „Tja, und wir?“, fragte Lucia. „Wir können ja hier auf die beiden Jungs warten. Ich wollte eigentlich gerne von Gary wissen, wie wir Morgen vorgehen wollen, aber die beiden haben wohl auch erst Einiges zu klären. Wir können die Zeit ja nutzen, um uns besser kennen zu lernen.“ „Gern“, gab Lucia freudig zurück, auch wenn sie das Gefühl bekam, dass Misty ihr nicht wirklich zuhören würde, denn auch jetzt blickte sie nachdenklich zu dem zerstörten Labor hinauf. Sie schien sich auch so ihre Gedanken zu machen. „An was denkst du?“ „Ach, ich frage mich einfach, was die beiden so bereden. Vermutlich hat jeder von uns etwas auf dem Herzen liegen. Auch bei Ash sehe ich zwischendurch immer wieder so einen traurigen Blick in den Augen, den ich gar nicht von ihm kenne. Ich würde gerne wissen, was ihn beschäftigt.“ „Ihr kennt euch schon lange, oder?“ „Ich bin ihm ganz am Anfang seiner Pokémonreise begegnet, als er noch ein blutiger Anfänger war. Er hatte wirklich keinen Plan“, Misty musste ob dieser Erinnerungen schmunzeln, „Aber er ist erwachsen geworden. Er ist ein hervorragender Trainer, wenn auch immer noch sehr hitzköpfig.“ „Das wird er wohl immer bleiben“, auch Lucia musste kichern. „Aber mal eine andere Frage. Green ist nicht hier, oder?“ „Nein“, Lucias Ausdruck wurde wieder betrübt. Sie hatte Green kaum kennen gelernt, doch was sie getan hatte, hatte auch sie schwer erschüttert. „Ash und ich wissen, dass sie auf der Zinnoberinsel ist. Was ist in Sinnoh passiert?“ Lucia blickte sie ernst an. Die Antwort würde Misty rasend machen, denn offenbar war ihr erster Eindruck von Green doch der Richtige gewesen. Gary kniete immer noch in den Trümmern, als er Schritte hinter sich hörte. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass es Ash sein musste, der in diesem Moment stehen geblieben war. Ash verharrte stumm in ein paar Meter Entfernung in seiner Position und betrachtete seinen Rivalen und Freund. Er konnte sich nicht daran erinnern, Gary jemals am Boden zerstört gesehen zu haben. Er hatte ihn noch nie weinen sehen, auch jetzt sah er die Tränen nicht und doch wusste er genau, dass sie da waren. Aber er wollte sie gar nicht sehen, er wollte Gary keine bitteren Tränen um seine Heimat und seinen Großvater weinen sehen, denn am Ende würde er auch noch damit anfangen. „Ich weiß, wie du dich fühlst“, endlich erhob er seine Stimme und er sah, wie Gary mit seiner Hand über sein Gesicht fuhr. Er hatte sich die letzten Tränen weggewischt und erhob sich aus den Trümmern, um Ash endlich anzusehen. „Wirklich?“, seine Stimme war leise und doch war die Wut in seinen Worten herauszuhören. „Auch ich habe meine Heimat verloren. Ich habe auch schreckliche Dinge gesehen, aber wir sind auf dem richtigen Weg. Wir alle werden dir folgen.“ Gary wandte seinen Blick wieder ab und verzog sein Gesicht zu einer bitteren Miene. „Bin ich denn so ein guter Anführer? Würdet ihr mir alle wirklich in den Tod folgen? Wenn wir Morgen aufbrechen, gibt es kein Zurück mehr.“ „Das weiß ich. Das weiß jeder von uns. Aber ohne dich wäre keiner von uns hier. Wer sollte uns denn sonst in den letzten Kampf führen?!“, Ashs Worte sollten aufbauend klingen, doch diese Wirkung vermochten sie bei Gary nicht hervorzurufen. „Was habe ich denn bewirken können?!“, Gary wurde lauter und blickte Ash ernst an. Seine Augen funkelten und schimmerten vor erneut aufkeimenden Tränen. „Gary…“, Ash sah, dass er ihn mit seinen Worten verletzt hatte, anstatt ihn aufzubauen. Was war nur los mit ihm? Doch Ash gab nicht nach, Gary sollte erkennen, das alles, was sie bis erreicht hatten, auch sein Verdienst war, „Du hast entschieden und wir sind deinen Entscheidungen gefolgt. Aber du hast das hier doch erst ins Leben gerufen. Tu nicht so, als wenn sich nichts verändert hätte. Wir konnten viele Menschen retten, sie alle bauen auf uns. Was ist nur los mit dir? Was würde denn Prof. Eich sagen, wenn er dich jetzt so sehen würde? Du bist sein Enkel, du hast die gleichen Talente wie er, also mach dich nicht so fertig.“ „Sei still!“, schrie Gary ihn wütend an, „Nicht auch noch du. Ausgerechnet du vergleichst mich mit meinem Großvater. Es reicht!“, Gary holte ein paar Mal Luft, doch seine Aufregung war dadurch leider nicht verflogen, „Ich konnte überhaupt nichts tun. Ich habe Jubelstadt nicht vor der Zerstörung retten können, ich habe Freunde dort verloren, ich konnte nicht einmal mein Zuhause beschützen! Mein Großvater hat mich verlassen, ich musste zusehen, wie sich Turtok für mich opferte und Green…“, Gary schluckte schwer und verstummte. Er hatte es die ganze Zeit nicht zugegeben, doch dass sie einfach gegangen war, hatte ihn schwerer getroffen, als er es je erwartet hätte. Er fühlte sich verraten, er fühlte sich im Stich gelassen und er wusste nicht einmal wofür. Der Gedanke daran schmerzte sehr. „Was ist mit Green passiert? Wir haben über Bills Radar gesehen, dass sie auf der Zinnoberinsel ist. Wurde sie etwa von Team Rocket entführt?“, das hatte sich Ash schon die ganze Zeit über gefragt und sein Blick zeugte von Besorgnis und Anteilnahme, doch wieder hatte er überhaupt keine Ahnung. Wieder stach er in eine offene Wunde. „Sie ist freiwillig gegangen“, leise verließen diese Worte Garys Mund. „Was?“, aufkeimender Schock machte sich in Ash breit. „Sie hat diesen Kommandanten einfach begleitet. Das Letzte, was sie zu mir sagte, war ‚es tut mir Leid’“, leider gaben ihm diese letzten Worte keinen tieferen Sinn Preis. Was sollte ihr schon Leid tun? Dann hätte sie doch gar nicht erst gehen dürfen. Ash war sprachlos. War Green wirklich übergelaufen? Und auch in Jubelstadt muss er Schreckliches erlebt haben, vielleicht konnte er das wirklich nicht verstehen, doch was Gary über Green dachte, konnte er sich sehr wohl vorstellen. „Also sag nicht, du weißt, wie ich mich fühle. Ich gehe diesen Weg nur noch weiter, weil sonst alles umsonst wäre. Ich hoffe einfach, dass am Ende noch irgendwas übrig sein wird, wofür sich das alles gelohnt hat. Wenn diese Hoffnung umsonst ist, bleibt uns sowieso nur noch der Tod. Du bist einfach mal wieder viel zu naiv“, Gary kehrte ihm den Rücken zu, „Also lass mich allein!“, schrie er über seine Schulter und rannte in den verwaisten Laborgarten hinunter. Ash sah ihm noch eine Weile lang nach. Er konnte es nicht erklären, aber sein Vertrauen in Gary würde nicht weichen. Er war sich sicher, dass er sich wieder fangen würde. Irgendwie. Gary gab nicht auf und auch wenn es ihm noch nicht klar war, er litt nicht allein. „Pika?“, sein bester Freund meldete sich besorgt zu Wort. Das Gespräch war nicht gut verlaufen und Pikachu wusste nicht, was es tun sollte. „Schon gut Kumpel. Doch ich weiß, wie er sich fühlt. Ich fühle mich jetzt nämlich auch hilflos, weil ich nicht weiß, wie ich dir helfen kann, Gary.“ „Das glaube ich einfach nicht“, knirschte Misty, „Diese hinterhältige Schlange, ich hab es doch geahnt!“, sie war außer sich. Green war tatsächlich eine Verräterin, vielleicht sogar wirklich eine Spionin. Giovanni würde wissen, dass sie irgendwann zur Zinnoberinsel kommen würden, er musste damit rechnen. Das raubte ihnen einen entscheidenden Vorteil. Sicher wäre er vorbereitet, wenn sie Morgen angreifen würden. Hätten sie so überhaupt eine Chance? „Du bist nicht überrascht?“, Lucia hatte jedenfalls nicht den Eindruck. „Ich wollte nicht daran denken, aber diesen Gedanken hatte ich bereits, als ich den Signalpunkt ihres Pokécoms auf der Zinnoberinsel gesehen habe. Doch dass es tatsächlich so ist… diese miese Verräterin!“ „Wir sollten uns davon nicht aufhalten lassen“, hörten die beiden Frauen plötzlich Ashs Stimme und sahen zu, wie er den Hügel zu ihnen runterkraxelte. „Es erschwert die Sache aber ungemein!“, meckerte Misty weiter. „Es ist nicht zu ändern. Ich bin ja auch enttäuscht“, er sprang den letzten Meter und lief auf seine beiden Freundinnen zu, „Es kommt eben auch mal vor, dass man verraten wird, aber keiner von uns kann was dafür.“ Mistys Wut wich ein wenig dem Schrecken. Es war Erschrecken darüber, wie Ash auf einmal redete. Er wirkte beinahe unmittelbar betroffen. Ob da vielleicht diese andere Sache mitspielte? Misty warf einen kurzen Blick rüber zu Paul, dieser hatte sich nicht wieder gerührt. Es war wirklich zum verzweifeln, jetzt hatten sie sich hier endlich getroffen, doch die Wiedersehensfreude hatte ja nicht lange gehalten. Im Prinzip war doch alles nur noch schlimmer geworden. „Was ist mit Gary?“, fragte Misty schließlich. „Er braucht ein wenig Freiraum. In Jubelstadt ist was Schreckliches, oder?“, Ash blickte betroffen zu Lucia. Diese nickte stumm und schluckte einmal laut, bevor sie eine Antwort in Worte fassen konnte, „Jubelstadt gibt es nicht mehr. Sie wurde von Dialga und Palkia vollkommen zerstört.“ Ashs Augen weiteten sich, er konnte sich noch gut an seine Begegnung mit Dialga und Palkia erinnern. Hatten sie etwa gegen diese beiden Pokémon kämpfen müssen? Gary hatte also davon gesprochen, als er meinte, Jubelstadt nicht beschützt zu haben. „Fast alle sind tot. Die Pokémon-Ranger Solana und Jackie, Pokémon-Jägerin J, Team Galaktik und… Zoey“, Lucia musste schluchzen, sie versuchte erneute Tränen zu unterdrücken. Doch es fiel schwer, wenn sie daran dachte, wie sie ihre Freundin von einer Glasscheibe durchbohrt dort hatte liegen sehen. „Nur wir drei, Prof. Eibe und Primo haben überlebt.“ „Wie schrecklich“, entglitt es Ash. Und er war so taktlos gewesen und hatte Gary eine Aufbaupredigt halten wollen. Kein Wunder, dass er nur Wut geerntet hatte. „Ich könnte mir vorstellen, dass Maike und Drew Ähnliches erlebt haben“, warf Misty mit bitterer Stimme ein. Die anderen beiden stimmten schweigend zu. Ihr Verhalten deutete daraufhin. Die Zerstörung schien kein Ende zu nehmen. Eigentlich waren sie hergekommen, um neuen Mut zu finden, doch jetzt sah es so aus, als könnte nichts mehr besser werden. Zerstörung, Tod, Verrat… was erwartete sie denn noch?! Was könnte sie nur aus diesem grausamen Sumpf herausziehen, damit sie Morgen nicht scheitern würden? Erfrischender Wind zog über Alabastia. Es war eine wohlige Brise, man glaubte beinahe, sie könnte all diese negativen Gedanken davon tragen. Die drei Trainer richteten ihre Gesichter dem Wind entgegen, es war wirklich ein befreiendes Gefühl. Doch der Wind trug noch etwas anderes mit sich. „Was ist das?“, fragte Lucia als Erstes mit konzentriertem Blick in die Ferne gerichtet. Etwas schien sich ihnen mit hoher Geschwindigkeit zu nähern. „Das ist-“ „Suicune!“, vollendete Misty Ashs Satz. Alle drei blickten ungläubig zu dem legendären Pokémon, welches immer näher kam. Mit gewaltigen Sprüngen bewegte es sich über das verwüstete Plateau. Elegant und geschmeidig vollführte es seine Bewegungen, bis es schließlich mit einem letzten großen Satz auf die Gruppe zusprang und vor ihnen landete. Erst jetzt erkannten die drei die Person auf seinem Rücken. „Ash, bist du es?“, die ungläubige Stimme richtete sich an den ebenso ungläubig drein blickenden Trainer. Der junge Mann stieg von Suicunes Rücken ab und kam aus dem Staunen kaum noch raus. „Und Misty?! Hat mich Celebi tatsächlich in eure Zeit gebracht?!“ „Sam?“, Ash glaubte es immer noch nicht. „Genau. Wir haben uns im Wald von Celebi getroffen.“ „Pika!“, Pikachu erkannte sofort ihren gemeinsamen Freund und sprang freudig in dessen Arme. „Hallo Pikachu, wie ich sehe, geht es dir auch gut.“ „Suicune, haben du und Celebi Sam wieder hierher gebracht, damit er uns helfen kann?“, fragte Misty das legendäre Pokémon, während Ash langsam feuchte Augen vor Freude bekam. Suicune nickte. „Und wirst du uns auch helfen?“ Wieder nickte es, jedoch wandte es sich kurz darauf um, um sich wieder auf den Weg zu machen. „Suicune, wo willst du hin?“, nun war es Sam, der die Frage an seinen Bringer stellte. Sucine blickte alle Anwesenden eindringlich an. Danach war es mit gewaltigen Sprüngen wieder unterwegs zu seinem nächsten Ziel. Alle vier blickten ihm noch so lange hinterher, bis es aus ihrem Sichtfeld verschwunden war. Es war schwer zu beschreiben, doch sie alle waren sich sicher, dass sie Suicune schon bald wieder sehen würden. „Wer weiß, wem es jetzt helfen wird“, meinte Misty mit einem leichten Lächeln. „Aber ich bin mir sicher, dass wir es auf der Zinnoberinsel wieder sehen werden. Es scheint genau zu wissen, was in der Welt vor sich geht.“ „Du hast Recht“, Ash rieb sich schnell eine Träne aus dem Augenwinkel, „Sam, du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dich zu sehen!“ „Ich kann es auch kaum glauben. Aber-“ „Ähem“, Lucia räusperte sich und erlangte so die volle Aufmerksamkeit aller Anwesenden, „Vergesst mich nicht schon wieder“, schmollend stemmte sie die Hände in die Hüften. „Entschuldige“, kam es sofort von Ash, „Du glaubst es vielleicht nicht, aber Sam ist ein alter Freund und er kommt aus einer anderen Zeit.“ „Echt jetzt?“, sie konnte es wirklich kaum glauben. Sie fand das ganze Gespräch mit Suicune bereits sehr suspekt, aber irgendwie hatte sie sich nicht vorstellen können, dass sie das alles so wörtlich meinten. „Es stimmt“, bestätigte Sam nun selbst die Aussage, „Ich komme aus der Vergangenheit. Es müssten ca. 50 Jahre vor eurer Zeit sein. Es freut mich, noch eine Freundin von Ash und Misty kennen zu lernen“, Sam lächelte sie freundlich an. „Freut mich auch“, Lucia blickte mit einer Mischung aus Skepsis und Faszination an, „Ich bin Lucia. Aber-“, sie schaute durch die Runde, „Wie habt ihr euch denn kennen gelernt und wie kommst du überhaupt hierher?“ „Celebi hat mich hergebracht. Damals allerdings eher aus Versehen. Es kann nämlich durch die Zeit reisen“, erklärte Sam. „Ich dachte, das wäre nur eine Legende.“ „Sie ist aber wahr. Es war damals wirklich unglaublich“, kam es von Misty, „Aber es wundert mich nicht, dass auch Celebi uns hilft, wenn man bedenkt, was Team Rocket ihm damals angetan hat.“ „Es geht also wieder um Team Rocket?“, fragte Sam betroffen, „Ich wollte vorhin schon fragen, was eigentlich los ist“, er ließ seinen Blick ein wenig schweifen, „Wo sind wir hier? Hier sieht es ja schrecklich aus. Trotzdem kommt mir dieser Ort irgendwie bekannt vor.“ „Das ist hier ist – war einmal Alabastia“, gab Ash zurück und sah bedrückt zu Boden, diese Worte waren wirklich schwer auszusprechen, sie wirkten immer noch so unreal. „Das ist Alabastia?!“, in Sams Augen machte sich offensichtlicher Schock breit. „Du kennst Alabastia?“, wollte Misty wissen. „Das ist meine Heimatstadt“, gab er leicht entgeistert zurück und betrachtete seine Umgebung nun genauer. „Dieser Hügel. Dort oben befindet sich das Labor meines Großvaters.“ Ash horchte auf und sah Sam teilnahmsvoll an. „Es ist auch meine Heimatstadt. Und der Professor… er wurde von Team Rocket getötet.“ „Ist das wirklich wahr?“, Sam sah Ash direkt in die Augen, „Was haben sie nur getan? Wie kann die Zukunft nur so aussehen?!“ Ash wusste keine Antwort. Sie hatten keine Ahnung, wie es soweit kommen konnte, doch es gab nichts mehr zu verhindern. Sie konnten es nur noch beenden. „Team Rocket hat viel Unheil angerichtet. Doch ein paar Trainer versammeln sich hier in Alabastia und wir wollen Morgen zur Zinnoberinsel aufbrechen, wo Team Rocket sein Hauptquartier errichtet hat. Wir wollen diese Zerstörung endlich beenden“, gab Ash mit entschlossenem Blick zurück. „Dann hat mich Celebi also geholt, damit ich euch helfen kann“, auch Sams Blick wurde entschlossen, „Ich weiß nicht, was ich ausrichten kann, aber ich werde euch helfen. Es ist vielleicht nicht meine Zeit, trotzdem fühle ich mit euch.“ Die beiden jungen Männer nickten sich zu. Sie waren sich einig. „Wie viele seid ihr denn?“, wollte Sam noch wissen. „Wir drei, der Typ dahinten, dann waren es eigentlich noch zwei Koordinatoren, wo sind Maike und Drew eigentlich?“, fiel es Ash gerade erst auf. „Die beiden haben sich zurück gezogen und wollen sich für Morgen ausruhen“, meinte Misty. „Ach so. Na ja, und dann noch der Trainer, der uns alle überhaupt erst hier versammelt hat, er ist auch der Enkel des Professors. Doch diese Verwandtschaft und sein Tod scheinen ihn sehr zu belasten. Ich hoffe, dass er Morgen bereit sein wird. Ich wünschte, ich könnte ihm helfen, aber er hat viel durchgemacht.“ „Soll ich vielleicht mal mit ihm sprechen?“ Überrascht blickte Ash seinen Freund an. „Ich kenne ihn zwar nicht und ich war auch nicht dabei, als all das hier passiert ist, aber vielleicht kann ich ihm gerade deswegen helfen. Außerdem möchte ich ihn kennen lernen.“ „Ok. Sein Name ist Gary und er hat sich irgendwo in den Garten hinter dem Labor zurück gezogen.“ „Danke“, also machte Sam sich auf den Weg, um nach Gary zu suchen. „Er ist wirklich nett“, stellte Lucia mit einem Lächeln fest, „Vielleicht kann er uns wirklich aufbauen, weil er von allem hier gar nichts mitbekommen hat.“ „Genau das, was wir jetzt brauchen“, stimmte Misty zu. „Kann er denn auch kämpfen?“, alle drehten sich überrascht um. Plötzlich stand Paul hinter ihnen, er hatte die Unterhaltung offenbar mitverfolgt und sicherlich keine einzige Minute geschlafen. „Er ist ein guter Trainer, vermutlich besser als du“, entgegnete Ash sofort scharf. „Das hast du von dir auch behauptet“, Paul zog einen Mundwinkel zu einem überlegenen Grinsen nach oben. Ash knurrte wütend, er würde Paul am liebsten eine verpassen. „Das reicht“, ging Misty jedoch dazwischen, „Sam wird uns eine große Hilfe sein. Er ist nicht nur ein guter Trainer, sondern auch ein guter Mensch.“ „Gut reicht aber nicht. Außerdem bringt es nichts, wenn er viel reden kann, hier kommt es nur aufs Kämpfen an. Wenn er zu viel an andere denkt, wird er nicht lange überleben.“ „Du…“, Ash fand gar keine Worte für das, was er Paul am liebsten sagen wollte. Wie konnte man nur so sein wie er? Das würde er wohl nie verstehen. „Du spuckst große Töne. Hoffentlich bist du auch so ein großer Kämpfer für den du dich offenbar hältst“, erwiderte Misty dafür schlagfertig. „Du brauchst keine Sorgen an mich zu verschwenden“, gab Paul zurück, „Passt lieber auf, dass wir nicht zu viele Versager werden“, mit diesen Worten wandte er sich von der Gruppe ab und schlenderte davon. Hier wurde es ihm zu blöd. „Dieser Paul“, knirschte Ash, seine Fäuste zitterten vor Wut. „Wirklich ein unangenehmer Zeitgenosse. Wieso habt ihr den nur mitgebracht?“, wollte Misty von Lucia wissen. „Tut mir Leid, das war meine Idee gewesen. Er ist auch gegen Team Galaktik in den Kampf gezogen, ich dachte, er könnte uns helfen. Außerdem hat er auch sein Zuhause und seinen Bruder verloren.“ „Du meinst Reiji?“, Ash sah sie fassungslos an. „Ja. Deswegen ist er auch noch unnahbarer als sonst. Er musste zusehen, wie Reggie von Team Galaktik getötet wurde, er ist für Hilda gestorben. Deswegen ist er auch so enttäuscht, sein Bruder würde vielleicht noch Leben, wenn er sich nicht für sie eingesetzt hätte.“ „Das erklärt zwar seine Worte, aber er sollte sie lieber für sich behalten, wenn er keinen Ärger haben will“, Misty verschränkte ungehalten die Arme vor der Brust. Sein Verhalten passte ihr ganz und gar nicht, egal was er auch erlebt haben mochte. Doch Ash sah das irgendwie anders. Paul hatte auch Verluste erlitten, er hatte ein Recht, bei diesem Kampf dabei zu sein. Er hatte dasselbe Ziel wie sie. Auch wenn es ihm nicht passte, er könnte ihnen helfen und vielleicht würde er Paul am Ende vielleicht doch noch ein wenig verstehen. „Ich werde ihm mal nachgehen. Nicht dass er am Ende noch alleine loszieht“, meinte Lucia und verließ die beiden ebenfalls. „Na großartig und was machen wir beide jetzt?“, Misty blickte Ash fragend an, doch er schien ihr gar nicht zuzuhören. „Ash?“ „Was ist?“, er schreckte überrascht auf. „Was ist nur los mit dir?“, besorgt blickte sie ihn an. „Ach, es ist nichts weiter.“ „Wie kannst du nur erwarten, dass Gary mit dir redet, wenn du dich selbst nicht öffnest? Dich belastet doch auch etwas, du kannst es mir ruhig erzählen.“ „Misty“, betroffen blickte er sie an, doch sie schenkte ihm nur ein sanftes Lächeln. Sie kannte er von allen am längsten, sie war seine beste und vertrauteste Freundin. Er hatte seine Stadt nicht retten können, er hatte dem Professor nicht helfen können, er musste seine Mutter allein und in Sorge zurücklassen, es gab so viele Opfer, die er nicht hatte verhindern können. Er hatte nicht das Gefühl, viel erreicht zu haben und das Schlimmste war, dass er sogar Misty schon verloren hätte, wenn nicht jemand sie gerettet hätte. Doch er hatte nichts tun können. Die größte Angst, die er verspürte war, sie zu verlieren und nichts dagegen tun zu können. „Ich…“ „Ich werde an deiner Seite bleiben, das solltest du auf jeden Fall wissen“, sagte sie auf einmal zu ihm, als sie merkte, dass er sowieso nur albern rumstottern würde. „Ohne mich wärst du doch aufgeschmissen, dich kann man doch nicht aus den Augen lassen. Gemeinsam werden wir Team Rocket aufmischen, so wie immer eben. Nicht wahr?!“, sie zwinkerte ihm zu. Ash musste leicht lächeln. „Hiernach möchte ich mit dir noch viele Abenteuer erleben, hier wird keiner von uns sterben, falls du daran gedacht haben solltest. Wir werden es schaffen, alle zusammen!“, setzte sie noch nach. Ash war ein wenig verblüfft, sie wusste genau, woran er dachte. Sie war immer für ihn da, manchmal hatte ihm das in all den Jahren wirklich gefehlt. Selbst während seiner Reisen mit Maike und Lucia, Misty hatte einfach etwas, das niemand ihm ersetzen konnte. Sein Körper schien sich auf einmal von alleine zu bewegen, doch irgendwas trieb ihn einfach dazu, einen Schritt nach vorne zu machen und Misty in den Arm zu nehmen. „Danke“, flüsterte er ihr über ihre Schulter. Überrascht doch glücklich legte sie ebenfalls ihre Hände auf seinen Rücken und drückte sich an ihn. „Misty?“ „Ja?“, ihre Frage klang irgendwie erwartungsvoll. Hatte er endlich die richtigen Worte gefunden, die er vorhin schon hatte sagen wollen? „Ich-“, großes Knurren war plötzlich zu hören. „Sag nicht, du hast schon wieder Hunger?“, stöhnte Misty und löste sich aus der Umarmung, um ihn strafend anzublicken. „Offenbar doch“, er hielt sich verlegen die Hände über den Magen. „Rocko hat uns in Mahagonia City doch extra noch etwas gekocht, bevor wir abgereist sind.“ „Na und? Deswegen kann ich doch trotzdem schon wieder Appetit haben.“ „Dein Magen stört sich wirklich an nichts“, Misty schüttelte verständnislos den Kopf. „Zum Glück hat uns Rocko noch ein paar Sandwiches mitgegeben, auch wenn diese eigentlich fürs Frühstück gedacht waren, aber er meint es ja immer noch gut mit uns. Aber wir sollten die anderen auch fragen, ob sie noch was essen möchten, sie hatten vermutlich keinen so guten Koch dabei.“ „Also suchen wir Maike und Drew?“ Misty nickte, „Vielleicht haben die beiden ja Appetit. Hoffentlich haben sie sich in der Zwischenzeit ausgesprochen.“ „Was ist denn passiert? Hab ich was verpasst?“, Ash blickte verwirrt drein. „Ach, nicht so wichtig“, winkte Misty jedoch ab, er würde die Problematik vermutlich ohnehin nicht verstehen und dass sie nun alle über die Geschichte zwischen ihm und Paul wussten, musste sie ihm auch nicht unbedingt unter die Nase halten. Dass sich die beiden nicht leiden konnten, sah man ja auch so. „Nun sag schon!“, drängte Ash jedoch bereits mit einem leicht schmollenden Gesichtsausdruck. „Lass uns die beiden suchen gehen, weit sind sie bestimmt nicht gegangen“, erwiderte Misty allerdings nur und ging bereits voran. Ash stöhnte beleidigt, ehe er ihr schließlich folgte. Wenn sie ihm schon nichts erzählte, hoffte er wenigstens so schnell wie möglich was zu Futtern zu bekommen. Drew saß am Boden und lehnte mit dem Rücken gegen eine Wand, das letzte Stück was von diesem Haus noch übrig geblieben war. Er ließ seinen Hinterkopf gegen das harte Gestein zurück sinken und schloss die Augen. Erst hatte er die Zerstörung dieser Stadt so wirklich wahrgenommen, als er durch ihre Straßen gegangen war. Hier gab es wirklich nichts mehr außer Verwüstung. Kein Haus stand mehr, die Wege und Straßen waren aufgerissen, Bäume und Pflanzen vernichtet, nichts und niemand war mehr hier. Es sah noch schlimmer aus als Prachtpolis City, sogar noch schlimmer als Metarost City. Wie es wohl seiner Familie ging? Ob Larousse City vielleicht auch bereits zerstört worden war? Er hoffte es nicht und es würde bedeuten, dass sein Zuhause in Sicherheit wäre, denn Team Aqua und Team Magma gab es nicht mehr, dafür hatte er wohl ausreichend gesorgt. Er hatte sie vernichtet, so wie sie alles vernichtet hatten. War er jetzt nicht auch ein Verbrecher?! Ließ sich das überhaupt rechtfertigen? „Drew?“, er öffnete wieder seine Augen und blickte in das besorgte Gesicht von Maike. Er hatte gar nicht gemerkt, dass sie ihm gefolgt war. Er hatte auf nichts weiter geachtet als auf seine zerstörte Umgebung und als er irgendwann nicht mehr durch diese Einöde und Einsamkeit wandern wollte, hatte er sich hier einfach niedergelassen, denn einen besseren Ort würde er hier nicht mehr finden. Maike trat an ihn heran und er beobachtete, wie sie sich neben ihm niederkniete. Er sagte kein Wort und sie sah ihn einfach nur an. Es war fast wie in dem Zimmer im Pokémon-Center. Er könnte sie die ganze Zeit über einfach nur so anblicken, das würde ihm schon reichen. Maike wusste nicht, wie sie anfangen sollte. Sie spürte seinen intensiven Blick und er verschlug ihr beinahe die Sprache. Sie könnten sich die ganze Zeit einfach nur ansehen, es war irgendwie ein beruhigendes Gefühl. Nichts tat mehr weh, nichts schien mehr von Bedeutung zu sein, sie sahen sich einfach nur an und ließen die Zeit um sie herum an ihnen vorbei ziehen. Doch sie atmete einmal tief durch und durchbrach diesen Moment. „Drew, warum siehst du so traurig aus?“, sie fragte es einfach direkt heraus. Sie musste es wissen, denn sie wollte ihm helfen. Wenn er litt, sollte er dies nicht alleine tun müssen. Doch Drew wandte seinen Blick auf einmal ab und starrte den Boden vor ihm an. Was sollte er ihr antworten, sie würde ihm doch eh nur sagen, dass er so nicht denken dürfte und ihn keine Schuld träfe. „Bitte sag es mir“, ihre Stimme drängte ihn nicht, sie war vielmehr ein Flehen. Er spürte, wie wichtig es ihr war. „Ich habe sie getötet.“ Maike versuchte den Sinn seiner Worte zu verstehen, doch es gelang ihr nicht. Was meinte er nur? Auf einmal sah er sie wieder an und sein Blick war noch viel trauriger und verletzter als jemals zuvor. „Ich habe sie alle getötet. Weil ich Groudon nicht kontrollieren konnte, mussten sie alle sterben.“ „Aber Drew“, Maike durchfuhr ein Schock. Wie konnte er nur so etwas sagen? Aber war er derjenige gewesen, der Groudon frei gelassen hatte? Was hatte er nur im Hauptquartier von Team Magma erlebt? „Was ist genau passiert?“ Drew überkam ein kurzer Anflug von Überraschung. Er hatte nicht erwartet, dass sie so eine Frage stellte, doch irgendwie war er ihr dankbar dafür. Wieder einmal bewies sie, wie besonders sie doch war. Drew erzählte ihr von seiner Rettungsaktion und wie er zusammen mit Troy durch die Stadt geflohen war, bis die Flutwelle kam. Schließlich auch, dass er General Harlan tot vorgefunden und ihm Groudon abgenommen hatte. „Ich habe es frei gelassen und ließ es seinen Pokéball zerstören. Danach konnte es machen, was es wollte und es ließ seiner Wut freien Lauf. Es hörte nicht auf meine Worte. Ich kann wohl nicht so gut mit Pokémon umgehen wie du“, kurz glaubte Maike ein kleines, schmerzliches Lächeln auf seinen Lippen gesehen zu haben. Wieso sagte er ausgerechnet so was, das stimmte doch überhaupt nicht. „Bei mir war die Situation doch auch ganz anders. Außerdem hat Kyougre Groudon doch auch aufgetragen, Team Aqua zu vernichten. Was hätten wir denn tun sollen?“ „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich es wohl getan“, erwiderte Drew, „Ich fühle mich einfach nicht so, als wenn es so hätte enden sollen.“ „So ein Schicksal habe ich den beiden Teams auch nicht gewünscht, aber vielleicht war das der einzige Weg, um der Welt ihren Frieden wieder zurückzubringen. Die beiden legendären Pokémon haben sich so entschieden. Du solltest dir keine Vorwürfe machen, nur weil du Groudon befreit hast. Es wäre auch nicht besser, wenn Team Magma und Team Aqua diese Welt weiter zerstören würden.“ „Doch wenn es dort schon so ausgegangen ist, wie soll es dann nur gegen Team Rocket enden? Ich – habe Angst“, gab Drew mit leiser Stimme zu. Maike blickte ihn überrascht an. Drew hatte Angst? Sie wollte ihn gerne fragen wovor, doch sie ließ ihm Zeit. Er sollte es ihr nur sagen, wenn er es auch wollte. Drew sah in ihre Augen und wusste, dass sie warten würde. Er musste es ihr nicht sagen, doch er wollte es, denn sie würde seine Gefühle verstehen. „Ich habe Angst, zum Mörder zu werden. Was ist, wenn ich gegen meinen nächsten Gegner kämpfe und ihnen töten muss, um zu gewinnen? Mir war nicht klar, dass es so ausgehen könnte.“ „Mit dieser Angst bist du nicht allein. Ich denke sogar, sie betrifft jeden von uns. Aber wir müssen einfach versuchen, ohne weitere Opfer zu gewinnen.“ „Maike…“ „Ich hoffe nur, dass du dein Versprechen nicht vergisst“, sie lächelte ihn leicht an, „Wir bleiben zusammen. Wenn so etwas passiert, dann bist du nicht allein. Du musst deinen Schmerz nicht allein tragen. Ich kann verstehen, wie du dich fühlst. Wir dürfen nicht genauso werden wie unsere Feinde, aber das werden niemals werden, denn es gibt einen großen Unterschied!“ Drew sah Maike erwartungsvoll an. Ihre Augen strahlten eine ihm unbekannte Entschlossenheit aus, die er bei ihr noch nie gesehen hatte. „Wir wollen diese Welt beschützen! Es ist natürlich keine Rechtfertigung für das, was in Prachtpolis City passiert ist, aber du bist nicht so wie sie. Du bist kein skrupelloser Mörder so wie sie. Wir können einfach nur hoffen, dass unsere Entscheidungen die richtigen sind, aber so lange wir unser Ziel nicht aus den Augen verlieren, bin ich mir sicher, dass wir das Richtige tun und am Ende wird alles gut werden.“ Maike atmete hörbar aus. Sie war selbst ein wenig von ihren eigenen Worten überwältigt, aber sie gaben genau das wieder, was sie empfand. Sie durften nicht von ihrem Kurs abweichen, sie waren auf dem richtigen Weg, auch wenn dieser genauso mit Opfern gepflastert war wie der ihrer Feinde. Schweigen legte sich über die beiden Koordinatoren. Drew fand Maikes Worte unglaublich. Sie waren längst nicht mehr so naiv wie früher. Nun war sie es, die ihn belehrte und nicht mehr andersrum. Ihre Worte, ihre Gegenwart und der Blick in ihre Augen ließen ihn sich wirklich besser fühlen. Er hatte sich für den richtigen Weg entschieden und er würde ihn mit ihr zusammen weiter gehen. „Ich glaube auch, dass alles bis jetzt irgendeine Bedeutung hatte“, kam es weiter von Maike, doch ihre Stimme wurde spürbar unsicherer. Sie blickte auch ein wenig verlegen zu Boden. Doch im Gegensatz zu ihr hatte Drew eine Vorstellung, auf was sie anspielte. „Ich weiß nicht genau, wie das passieren konnte. Ich habe das Gefühl, auch diese Situation einfach falsch ausgenutzt zu haben.“ „Das hast du nicht!“, platzte es sofort aus Maike heraus, „Ich-“ Wie sollte sie es sagen? Irgendwie machte sie das nervös. Sie wollte von ihm hören, dass es ihm auch etwas bedeutet hatte und was sie für ihn empfand, aber irgendwie war das noch schwieriger, als ihre Gewissen zu beruhigen. „Ich weiß, dass es nie wieder so wird früher, aber seit wir Alabastia vor ein paar Tagen verlassen hatten, war mir klar, dass ich diese Reise nur mit dir zusammen antreten würde. Ich will dich nicht verlieren. Vielleicht hätte das in Prachtpolis City zwischen uns nicht passieren sollen, aber an dieser Entscheidung wird sich nie etwas ändern.“ Er würde an ihrer Seite bleiben, egal was sie auch von ihm dachte. Doch ein weiteres Mal sollte sie ihn überraschen. Ihr fielen die richtigen Worte nicht ein, aber sie wusste, was sie tun wollte: sie schenkte ihm einen zärtlichen Kuss auf die Lippen. Dieser Kuss drückte mehr aus als alle Worte dieser Welt. Es war mehr als Freundschaft, mehr als Zuneigung, es war wahre Liebe und genau das konnte er fühlen. Und was noch wichtiger war: er tat nichts lieber, als dieses Gefühl zu erwidern. „Oh Gott, wie peinlich. Guck weg!“, Misty war rot angelaufen und drückte Ash ihre Hand ins Gesicht. „Hey!“, protestierte dieser und erntete nur ein bissiges ‚leise verdammt’, bevor Misty ihn in eine andere Richtung zog. Ihr Timing war ja wirklich perfekt gewesen, hatten sie die beiden ausgerechnet beim Küssen erwischt. „Musst du gleich so brutal sein?!“, beschwerte sich Ash nach einigen Metern wieder und rieb sich über das Gesicht. „Was heißt hier brutal? Wir hätten das einfach nicht sehen sollen und du hättest sicher nicht von alleine weg geguckt, dein Blick hat Bände gesprochen!“, gab sie nur wild zurück. Ganz Unrecht hatte sie nicht, er hatte schon nicht schlecht gestaunt und brauchte erst einmal ein paar Momente, die er dank ihr nicht gehabt hatte, um die Situation zu realisieren. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, dass Drew und Maike sich so nahe standen. Sie hatte nie was in der Hinsicht angedeutet oder er hatte es nur nicht verstanden und von Drew hätte er das überhaupt nicht erwartet. Doch irgendwie bewunderte er die beiden, er kam sich deswegen auf einmal ziemlich verklemmt vor. „Misty?“ „Was?!“, sie drehte sich abrupt zu ihm um und funkelte ihn beinahe furchteinflößend an. „Wo gehen wir jetzt eigentlich hin?“, wollte Ash ganz naiv wissen. Misty stöhnte auf, das war mal wieder typisch Ash in so einer Situation so eine Frage zu stellen, sie wusste gar nicht, wie sie auch nur für einen Moment etwas anderes erwarten konnte. „Keine Ahnung“, gab sie nur zurück. „Dann komm bitte mit?“, meinte er und übernahm nun die Führung ohne auf ihre Antwort zu warten. Perplex blickte sie ihm nach, während sie sich ebenfalls in Bewegung setzte. Was war das nun wieder? Wo wollte er denn auch hin? Sie gingen eine ehemalige Straße entlang, die von Schlaglöchern und Holzteilen einstiger Häuser gepflastert war. Misty kam dieser Weg irgendwie bekannt vor und ihr kam plötzlich ein Gedanke, wo er hin wollte. Vor einem kleinen Kieselweg, der von der Straße abzweigte, blieb er auf einmal stehen und starrte auf das Grundstück. Neben dem Weg zogen sich weiße Splitterlinien, hier hatte vermutlich einmal ein Gartenzaun gestanden und das Grundstück von der Straße getrennt. Der Kieselweg war verwischt und er führte nur noch in einen Trümmerhaufen aus Steinen, Holz und Staub. Man konnte nicht mehr viel von dem identifizieren, was es hier einmal gegeben hatte. „War hier – dein Haus?“, fragte Misty zaghaft, als er einfach nur schweigend so da stehen blieb und auf die Überreste des Hauses starrte. „Gehst du mit mir rein?“, fragte er zurück, „Als ich hier in Alabastia angekommen war, stand ich auch hier, bevor ich Gary getroffen habe, aber ich habe mich getraut, das Grundstück zu betreten. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das hier einmal das Haus gewesen sein soll, in dem mich meine Mutter immer begrüßt hatte, wenn ich von einer Reise zurückkehrte und Pantimos immer so fleißig mit der Haus- und vor allem der Gartenarbeit beschäftigt war. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es nicht mehr so sein soll.“ Sein Blick sah traurig und sehnsüchtig aus, diese Erinnerungen überfluteten ihn beim Anblick seines Zuhauses. Alles war zerstört, das Haus, sein Zimmer, der geliebte Garten seiner Mutter, dieser Anblick tat weh, aber trotzdem fühlte er sich hier immer noch Zuhause. Er war immerhin hier aufgewachsen und diese Erinnerungen würden niemals vergehen. „Ich bin an deiner Seite“, vernahm er plötzlich Mistys Stimme und spürte, wie sich eine Hand sanft um seine legte. Er blickte zur Seite und direkt in ihr sanftes und verständnisvolles Lächeln. Er lächelte leicht zurück. Mit ihr hätte er den Mut, der Zerstörung ins Auge zu sehen und ein letztes Mal sein Haus zu betreten, bevor er alles hinter sich lassen würde. Er wollte seinem Zuhause auf Wiedersehen sagen, ehe sie Morgen in den Kampf ziehen würden. Er drückte ihre Hand und trat endlich einen Schritt nach vorn. Er hatte das Grundstück betreten und folgte dem Kieselweg, bis er die vermeintliche Haustür passierte und im Inneren des Hauses stand. Er schritt noch ein paar weitere Meter voran, hier müsste die Küche gelegen haben und darüber sein Zimmer. Auf dem Boden entdeckte er zwischen den Trümmern noch Reste seines Weckers, ein paar Stofffetzen, die vielleicht einmal zu seiner Bettwäsche gehörten, lagen ebenfalls im Staub. Überraschend ließ er Mistys Hand los und setzte sich an Ort und Stelle einfach nieder. Er faltete seine Beine im Schneidersitz und blickte in den Himmel hinauf. Er versuchte sich vorzustellen, auf seinem Bett zu sitzen und wie in der Nacht, bevor seine Pokémon-Reise begonnen hatte und er nicht schlafen konnte, die Decke seines Zimmers anzublicken und sich alle 150 Pokémon vorzustellen, von denen er damals glaubte, dass es nur diese gäbe und sie alle fangen wollte. Stattdessen sah er jetzt jedoch in den klaren Sternenhimmel, der sich mittlerweile über der Stadt ausgebreitet hatte. Die Sonne war ganz still und leise hinterm Horizont verschwunden, doch auch der Nachthimmel war ein schöner Anblick und irgendwie beruhigend. Ash bemerkte, wie Misty sich neben ihn setzte und zudem stieg ihm noch der Geruch von Essen in die Nase. Überrascht wandte er seinen Blick vom Himmel ab und starrte auf eines von Rockos berühmten Sandwiches und von da aus zu Misty. „Du hattest doch Hunger, also solltest du was essen, nachher meckerst du wieder, dass du nicht genug bekommst und deshalb niemals Pokémon-Meister wirst“, scherzte sie. „Ist ja auch so, ich muss gut essen, damit ich stärker werde“, gab er zurück, nahm ihr das Sandwich ab und biss einmal herzhaft hinein. Misty zog die Beine an und schlang ihre Arme darum. Ihren Kopf bettete sie auf ihre Knie und sah Ash beim Essen zu. Jetzt war er wieder so, wie sie ihn kannte. Ein Trainer, der nur Pokémon und seinen Traum vom Meistertitel im Kopf hatte und daneben nur noch Platz für Essen war. Und doch hatte sich etwas verändert. Sie wusste nicht, was es war, vielleicht hatte sich auch nicht er verändert, sondern irgendetwas zwischen ihnen, auf jeden Fall bemerkte sie selbst, dass sie ihn anders ansah als früher. Er war mehr als nur ein Weggefährte und der naive Junge, der ihr Fahrrad gegrillt hatte. Pikachu war mittlerweile sogar auf Ashs Schoß eingeschlafen und auch Ash grinste zufrieden, nachdem er sein Sandwich verspeist hatte. „Das war gut“, sanft streichelte er über das gelbe Fell seines besten Freundes. So eine Pause tat wirklich gut und er würde sie mit niemandem lieber verbringen als mit Pikachu und mit Misty. „Wir sollten uns auch hinlegen“, meinte er zu ihr. „Willst du wirklich hier schlafen? In den Trümmern deines Hauses?“ „Ja, hier fühle ich mich immer noch am wohlsten. Außerdem bin ich ja nicht allein, also ist es ok. Misty?“ „Ja?“, sie hob den Kopf von ihren Knien und blickte ihn neugierig an. „Ich danke dir. Für alles, was du immer für mich getan hast. Du bist für mich der wichtigste Mensch auf diesem Planeten.“ Misty konnte irgendwie nicht anders, als zu lachen anzufangen. „Was ist daran bitte lustig?!“, meinte Ash empört und lief ein wenig rot an. „Tut mir Leid, doch das klang einfach nur so kitschig. Aber-“, sie lehnte sich in seine Richtung, „Du bist für mich auch der wichtigste Mensch auf diesem Planeten“, sie stahl ihm einen Hauch von den Lippen, bevor sie sich erhob und ihren Schlafsack auspackte. Er schien das gleiche zu empfinden wie sie und das machte sie unendlich glücklich. Doch den leichten Rotschimmer auf ihren Wangen musste er trotzdem nicht sehen. Also krabbelte sie einfach stumm in ihren Schlafsack und drehte ihm den Rücken zu. Ash saß noch ein wenig so da, bevor auch er sein Lager aufschlug. Man konnte es drehen, wie man wollte, aber nirgendwo war es schöner wie Zuhause. Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen schliefen die beiden Trainer schließlich ein, Seite an Seite. Dieses Mal lehnte er sitzend an einem Baum. Lucia lehnte an der Seite 90 Grad weiter an demselben Baum. Warum rannte sie ihm schon wieder nach? Paul verstand dieses Mädchen einfach nicht. „Willst du da die ganze Zeit sitzen bleiben?“ „Warum nicht? Was dagegen?“ „Mach was du willst.“ Lucia war gereizt, man konnte aber auch nicht vernünftig mit ihm reden. Sie hatte keine Ahnung, wie sie ihm am besten etwas sagen sollte, denn er würde eh nur abblocken oder schweigen. Aber wenigstens hatte er nicht vor, einfach wegzugehen. „Warum hast du mich überhaupt gefragt, ob ich mitkomme?“, diese Frage seinerseits war zwar irrelevant und er war auch aus freien Stücken hier, dennoch interessierte es ihn. „Weil du nicht aufgibst“, kam sofort ihre Antwort, die ihn doch ein wenig überraschte. „Dein Zuhause wurde zerstört, du hast deinen Bruder verloren. Du bist aus dem Trainerlager geflohen, als du die Chance dazu hattest und du hast mit uns gegen Team Galaktik gekämpft. Du hast sicher deine eigenen Gründe dafür hier zu sein, aber du lässt dich nicht unterkriegen und ich wollte, dass du weiter kämpfst, denn der Kampf ist noch nicht vorbei.“ Schweigen. Was sollte er von dieser Antwort halten? „Vermisst du deinen Bruder?“, kam nun ihrerseits eine Frage an ihn. „Selbst wenn, ich werde ihn nie wieder sehen, es bringt nichts, darüber nachzudenken.“ „Also ich vermisse meine Mutter, obwohl ich weiß, dass sie in Zweiblattdorf auf mich wartet. Ich vermisse Zoey und könnte immer noch weinen, wenn ich an sie denke. Aber ich kann mir nicht vorstellen, wie es sein muss, einen geliebten Menschen sterben zu sehen. Doch ich bin mir sicher, Reiji wäre stolz auf dich.“ „Woher willst du das wissen?“, entgegnete er ihr und Lucia glaubte sogar, einen bissigen Unterton in seiner Stimme zu hören. „Ich verstehe meinen Bruder nicht, das habe ich noch nie. Ich wollte stärker werden und ihn herausfordern, vielleicht hätte ich dann eine Antwort bekommen. Doch nun er ist tot“, Paul knirschte mit den Zähnen. „Dein Bruder war ein guter Mensch.“ „Na und? Ich verstehe einfach nicht, warum er sein Leben als Trainer aufgegeben hat. Er hat einmal verloren, ihm fehlt nur das letzte Abzeichen der Kampfzone. Er hat Brendon einmal herausgefordert und verloren, danach kam er mit einem Grinsen nach Hause und meinte, er wollte von nun an Züchter sein. Was für ein Schwachsinn ist das bitte?! Er hätte es noch mal versuchen können, aber einfach so ohne irgendeinen bestimmten Grund hat er aufgegeben. Und dann opfert er sich auch noch für diese Arenaleiterin, obwohl er hätte wissen müssen, dass sie auch nicht viel länger überleben würde. Dennoch hat er so gehandelt. Ich verstehe es nicht. Also hör auf so zu reden, als wenn du Bescheid wüsstest oder gib mir eine Antwort auf diese Fragen!“, Paul wurde immer lauter und er gab es zwar nicht zu, doch der Tod seines Bruders verletzte ihn sehr. Nicht nur, weil er nicht mehr gegen ihn kämpfen konnte, sondern weil er seinen Bruder doch geliebt hatte. Er würde ihn nie wieder sehen, er würde ihn nie verstehen können, es verursachte ein gewisses Gefühl der Leere in ihm. Wofür lohnte es sich denn zu kämpfen? Es schien doch alles nur vollkommen absurd zu sein. „Manchmal tut man eben Dinge, die andere nicht verstehen können“, kam es unerwartet von Lucia, „Oder man tut verrückte Dinge, weil man jemanden gern hat.“ „Das ist doch erbärmlich!“ „Findest du? Wer weiß, was sich dein Bruder alles dabei gedacht hat, aber er hat jedenfalls so gehandelt, wie er es für richtig hielt und war glücklich mit seiner Entscheidung und das ist doch die Hauptsache. Vielleicht wirst du so etwas auch mal tun.“ „Niemals“, schnaufte Paul. Doch Lucia sah das anders. Vielleicht würde Paul auch irgendwann einmal für andere einstehen. Sie wusste eigentlich selbst auch nicht so genau, warum sie das ausgerechnet ihm alles erzählte und wieso sie gerade ihm die ganze Zeit über hinterher lief. Das könnte man beinahe wirklich schon als erbärmlich bezeichnen, doch sie machte sich einfach Sorgen um ihn. Sie konnte seine Gefühle verstehen, doch ihn konnte sie nicht verstehen. Aber sie würde es gerne. Sie mochte ihn gerne besser kennen lernen, denn er war nicht anders als sie. Er war Teil eines Kampfes, den sie alle auszufechten hatten, sie saßen alle im selben Boot. Jeder musste einmal das Ruder in die Hand nehmen. Sie hatte einfach das Gefühl, ihm vertrauen zu können, er würde sie nicht im Stich lassen, auch wenn er sie alle vielleicht als Versager abtat. Er würde seine Meinung schon noch ändern, im Kampf würde er vielleicht etwas entdecken, dass er bis jetzt noch nicht kannte. Denn das erhoffte sie sich auch. Sie war Koordinatorin, doch wurde sie überhaupt besser? Sie hatte noch kein Festival gewonnen, sie schien noch weit von dem Rang einer Top-Koordinatorin entfernt zu sein. Doch was war ihr Problem? Vielleicht war sie hier, um genau das herauszufinden. Jeder hatte seinen Grund zu kämpfen, jeder wollte diese Welt beschützen, aber es ging in diesem Kampf um mehr. Deswegen war sich Lucia sicher, dass sie nicht scheitern würden. Sam streifte durch die zerstörte Landschaft, so etwas Schreckliches hatte er noch nicht gesehen. Es war nur schwer vorstellbar, dass das hier Alabastia sein sollte. Die Trümmer des Labors hatte er bereits hinter sich gelassen und wanderte durch den verwaisten Garten. Hier hatten bestimmt einmal viele Pokémon in Frieden gelebt, so wie bei ihm zu Hause. Auf einmal vernahm er ein Platschen. Kurz darauf noch eines. Sam wandte seinen Blick nach links und glaubte, den Umriss einer Person auszumachen. Die Sonne war mittlerweile untergegangen, so dass er nicht so viel erkennen konnte, doch dort drüben bewegte sich ganz sicher etwas. Sam beschloss, dem nachzugehen. Je näher er kam, umso so deutlicher wurden die Umrisse und die schwarze Figur nahm immer mehr die Gestalt an. Jemand saß auf einem Felsen und schien Gegenstände in den Tümpel vor sich zu werfen. „Bist du Gary?“, fragte er ins Ungewisse und die Person wandte sich ihm überrascht zu. „Wer will das wissen?“, Gary war so in Gedanken versunken gewesen, dass er diese Person gar nicht bemerkt hatte. Der junge Mann kam näher, er war vermutlich so alt wie er und setzte sich neben ihn auf einen anderen Felsen. „Mein Name ist Sam. Ash sagte mir, dass ich dich hier finde.“ Gary musterte den Fremden. Er war sich sicher, diesen Jungen noch nie gesehen zu haben, trotzdem kam ihm irgendetwas an ihm vertraut vor. „Du bist ein Freund von Ash?“ „Ja, wir haben uns vor ein paar Jahren einmal getroffen, als Celebi mich aus der Vergangenheit hergebracht hatte.“ „Aus der Vergangenheit? Celebi kann also wirklich durch die Zeit reisen?“, Gary war verblüfft. „Ja, es war wirklich unglaublich. Und ich war noch überraschter, als Celebi heute auf einmal zu mir kam und wollte, dass ich es begleite. Es brachte mich dann wieder in diese Zeit und Suicune hat mich dann hier in Alabastia abgesetzt, damit ich euch helfen kann.“ „Die legendären Pokémon nehmen die Gefahr also auch wahr. Weißt du, was hier passiert ist?“ „Ash hat mir erzählt, dass Team Rocket alles zerstört hat. Und Morgen wollt ihr zur Zinnoberinsel, um gegen sie zu kämpfen“, Sam blickte betrübt in den kleinen Tümpel vor ihnen. Sicher war das einmal ein klarer, blauer See gewesen, der jetzt vollkommen verschüttet war. „Ich gebe zu, dass ich mir überhaupt nicht vorstellen kann, wie jemand nur so viel Zerstörung anrichten kann, andererseits habe ich damals mit Ash schon einmal gegen Team Rocket gekämpft, als sie Celebi für ihre Zwecke missbrauchten wollten und dabei haben sie beinahe den ganzen Wald zerstört, in dem Celebi und all die anderen Pokémon lebten. Wir müssen sie aufhalten.“ „Es wirkt für mich auch immer noch nicht real, hier zu sitzen und auf das zerstörte Labor meines Großvaters zu blicken.“ „Für mich auch nicht“, meinte Sam und Gary warf ihm einen verständnislosen Blick zu, „Ich komme auch aus Alabstia“, erklärte Sam mit einem leichten Lächeln, „Und in meiner Zeit gehört meinem Großvater das Labor hier auf dem Hügel.“ „Wie viele Jahre liegen denn zwischen unseren Zeiten?“ „Es müssen ungefähr 50 sein.“ Konnte das sein? Gary empfand den Gedanken als unmöglich und doch könnte es passen und es würde dieses vertraute Gefühl erklären, welches er in Sams Gegenwart spürte. „Hast du auch dein erstes Pokémon von deinem Großvater bekommen? Welches war es?“ „Ich habe mir Glumanda ausgesucht“, gab Sam zurück, „Mein Großvater ist wirklich unglaublich, er scheint einfach alles über Pokémon zu wissen und er kümmert sich sehr gut um sie. Ich hoffe ein wenig so zu werden wie er. Deswegen habe ich mich auch auf die Reise gemacht, um alle Pokémon dieser Welt zu sehen.“ Gary musste schmunzeln. „Mir geht es mit meinem Großvater genauso. Doch jetzt, wo er tot ist, fühle ich mich irgendwie ratlos und jeder scheint auf einmal zu denken ich sei er.“ „Vermutlich denken sie, dass auch er in diesem Kampf ziehen würde, wenn er gekonnt hätte. Aber so sehr man es sich auch wünscht, man wird nie so sein, wie jemand anderes. Jeder geht seinen eigenen Weg und jeder besitzt ganz eigene Fähigkeiten. Bei Pokémon ist es genauso, es gibt keine zwei Pokémon, die genau gleich sind, denn irgendwas unterscheidet sie am Ende doch immer von einander. Ich denke, dass ist das, was alle Lebewesen auszeichnet.“ „Du wirst bestimmt mal ein besserer Pokémon-Forscher werden als dein Großvater, wenn du jetzt schon so redest.“ „Du vielleicht auch. Oder ist dein Großvater in deinem Alter auch schon los gezogen, um die ganze Welt zu retten?“ „Mittlerweile bin ich mir sicher, dass er es getan hätte. Aber vielleicht hätte er es anders gemacht“, Gary ließ ein paar Momente verstreichen, in denen sie nur schweigend nebeneinander saßen, „Was denkst du? Ist es richtig, einfach zu Team Rockets Hauptquartier aufzubrechen? Es gab schon so viele Opfer, so viel Zerstörung und vielleicht reiße ich alle die mich begleiten mit in den Tod.“ „Ich würde mich freuen, dass ich so viele Freunde habe, die mich begleiten. Alleine würde ich so einen Kampf niemals durchstehen. Ich weiß nur nicht, ob ich den Mut gehabt hätte, wirklich alle zusammen zu rufen, um diesen Kampf anzutreten. Vermutlich wäre ich dazu zu feige gewesen. Deswegen bewundert dich wahrscheinlich jeder. Wenn du schon diesen Mut hast, wirst du es auch schaffen, uns alle anzuführen. Sonst ist auch keiner da. Ich habe den Eindruck, dass keiner alleine los ziehen würde, alle warten auf dich. Ich weiß zwar nicht, was hier alles passiert ist, vielleicht steht es mir auch gar nicht zu, dir so etwas zu sagen, aber ich denke, du solltest das zu Ende bringen, was du begonnen hast. Du kannst jetzt nicht einfach auf halbem Weg aufhören. Schon gar nicht, wenn sie alle auf dich warten und an dich glauben.“ Gary blickte Sam eindringlich an. Seine Worte schienen tief in seine Seele einzudringen, es waren eigentlich genau die Worte, die er von seinem Großvater hatte hören wollen, wenn er ihm diese Frage hätte stellen können. Aber was dachte er da, er hatte sie ihm doch gestellt. „Du hast Recht, allein würde ich das alles gar nicht ertragen können, aber ich habe Freunde, die an mich glauben und die ich nicht enttäuschen darf.“ „Siehst du. Alle sind bereit für diesen Kampf, du solltest dir also keine Sorgen um die anderen machen, du solltest dich lieber auf die Aufgabe konzentrieren, die vor dir liegt, so wie sie sich auf das konzentrieren, was vor ihnen liegt“, entgegnete Sam und sah ihn entschlossen an. „Danke.“ „Wofür?“ „Ich wollte es einfach nur sagen“, Gary lächelte leicht und erhob sich von seinem Felsen. „Wir sollten uns schlafen legen, Morgen ist ein großer Tag.“ „Da hast du Recht, die anderen haben sich bestimmt auch schon hingelegt. Zelten wir hier im Garten?“ „Warum nicht“, für ein letztes Mal wäre es sicher eine gute Sache. Sam erhob sich ebenfalls und suchte die Umgebung nach einer geeigneten Fläche ab, um ein Zelt aufzuschlagen, welches Gary aus seinem Rucksack holte. Doch er kam nicht umhin, Sam aus dem Augenwinkel zu beobachten. „Danke, dass du meinen Wunsch erhört hast, Großvater.“ Kanto, Zinnoberinsel Green lag in ihrem Bett und konnte nicht schlafen. Nach ihrer Ankunft zurück im Hauptquartier hatte Silver sie in sein Zimmer gezogen, wo sie nicht beobachtet oder abgehört wurden und endlich hatte er ihr alles erzählt. Seine Worte gingen ihr nicht mehr aus dem Kopf. ’Ich war genauso geschockt wie du, als ich erfahren hatte, dass Giovanni, der Boss vom Team Rocket, mein Vater ist. Doch er hat mir gar keine andere Wahl gelassen, als ihm zu folgen. Ich hoffe nur, du glaubst nicht, dass ich wirklich vorhabe, diese Welt zu unterwerfen. Mein Vater hat mich mit nach Alabastia genommen, ich sollte zusehen, wie er seinen Siegeszug begann und es war einfach nur schrecklich. Die Bilder der Zerstörung haben sich in meinen Kopf gebrannt, die Flammen, die alles in Asche verwandelte, die schreienden Menschen, die um ihr Leben rannten und gar nicht wussten, warum sie auf einmal angegriffen wurden. Ich wusste ja, dass mein Vater böse war, aber das hätte selbst ich ihm nicht zugetraut.’ Sein trauriges Gesicht erschien vor ihren Augen. Silver hatte so viel durchgemacht, es war ihm noch schlimmer ergangen als ihr selbst. ‚Nachdem wir uns damals getrennt hatten, habe ich nach meiner Familie gesucht, bis er auf einmal kam. Ich hatte Angst, dass er mich wieder zurück bringen würde, als ich dieses rote R auf seiner Jacke gesehen hatte. Doch er hatte sich als mein Vater vorgestellt, aber das war noch nicht das Schlimmste gewesen’, Silver holte einmal tief Luft, ‚Er sagte, er hätte mich entführen lassen, damit ich von Anfang an Disziplin lerne und stark genug werde, um später an seiner Seite zu kämpfen. Da es mir gelungen war zu fliehen, wäre ich bereit ihm zu folgen. So hat er mich mitgenommen und ich war wieder bei Team Rocket gelandet. Allein und ohne Fluchtmöglichkeit. Mich hielt nur noch die Hoffnung aufrecht, dass es dir besser gehen würde als mir.’ Green fand es schrecklich. Man ließ sich seinen eigenen Sohn entführen, er war erst fünf gewesen! In den ganzen Jahren musste er an der Ausbildung von Team Rocket teilnehmen und es musste hart gewesen sein. Und doch hatte er nicht aufgegeben, er hatte sich nicht geweigert, denn man konnte es drehen und wenden wie man wollte, Giovanni war seine Familie, das konnte er nicht einfach ignorieren und er konnte auch nicht gegen ihn kämpfen, außerdem war er dafür auch gar nicht stark genug gewesen. Doch vielleicht war das mittlerweile anders. Silver hatte versucht, seinen Vater zu beeinflussen, doch nun war ihm endgültig bewusst geworden, dass er seinem Vater nicht helfen könnte, er würde immer ein böser, machtgieriger Mensch bleiben. Doch seine Ausbildung war nicht umsonst gewesen, denn er hatte andere Opfer vermeiden können und vielleicht wäre er auch jetzt in der Lage, seinen Vater zu besiegen und seinen Machenschaften Einhalt zu gebieten. ’Deswegen habe ich dich gesucht. Alleine habe ich das Gefühl, nicht den nötigen Mut zu haben, meinen Vater herauszufordern. Und du sagtest doch, dass deine Freunde kommen würden, um ihn zu bekämpfen. Das wird der Moment sein, in dem auch ich mich für die richtige Seite entscheiden werde. Ich kann meinen Vater nicht weiter machen lassen, was er will. Deswegen habe ich einen Plan entwickelt. Pyro ist auch auf unserer Seite, er wird dieses Mal die Entwicklung sabotieren, mein Vater wird nicht noch einen Klon von Mew erschaffen. Allerdings weiß ich nicht, ob es ihm gelungen ist, das bereits existierende Mewtu aufzuspüren, er erzählt mir leider nicht alles. Vertrauen ist wirklich ein Fremdwort für ihn und wenn ich dich nicht getroffen hätte, würde ich die Bedeutung sicherlich auch nicht kennen.’ Und er war nicht allein! Sie hatte sich also nicht in ihm getäuscht, sie wusste doch gleich, dass er niemals zu Team Rocket gehören könnte. Wenn sie das nur Gary erzählen könnte. Doch sie würde warten müssen, bis er herkäme, doch ob er sie dann überhaupt noch ansehen würde? Ob er ihr noch vertrauen könnte? Sie könnte es ihm nicht verübeln, wenn dem nicht so wäre. Doch Giovannis Plan schien es unter anderem zu sein, Mewtu zu fangen, sie hatte gar nicht gewusst, dass Team Rocket einmal versucht hatte, Mew zu klonen. Es musste mächtig sein, wenn Giovanni es haben wollte und eines war sicher: es würde nichts Gutes bedeuten, wenn er es fangen würde! Green war froh, dass sie sich entschieden hatte, Silver zu begleiten, sie musste ihm einfach helfen. Doch eine gewisse Trauer blieb zurück, wenn sie an Gary dachte. Sie musste zur Verräterin werden, um ihren Weg weiter zu gehen, doch dadurch hatte sie vermutlich den einzigen Menschen verloren, der ihr ohne Grund einfach sein Vertrauen geschenkt hatte. „Giovanni hatte tatsächlich Recht, wir haben eine Verräterin unter uns“, Sabrina saß in ihrem Sessel, ihre Augen leuchteten in einem unheilvollen violett. In ihrem Kopf hatte sie genau Greens Gedanken gehört, so wie Giovanni es ihr aufgetragen hatte. Dieser Mann erkannte einen Verräter sofort, wenn er ihm in die Augen sah. Seit einiger Zeit sah er diesen speziellen Blick auch in den Augen seines Sohnes, doch den sollte sie schließlich nicht abhören, also war es ihr egal. Sie beendete den Kontakt zu Greens Gedanken, als diese eingeschlafen war. Sie sah herab zu der Puppe auf ihrem Schoß. Mit Hilfe ihrer psychokinetischen Fähigkeiten ließ sie einen Kamm schweben und kämmte damit das seidige Haar ihrer Puppe. „Doch niemand wird verhindern, dass Mewtu auf diese Insel kommt, dafür werde ich schon Sorgen.“ Der Kamm rutschte ab und hatte der Puppe ein paar Haare herausgerissen. Sie legte ihn beiseite und streichelte den Kopf ihrer Puppe, bevor sie ihr wieder ihren Hut auf- und sie in ihren eigenen Sessel setzte und noch kurz anstarrte. „Niemand.“ ~~~ Preview Chapter 21: Der Tag des Aufbruchs ist gekommen. Gary ist bereit, die Gruppe in die entscheidende Schlacht zu führen, der erste Kampf lässt auch nicht lange auf sich warten. Aber auch Giovanni ist sehr zufrieden mit dem Lauf der Dinge und alles läuft genau nach Plan. Zu Lesen in Kapitel 21 ‚Der Giftmischer’, nächster Upload-Termin ist der 25.07.09 An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal auf meine Sidestory/Vorgeschichte zu Reunion aufmerksam machen. Der One-Shot ‚Balance of nature’ erzählt die Geschichte von einem letzten Kampf zwischen Team Aqua und Magma und wie sie schließlich zu Verbündeten geworden sind. Den Link findet ihr in der Kurzbeschreibung^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)