Revenge of Rakazel von Enisocs ================================================================================ Kapitel 3: Die Parade --------------------- „Hey, Großer, schwenk mal weiter nach rechts. Bei dem Brunnen da hinten ist noch alles frei. Schnell!“ Seik hob träge den Blick. Demian saß auf Raffas Schultern und ließ sich wie ein Kleinkind von ihm herumtransportieren. Nach Ansicht des Jungen sollte es so viel schneller gelingen einen freien Platz für die drei ausfindig zu machen. Was natürlich unglaublich clever von ihm war, da Raffa ohnehin alle Menschen hier um mindestens einen Kopf überragte. Aber warum sollte man sich selbstständig durch den Wust an Menschen kämpfen, wenn man sich doch bequem vom Riesen tragen lassen konnte? Mit wild fuchtelnden Händen lotste Demian seinen Kumpanen in die richtige Richtung. Der Rothaarige hob seinen von Rasterlocken überwucherten Kopf empor, um nach seinem lebenden Gepäck zu sehen, das ungeduldig mit den Füßen gegen seine Brust trommelte, um ihn anzutreiben. „In Ordnung, Sportsfreund. Halt dich fest, wir schlagen uns durch das Getümmel.“ Raffa ging voran und trieb die Menschenmenge mir nichts dir nichts auseinander. Wer nicht kuschte wurde einfach mit dem Wagen, den er vor sich her schob, angerempelt. Dicht hinter ihm hatte Seik alle Mühe Schritt zu halten. Jetzt galt es sich zu beeilen, solange der Weg frei war und die Lücke sich nicht wieder schloss. Wäre er doch Demian zuvorgekommen und hätte den Posten auf Raffas Schultern als erster für sich beansprucht, aber im Gegensatz zu diesem Hohlkopf hatte er so etwas wie Würde. Davon wollte er sich ein wenig bewahren. Er war schon tief genug gesunken, auf das Niveau musste er sich nicht auch noch herablassen. Daher ließ er Demian und Raffa gütigst den Vortritt, Hampelmänner aus sich zu machen. Es stand außer Frage, dass die beiden nicht ganz dicht waren. Demian bekleidete den Rang eines Dummschwätzers, der sich wichtiger nahm als er eigentlich war und der Händler trat als gutmütiger Riese auf, der weit weniger gefährlich war als es sein wildes Äußeres auf den ersten Blick vermuten ließ. Zumindest waren sie harmlos und er zog ihre Gesellschaft jederzeit der des Ritterhauptmanns vor. Das hielt sie aber nicht davon ab, ihm mit ihrem kindischen Gelaber und dem ständigen Gelächter auf die Nerven zu gehen. Langsam aber sicher war er es überdrüssig, aber immerhin unterließen sie es, ihn in ihre Gespräche mit einzubeziehen. Nachdem sie ihr neues Lager beim Brunnen aufgeschlagen und sich mit Raffas Empfehlungen eingedeckt hatten, begann wieder eine unheimlich tief schürfende Diskussion, derer sich Seik dezent enthielt. Raffa war der Meinung, dass die Bewohner des Fuoriums seit seinem letzten Besuch sichtlich geschrumpft seien, woraufhin Demian ihn mit seiner eigenen riesenhaften Größe aufzog. „Du passt ja nichtmal in ein richtiges Bett und musst bei den Schweinen pennen, so groß bist du.“ „Na, immerhin sind Schweine wohlriechender als mancher Mensch, das muss mal gesagt sein“, war die gelassene Antwort des Händlers, und Seik hätte schwören können, dass er ihn dabei mit einem kurzen Seitenblick streifte. „Ihr kleinen Erdferkel seids bloß nicht anders gewohnt. Wenn du mal in meine Region kommst, schnitz ich dir ein Kinderbettchen, verdammtes Schlitzohr.“ „Also ICH rieche gut. Hab erst Anfang des Jahres gebadet“, scherzte Demian. Seik fand keinen Anreiz sich irgendwie an der sinnlosen Unterhaltung zu beteiligen. Auch wenn er jetzt offiziell mit diesem Gesindel auf einer Stufe stand, seine gute Erziehung hatte er nicht vergessen und diese lehrte ihn nur dann zu sprechen, wenn man es von ihm erwartete. Außerdem hatte das unerwartete Treffen mit dem Dentrium ihm den ohnehin schon miesen Tag ordentlich versaut. Seine derzeitige Laune hatte somit ihren Tiefpunkt erreicht und vor seinem inneren Auge spulte sich immer wieder die Begegnung mit Lourde, dem alten Magier sowie dem Ritterhauptmann in einer Endlosschleife ab. Lustlos betrachtete er die kleinen, mit Blättern verzierten Papierschiffe, die im Brunnenwasser segelten. Wenn er ehrlich war, hielt er immer noch an der Hoffnung fest, irgendwann ins Dentrium zurück zu kehren. Das Fuorium fühlte sich wie ein Gefängnis an. Er hatte sich notgedrungen an das Leben hier angepasst und war dabei abgestumpft, das machte es aber nicht besser. So sehr er auch versuchte sich damit abzufinden, jede noch so unbedeutende Kleinigkeit rief schmerzliche Erinnerungen in ihm wach, die sich nicht verdrängen ließen. War es kälter geworden? Ungefragt griff er sich eine weitere von Raffas Flaschen und setzte sich damit auf den Rand des Brunnens, den Rücken gekrümmt, den Kopf gesenkt auf Höhe seiner hängenden Schultern, nahm einen Schluck des Trost spendenden Inhalts. Was war doch für eine traurige Gestalt aus ihm geworden, die in Alkohol die einzige Lösung sah vor der der bitteren Wirklichkeit zu fliehen. „Was hat nen Kerl wie du eigentlich mit dem Dentrium zu schaffen?“ Das war Raffas Stimme, die Seik aus seinen Gedanken riss. Er hob den schlaffen Kopf und blickte irritiert in das Gesicht des Hünen, der neben ihm auf dem Brunnenrand Platz genommen hatte. „Was?“ „Hab mal gehört, die hohen Herrschaften suchen sich die Mädels hier unten um Spaß zu haben, weil ihnen ihre feinen Ladies zu prüde sind. Aber du siehst jetzt nicht gerade wie jemand aus, den man sich für ein Schäferstündchen mitnimmt, was, Kumpel?“ „Da muss er erst noch seinen Augenaufschlag üben.“ Demian setzte noch einen drauf. „Jetzt mal ohne Flachs. Du kanntest den Knirps vorhin doch?“ Herrlich! Man hatte ihn in letzter Zeit ja allem Möglichen bezichtigt, aber dass man ihn jetzt schon mit Nutten in einen Topf warf, war was boshafte Kreativität anging mit Abstand das Meisterstück. Er zollte den beiden all seinen Respekt für diesen überaus geistreichen Ideenreichtum. Aber sollten die beiden doch denken was sie wollten, ihnen war er keiner Erklärung schuldig. „Wie dein Freund schon sagt. Ich war denen als Hure wohl nicht mehr gut genug. Das ist auch schon die ganze Geschichte.“ „Du Geheimniskrämer willst wohl nicht damit rausrücken, hm?“ „Nein.“ Und damit war die Diskussion für ihn beendet. Er war froh, dass Raffa einsichtig genug war daraufhin keine weiteren Fragen zu stellen. Allmählich verdichtete sich die Menge zu beiden Seiten der Hauptstraße und steigende Aufregung machte sich unter den Menschen breit, die sich nun nach vorne drängten um den besten Platz für sich zu beanspruchen. Das Zeichen, dass das Spektakel begann. Es wurde gerempelt was das Zeug hielt. Man jubelte. Kinder zappelten aufgeregt auf den Schultern ihrer Eltern. Dann ein gewaltiges Staunen, das durch die Menge ging, als der erste Festwagen heranrollte. Der durch Ätherenergie angetriebene Wagen zeigte eine üppige Baumlandschaft in sattem Grün. Ganz vorne stand ein verkleideter, junger Mann, der Mafuu repräsentieren sollte, und hob feierlich seine Hände über das staunende Publikum. Kaum, dass er den Leuten mit dieser eindrucksvollen Pose ein stupides „Ohhh“ entlockt hatte, verfärbten sich wie durch Zauberhand die grünen Blätter an den Bäumen und segelten in den Farben Mafuus zu Boden. Das berüchtigte „Ahhh“ folgte und die Leute versuchten wie gebannt nach den nutzlosen Blättern zu greifen, die der Wind vom Wagen ins Publikum trug, nur um zu sehen wie der Trick funktioniert hatte. Raffa und Demian amüsierten sich derweil köstlich darüber, warum man so einen Hanswurst ausgewählt hatte, um einen Gott darzustellen und ernteten dafür böse Blicke aus dem Publikum. Man mochte Ihnen vergeben, immerhin sprach der Alkohol aus ihren Mündern. Während Seik die Darbietung auf dem Wagen weiter beobachtete, fiel ihm ein Kerl auf, der unweit von ihnen aus der Menge auftauchte und zum Brunnen schlenderte. Er stufte ihn ohne weiteres in die Kategorie der zwielichtigen Personen ein, denn es hätte ihn schon sehr gewundert, wenn dieser Mann mit dem schmal zulaufenden Rattengesicht und den stechenden Augen nicht irgendwelchen Dreck am Stecken hatte. Kommentarlos setzte sich der Kerl mit an den Brunnen und ging darin über, den Inhalt seines Geldbeutels auszuloten, zeigte sich dabei wenig erfreut über die paar Münzen, die daraus zum Vorschein kamen. Offensichtlich genervt ob seiner momentan kritischen, finanziellen Lage, mischte er sich einfach in das Gespräch von Raffa und Demian ein. „Hey, Riesenbaby. Vertickerst du die Flaschen da?“ Raffa schob sich die Brille tiefer ins Gesicht und lächelte breit zu dem Kollegen. Mit der großen Hand deutete er auf sich selber. „Ja, der Laden gehört mir. Aber hör mal, du Zwerg, mich nennt man hier immer noch Meister Raffa.“ „Der Große bunkert den Alk nur so. Musst nur nett lächeln, dann gibt er dir auch was ab.“ Demian konnte es wieder nicht lassen, ebenfalls seinen Senf dazu zu geben, wurde aber gleich wieder von Raffas Hand zum Schweigen gebracht, die ihm locker auf den braunen Wuschelschopf drückte. „Nett lächeln ist ja ganz schön, Demian, aber das Zauberwort heißt immer noch Bargeld. In meiner, wie auch in eurer Heimat.“ „Das Lächeln hebe ich mir auch lieber für anderes auf“, sagte der Kerl mit einem verschlagenen Schmunzeln. Raffas Angebot wurde kurz in Augenschein genommen, dann hielt er ihm eine der Münzen hin. „Was bekomme ich dafür?“ Seik sah zu wie die Münze ihren Besitzer wechselte und Raffa kurz darauf seine Ware herausrückte. Das Rattengesicht löste den Korken kurzerhand und nahm einen Schluck, bei dem er augenblicklich erschauderte. „Bei Mafuu…“ Er trank weiter, diesmal vorbereitet auf das geschmacklose Brennen. Prompt wurde auch Leander, so stellte er sich ihnen vor, in die Runde der armen Säufergemeinschaft aufgenommen, da es sich nach Raffas Meinung auf einem Fest so gehörte, in guter Gesellschaft zu trinken. Dagegen schien er keine Einwände zu haben und mit jedem weiteren Schluck lockerte sich seine Stimmung, bis auch er geschwätziger wurde und sich an dem Gespräch der beiden anderen beteiligte. Seik bekam mit, dass die zweifelhafte Anwesenheit dieses Mannes auf dem Fest mit einem Auftrag zusammenhing, den er hier erledigen sollte. Wobei unklar blieb, welche Art von Aufträgen das Rattengesicht annahm. Seik traute ihm die Tätigkeit eines Meuchelmörders zu, der nur darauf wartete das Messer in den Rücken seines ahnungslosen Opfers zu rammen. Die beiden anderen scherte das wohl einen Dreck. Es war jedoch nicht zu übersehen, dass Demian Leander nicht ausstehen konnte. Der Junge nutzte jede Möglichkeit um ihn zu reizen, doch anstatt sich dadurch provozieren zu lassen, drehte Leander den Spieß locker um. Hier bewies Demian eindrucksvoll, anders als bei dem leicht einzuschüchternden Lourde, dass hinter seiner großen Klappe nichts weiter steckte als heiße Luft. Seik konnte nicht behaupten, dass er ihm leid tat. Leander hatte heimlich seine Sympathie, denn trotz seiner etwas herben Aussprache schien er, im Gegensatz zu Demian, ein wenig Intelligenz gepachtet zu haben. Raffa machte sich keine große Mühe zwischen den beiden zu schlichten. Es war sicher auch besser sich raus zu halten, wenn zwei Jungspunde dabei waren sich die Köpfe einzuschlagen. Dafür wusste er die beiden Streithähne geschickt mit Geschichten aus seiner Heimat, den Bergen, oder anderen Ländern abzulenken. Darunter einige, so musste Seik zugeben, selbst für ihn interessante Erzählungen. Wie es aussah hatte der Mann seine Augen und Ohren überall und während seiner Händlerreisen, die ihn von Stadt zu Stadt brachten, einiges was in der Welt vor sich ging aufgeschnappt. So abenteuerlich wie manche dieser Geschichten ausschweiften, konnte Seik sich förmlich ausmalen, wie der tatsächliche Inhalt von Mund zu Mund immer weiter ausgeschmückt worden war, nur damit ein jeder sie noch spannender erzählen konnte. Doch seine Zweifel behielt er für sich. Als Raffa schließlich aber von Geschehnissen berichtete, die er über Grismina gehört hatte, wusste er nur zu gut, dass es sich um die Wahrheit handelte. „…Also“, begann Raffa, „Ich hab die Geschichte von nem Mädel gehört, das früher mal mit ihrem Mann hier gewohnt hat. Ich kenn die Kleine ganz gut, ist die Tochter von nem Handelskollegen. Die beiden waren damals kurz nach ihrer Hochzeit in eine nette, kleine Behausung nahe der Grenze zum Dentrium gezogen um sich ne gemeinsame Existenz aufzubauen. Sie haben kein schlechtes Leben geführt, das Mädel war sogar bei irgendeinem hohen Herren angestellt gewesen. Jedenfalls hab ich sie vor einiger Zeit mal in dem kleinen Dorf außerhalb der Stadt wieder getroffen. Hab sie gefragt, warum sie nicht mehr in Grismina lebt und ihr glaubt nicht, was das arme Ding dort erlebt hat. Da klopfts doch eines Tages ganz unverhofft an ihre Wohnungstür. Sie hatte mit Besuch gerechnet, aber nicht damit einer ganzen Truppe bewaffneter Ritter gegenüber zu stehen, die sie aufforderten das Haus zu verlassen. Von jetzt auf gleich. Einfach so. Aber nicht, dass das Paar etwas ausgefressen hätte, nein, anscheinend hatte man sich in Kreisen des Ministeriums einfach dazu entschieden, das Haus zum Eigentum des Dentriums zu erklären. Da stand nämlich, lass mich lügen, etwa zehn Meter entfernt so ein Denkmal zu Ehren der Rittergarde und denen war plötzlich eingefallen, dass das einfache Fuorierhaus die Aussicht auf ihren schönen Ritterstolz verschandeln könnte. Gesagt getan, das Haus musste weg. Ich sag euch, sie musste sich ganz schön zusammenreißen, als sie mir erzählt hat, wie die Ritter rücksichtslos in ihr Haus eingedrungen sind und sie und ihren Mann raus getrieben haben, als seien sie das letzte Gesindel. Die hatten sogar einen von der Magiergilde mitgeschickt, um den Einsatz zu überwachen, an den konnte sich das Mädel besonders gut erinnern. So ein mieser, fetter Kerl. Hatte verächtlich von oben auf sie herab geschaut, als sie ihr von den Rittern freundlicherweise hinterher geschmissenes Hab und Gut vom Boden aufsammeln mussten. Als wären sie Dreck zu seinen Füßen. Kein Wort hat er während der ganzen Aktion an sie verschwendet, sondern nur dagestanden wie so ein Bonze und Befehle erteilt. Die beiden haben soviel zusammen gekratzt wie sie tragen konnten und erstmal das Weite gesucht. Was blieb ihnen auch anderes übrig? Als sie später noch mal zurückgekommen sind, um ihre restlichen Sachen zu holen, war das Haus bereits abgerissen und die beiden standen ohne jede Entschädigung auf der Straße. Scheiß Geschichte, aber davon gibt’s leider ne ganze Menge. Dieser Magiertyp, so und so Jelester heißt dieser Mistkerl, ist jedenfalls kein unbeschriebenes Blatt. Der muss immer ganz vorn mitmischen, wenn es um die Exekutive des Ministeriums geht…“ Raffa schien vom vielen Reden eine trockene Kehle bekommen zu haben. Er entkorkte die Flasche unter Einsatz seiner Zähne, es machte Plopp und der Korken landete ausgespuckt im Brunnen. „Manchmal denke ich mir, wäre gar nicht verkehrt wenn die Rakazel noch da wären. Das war zumindest mal ein Haufen, der den Mistkerlen aus dem Dentrium ordentlich ans Bein gepinkelt hat.“ „Die Rakazel? Wer soll das denn sein?“ fragte Leander, der Raffas Geschichte scheinbar mit Interesse gelauscht hatte. „Häh? Woher kommst du eigentlich? Wer hat denn noch nicht von den Rakazel gehört?“ neckte Demian sofort, anscheinend schon wieder auf Streit aus. Seik gefiel es immer weniger, in welche Richtung sich die Unterhaltung entwickelte. Nervös fischten seine knochigen Finger nach den Zigaretten in seiner Manteltasche und er steckte sich eine davon zwischen die Lippen. Nachdem er sie an einer der entlang des Brunnens aufgestellten Fackeln entzündet hatte, inhalierte er den vertrauten Geschmack von Nikotin tief ein. Es beruhigte ihn. „Die Rakazel nannte sich eine ziemlich berüchtigte Gruppe von Piraten. Es gibt viele Geschichten über diese Bande, aber das eindruckvollste ist wohl ihr legendäres Luftschiff von dem die Leute ehrfurchtsvoll berichten. Kein Witz, das Schiff konnte fliegen. Und dem Kapitän dieser Crew wurde nachgesagt, dass er mit Dämonen im Bunde sei. Vollkommener Schwachsinn, wenn ihr mich fragt, aber der Typ hats eindeutig verstanden von sich Reden zu machen. Die Rakazel haben Kutschen der Adligen überfallen, Handelsschiffe geplündert und, um das ganze noch auf die Spitze zu bringen, sollen sie sich auch an den Äthervorräten des Dentriums vergriffen haben. Klar, dass die hohen Tiere da keinen Spaß verstehen und irgendwann zurückschlagen. Sie haben die Kerle wohl in eine Falle gelockt und aus die Maus. Danach hat die Neuigkeit ihrer Vernichtung hier für ein riesiges Spektakel gesorgt. Tja, und seitdem hats hier keiner mehr gewagt dem Dentrium auf der Nase herumzutanzen.“ Raffa nahm zwei kräftige Schlucke aus der Flasche ehe er wieder zum Sprechen ansetzte. „Ich trinke jetzt jedenfalls auf die Rakazel. Prost“, grölte er um die allgemeine Stimmung wieder zu heben und als wolle er dem Abschluss seiner Rede Nachdruck verleihen, folgte ein beherzter Rülpser. Seik störte es nicht mehr. Er konzentrierte sich auf die immer dünner werdenden Rauchschwaden, die von dem verbliebenen Zigarettenstummel aufstiegen. Während Raffas Erzählungen hatten sich Bilder der Vergangenheit vor seinem inneren Auge abgespielt, doch der ansteigende Alkoholpegel ließ die Erinnerungen wieder verdämmern, zurück blieb nur die benebelnde Schwere seines Rausches. Konturlose Gebilde aus bunten, leuchtenden Farben, die gerade noch Festwagen gewesen waren, huschten an ihm vorbei und zogen Seik tiefer und tiefer in eine angenehme Trance. Auch Raffas Stimme, obwohl er sich nicht von der Stelle bewegt hatte, schien sich immer weiter von ihm zu entfernen und es fiel ihm zunehmend schwerer das Geschehen um sich herum wahrzunehmen. Seine Sinne kehrten erst wieder zu ihm zurück, als er die Flut roter Farbe, die sich über den Platz bewegte, als das erkannte was sie war. Eine gigantische rote Flagge auf der das Wappen der Rittergarde prangte. Darunter stand, in würdevoll aufrechter Haltung, ihr Hauptmann und winkte dem Pöbel von seinem Podest aus zu. Hinter dem Schleier seiner Trunkenheit durchfuhr Seik eine tief aufgestaute Welle der Wut, die er auf diesen arroganten Dreckskerl verspürte. Er konnte es nicht mehr ertragen, untätig dazusitzen, diesen Typen seine Show genießen zu lassen, während er selber nur im Selbstmitleid zerging. Hätte er doch wenigstens ein faules Ei griffbereit, das er nach ihm werfen konnte, um seinem Ärger Luft zu machen. So blieb ihm nichts weiter übrig, als den Rittern dabei zuzusehen, wie sie in Reih und Glied vor dem Wagen hermarschierten und ihre Formation präsentierten. Alle im Gleichschritt und keiner der annährend aus der Reihe tanzte. Sicher hatten sie es bis zum Erbrechen so einstudiert. Nachdem die Garde vorbeigezogen war, folgte das Schlusslicht der Kolonne und läutete somit das große Finale ein. Eine beeindruckende Plattform aus reinem Kristall, die ganz ohne den Gebrauch von Rädern knapp über dem Boden schwebte. Die Massen staunten entrückt über das Phänomen, wie sie es all die Jahre taten. Seik konnte sich dem Staunen nicht anschließen, denn er hatte von dem Auftritt der Magiergilde des Dentriums nichts Geringeres erwartet. Ein Auftritt wie es der zweiten großen Machthaber Grisminas gebührte. Die Männer und Frauen auf der Plattform waren in lange, schillernde Roben gekleidet und spiegelten alle Ehre und Würde ihres Ranges wieder, während sie mit ihren Stäben einen Takt auf den Kristallboden klopften, der wie ein dumpfer Trommelschlag über die Straße hallte. Mit der Ankunft der Magier auf dem Fest zog ebenfalls ein eisiger Windhauch auf, der Seik tief bis ins Mark traf. Aber nicht nur die Kälte machte ihm zu schaffen, es war der Anblick der Person, die die Spitze der Magier bildete, der ihm einen Schauer über den Rücken jagte. „Das ist Xerophes Intrivaria, der Hierophant der Magiergilde“, hörte er Raffas gedämpfte Stimme. Die erhabene Gestalt des mächtigsten Würdenträgers Grisminas musste selbst bei seinen Begleitern Eindruck hinterlassen. Der Hierophant starrte reglos in die Menge der Menschen, durch die ein ehrfürchtiges Raunen ging. Er trug ebenfalls eine edle, fließende Robe, aber anders als bei seinen Genossen war sie tiefschwarz und blieb von dem starken Wind völlig unberührt. Seik hatte das beunruhigende Gefühl die Zeit würde langsamer laufen, als sich der Magier mit ihm auf gleicher Höhe befand. Ob Xerophes von seiner Anwesenheit Notiz nahm? Seik bildete sich ein, dass die Kälte die seinen Körper zittern ließ, nur für ihn bestimmt war. Dann ging der Moment jedoch vorbei und alles lief wieder seinen gewohnten Gang. Das Publikum schrie und jubelte, denn das Feuerwerk hatte endlich begonnen. Aus den Stäben der Magier sprühten Funken aller Farben, die empor in den abendlichen Himmel schossen und dort unter tosendem Lärm in hunderte von bunten Sternen explodierten. Goldener Regen sprühte herab auf die begeisterten Menschen, die ihre Arme gen Himmel streckten. Wie hingerissen sie doch alle waren… „Ich scheiß auf das Dentrium“, entwanden sich die Worte ungehemmt seinen Lippen. „Ich hätte auch dort oben stehen sollen!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)