Original Sin von kaprikorn (rise above it all.) ================================================================================ Kapitel 11: Assassine --------------------- Die dunkle Gasse wirkte verlassen. Über den Wolkenkratzern, die wie Riesen über dem kleinen Stadtteil wachten, hatte sich der erste Nebel gebildet und verschleierte gekonnt das Sternenlicht und den Mond, der die Umgebung ansonsten sicher in ein angenehmes Licht hätte tauchen können. Niemand wäre unter Umständen auf den Gedanken gekommen, um diese Zeit hier herum zu schleichen – schließlich galt dieses Viertel als alles, aber bestimmt nicht als sicher. Eine schwarze Katze, deren gelben Augen sich im Schein der entfernten Laterne brachen, sprang von einer Mauer, auf einen losen Mülleimerdeckel, der klappernd und laut zu Boden prallte und die Stille wie ein zweischneidiges Schwert ohrenbetäubend durchbrach. Das Geräusch wurde im selben Moment von einem Schuss unterstrichen, dass sich die Katze mit gesträubtem Fell in Sicherheit brachte – keine Sekunde zu früh. Denn einen halben Herzschlag später landete ein graziler Körper gekonnt in der Hocke unweit der Mülltonne, ehe er sich aufraffte und im Laufschritt die Flucht ergriff. „Stehenbleiben!“, drohte der Verfolger und erhob seine Waffe ein weiteres Mal, um deren letzten Warnschuss abzufeuern. Er war sauer. Zum einen, weil auf ihn eine der besten Nudelsuppen ganz Chinas wartete und er beim Essen gestört worden war, und zum anderen weil man es vermutlich auf einmal auf seinen Kopf abgesehen hatte. Lei Wulong konnte immerhin von Glück reden, dass ihn der Scharfschütze um Haaresbreite verfehlt hatte. Wer auch immer es wagte, sich so dreist in seine Angelegenheiten zu mischen, musste einen triftigen Grund dafür haben und er wurde, während er dem Schatten durch die engen Straßen im Sprint folgte, den Gedanken nicht los, dass es etwas mit der Sache in Japan zu tun hatte, aus der gerade erst zurück gekehrt war. Kazuya Mishimas ernstes Gesicht tauchte während eines keuchenden Atemzuges vor seinem inneren Auge auf. Ihr letztes Wiedersehen war nicht unbedingt von Freundschaft gekrönt – was wohl daran lag, dass er ebenso an Jun Kazama interessiert war, wie der Chinese. Lei hatte sich daran eigentlich nicht sonderlich gestört, denn der Agent wusste, dass er bei seiner vermeidlichen Partnerin nie eine tiefgründigere Chance gehabt hätte; obschon er die Möglichkeit nicht verabscheuen würde. Doch er erkannte in Juns Zügen die unterdrückte Freude, als der Sieger des Turniers das simple Hotel betreten hatte; und letztendlich hatte sie Lei ohnehin immer und immer wieder Prügel angedroht, wenn er ihr zu Nahe kam. Nein, Kazuya Mishima konnte diesen Killer nicht geschickt haben, der erledigte sowas am Ende wahrscheinlich sogar noch selbst – nur um auf Nummer sicher zugehen! Dieser Kollege dort vor ihm, der gerade daran war aus seiner Reichweite zu verschwinden und zu entkommen, war von jemand anderem beauftragt worden. Jemandem, der Interpol nicht leiden konnte und wusste, dass er für diese Organisation tätig war. Ein ernst zu nehmender Gegner also. Der Weg mündete auf einem überschaubaren Stadtplatz, der selbst für die Verhältnisse dieses Viertels ungewöhnlich ruhig war. Nur der Schatten an den Hauswänden verriet Wulong, dass er dem Auftragskiller noch immer folgte. Wenn er denselben einholen wollte, musste er sich auf jeden Fall etwas besseres einfallen lassen, als lediglich die selben Haken zu schlagen wie ein Fuchs der mit seiner Beute Spielchen trieb. Lei schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass sein kurzfristig in Erwägung gezogener Plan funktionierte, steuerte eine andere Gasse an, hob sich mit seitlichem Körpergeschick über eine hüfthohe Mauer und beschleunigte seinen Lauf noch einmal. Wenn er es schaffte, vor dem Maskierten an den Docks zu erscheinen, blieb ihm immer noch die Chance einfach wie wild die restliche Munition in seiner Pistole zu verballern; nicht zuletzt weil man das Feuer ja auch auf ihn eröffnet hatte. Guter Plan! Der Chinese konnte das Wasser am Hafen rauschen hören, noch bevor er es unter dem fahlen Laternenlicht sah. Seine Schritte wurden ausgreifender, sein Atem rasselte bereits vor Erschöpfung. Irgendwo hier musste er sein – ein Gedanke, der seine Finger dazu animierte sich noch fester um den Leib seiner Waffe zu klammern. Doch die Reaktion kam zu spät, sein Hinterhalt wurde zu seiner eigenen Falle, noch bevor Wulong realisierte, was geschah: Ihm gegenüber stand ein zierlicher Mensch, eine Frau wie ein Teil seines Gehirns schwerfällig fest stellte. Sie hatte zwei Magnums auf ihn gerichtet, ihr blondes Haar hatte sich längst aus dem Zopf gelöst und fiel ihr wirr in die verschwitzte Stirn. Sie wirkte angespannt, aber in ihren Augen funkelte so etwas wie kaltblütiger Triumph. Lei Wulong hielt wie erstarrt in der Bewegung inne und folgte dem logischen Ablauf seines lang vergangenen Trainings, die eigene Pistole fallen zu lassen, um so etwas wie Unterwerfung und Ergebung zu demonstrieren. Den Kopf neigend, sickerte die Lösung des Rätsels nur sehr langsam in sein Bewusstsein. Mit einem Mal war alles so klar, dass es ihn nicht einmal überraschte, wie die Zeigefinger Ninas die Auslöser betätigten und zwei beachtlich große Kugeln auf ihn zugeschossen kamen. Wulong konnte sie durch ihr Gewicht in der lauen Nachtluft pfeifen hören, bis sie sich tief und widerstandsfähig in seine Brust bohrten, den Körper aus dem Gleichgewicht brachten und zum Taumeln anregten. Er fühlte dabei keinen Schmerz, dafür war das Adrenalin zu stark, erkannte allerdings die Chancenlosigkeit in seiner Situation. Sollte es das gewesen sein? War sein Leben vorbei? Und warum? Es dauerte nur noch einen weiteren Atemzug seines Herzens, ehe der Polizist plötzlich rücklings zu Boden ging und in einem spürbar unendlichen Sog aus Dunkelheit erlag. Alles wurde schwer, wie eine untragbare Last. Ihm war kalt. Nina beobachtete ihr Opfer eindringlich, steckte die Kanonen zurück in ihre Halfter und machte sich rücklings auf den Weg in Richtung Ausgangspunkt. Sie hatte ihren Job erledigt, den Interpol-Agenten beseitigt und damit einen Hauch ihrer Ehre wieder hergestellt, den sie an Lee Chaolan und Heihachi Mishima verloren hatte. Wieso und warum sie sich der Zaibatsu damals angeschlossen hatte, konnte die Irin sich selbst nicht beantworten. Vermutlich glaubte sie dadurch ihrer Schwester endlich eins auswischen und sich an ihrem Leid laben zu können. Sie wollte sie heraus fordern und endlich das zu Ende bringen, was auf der Insel nicht möglich war. Nach einem kleinen Telefon an ihrer Seite greifend, wählte die Blondine eine der Tasten an, die sie direkt mit ihrem Auftraggeber in Verbindung bringen würde. Und noch bevor das erste Freizeichen ertönte, trennten sich ihre rauen Lippen voneinander: „Die Zielperson wurde beseitigt.“ Das Schweigen auf der anderen Seite hielt nur kurz an. „Wunderbar. Auf dich ist also doch Verlass.“ Ninas Schritte wurden langsamer; sie pfiff beleidigt und runzelte unter dem Gespräch die Stirn. „Natürlich.“ „... das habe ich schon einmal gedacht, damals wurde ich enttäuscht. Nichts desto trotz zweifel ich nicht an deinen Fähigkeiten, Nina Williams.“ „Was ist mit unserer Abmachung?“ „Du bekommst dein Geld und deine Rache – ich stehe zu meinem Wort, Mädchen. Und jetzt mach dich auf den Weg nach Osaka, dort treffen wir uns und ich instruiere dich in alles weitere.“ „Wieso erledigen Sie das eigentlich nicht selbst?“ „Oh, das werde ich. Ich brauche dich nur noch für eine weitere, unbedeutende Kleinigkeit.“ „... Sir?“ „Kazama Jun, ebenfalls Agentin bei Interpol und obendrein noch in unsere Geschäfte involviert. Sie muss von der Bildfläche verschwinden.“ Nina ließ sich mit ihrer Entgegnung Zeit. Sie kannte die Person, die Heihachi ansprach und obschon sie gelernt hatte, ihre Gefühle bei derlei Aufträgen zu unterbinden, wusste sie, dass es falsch gewesen wäre die Tierschützerin zu ermorden. Und dennoch durfte sie ihr eigenes Ziel nicht aus den Augen verlieren. Die Irin schloss die mittlerweile müden Lider. „In Ordnung. Wir sehen uns in 48 Stunden. Lassen Sie mich nicht warten.“ Die Leitung erstarb. Nach den vielen Niederlagen der letzten Wochen, dem verlorenen Kampf mit Anna und dem vermasselten Auftrag Kazuya Mishima zu töten, kehrte Nina zu sich selbst zurück. Es war wichtig, wieder mit der Ruhe ihres eigenen Daseins in Einklang zu kommen bevor sie da weiter machte, wo sie unweigerlich aufzuhören hatte. So ging sie für eine Weile nach Irland, besuchte die alte Stadt in der sie aufgewachsen und wo ihr Vater gestorben war. Die Ruhe, ja die Besinnlichkeit, war bedauerlicher Weise nur von kurzer Dauer: denn keine Woche später meldete sich ein alter und wohl bekannter Auftraggeber und jetzt war sie hier. Nina hatte nicht angenommen, sich so schnell wieder ihrer „Arbeit“ zu widmen. Sie wollte es genau genommen nicht, musste ihrer Vernunft jedoch nachgeben, die ihr immer wieder aufzeigte wie abhängig sie von dem Geld war, das dabei für sie heraus springen konnte. Waren die Menschen alle gleich? Nein, dachte die Blondine, jeder verfolgte irgendein Ziel und das ihre war es nun mal, andere für ihre grenzenlose Dummheit zu richten. Sie war sich sicher, dass Jun Kazama keine große Herausforderung für sie darstellen wird. Und wenn sie Heihachi Mishima damit einen Gefallen tun konnte, sollte es so sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)