Original Sin von kaprikorn (rise above it all.) ================================================================================ Kapitel 15: Wirbelsturm ----------------------- Der Wind hatte sich gedreht - und damit die Stimmung verändert. Jun war zu perplex ob des plötzlichen Angriffs des Hünen und der Angst, die sich dabei ganz gezielt in ihrem Inneren ausbreitete, als dass sie einen klaren Gedanken hätte fassen können. Was war gerade passiert? War es wirklich ihre Absicht gewesen, seine Gefühle zu testen und ihn eifersüchtig zu machen? Benötigte sie tatsächlich eine Bestätigung für seine Worte, die er inzwischen so unzählige Male an sie gerichtet hat? Ihr Magen verkrampfte sich, übermannt von der intensiven Nähe die jetzt durch gähnende Leere ersetzt worden war, weil sich Kazuya unlängst wieder auf den Heimweg machte. Ihr Herz raste, lief einen buchstäblichen Marathon, dass sie fürchtete er könnte es aus der Entfernung immer noch hören; doch sie schüttelte nur zu sich selbst den Kopf, strich sich mit der flachen Hand über die Stirn und griff dann nach der kleinen Tüte mit den spärlichen Einkaufen, die sie in dem unerwarteten Ansturm hatte fallen lassen. Jun empfand viel für Kazuya. Das war ihr bereits bei ihrem ersten Wiedersehen klar geworden; denn so sehr sie sein Verbleiben über all die Jahre interessierte und beschäftigte, war es auch ihr Herz das unter dem Gedanken an ihn stetig gelitten hat - die simple Frage, ob er am Leben war, wie es ihm ging. Dass sie sich im Laufe der Zeit also in ihn verliebte war völlig selbstverständlich. Aber ihre eigenen Empfindungen beunruhigten sie, ebenso wie seine Reaktion darauf und wo sie zu Anfang sagte, nicht mehr als Freundschaft aus ihrer wiedergefundenen Beziehung machen zu wollen, war sich Jun inzwischen sicher, sich in ihrem eigenen Versprechen untreu zu werden. Kazuya war auch in jener Hinsicht absolut kein einfacher Gegner!, protestierte sie im Stillen selbst, die Stirn gefurcht, während sie versuchte mit dem hoch Gewachsenen Schritt zu halten, der sie inzwischen keines Blickes mehr würdigte. Er gab der Polizistin nicht zu verstehen, dass er es ernst genug meinte; dass es für ihn mehr war wie es den Anschein erweckte und er ihre Gefühle auf der selben Ebene erwiderte. Und das war frustrierend! Ja, der Mishima-Sohn hatte sich geändert. Es war nicht nur offensichtlich, Jun konnte es spüren. Seine Ausstrahlung, sein Ki war reiner wie zuvor, weniger von Hass zerfressen und eher ausgeglichen mit dem Körper, in dem es ruhte. Dennoch war es grau, ausgebrannt in gewisser Weise und unheilsverkündend. Jun konnte kaum sagen, so geschickt sie auch war aus der Seele eines Menschen zu lesen, auf welchem Weg sich Kazuya befand, endete schließlich alles was mit ihm verknüpft war und einen flüchtigen Sinn ergab in einer heillosen Katastrophe aus der sie ihm am Ende womöglich nicht mehr befreien konnte. Diese Erkenntnis schmerzte, war sie irgendwie erniedrigend, dass sie nüchtern seufzte und verloren auf den laubverhangenen Boden blinzelte, den sie mit kleinen Schritten hinter sich ließ. Ob sie ihn retten konnte, wenn sie ihm ihre vollkommene Liebe entgegen brachte? Ob sich die Frage, wie ernst es ihm war, von selbst klärte wenn sie es auf einen Versuch ankommen ließ? Es lag Jun fern Kazuya zu verletzen, oder schlimmer noch: zu erzürnen. Sie wollte ihn nicht vor den Kopf stoßen, und hatte trotzdem Furcht sich zu öffnen und ihrem eigenen Verlangen nachzugeben, das sie mittlerweile quälte. Es war ein einziger, verstörender Teufelskreis. "Kazuya!", machte sich die Polizistin abrupt mit einem Ausruf bemerkbar, dass der Hüne automatisch in seinem Gang langsamer wurde und etwas pikiert über die Schulter zu ihr umsah. Sie beschleunigte ihren Lauf und überbrückte die Distanz zwischen ihnen, wobei sie versuchte die Röte in ihren Wangen herab zu kämpfen, die sich heiß versuchte vor Scham darauf zurück zu schleichen. "Es... ich... es tut mir leid, ich wollte dir nicht zu nahe treten." Doch der Angesprochene lächelte lediglich stumpf, was seine Mimik zu einer leichten Fratze verzerrte, schwieg und nahm den Weg wieder auf, der sie in der nächsten Mündung direkt zu der keinen Holzhütte führte. "Ich habe Hunger", entgegnte er nur, begleitet von einem tiefen Grollen aus seiner Magengegend. "Vielleicht könnten wir daraus", Kazuya deutete mit der freien Hand auf den Reissack "...gleich etwas machen." Jun erreichte eine Welle der Erleichterung, die ihre Mundwinkel in den Anflug eines erfreuten Grinsens krümmten, glaubte sie beinahe ihn durch ihre eigene kleine Dummheit soweit gekränkt zu haben, dass er es ihr übel nahm und vielleicht sogar ans Abreisen dachte. Aber Kazuya stellte sich trotz der Gemeinheit und Lees Aufkreuzen als überaus gelassen heraus, was die Tierschützerin selbst ein wenig überraschte, nachdem sie seinen aufbrausenden Gemütszustand vom Vorabend noch lebhaft in Erinnerung hatte. Wie dem auch sei; so war es angenehmer für sie, weil sie sich leichter auf ihn zugehen traute, wenn er nicht den Sturkopf miemte und jedes Wort der Entschuldigung von ihr auf die Goldwaage legte, oder sie im schlimmsten Fall sogar ignorierte. "Du bekommst das beste Sushi, das du je gegessen hast!" Diesmal lachte der Schwarzhaarige auf, was Jun mehr an ein aufgeregtes Bellen erinnerte. "Gut, wenn es schlechter schmeckt wie das von gestern, wirst du es mir büßen, Kazama!" Die Augenbraue der Polizistin zuckte mit aufkeimender Skepsis an ihrer Stirn empor und den Blick zu ihrem Begleiter gewandt, geiferte Kazuya ihr entgegen wie ein Zähne fletschender Löwe. "Ich bin Meisterin im Sushi machen, du wirst um einen Nachschlag betteln!" - "Gut", entgegnete der Firmenchef geschmeidig, als er die beiden Stufen zur Hütte erklomm und der Kleinwüchsigen die Türe öffnete. "- Ich nehme die Herausforderung an." Die steigende Stimmung zwischen dem Paar tat der Japanerin gut, sorgte sie gleichsam dafür, dass sie sich in Kazuyas Gegenwart wieder wohl fühlte und sie vermutete, dass er seinen Griesgram für den Augenblick unter Kontrolle wusste. So trat sie an ihm vorbei, nicht ohne ihn dabei spielerisch anzurempeln, um im Eiltempo in die kleine Küche zu gelangen die aus einer einfachen Ablage und einem noch einfacheren Holzofen bestand. "Für dich ist alles ein Wettkampf, oder?", wollte die Schwarzhaarige dann wissen, während der Mishima damit beschäftigt war, den Reis in greifbarer Reichweite abzustellen.  Hätte sie gewusst, wie angriffslustig der Teufel in persona gerade war und auf ihr Gesprochenes reagierte, hätte sich Jun wahrscheinlich rechtzeitig auf die Zunge gebissen. Jetzt drehte sich der Hüne allerdings mit gestreckten Schultern in ihre Richtung, machte die wenigen Schritte auf sie zu, die sie voneinander trennten und zögerte keinen Atemzug, sie soweit an die Küchenzeile zurück zu drängen, bis sie die Kante derselben schmerzhaft im Rücken spüren konnte. Die Arme seitlich von ihrer zierlichen Erscheinung auf der Ablage abgestützt, war eine verwirrende Verschlagenheit in das dunkle Augenmerk zurück gekehrt, das sie ohne zu blinzeln mit einer Intensität fixierte, welche der Tierschützerin einen Schauer über den Rücken jagte. "Natürlich." Seine Antwort war schlicht und tief; war da eine Absicht auf seinem Gesicht? Die Augenwinkel verengt, zögerte Jun merklich, musterte die Züge die ihr abermals so nah waren, dass sie den warmen Atem auf ihrer Haut spüren konnte, bevor sie vorsichtig und langsam mit keimender Neugierde eine Hand nach dem Mishima ausstreckte und zuerst seine Wange, dann sein Kinn mit den Fingerkuppen abtastend berührte. Anders als erwartet, war das Gefühl unter ihren Fingern weich und sichtlich verwirrt ob ihrer plötzlichen Zuneigung runzelte sich Kazuyas Stirn für einen geschlagenen Atemzug, ehe er den Kopf gemächlich in Juns Handfläche lehnte und die Lider schließlich genießerisch darunter schloss. Es war ein beeindruckendes Bild; ein solches, wo sich die Schwarzhaarige vorkam, als würde sie ein wildes Tier mit ihrer Liebkosung besänftigen: und war dem nicht so? Schaffte sie es seither nicht immer, andere davon zu überzeugen, dass es wichtigeres gab, wie Hass und Ablehnung, Kampf und Krieg? Die Entspannung um die Augenwinkel des Hünen, die entgleiste und beruhigte Mimik verinnerlichte Jun auf ihre ganz eigene Weise und sog das Bild begierig in sich auf wie ein trockener Schwamm das Wasser. Wie konnte dieser Junge, dieser Mann, den sie schon so lang zu kennen glaubte, nur eine derartige Boshaftigkeit entwickeln und sich auf den Teufel und dessen unheilsverkündenden Versprechen einlassen? Noch bevor ihr allerdings eine befriedigende Antwort einfallen wollte, fühlte sie sich erneut von dem durchdringenden Augenpaar gefangen. Selbst wenn sie gewollt hätte, wäre es zu spät gewesen zu protestieren; entgegnete Kazuya ihrer Geste nämlich nicht minder sanft mit tellergroßen Händen, die sich um ihr Kinn schlossen. Wenn er etwas gesagt hat, so ging es mit dem rappelnden Herzen im Rauschen ihrer Ohren unter. Die Knie waren ungewöhnlich unsicher, ihre Gegenwehr viel zu schwach, weil der Mishima inzwischen daran war die letzte Barriere des Widerstandes einzureißen. Und dann, noch ehe ein Wort des Protestes Juns Lippen verlassen konnte, überwand sich der hoch Gewachsene zu einem zarten Kuss auf ihrem halb geöffneten Mund. Zuerst durchfuhr sie ein wohliger Schauer, begleitet von seinem Geschmack und dem Geruch, der von dem Karateka ausging und sich in ihrer Nase fest setzte; schließlich fand die Kazama den eigenen Mut, ihrem Gegenüber einfach zu vertrauen. War es ein Verbrechen? Irgendwie schon, konnte sie die Emotion in ihrem Innersten kaum zuordnen und riss es sie buchstäblich von den Füßen, dass sie Kazuyas rettende Hand bereits um ihrer Hüfte spürte, während sie den Kuss ergeben und in ihrer eigenen Welt verloren, erwiderte. Aus einem Impuls heraus klammerte sich Jun in den geöffneten Kragen des weißen Hemdes, bis sich ihre eigenen Fingernägel durch den Stoff hindurch in die Handinnenflächen bohrten und sicherlich Abdrücke hinterlassen würden - aber das war einerlei; zu befangen war sie von der Situation, der Einfachheit in der Geste, die ihr den Kopf schwirren ließ und sie so sehr einnahm, dass sie die Wirklichkeit um sich herum vergaß. Wie lange der Kuss dauerte, konnte die Tierschützerin im Nachhinein nicht sagen, hatte sich Kazuya ebenso bedacht wieder gelöst, wie er den Kontakt gewagt hatte, um die Schwarzhaarige letztendlich in einer gleitenden Pirouette um ihre eigene Achse zu drehen, damit er sie besitzergreifend in einer Umarmung an seine Brust pressen konnte. Den Kopf geneigt, dass seine Lippen nahe an ihrer Ohrmuschel waren, wog er sie in einer schwerfälligen Bewegung annähernd verspielt hin und her. "Es war mir eine Ehre, gegen dich zu kämpfen." Auch, wenn Jun das Grinsen nicht sehen konnte, brannte es sich in ihrer Vorstellung tief in das Gedächtnis, triumphat, aber liebevoll. "Vielleicht besiegst du mich ja beim nächsten Mal." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)