Ex Animo von ReiRei-chan (- Fanfiction zu einem Doujinshi -) ================================================================================ Prolog: Good Day! ----------------- Based on the Doujinshi „Elements“; Art by Nor-chan © by Nor-chan, Takao Aoki-san / all rights reserved Good Day! Das Geräusch von hunderten, tausenden Schuhen auf den Pflastern Tōkyōs ist wie das heranschwappen von den Wellen des weiten Meeres, an das ich mich nur noch schwach erinnern kann. Ich rieche das salzige Aroma, höre das Rauschen und es ist wie das Aufschlagen der Absätze auf Beton. Wenn es nahe herankommt, dann ist es laut und eine einzige Mauer. Wenn es sich zurückzieht verebbt jeder Ton, nur um dann, ein wenig später, wieder zu einer Geräuschglocke anzuschwellen. Hin und her, vor und zurück. Immer wieder schreiten neue Wellen von Menschen an mir vorbei, bemerken mich nicht, reißen mich mit sich und schleudern mich von einer Seite zur anderen. Doch ich lasse mich in diesem Strom treiben. Es macht keinen Sinn dagegen ankämpfen zu wollen und es ist meiner Aufgabe dienlicher, wenn ich einfach tue was diese kopflose Masse mir vorgibt. Zuerst in die eine Richtung, dann in die andere. Liǎng zhī lǎo hǔ, Liǎng zhī lǎo hǔ Die Menschenmasse drängt mich schließlich in eine kleine Gasse ab und ich atme erleichtert auf. Es ist anstrengend und ein Akt der Geduld was ich hier tue. Doch die reiche Ausbeute, die ich nun aus meinen geflickten Jackentaschen hervorziehen kann ist mir dafür Lohn genug. Es wird mich mit Sicherheit für einige Tage satt machen. Die Krähen die sich auf den Mülltonnen niedergelassen haben beäugen mich und krächzen mich an, doch ich lache nur. Heute kann mir wirklich nichts meine Laune vermiesen, denn einen solchen Glückstag hatte ich schon lange nicht mehr. Ja, das Leben konnte so schön sein. Das schabende Geräusch der Tiere, die auf dem Boden nach Essensresten suchen ist in meinen Ohren die Fortsetzung der kleinen Melodie, die mich begleitet seit ich denken kann. „Pǎo de kuài, Pǎo de kuài“ Jetzt singe ich die Verse dieses alten Liedes laut, lasse meine Beine dabei von der Mülltonne baumeln auf der ich sitze und zupfe an einer Ecke meiner verschlissenen Jacke, die wahrlich schon bessere Zeiten gesehen hat, aber momentan das einzige ist, was mich kleidet. Neben meiner zerrissenen Hose. Mehr besitze ich nicht. Weder Schuhe, noch Socken, noch einen richtigen Mantel. Aber ich bin glücklich mit dem was ich habe, denn es reicht zum Leben und es ist mehr als genug um mich des Nachts warm zu halten, auch wenn es kaum danach aussieht. Ich bin guter Dinge, dass der heutige Tag eine Wendung bringt, denn so leicht wie heute ging mir das stibitzen der Geldbörsen noch nie von der Hand. Ich weiß genau, dass meine Mutter dieses chinesische Lied oft für mich gesungen hat um mich zum Lachen zu bringen, oder zum staunen. Sie machte so herrliche Bewegungen dazu, dass mein Bauch wehtat, wenn ich losprustete und mich nicht mehr ein bekam. Aber es war einfach zu schön wie meine Mutter versuchte zwei laufende Tiger nachzumachen. Dabei rutschte sie auf den Knien und brüllte ganz laut, dass ich nicht anders konnte als zu schreien und um sie herum zu laufen, was sie lachen ließ. Es war schön mit ihr. Diese Erinnerung ist die einzige die ich klar vor mir sehe. Alles andere habe ich schon fast vergessen. Nur die Geräusche und die Gerüche sind mir erhalten geblieben. Meine Mutter roch stets nach einem Hauch von Rosenöl, mein Vater dagegen nach wilden Kräutern. Unser Haus hatte den Duft von Stroh und strahlte Behaglichkeit und Wärme aus. Ich habe mich wohl gefühlt in diesem Haus, dessen Boden aus Bambusmatten bestand und das diese schönen Schiebetüren hatte, wie man sie heutzutage beinahe nur noch in ländlichen Regionen findet. Die Welt wird zunehmend moderner und doch gibt es noch Kinder wie mich. Kinder ohne zu Hause, ohne Eltern und ohne jede Menschenseele. Yī zhī méi yǒu ěr duo Yī zhī méi yǒu wěi ba Einmal möchte ich es noch wagen. Mein Glück will ich nicht herausfordern, aber ich glaube an meine Fähigkeiten und ich bin der festen Überzeugung, dass ich es noch einmal schaffe. In der Menschenmasse ist mir ein Junge aufgefallen, der kaum älter sein dürfte als ich. Seine Haare wirken in dem fahlen Licht der Seitengasse beinahe gänzlich grau und er hat sich seinen weißen Schal über Mund und Nase gezogen um sich gegen die herbstliche Frische zu schützen. Er trägt einen dünnen Mantel aus braunem Stoff, mit goldenen Knöpfen und zwei großen Taschen, in denen er seine Hände vergraben hat. Die Konturen zeigen mir, dass er seine Börse fest umklammert hält. Ob er ahnt was gleich passiert? Mit einem breiten Lächeln schwinge ich mich von der Mülltonne und trete einen Stein in Richtung der Krähen, die laut protestieren und mich böse anfunkeln. Doch ich kann ihnen nur ins Gesicht lachen und springe wieder in das laute Meer von hunderten von Schuhen. Das Geräusch umschließt mich und meine Augen sehen nur den Jungen, der auf mich zukommt. Sein Blick ist gesenkt und er tritt kräftig aus. Mit leichtem Schwung werfe ich mich gegen ihn und drücke ihn so gegen einen älteren Passanten. Er schaut überrascht und seine Augen suchen nach mir. Doch mit einer leisen Entschuldigung habe ich mich schon wieder abgewandt und lasse mich von der Menge treiben. Ich atme laut aus und schaue zum Himmel, gehe dabei immer weiter und erfreue mich an diesem Tag, der mir soviel gutes beschert hat. „Bleib stehen!“ Die raue Stimme kitzelt in meinen Ohren und der Griff um mein Handgelenk ist stark sodass ich der plötzlichen Kraft nur willenlos in die Gasse zurückfolgen kann, die ich soeben erst verlassen habe. „Eh?“ Es ist der Junge. „Gib es mir zurück.“ Seine Stimme ist kalt und klirrend. Sie erinnert mich an einen Schneesturm und auch an die Schneekristalle die im Winter vom Himmel fallen und auf die ich mich jedes Jahr freue. Ihr Flug zur Erde ist so schön anzusehen. „Eh?“ Seine Augen sind von einem matten silbernen Glanz und ich frage mich ob er ein Kind der Nebel ist, von denen mir meine Mutter oft erzählt hat. Doch sein starker Griff entspringt ohne jeden Zweifel den Mächten dieser Welt und ich zucke zusammen, denn nun schmerzt mich diese Behandlung. „Gib es zurück!“ Nun sind seine Worte schneidend und bohren sich in mich wie ein blankes Schwert. Doch er zieht es nicht heraus. Vielmehr dreht er es herum sodass ich leise aufstöhne, als er seine Finger tief in meinen Oberarm gräbt. Eine Welle des Schmerzes überrollt mich und macht mich blind. Ich sehe den Nebel seiner Augen vor mir. Ein Nebel in dem ich mich verliere und der mir Schaden zufügen kann. Unheimlich. Und unbekannt. Der Schmerz steigt und ich schreie auf, doch die Nebelschwaden die sich um mein gesamtes Bewusstsein legen, dämpfen das Geräusch. Ich kann kaum glauben, dass allein die Berührung dieses Jungen einen solchen Schmerz in mir hervorruft, doch mir bleibt kaum Zeit all dies näher zu ergründen. Denn meine Sinne schwinden und nur wie aus weiter Ferne höre ich den überraschten Ausruf des Jungen und spüre wie warmer, stickiger Atem mein Gesicht streift. Ich sinke zu Boden. Kraftlos und erschöpft. Ich bin wie ausgelaugt und kann mich nicht mehr halten. Der Nebel verdichtet sich und wird immer schwärzer. Das Letzte was ich wahrnehme sind leuchtend gelbe Augen, die mich an die Augen einer Katze erinnern. Dann spüre ich nur noch eine warme Umarmung die mich umschließt; ich bin ohnmächtig geworden. Zhēn qí guài, Zhēn qí guài _________________________________________________________________________________ Anmerkung: Die Übersetzung des Liedes (gesungen nach der Melodie von Bruder Jakob) geht wie folgt: Zwei Tiger, Zwei Tiger Laufen schnell, laufen schnell Einer hat kein Ohr/keine Ohren Einer hat keinen Schwanz Wirklich merkwürdig, wirklich merkwürdig Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)