Ein Licht im Dunkeln von Calafinwe (Wichtelgeschichte für kaataya) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Ihr Lichter, kommet heran, kommet heran, Leuchtet mir meinen Weg aus Askaban. Vier Freunde waren uns gewesen, Jung, naiv und nicht sehr belesen. Der Erste, eher rastlos und still, Reagierte manchmal gezwungen und schrill. Der Zweite, vom Gemüt her instabil, Schnell dem dunklen Lord verfiel. Der Dritte viel Freud’ und Leid’ sollt’ erleben, Ihm bald ein kleiner Sohn war gegeben. Der Letzte im Kerker sollt’ schmoren, Doch war er niemals ganz verloren. Der Sohn des Freundes mein Lichtlein sollt’ sein, Und bald enden soll nun meine Pein. Ihr Lichter, kommet heran, kommet heran, Leuchtet mir meinen Weg aus Askaban. *** Schatten umgaben ihn. Manche waren schwärzer als andere, aber Verdammnis und Elend erzeugten sie bei jedem, der sie zu Gesicht bekam. Der Mann lag zusammengekauert in der hintersten Ecke des Kerkers, nur die zerfetzten Überreste eines Mantels schützten ihn gegen die Kälte der feuchten Wände. Doch ab und zu kam das Grauen dieses Ortes näher und der Mantel machte keinen wirklichen Unterschied mehr. Sirius hasste die Dementoren, mehr als alles andere auf der Welt. Er schloss die Augen und versuchte, an etwas anderes zu denken. Doch es war schwierig an diesem trostlosen Ort, in dessen Wortschatz der Ausdruck Glück nicht vorkam. Die Dementoren waren tödliche Wesen, die einem jede Hoffnung aus dem Leibe saugten, sobald man nur an sie dachte. In Askaban war es ihnen verboten, ihre Gefangenen nach ihren Wünschen zu malträtieren. Das und die Tatsache, dass jemand Sirius’ Hilfe bedurfte in der weiten Welt da draußen, sorgten dafür, dass er nicht komplett den Verstand verlor. Er erinnerte sich. *** „GRYFFINDOR!!“, schrie der sprechende Hut. Er saß auf dem braun gelockten Haupt eines lebhaften Jungen von elf Jahren, der nun aufstand und eilig davonlief, um seinen Platz an der langen Tafel einzunehmen. Gryffindor, das stand für Mut und Tapferkeit, aber auf für Waghalsigkeit und unüberlegte Taten. Der junge Sirius Black versprach all dies, nicht zuletzt deshalb, weil er der erste in seiner Familie ist, den der sprechende Hut nicht dem Haus Slytherin zugeordnet hat. Sirius hatte mittlerweile am Tisch der Gryffindors Platz genommen und wurde eifrig begrüßt und beklatscht. Zu seiner Rechten saß ein Junge, der ihm die Hand schüttelte. „Hallo, ich bin James. James Potter!“ „Ich heiße Sirius, freut mich, dich kennen zu lernen!“ Die beiden Jungen waren sich sofort sympathisch, doch richteten sie ihre Aufmerksamkeit nun wieder auf das Geschehen am Kopf der Halle. Etwa die Hälfte der neuen Schüler war bereits auf ihre Häuser verteilt worden und alle älteren Schüler applaudierten fleißig. Selbst für die Neuen im Hause Slytherin. Sirius war ziemlich perplex gewesen, als der sprechende Hut ihn nicht dem Haus zuteilte, in dem seine komplette Familie die Magie zu beherrschen erlernt hatte. Seltsam bewegt war er von dem Stuhl geklettert und zu der großen Tafel hinübergegangen, die in den Farben gelb und rot dekoriert war. Den Farben des Hauses Gryffindor. Sirius hatte kurz an seine Mutter gedacht, die so viel auf einen makellosen Stammbaum gab. Sicher würde sie sich auch sehr darüber echauffieren, dass Sirius in Gryffindor gelandet war. Doch der Gedanke verflüchtigte sich schnell wieder, als der Hut die nächsten Kinder verteilte. Zwei Tage später war der Junge unterwegs zu seiner ersten Unterrichtsstunde im Fach Zauberkunst, was seiner Meinung nach ziemlich lahm klang. Neben Sirius ging ein Junge namens Remus Lupin, der zusammen mit ihm eingeschult wurde und mit dem er sich einen Schlafraum teilte. „Ich bin schon gespannt, welchen Zauberspruch wir als erstes lernen.“, meinte Sirius zu ihm. Sein Klassenkamerad antwortete nicht. „Wahrscheinlich irgendwelche Schwebezauber oder so.“ Remus gab ein leises Brummen von sich und Sirius sah ihn schief von der Seite an. „Du bist wohl nicht der Gesprächigste.“, sagte er. Der Schüler erwiderte den Blick und nickte dann. „Na ja, ich will dir nicht auf die Nerven gehen. Man sieht sich!“ Und schon lief Sirius los, um vor Remus im Klassenzimmer zu sein. Als er in dem Raum ankam, sah er, dass dieser mit Holz vertäfelt war und auch die Sitzbänke, die entlang der Wände verliefen, waren aus Holz. „Sirius, hier drüben!“, rief jemand vernehmlich. Der kleine Black wandte den Blick und entdeckte seinen Freund James, der ihm einen Platz frei hielt. Schnell rutschte er auf den Stuhl rechts von James. „Was hab ich verpasst?“, fragte Sirius. „Nicht viel. Der alte Flickwick hat noch nicht angefangen.“, antwortete James. „Flitwick, er heißt Filius Flitwick!“ kam es von links. „Das ist doch sicher unsere liebe Lily!“ Sirius und James kicherten und ignorierten das Mädchen. Remus betrat als Letzter den Raum und saß am Ende der Wandseite, an der auch Sirius und James hockten. Professor Flitwick brauchte allerdings noch gefühlte zehn Minuten, ehe er geruhte, sich umzudrehen. „Heute wollen wir beginnen mit einem der wichtigsten Zaubersprüche überhaupt. Wir werden versuchen, die Schulbücher vor uns mittels der Levitation schweben zu lassen.“, erklärte der Lehrer. Sirius und James grinsten sich an. „Dazu ist es wichtig,“, fuhr Flitwick fort, „dass ihr den Zauberspruch laut und deutlich aussprecht. Ich habe ihn hier an die Tafel geschrieben. Also sprecht mir bitte alle nach: … Wingardium Leviosa!“ Die Schüler gehorchten anstandslos und versuchten, die beiden Fremdwörter so gut wie möglich auszusprechen. „Der zweite Teil des Zauberspruches besteht darin, dass ihr mit eurem Zauberstab die richtige Bewegung durchführt. Das geht so.“ Filius Flitwick führte die Bewegung einmal kommentarlos vor. „Ich nenne das das ‚Wutschen und Wedeln’. Jetzt alle zusammen!“ „Das Wutschen und Wedeln!“, riefen die Kinder durcheinander und ahmten die Bewegung nach. „So, jetzt versucht es mal mit den Büchern!“, ermunterte der Professor seine Schüler. Geschlagene 15 Minuten dauerte es, bis das erste Buch zu schweben anfing. „Sie nun wieder...“, murmelte James seinem Freund ins Ohr und nickte zu Lily Evans hinüber. „War ja klar!“ Sirius grinste ihm zu und deutete mit seinem Zauberstab erneut auf das Schulbuch, das vor ihm lag. „Wingardium Levosa!“, sagte er laut und deutlich Ein grellgrüner Blitz ergoss sich aus der Spitze seines Zauberstabes und ließ das Schulbuch durch den Raum fliegen. An der Kopfseite des Raumes schaffte es Professor Flitwick nicht mehr rechtzeitig auszuweichen, bevor das Buch ihn von seinem Podest fegte. Im Klassenzimmer wurde es mucksmäuschenstill. Erst Minuten später war von hinter dem Lehrerpult ein Keuchen zu hören. „Die Stunde ist beendet...!“, krächzte der Professor. Die Schüler packten ihre Sachen zusammen und verließen schleunigst den Raum, nur Lily Evans blieb zurück, um Filius Flitwick auf die Beine zu helfen. Draußen im Gang brach die Hölle los. „Du bist ja echt ein Held!“, meinte James halb bewundernd, halb entsetzt, „Ich hätte nie gedacht, dass man den Zauberspruch so einsetzen könnte!“ „Na ja...“, brummte Sirius. Sein aschfahles Gesicht war zu Boden gerichtet und er lief eher blind vor sich hin. „Ihr seid schon gut...“, meinte Remus, der sich von hinten an die beiden Jungen angeschlichen hatte. „Wieso? War doch richtig cool!“, widersprach James. „Das wird Ärger geben!“, antwortete Remus geheimnisvoll und lief ihnen davon. Sirius blieb entsetzt stehen und überlegte. „Ich geh wohl eher hin und entschuldige mich...“, meinte er kleinlaut und machte kehrt. Nach kurzem Zögern lief James ihm nach. ~ „Aber Mutter, wieso ...?“ „Unterbrich mich gefälligst nicht!“, trompetete Walburga Black, „Wie kommst du überhaupt zu Gryffindor?! Gryffindor! Noch nie in der Geschichte der Blacks ist ein Mitglied der Familie einem anderen Haus als Slytherin zugeteilt worden! Wieso ausgerechnet mein Sohn?“ Sirius hatte seiner Mutter in einem Brief kurz nach der Einschulung natürlich erzählt, wie die ersten Tage in Hogwarts waren. Aus der Tatsache, dass Walburga Black ihrem Sohn damals keine Eule mit einer Antwort geschickt hatte, schloss er, dass sie nicht so begeistert war. Jetzt stand er ihr in dem großen Wohnzimmer gegenüber und hörte sich mit weichen Knien ihre Strafpredigt an. Sein Bruder Regulus, der zwei Jahre jünger war als Sirius, wollte seinem Bruder beistehen, aber die Familienpatriarchin hatte ihn hinaus geschickt. „Ich kann doch auch nichts dafür...“, murmelte Sirius. „Als ob du nichts dafür könntest!“, höhnte seine Mutter, „Dir war es doch seit jeher lieber, draußen im Garten zu spielen, als seinem Unterricht nachzukommen! Eigentlich hätte ich es kommen sehen müssen, dass da etwas im Argen liegt bei dir. Du kommst ganz nach deinem Vater, der ist auch so ein Weichling!“ Der mit schwarzen und silbernen Kugeln geschmückte Weihnachtsbaum funkelte in einer Ecke trostlos vor sich hin. Sirius hob kurz den Blick und sah dann schnell wieder zu Boden. Der letzte Satz seiner Mutter wunderte ihn etwas, ist doch Orion Black, sein Vater, nicht minder rassistisch und grausam veranlagt als Sirius Mutter. Andererseits pflegte sein Vater immer abfällige Bemerkungen über die Herkunft seiner Frau zu machen, wenn sie es nicht hörte, war ihre Mutter doch eine geborene Crabbe. Walburga wollte gerade fortfahren, als es an der Tür klopfte. Der neun Jahre alte Regulus steckte den Kopf herein. „Mutter, Tante Druella und Onkel Cygnus sind da.“, sagte er. „Was, jetzt schon?!“, fragte sie erschrocken. Schnell schob Walburga Sirius zur anderen Tür des Raumes, von der aus man über die Treppe direkt ins Obergeschoss kam. Sie plante wohl, ihren missratenen Sohn an der Verwandtschaft vorbeizuschleusen. „Du gehst auf dein Zimmer und bleibst da!“, befahl sie. Das bedeutete für Sirius wohl ein Abend allein und ohne Abendessen. Er überlegte sich eine passende Antwort, entschied sich dann aber um und schlurfte ohne zu Murren an Walburga Black vorbei. Mit hängenden Schultern stieg der Junge die Treppe ins Obergeschoss hinauf. ‚Lief doch gar nicht so schlecht...’, dachte er verschmitzt. Der Junge ließ sich auf sein Bett fallen und starrte an die Decke. Es war jetzt einen Tag vor Heiligabend. Tante Druella, Onkel Cygnus und ihre Tochter Bellatrix würden über die Feiertage bleiben und danach wieder abreisen. So war es schon seit Jahren üblich im Hause Black. Sirius hatte gehofft, Weihnachten in Hogwarts verbringen zu können, aber seine Mutter hatte darauf bestanden, dass er über die Feiertage nach Hause kam. Warum, verstand er nicht ganz, nachdem sie ihn so runtergeputzt hatte. Sirius nickte ein. Später weckte ihn ein leises Klopfen an der Tür. Der Junge dachte erst, er habe es geträumt, aber dann wurde die Klinke langsam von außen runter gedrückt und Regulus schob sich in das Zimmer. Er hatte ein in ein Tuch gewickelten Packen unter dem rechten Arm und schloss leise die Tür wieder. „Hab dir was mitgebracht...“, meinte Regulus verschwörerisch und hielt seinem Bruder das Mitbringsel hin. „Du bist echt der Beste!“, meinte Sirius, als er das Tuch von den Sachen gewickelt hatte. Regulus hatte ihm ein paar Scheiben Brot mit Wurst gebracht. Sirius würde heute also doch nicht den Löffel abgeben. Mit Heißhunger machte er sich über die Mahlzeit her. Sein Bruder sah ihm eine Weile zu und vermied es, davon zu erzählen, was unten zu Gange war. „Wie ist es so in Hogwarts?“, fragte er stattdessen. „Klaffe...“, antwortete Sirius mit vollem Mund. „Und hast du Freunde?“ Der Elfjährige schluckte runter und schaute seinen kleinen Bruder schief an. „Na klar, wart’ nur, bis du selber eingeschult wirst, dann findest du auch jede Menge Freunde.“, grinste Sirius. „Und hast du nette Lehrer?“, fragte Regulus weiter. „Na ja... Professor McGonagall ist ziemlich streng. Aber die meisten anderen sind eigentlich ganz okay.“ Sirius schob sich den letzten Rest Wurstbrot zwischen die Kiefer und rülpste vernehmlich, nachdem er den Bissen runtergeschluckt hatte. „Hast du eigentlich Ärger bekommen wegen damals, als dein Schulbuch den Professor von den Füßen fegte?“ „... Eigentlich nicht.“, überlegte Sirius, „Professor Flitwick hatte natürlich eine große Beule am Kopf, aber er meinte nur, ihm wäre es damals auch nicht anders ergangen, als er das Zaubern in Hogwarts lernte. ... Danach kam ein Vortrag darüber, dass man niemals aufgeben sollte und sein Ziel nicht aus den Augen verlieren darf... Und er meinte, er würde in Zukunft Kissen statt Bücher verwenden...“ Die beiden Jungen lachten zusammen. Solche Momente waren in der Familie Black selten. Überhaupt verstand sich Sirius nur mit seinem Bruder richtig gut. Seine Eltern waren ihm eher fremd, was nicht zuletzt an ihrer Haltung gegenüber muggelstämmigen Zauberern lag. Sirius hatte nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet zu fragen, ob seine Freunde in den Sommerferien einmal zu Besuch kommen dürften. Mit James hätten seine Eltern vermutlich kein Problem gehabt, da dieser auch aus einer reinblütigen Zaubererfamilie stammten. Aber Remus, mit dem er sich ebenfalls angefreundet hatte, war zur Hälfte muggelgeboren. Abgesehen davon wollte Sirius seinen Freunden die rassistischen Äußerungen seiner Eltern ersparen. „Na ja, ich muss wieder runter.“, meinte Regulus gottergeben und ließ seinen Bruder auf dem Bett sitzend zurück. *** Sirius kicherte in der Stille. Zu lange schon hatte er sich nicht mehr an seine Anfangszeit in Hogwarts und an seinen Bruder erinnert. Er wusste nicht mehr, wie dessen Gesicht aussah. Regulus verschwand spurlos während seinem siebten Schuljahr in Hogwarts, damals 1979. Sirius vermutete, dass es etwas mit Lord Voldemort zu tun hatte, denn er und Regulus hatten sich nach und nach entfremdet, als Letzterer nach Hogwarts kam. Ein raues Brummen entrang sich Sirius’ Kehle. Ein Jahr später, 1980, wurde Harry geboren und Sirius erlebte damals so etwas wie eine Neugeburt seiner selbst. *** „Verblüffend, wie ähnlich er dir sieht!“, stellte Sirius fest, als er Harry eine Weile im Arm gehalten hatte. „Nicht wahr? Nur die Augen, die hat er von seiner Mutter geerbt.“, erklärte James stolz. Sirius war das erste Mal bei seinem langjährigen Freund zu Besuch, seit dessen Frau Lily entbunden hatte und er freute sich ehrlich und aufrichtig für die beiden. „Wo ist Lily überhaupt?“, fragte Sirius, denn er hatte sie bisher nicht gesehen. „Einkaufen, sie müsste aber bald zurück sein. Frauen eben“ „Ja, na ja. War Remus denn auch schon mal da?“ „Ich hab ihn eigentlich auch für heute eingeladen.“, antwortete James, „Aber du weißt, wie er ist. Er hält es viel zu gefährlich für Harry, wenn er zu Besuch kommt.“ „Aha... Na ja, wir kriegen ihn schon noch dazu, Harry auch mal zu halten. Zur Not müsst ihr den Kleinen einpacken und Remus besuchen fahren.“, lachte Sirius. James kicherte ebenfalls und nahm seinen Sohn dann wieder entgegen, als dieser zu schreien anfing. Mit verschiedenen Aktionen versuchte Harrys Vater, seinen Sohn zum einschlafen zu bewegen und gab dann schließlich entnervt auf. „Ehrlich, ich weiß nicht, wie Lily das immer macht. Bei ihr schläft er ständig ein.“, beschwerte sich James. „Tja, bei der Mama ist es halt am schönsten.“ „Nur dass ich dann hinterher wieder Ärger bekomme, weil er nicht geschlafen hat.“ „Noch ein Dreivierteljahr, dann geht das auch vorüber.“, meinte Sirius. „Das ist interessant... Seit wann kennst du dich so gut mit den Schlafgewohnheiten von Säuglingen aus?“, wollte sein Freund dann wissen. Sirius kam nicht mehr zu einer Antwort, denn die Haustür ging auf und Lily kam herein. „Ah, du bist schon da?“, meinte sie zu Sirius und verschwand dann in der Küche. Man hörte sie kurz, als sie die Einkaufstüten abstellte und dann Kaffee aufsetzte. Danach kam Frau Potter wieder ins Wohnzimmer. „Schön, dich zu sehen, Sirius!“, sagte Lily mit einem Lächeln. Er stand auf und die beiden umarmten sich herzlich. Die Rothaarige setzte sich zu ihrem Mann und warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. „Hat Harry überhaupt die Möglichkeit gehabt, zu schlafen oder habt ihr die ganze Zeit nur mit ihm gespielt?“, fragte sie. „Sagte ich es nicht? Lily weiß es genau.“, konterte James spitzbübisch und reichte ihr dann das Baby, „Bei dir schläft er immer viel schneller ein, ich werde nie kapieren, wie du das machst.“ Die Kaffeemaschine machte sich in der Küche lautstark bemerkbar. Lily ihrerseits schnappte sich eine dicke Decke, die zusammengefaltet auf dem Sofa lag und wickelte Harry ein. Nicht lange danach hörte das Baby auf zu schreien und gab nur noch leise Geräusche von sich. Nach einer Weile, als Lily sicher war, dass Harry nun schlief, ging sie zu der Babywippe hinüber, die unter dem Fenster stand und legte ihn vorsichtig hinein. „Hast du ihn schon gefragt?“, erkundigte sie sich, als sie wieder am Tisch saß. James brummte was Unverständliches und wandte sich an Sirius. „Also wir hatten uns überlegt, jetzt, wo Harry da ist, ob du vielleicht sein Pate sein möchtest?“, fragte er seinen alten Freund aus Jugendtagen. Sirius schien zu erst ganz sprachlos zu sein und blickte zwischen Lily und James hin und her. Beide lächelten. „Also, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll...“, antwortete Sirius Black dann, „Das kommt wirklich überraschend, aber ich würde mich sehr freuen.“ Es folgten weitere Umarmungen, bis Lily sagte, sie müsse den Kaffee holen und aus dem Wohnzimmer verschwand. „Habt ihr Remus nicht gefragt? Und Peter?“, fragte Sirius ganz neugierig. Er war immer noch wie durch den Wind. James Mine hingegen schien sich etwas zu umwölken. „Von Wurmschwanz haben wir in letzter Zeit nichts gehört. Ehrlich gesagt mache ich mir da auch ein paar Sorgen momentan, weil auch aus dem Orden niemand was von ihm gehört zu haben scheint.“, antwortete er. „Oh je, das sind ja keine guten Nachrichten.“ „Und was Remus betrifft, da wollten wir erst gar nicht fragen, wenn er schon Angst davor hat, uns auch nur zu besuchen.“, erklärte James. „Da hast du vermutlich Recht. ... Also, ich bin immer noch ganz sprachlos. Wann soll denn die Taufe sein?“ „In ein paar Monaten erst. Lily ist da vorsichtig und ich kann sie durchaus verstehen. Alles muss geplant werden, nicht nur die Feier danach sondern auch unsere Sicherheit.“ „Ja, das stimmt. War Dumbledore denn schon da? Er kann euch mit Sicherheit am besten helfen.“ „Wir standen bisher mit Eulen in Kontakt, aber er müsste eigentlich auch die Tage mal bei uns aufschlagen. Am besten erscheint ihm der Fidelius-Zauber, aber Lily will ihn noch bearbeiten, damit er unser Geheimniswahrer wird. ... Ich versteh nicht, warum er sich dagegen so sperrt.“ „Tja, der Schulleiter von Hogwarts eben. Seine Gedankengänge waren uns doch schon immer ein Rätsel. Aber ich setze in der Hinsicht größtes Vertrauen in deine Frau. Wir wissen beide, wie überzeugend sie sein kann.“ Lily kam gerade mit einem Tablett bepackt ins Wohnzimmer zurück. Darauf stapelten sich drei Kaffeetassen, Milch, Zucker und Besteck sowie drei Teller mit Zitronenkuchen. Fortan widmeten sich die drei nur noch relativ belanglosen Themen. Vergessen waren der Orden des Phönix, Wurmschwanz und Harrys Taufe. ~ „WURMSCHWANZ, DU VERRÄTER!!“ Sirius schickte seinem Gegner einen Incarcerus Zauber hinterher, als dieser versuchte, das verlassen dastehende Bushäuschen zu umrunden. Die Seile verfehlten Peter Pettigrew um gut einen Meter, da dieser blitzschnell einen Haken schlug. Wenn Sirius Black ihn nicht rechtzeitig schnappte, bevor er in eine belebtere Gegend kam, geschah womöglich ein großes Unglück. Er passierte das Bushäuschen nun ebenfalls und hatte einige Meter auf Wurmschwanz aufgeholt. „BLEIB GEFÄLLIGST STEHEN!!“ Sirius wäre fast wahnsinnig geworden, als er erfahren musste, was Peter getan hatte. Sicher wäre es bereits zu spät gewesen, nach Godrics Hollow zu eilen. Stattdessen hatte er sich dazu entschieden, den Verräter dingfest zu machen. In der Winkelgasse hatte er ihn dann auch aufgespürt. Einen ziemlich zerlotterten Eindruck hatte Wurmschwanz gemacht. Doch sein Zustand war keine Entschuldigung dafür, dass Peter Pettigrew den Aufenthaltsort von James, Lily und Harry Potter dem Feind preisgegeben hatte. Noch zehn Meter und der Verräter würde die Subway-Haltestelle Tottenham Court Road erreichen. Und dort war selbst um diese Uhrzeit gewöhnlich viel los. Petrificus Totalus verfehlte ebenfalls sein Ziel. Noch sieben Meter und Sirius musste sich was Neues überlegen. Plötzlich schien Wurmschwanz zu stolpern, fing sich aber vor einem Sturz und hastete weiter. Noch vier Meter. „CONFUNDO!!“ Der Verwirrzauber schoss um Haaresbreite an dem Verräter vorbei und es war zu spät. Sirius konnte schon die ersten Passanten sehen, die die Straßen an der Kreuzung vorne überquerten und Wurmschwanz verschwand zwischen ihnen. Peter war nun im Vorteil, denn aufgrund seiner geringen Größe ging er vor allem in Menschenmassen schnell unter. Sirius blieb stehen und sah sich um. Gerade eben hatte er seinen Gegner noch gesehen. Er stellte sich auf die Zehenspitzen und wurde eines zotteligen Buschens graubrauner Haare gewahr. Mucksmäuschenstill und mit eingezogenem Kopf schlich Sirius zu der Stelle hinüber, doch als er näher kam, sah er seinen Irrtum. „Das gibt’s doch nicht, ist er etwa disappariert?“, fluchte Sirius. Gehetzt schaute er sich erneut um und sah Wurmschwanz dann auf der anderen Straßenseite, als sich dieser gerade auf seine Hände konzentrierte. „Was versucht er da...?“, murmelte Black. Vorsichtig, um Peters Aufmerksamkeit nicht auf sich zu lenken, ging er einige Meter weiter und überquerte dann bei einer sich bietenden Gelegenheit die Straße. Wurmschwanz schien ihn nicht bemerkt zu haben und werkelte weiter mit seinen Gliedmaßen herum. Sirius schlenderte wie beiläufig in seine Richtung, um die anderen Passanten nicht auf sich aufmerksam zu machen und so einer Entdeckung seines Gegners zu entgehen. Drei Meter noch und er würde ihn erreicht haben. Wurmschwanz schnell die Hand auf die Schulter legen und disapparieren! Oder sollte er vorher einen Lähmzauber aussprechen? Peter drehte sich genau in dem Moment um, als Sirius die Hand nach ihm ausstreckte. Entsetzt wich er vor ihm zurück und stolperte dabei. Grob plumpste er auf den Hintern und versuchte dann, von Sirius wegzurutschen. Dieser folgte ihm, richtete seinen Zauberstab aber wegen der Passanten nicht direkt auf seinen Feind. „Du wirst mir doch wohl nichts antun?“, flehte Wurmschwanz mit zittriger Stimme. Er robbte weiter auf seinem Hintern weg, konnte Sirius aber so nicht abschütteln. „Peter Peter!“, säuselte Sirius süffisant, „Was hast du nur mit deiner Hand gemacht? Sie blutet ja! Hast du einen Finger verloren?“ Langsam bewegte sich die Spitze seines Zauberstabs auf den am Boden Liegenden. Tatsächlich wunderte sich Sirius, warum sein Gegner so stark blutete, aber dieser hatte sofort die Hand verborgen, als er ihn darauf angesprochen hatte. Die andere hielt zitternd den Zauberstab fest. „Si-Sirius, du weißt ja nicht, zu was ER alles fähig ist. ... Er, er hat mich gefoltert ... und...!“, jammerte Wurmschwanz. Langsam, ohne seinen Kontrahenten zu einem überstürzt abgefeuerten Zauberspruch zu verleiten, kam er auf die Beine. „Du warst schon immer ein miserabler Lügner!“, konterte Sirius, „Ich hätte letztes Jahr schon darauf kommen müssen, als du monatelang verschwunden warst. ... Lily, Harry und James einfach so ans Messer zu liefern...“ Er musste sich beherrschen, Pettigrew nicht einfach anzubrüllen. Letzterer wich immer wieder vor ihm zurück, stieß dabei aber manchmal an Passanten, die die beiden dann seltsam anschauten und schnell weiterliefen. Doch Sirius konnte und wollte nicht mehr. „Bei Gott, sie haben dir vertraut! ICH habe dir vertraut! All die Jahre, die wir dich mitgeschleift haben... Ohne uns hättest du doch schon niemals die ZAG-Prüfungen geschafft.“ „Ich weiß~ich...“, druckste Wurmschwanz und blieb dann mit seinem schäbigen Umhang an einem Mülleimer hängen. Schnell entledigte er sich des Kleidungsstücks und wandte sich Sirius wieder zu. „Du musst verstehen, der dunkle Lord hat sehr überzeugende Argumente.“ „Der dunkle...? So wird er doch von seinen Untergebenen genannt?! Bist du noch zu retten?!!“, brüllte Sirius nun. Inzwischen blieben die Leute stehen und schauten zu ihnen herüber, doch es war ihm egal. Auch die Konsequenzen, die das Zaubern in Anwesenheit von Muggeln mit sich brachten. „SEIT WANN BIST DU EIN TODESSER?!“ Sirius stürmte auf Wurmschwanz zu und versuchte, ihn zu packen. Aber er hatte nicht mit der Zivilcourage eines der Passanten gerechnet, der sich nun gegen ihn warf. Pettigrew wich von der Rangelei zurück und fing das Grinsen an, als er sich weit genug entfernt von Sirius glaubte. Dieser versuchte, sich loszureißen, zog den fremden Passanten mit sich in Richtung Wurmschwanz. Entsetzt sah er Peters Zauberstab, der nun in die Höhe gehalten wurde und ein grelles Licht entsprang diesem. Doch Expulso galt nicht ihm, sondern einem Punkt weit hinter Sirius. Die Straße explodierte regelrecht und Black wie auch die anderen Menschen in seiner Umgebung wurde von der Druckwelle zu Boden geworfen. Im allgemeinen Getümmel dauerte es eine Weile, bis er sich aufgerappelt hatte. Doch es war zu spät. Sein Gegner war fort. „WURMSCHWAAAANZ!!!!“, brüllte er in das Chaos hinein. *** Sirius wälzte sich in der Dunkelheit herum. Ein Dementor hatte gerade vor seiner Zelle patrouilliert, aber war schnell von dannen gezogen, als sich bei dem Insassen nichts absaugen ließ. Es hatte Sirius jedes Mal viel psychische Kraft gekostet, diese Monster des Todes abzuwehren, doch mittlerweile hatte er den Dreh heraus. Wut und Hass auf Peter Pettigrew hatten ihn all die Jahre zerfressen, doch gerade dieser Umstand schien wie ein natürliches Schild gegen den Einfluss der Dementoren zu wirken. Jahrelang hatte er darüber gegrübelt, wie Wurmschwanz damals so schnell entkommen war. Denn an eines erinnerte sich Sirius ganz genau. Disapparieren hatte der tollpatschige kleine Peter noch nie sonderlich gut gekonnt. Doch dann herrschte plötzlich Klarheit in seinem Denken. Wurmschwanz. Dieser Name sagte eigentlich alles über die Flucht seines Trägers aus. Pettigrew war nicht disappariert. Er hatte sich in seine Animagusgestalt, eine Ratte, verwandelt und war unerkannt und unbemerkt vom Ort des Geschehens verschwunden. Nur ein Mantel und ein Finger, beides sehr verkohlt, hatte man damals auf der Straße gefunden. Deshalb das viele Blut! Tröpfeln in der Dunkelheit. Ab und zu hörte man den Regen, wenn die See draußen nicht zu stürmisch war und Sirius genau lauschte. Erinnerungen an die Vergangenheit, eine schöne Zeit, die er erlebt hatte und die viel zu schnell geendet hatte. Black wurde damals als schuldig befunden, den Expulso-Zauber durchgeführt und viele Muggel in den Tod gerissen zu haben. Nach anfänglichem Bestreiten hatte er seine Verteidigung irgendwann aufgegeben, auch deshalb, weil die Beweislast viel zu erdrückend war. Von Wurmschwanz fanden sich nur Reste und er selber war der einzig andere anwesende Zauberer zu dem Zeitpunkt. Das bedeutete Askaban, lebenslang. Doch Sirius hatte nie aufgehört. Die glückliche Zeit, die er mit James und Remus und später auch mit Lily verbracht hatte und vor allem die wenigen frohen Monaten, die Sirius mit seinem Patenkind Harry verbracht hatte, gaben ihm Mut. Mut zwischen all der Dunkelheit und Verzweiflung. Und immer wieder regte sich etwas, das er für seit langer Zeit vergessen hielt. Krone, Tatze, Moony und Wurmschwanz. Diese Namen hatten sie sich gegeben, damals, als sie zu Animagi wurden und ihren Werwolffreund Remus bei seinen Streifzügen durch die Nacht begleiteten. Würde Tatze auch jetzt die Treue zu Sirius halten? Denn trotz der Verdammnis um ihn herum, konnte Sirius das Licht klar ausmachen. Es stammte nicht von einem innerlichen Todeswunsch, um diesem schrecklichen Ort entfliehen zu können. Immer, immer wieder, tauchte vor seinem inneren Auge der Anblick von Harry als Baby auf, wie er ihn in den Händen hielt. Wie mochte Harry sich entwickelt haben? Sah er seinem Vater James zum Verwechseln ähnlich? Schon allein um des Jungen Willen musste er hier raus. Denn Wurmschwanz war nach wie vor da draußen und Harry hatte die schreckliche Nacht am 31. Oktober 1981 überlebt. Voldemort mochte verschwunden sein, doch viele seiner Schergen gingen nach wie vor auf offenen Straßen. Und vor allem Pettigrew, den Sirius als erstes zur Strecke bringen würde, sobald Tatze ihm zur Flucht verholfen hatte. Leben regte sich in ihm und Sirius hockte sich auf. Alle seine Sinne konzentrierten sich jetzt nur noch auf einen Punkt tief in seinem Inneren, da, wo der große und schäbige, aber gutmütige auf ihn Hund wartete. Nach seiner Verwandlung in Tatze schlich Sirius vorsichtig zur Kerkertür hinüber. Diese war praktisch nie abgeschlossen, denn von Askaban gab es kein Entkommen. Noch nicht. Tatze würde dies ändern. Mit einem Sprung öffnete er die Tür und lugte dann vorsichtig die Gänge entlang. Niemand war zu sehen und Sirius machte sich auf den Weg. FIN Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)