Original Sin von kaprikorn (rise above it all.) ================================================================================ Kapitel 1: Abschied ------------------- Eine Woche war vergangen, seit Heihachi Mishimas Verschwinden über die Presse bekannt wurde - eine Woche voller Veränderungen. Und als Jun die restlichen Sachen in ihren Koffer packte, kam sie nicht umhin darüber ein schwaches Seufzen zu verlieren. Einen Moment lang wanderte ihr Blick zurück zu dem Stapel Zeitungen, der ungeordnet auf dem kleinen Tischchen des winzigen Hotelzimmers ruhte, den Kopf unentwegt zu sich selbst schüttelnd. Sie war sich im Nachhinein nicht mehr sicher, ob ihr Eingreifen in Kazuyas Leben tatsächlich so klug gewesen war. Auf dieser Insel fühlte sie, dass es richtig sein musste, dass er erkennen sollte, dass Hass nicht der endliche Weg für ihn war und er früher oder später darunter zu Grunde gehen würde. Doch jetzt beschlich sie ein Gefühl der Unsicherheit und Schwäche, ausgelöst durch die Phrasen einzelner Reporter die Kazuya zum neuen Vorstand der Mishima Zaibatsu erklärten. Weil der Konzern weiterleben musste und Heihachis Sohn der einzige Erbe war, wurde ihm das Geschäft mit seinen schmutzigen Machenschaften einfach zugeschoben, als Siegerprämie sozusagen. Denn offenbar hatte Kazuya Heihachi im Turnier der Eisernen Faust besiegt und damit das Preisgeld und den Titel gewonnen. Zu ihrer eigenen Überraschung nahm der vermeidliche Turniersieger den Gewinn entgegen und wurde seither in jedem Klatschblatt als der neue, junge und dynamische Firmenchef gefeiert, der der Zaibatsu zu Ruhm und Glanz verhelfen sollte, der sie aus ihrem Schatten führen und ihr ein besseres Image geben konnte. Nur wer die wahre Geschichte um Kazuya kannte, wusste wie lächerlich das war. Nicht, dass Jun ihrem Freund aus Kindertagen dieses Glück nicht gönnte, ganz im Gegenteil. So, wie sie ihn an jenen Tagen des Turniers wieder gesehen hatte, machte er den Anschein außer seinem Leben und einem Paar Jeans kaum etwas zu besitzen. Nein, es war viel mehr die Sorge, die sie nachts nicht schlafen ließ – was, wenn Kazuya diese Macht zu Kopf stieg und er sich einmal mehr in sich selbst verlor? Was, wenn Heihachi alles so geplant hatte, nur um ihn weiter zu quälen – oder noch schlimmer, sich an ihm zu rächen? Die Lippen zu einem schmalen Strich aufeinander gepresst, kehrte die Schwarzhaarige ihrem Koffer den Rücken und griff nach dem obersten Titelblatt des Zeitungsstapels. Es war der aktuellste Artikel über die augenblicklichen Umstände der Mishima Zaibatsu, ihrem Aktienanteil und ihrem allgemeinen Einfluss auf der Welt. Und hinsichtlich der vielseitigen Akivitäten der Firma war offensichtlich, dass Kazuya ein ganzes Imperium in den Schoß gefallen war. Sie hoffte inständig, dass er in seinem Tun von weiteren Tierversuchen absah und selbst erkannte wie krank Heihachi seinerzeit gewesen sein musste. Andernfalls würden sie das nächste Mal, wenn sie sich begegneten, Feinde sein und das war ein Umstand den Jun auf jeden Fall vermeiden wollte. Die Zeitungen fahrig ordnend, legte sie das Altpapier zu ihren Kleidern in den Koffer, bevor sie sich dem hohen Fenster zu wand, die Arme um den Bauch legte und einen langen Blick nach draußen warf. Wie die meisten Hotels in der Metropole war auch das „the 4th Seasons“ ein Gebäude aus purem Glas, kalt und unnahbar, dass bei Jun beinahe alle Bemühungen ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten, relativ umsonst waren. Sie war ein Freigeist, liebte die Natur und kam nicht umhin sich einzugestehen, dass sie sich auf die freien Tage in Yakushima freute. Was manche Menschen dem Stadtleben abgewinnen konnten, wusste sie nicht. Der Lärm, der Gestank, das Gefühl erdrückt zu werden – all das waren für sie genug Gründe, auf dem Land zu bleiben. Das schwache Ringen des Telefons riss die junge Japanerin aus ihren Gedanken und mit einem Blick über die Schulter, streckte sie sich nach dem Hörer, das Augenmerk nur einen geraumen Sekundenbruchteil von der angelegten Hotel-Parkanlage gelöst. „Ja, bitte?“ horchte sie beinahe zurückhaltend in die Sprechmuschel. „Miss Kazama? Hier ist jemand, der Sie sehen möchte.“ Die freundliche Stimme des Portiers hegte in ihrem Ton den leichten Anflug eines Lächelns. „Soll ich Ihn zu Ihnen hoch schicken?“, fragte er weiter, während er eine Antwort ihrerseits abwartete. Eine sanfte Falte bildete sich auf Juns Stirn. Besuch? Für sie? Sie erwartete keinen Besuch, schon gar nicht so kurz vor der Abreise. Ein Blick auf den Radiowecker neben dem Bett bestätigte, dass der Bus bis zur Fähre binnen drei Stunden abfahren würde. „Nein, ich komme runter“, entschied sich die Tierschützerin schließlich spontan, das Gespräch beendend, um merklich verwundert der Aufforderung nachzugehen, ihren Gast zu empfangen. Die Frage, um wen es sich handelte der dort unten an der Rezeption auf sie wartete, gepaart mit einem Hauch von Vorfreude, die ihr Herz abrupt schneller schlagen ließ, hastete sie über das Treppenhaus in ihren Pantoffeln in Richtung Lobby. Es war eine ganze Woche vergangen, in der sie Kazuya das letzte Mal gesehen hatte. Er wusste, dass sie zum Wochenende hin nach Yakushima zurück kehren würde und hatte versprochen sich noch einmal bei ihr zu melden. Nach und nach hatte Jun die Hoffnung allerdings aufgegeben, je ein Lebenszeichen von ihm zu bekommen, nicht zuletzt weil sich seit Heihachis Verschwinden alle um den jungen Mishima-Erben rissen. Sie verstand den plötzlichen Stress, dem der Schwarzhaarige ausgesetzt sein musste sehr gut, konnte eine Enttäuschung aber nicht ganz unterdrücken. Umso eiliger wurden ihr Tempo, den Besuch zu empfangen und umso schwerer war der Stein, der sich abrupt in ihre Magengrube legte, als Jun bereits durch die gläsernen Türen erkannte, dass die Person, die sie sehen wollte nicht Kazuya Mishima war. Er hatte sie also wirklich vergessen. Den Eingangsbereich des Hotels betretend, hielt sich Juns Freude etwas in Grenzen. Nach allem, was auf der Insel passiert war, hatte sie geglaubt Kazuya hätte sich geändert oder zumindest begriffen, was in seinem Leben wirklich relevant war. Ein Hauch Niederlage erreichte ihr Herz, dass es der Japanerin schwer fiel, das Thema beiseite zu schieben und sich auf Lei Wulong zu konzentrieren, der mit einem breiten Grinsen an der Theke der Rezeption lehnte und kaum, da er sie sah, erfreut auf sie zu kam. Er nahm sie in eine feste Umarmung, bei der sich vereinzelte Rippen, die noch nicht ganz kuriert waren, beschwerten. Wie sie und wohl auch alle anderen, wirkte er immer noch ein wenig lädiert, mitgenommen vom Geschehen wenige Tage zuvor. Wer konnte es ihm verübeln? Nach allem, was sie in Erfahrung bringen konnte, hatte er Interpol einen wahren Goldsegen mit Mishimas unterirdischen Laboren beschert. Inwieweit davon nach der Explosion allerdings noch etwas übrig war, stand auf einem anderen Blatt. „Hallo, ich hoffe ich komme nicht ungelegen. Ich wollte mich noch einmal von dir verabschieden bevor ich nach Hong Kong zurück fliege“, erklärte er ihr in seinem überschwänglichen, fröhlichen Ton. „Meine Arbeit ist hier getan und naja... das Verbrechen schläft nicht.“ Abermals verzogen sich Leis Mundwinkel in ein sanftes Lächeln, das Jun in ihrer leichten Aparthie halbherzig erwiderte. „Schön, dass du da bist. Mit dir hatte ich überhaupt nicht gerechnet – du hattest Glück, ich fahre heute selbst nach Yakushima zurück und -“ „Yakushima?“ ein Lachen stahl sich aus Wulongs Kehle, „Brauchst du etwa Urlaub von Mishima?“ Da war er wieder, dieser stichelnde Unterton in seiner Stimme, der Jun schon bei ihrer ersten Begegnung zu provozieren wusste. Der chinesische Polizist war zweifellos ein netter Kerl, hatte aber ein Talent darin andere mit seiner Art schnell zu verletzen, auch wenn er es vielleicht nicht so meinte. „Ich habe Kazuya seit dem Turnier nicht mehr gesehen“, erklärte sie ihm beinahe kühl, während sie durch den Empfangsbereich die Lobby aufsuchten, um sich nahe am Fenster in zwei Sessel sinken zu lassen. Lei, der seine Taktlosigkeit nicht bemerkt hatte, bohrte tiefer in die offenen Wunde der anderen: „Ich dachte mir schon, dass er sich nach dem Kampf in seine eigene Welt zurück zieht.“ Die Stirn in sanfte Falten legend, sah die Braunäugige auf. „Wie meinst du das?“ „Nun ja... ich bin kein besonders guter Menschenkenner, Jun. Aber wenn du mich fragst, stimmt mit dem Kerl etwas nicht und damit meine ich nicht seine hässliche Frisur. Ich habe auf dem Boot versucht mit ihm zu reden, jedoch keine klare Antwort erhalten. Mit so jemandem kann man doch kein vernünftiges Gespräch führen, ganz zu schweigen von einer Freundschaft oder was auch immer zwischen euch läuft...“ Ihre Augenwinkel verengten sich als Jun ein Stück an die Sesselkante rutschte. Normalerweise war Lei ein sehr umgänglicher Mann, prüde ja, doch stets ehrlich. „Worüber habt ihr denn auf dem Boot gesprochen?“ Spürte sie da einen Hauch von Missgunst oder Eifersucht? Nein, das war Schwachsinn – sie kannten sich kaum, hatten zwar vor dem Turnier gemeinsame Recherchen angestellt, führten ihre Unterredungen aber immer auf geschäftlicher Basis. Seine leicht erröteten Wangen sprachen da eine etwas andere Sprache. „Eigentlich über nichts... ich..“ ein leichtes Stocken verriet das keimende Unbehagen in seinem Innersten. „Ich habe ihn gefragt, wie ihr zueinander steht, weil er dich von der Insel gerettet hat und weil ihr euch den Abend davor offenbar schon getroffen habt und du so überrascht warst, ihn auf dem Boot zu sehen...“ Irritiert zuckte der Chinese die Schultern. „Ich bin einfach neugierig, das ist alles – versteh mich jetzt bitte nicht falsch, aber ich habe den Eindruck, dass ihr euch schon etwas länger kennt.“ Jun kam nicht umhin zu lachen, leise und hell, dass das Rot auf Leis Wangen noch etwas dunkler wurde. Sie verstand seine Gefühle gegenüber Kazuya nicht ganz, wusste dennoch wohl, dass keiner ihn wirklich leiden mochte – ganz einfach weil ihn niemand kannte. „Ich würde nicht sagen, dass wir uns gut kennen, wir waren Kinder, als wir uns das letzte Mal gesehen haben.“ „Ihr seid also kein … ?“ „Nein, wir sind kein Paar... wir sind Freunde, zumindest glaube ich das“, fügte sie leise und mehr zu sich selbst hinzu, die Augen einen Moment über den Holzboden, dann aus dem Fenster schweifen lassend. Eine Woge der Erleichterung erreichte sie, die man Wulong sogar in der tiefsten Nacht hätte ansehen können, ehe sich ein ominöses Grinsen auf sein Gesicht legte. „Dann könnten wir ja doch irgendwann mal zusammen ausgehen..!“ „Träum weiter, Wulong“ Er erwiderte ihr Zwinkern, als er sich aus seiner Position erhob. Jun folgte seinem Beispiel, wissend, dass der „Hong Kong-Super-Polizist“ ein Flugzeug erwischen musste. So unangenehm ihr das spontane Treffen zu Anfangs auch war, so sehr freute sie sich jetzt, ihrem Partner noch persönlich Lebe-Wohl sagen zu können. Sie gingen gemeinsam zurück in den Eingangsbereich, wobei sich Jun später selbst eine Närrin schimpfte, nicht aufmerksamer gewesen zu sein. Denn kaum, da Lei und sie sich eine letzte Umarmung gönnten, er ihre Hand zum Gruß schüttelte und sich auf den Fersen umwandte, glitt die Schiebetür des Hotels auf, um einem Mann Einlass zu gewähren, dessen bloßes Erscheinen den Raum in Eis zu tauchen wusste. Da beide nicht auf ihre Umgebung achteten, passierte es, dass Wulong sich an Kazuyas Brust wieder fand, der nicht minder überrumpelt auf den etwas kleineren Chinesen herab blickte. Es genügte ein schweifendes Augenmerk von Lei zu Jun und ein boshaftes Funkeln in seinem Blick, um die Missgunst des Schwarzhaarigen deutlich zu machen. Der Interpol-Polizist hingegen blinzelte kurz und lachte verlegen auf: „Wenn man vom Teufel spricht!“, entkam es ihm, während er sich an Kazuya vorbei zwängte und Kazama noch einmal winkte, das Hotel schneller hinter sich ließ, als notwendig. Die Hand zum Mund geführt, überfielen die Agentin mehr Gefühle als für ihr sanftes Wesen eigentlich tragbar waren, dass es ihr fast unmöglich war ihren Gegenüber mit der Freude zu begrüßen, die sie empfand. Sie hatte nicht mehr damit gerechnet, dass er kommen würde. Er hatte die ganze Woche die Möglichkeit dazu gehabt und sich für den letzten Augenblick entschieden. Wahrscheinlich, genau wie Lei, nur um auf Wiedersehen zu sagen. Irgendwie trübte dieser Gedanke Juns Wiedersehensfreude ein wenig, hielt sie das jedoch nicht davon ab, auf ihn zuzugehen und ihn in ihre Arme zu schließen. Weil ihr Zuwendungsversuch aber keinen Anklang fand und Kazuyas Augen von Sekundenbruchteil zu Sekundenbruchteil kleiner wurden, ging die Japanerin wieder eine Armlänge auf Distanz, und unterzog den Gesichtsausdrucks ihres Gegenübers einer eindringlichen Musterung. „Ist alles in Ordnung?“ Ohne Umschweife und mit einem leicht säuerlichen Ton ging der junge Firmenchef auf Wulongs Besuch ein: „Was wollte der hier?“ Juns Augenbrauen zuckte leicht, bevor sich ein beschwichtigendes Lächeln auf ihre Züge stahl, das Kazuya nur skeptisch akzeptierte. „Er wollte sich lediglich bei mir verabschieden. Lei fliegt heute nach Hong Kong zurück und wir werden uns so schnell wohl auch nicht wiedersehen. Er ist ein Freund, Kazuya – kein Grund mich gleich so strafend anzusehen.“ Stutzig wandte der Schwarzhaarige seinen Kopf trotzig beiseite. „Ich dachte, ich komme ungelegen.“ Um die Situation etwas zu entschärfen, griff sie mit der Naivität eines Kindes nach seiner Hand, um ihn ein paar Schritte mit sich zurück in den Aufenthaltsraum zu ziehen. „Nicht doch. Ich hatte schon befürchtet, du kommst gar nicht mehr bevor ich nach Hause fahre.“ Der auf den zwei Händen ruhende Blick glitt abrupt empor, als Jun ihre eigene Heimfahrt verkündete. Seine Reaktion war ihr nicht entgangen, was ihren Kopf in eine fragende Schräge brachte. „Hast du das etwa vergessen?“ Zögerlich verneinte der hoch Gewachsene knapp, zuckte dann die Schultern und versuchte offenbar den Hauch einer Enttäuschung zu verbergen – ganz zu schweigen von dem Anflug von Ärger auf sich selbst und seine Nachlässigkeit. Aber um weitere Diskussionen zu vermeiden, nahm Jun Kazuyas Antwort an, den Karateka eine geraume Weile beobachtend, ehe sich ein Lachen auf ihre Lippen stahl: „Du kannst ja mitkommen, etwas Abstand täte dir bestimmt gut.“ Ein Hauch von Stille legte sich über ihr Gespräch, bevor Kazuya zu einer Antwort ansetzte: „Wieso bleibst du nicht einfach noch ein wenig hier?“ „Weil das hier nicht meine Welt ist und ich mich auf Yakushima freue. Der Lärm dieser Stadt raubt mir noch den letzten Nerv, ich kann nachts kaum schlafen.“ Obschon sie lächelte, ließ sie von seiner Hand ab. „Du bist immer willkommen, falls du dem Dschungel dort draußen mal entfliehen willst.“ Und Kazuya in eine neuerliche, diesmal festere Umarmung schließend, entwich ihrer Kehle ein bedauerliches Seufzen. „Ich muss los, sonst erwische ich meinen Bus nicht mehr. Es tut mir leid, dass wir uns nicht länger unterhalten konnten, aber das holen wir beim nächsten Mal nach. Pass auf dich auf.“ Damit verbeugte sie sich vor ihm, daran zu gehen, als er sie am Handgelenk zurück hielt. „Ich kann dich zu dieser Bushaltestelle bringen, wenn du das möchtest.“ „Danke, das wäre sehr nett.“ „... Dann warte ich hier auf dich.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)