Original Sin von kaprikorn (rise above it all.) ================================================================================ Prolog: Fahrt in eine andere Zukunft ------------------------------------ Moshimoshi! Schön, dass du zu meiner FF gefunden hast. Ich würde mich über Kommentare freuen. Viel Spaß beim Lesen :) --------------------------------------------- Die Hölle war zu einer lebendigen Realität geworden. Lava schoss wie Blut aus einer Fontäne gen Himmel empor, so als wolle der Teufel Gott erreichen, der ihn einst dazu verdammte als gefallener Engel dahin zu vegetieren. Der Geruch von Rache lag in der Luft, vermischt mit Schwefel und Rauch. Chaos beherrschte das bisschen Insel, auf dem sie wenige Augenblicke zuvor noch damit beschäftigt gewesen waren, sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Die Hitze erreichte sein Gesicht, kleine Ascheflocken tanzten um seinen verwundeten Körper, der aufrecht und erhaben vor der rettenden Luke des Unterseeboots stand. Eine sanfte Falte bildete sich auf seiner Stirn, als Kazuya an das Gefühl zurück dachte, das ihn eingeholt hatte. Das Gefühl, verstanden und auf eine seltsame Art und Weise gemocht und respektiert zu werden. Es fühlte sich gut an und doch war es nicht ausreichend, den Hass in seinem Herzen zu besiegen. Vielleicht für eine Weile, ja. Und mit einem Blick gen Horizont fixierte er den aufsteigenden Helikopter, an dem in der Ferne erkennbar, ein kraftloser Körper hing. Aber die Güte würde es nie schaffen, ihn davon abzuhalten an seinem Vater für das, was er getan hatte, Vergeltung zu üben. „Ich kann dir nicht vergeben“, flüsterte er zu sich selbst, die Lider gesenkt. Das Rauschen des Wassers drang an sein Ohr und in Gedanken versunken wanderte seine Hand auf seine nackte Brust. Die Fingerkuppen kratzten sanft über die vernarbte Haut, ehe sie sich zu einer festen Faust schlossen. Irgendetwas war an diesem Tag in seinem Innersten stark geworden, sollte er seinerzeit wirklich dem Teufel seine Seele verkauft haben? Kazuyas Mundwinkel verzogen sich etwas irritiert, war so etwas möglich? Ein rationell denkender Mensch wie er glaubte normalerweise nicht an solchen Unsinn und doch hatte ihn die Vergangenheit offensichtlich eines Besseren belehrt. Ein raues und heiseres Seufzen entrang sich seiner schmalen Lippen, ehe er einen Schatten in unmittelbarer Nähe bemerkte. „Entschuldige, ich will dich nicht stören, aber wir sollten unter Deck gehen. Wenn wir untertauchen kommen wir schneller voran ... - hey, bist du nicht Mishimas Sohn?“ Der Fremde maß ihn einen Sekundenbruchteil lang mit einem penetrant neugierigen Blick, den Kazuya auf Anhieb nicht mochte. Überhaupt hatte er es satt, ständig mit Heihachi in Verbindung gebracht zu werden, aber was nützte es schon, das seiner Umgebung klar zu machen? Es änderte sich ja doch nichts. Der Chinese hielt ihm abrupt seine Hand entgegen, die der Schwarzhaarige registrierte, ohne dessen Begrüßung zu erwidern. Stattdessen wurde seine Mimik eine Spur härter und kühler: „Wer sind Sie?“ Sein Gegenüber blinzelte verwirrt, legte dann ein breites Grinsen auf, das Kazuyas Laune nicht unbedingt zu heben wusste und ging in eine höfliche Verbeugung: „Lei Wulong, ich war auch einer der Turnierteilnehmer, bin aber schon früh ausgeschieden – war wohl nicht mein Tag!“ Als sich Kazuyas Gesichtsausdruck ein wenig verfinsterte, er aber nichts sagte, witterte der Interpol-Agent seine Chance weiterzusprechen: „Du hast Jun gerettet, nicht wahr? Kennt ihr euch?“ „Ich wüsste nicht, was Sie das angeht, Mr. Wulong.“ Und weitere Erklärungen aussparend, machte sich der hoch Gewachsene auf, die metallene Leiter des Bootes hinab zu steigen - nicht zuletzt, weil ihm Wulongs Gegenwart zu nerven begann. Der Schacht des Unterseebootes war eng und für Männer in seiner Größe kaum gerechtfertigt. In kleinen Räumen fühlte sich Kazuya nicht wohl. Und den Blick im Halbdunkel schweifen lassend, versuchte er die Orientierung zurück zu gewinnen. Er würde sich ein Plätzchen suchen, wo er ungestört ans Festland zurück schippern konnte, ohne weiter penetrante Fragen beantworten zu müssen. Und so setzte er einen Schritt vor den Anderen, die Erschöpfung in seinen Gliedern allmählich spürend, wie sie Besitz von ihm ergriff und ihn daran erinnerte, dass er den ganzen Tag hart gekämpft hatte und einiges an Verletzungen wegstecken musste. Sein Augenmerk glitt über die Türen und durch die kleinen runden Glasfenster, die daran angebracht worden waren. Wo sie wohl die Verletzten behandelten? Sich zu beider Seiten in dem Gang, in dem er sich befand, umsehend, entschloss er sich weiterzugehen. Nachdem Jun ihm schon das Leben retten musste, wollte er sich wenigstens nach ihrem Zustand erkundigen. Warum sie so gehandelt hatte, war ihm nach wie vor nicht klar. Was musste man für einen Menschen empfinden, um so einen Schritt zu wagen? Und das ohne vorher großartig darüber nachzudenken; zu riskieren, selbst ins Kreuzfeuer zu geraten? Mut hatte das Mädchen, das musste man ihr lassen und irgendwie imponierte Kazuya das. Doch wie sollte es jetzt in seinem Leben weitergehen? Sie hatte ihm die Entscheidung abgenommen, seinen Vater zu töten. Sie hatte sein Leben von einen Tag auf den anderen vollkommen umgekrempelt, dass er sie dafür eigentlich hassen sollte. Aber er schaffte es nicht, und die Tatsache, dass sie sich schützend vor ihn gestellt hatte machte die Situation für ihn nicht einfacher. Eine Bewegung, die er aus den Augenwinkeln heraus wahr nahm, ließ ihn umsehen. Seiner Paranoia kurz erlegen, spannten sich seine Muskeln kampfbereit an. Als sich auf Kazuyas dumpfe Frage, wer da sei, jedoch nur ein kleines blondes Mädchen aus dem Schatten drängelte und ihn aus großen Augen erschrocken ansah, seufzte der Hüne schwach vor Erleichterung auf. „Wer bist du?“, fragte er erneut, mit einem Hauch von Sanftheit in der Stimme, der ihn selbst ein wenig überraschte. Das Mädchen sagte nichts, sondern ergriff lediglich seine Hand, um ihn mit sich zu ziehen.„Ich weiß, wo deine Frau ist“, flüsterte es schließlich, dass Kazuya nicht umhin kam, interessiert aufzuhorchen. Ein schwaches Lächeln auf den Zügen, das seine Augen nicht erreichte, verneinte er die Aussage des Mädchens: „Sie ist nicht meine Frau.“ „Das ist aber schade, sie ist wirklich sehr schön!“ Der Griff um seine Hand wurde ein wenig fester und der Frage ausweichend, was ein Kind in diesem Alter an so einem Ort zu suchen hatte, ließ er sich von ihr durch den finsteren Gang führen. „Ja... aber... sie ist nur eine Freundin.“ „Wenn sie deine Freundin ist, warum heiratest du sie dann nicht?“ Das Mädchen trieb einen Scherz mit ihm, was Kazuya kurz stocken, dann merklich zornig werden ließ. Er konnte es nicht ausstehen, wenn man ihn für dumm verkaufte. „Nicht so eine Freundin“, erklärte der Schwarzhaarige daraufhin etwas barsch, konnte die Kleine mit seinem tiefen und drohenden Unterton allerdings nicht beeindrucken. „Wir sind da“, sagte sie schließlich und wies auf die Tür neben sich. Sie grinste Kazuya kurz entgegen. „Ich muss zurück, sonst suchen sie noch nach mir, ich sollte gar nicht hier sein..!“ Damit drängelte sie sich an ihm vorbei, um ihn etwas verdutzt zurück zu lassen. Mit einem mehrmaligen Blinzeln wandte er das Haupt, um durch die kleine Scheibe in das Innere der Kabine zu sehen - Und tatsächlich, dort lag sie. Was sie verband war seltsam und für ihn immer noch nicht nachvollziehbar. Er konnte sich kaum noch an dieses Szenario auf der Waldlichtung erinnern, hatte es über die Jahre längst vergessen während sie es sich zur Aufgabe gemacht hat, ihn zu suchen? Eine sanfte Falte bildete sich auf Kazuyas Stirn. Jun hatte all diese Qualen auf sich genommen, nur um sicher zu gehen, dass er noch am Leben war, um ihn davor zu bewahren einen – in ihren Augen – schrecklichen Fehler zu begehen. Er war verwirrt. Seine Hand ruhte eine geraume Weile auf dem Türknauf, ehe er dieselbe öffnete und bedacht vorsichtig in das kleine Zimmer eintrat. Es war äußerst spärlich eingerichtet und sollte wohl nur für den allnötigsten Komfort sorgen. Jun lag auf einer Pritsche, daneben stand so etwas wie ein Kleiderschrank und seitlich von der Tür war ein Waschbecken mit einem Spiegel montiert worden. Durch das Bullauge konnte man nun deutlich sehen, dass das Uboot längst auf Tauchstation gegangen war. Vielleicht erklärte das den wachsenden Druck auf seinen Ohren. Kazuya trat gemächlich näher, abermals der eigenen Müdigkeit in den Gliedern gewahr. Der Kampf gegen Heihachi hatte ihm wahrlich einiges abverlangt und erst jetzt, nachdem der vermeidliche Teufel in seiner Brust gewichen war, spürte er das Ausmaß seiner eigenen Verletzungen. Ihre Brust hob sich ruhig zu ihrem gleichmäßigen Atem. Ihre Wunden waren provisorisch von jemandem versorgt worden und auf ihren Zügen lag ein friedlicher Ausdruck, der dem Schwarzhaarigen verständlich machte, dass sie schlief. Seine Hände ballten sich abrupt und unbewusst zu Fäusten und die Augen geschlossen, wandte Kazuya den Blick fast trotzig beiseite. Wie sollte es nun weiter gehen? Kapitel 1: Abschied ------------------- Eine Woche war vergangen, seit Heihachi Mishimas Verschwinden über die Presse bekannt wurde - eine Woche voller Veränderungen. Und als Jun die restlichen Sachen in ihren Koffer packte, kam sie nicht umhin darüber ein schwaches Seufzen zu verlieren. Einen Moment lang wanderte ihr Blick zurück zu dem Stapel Zeitungen, der ungeordnet auf dem kleinen Tischchen des winzigen Hotelzimmers ruhte, den Kopf unentwegt zu sich selbst schüttelnd. Sie war sich im Nachhinein nicht mehr sicher, ob ihr Eingreifen in Kazuyas Leben tatsächlich so klug gewesen war. Auf dieser Insel fühlte sie, dass es richtig sein musste, dass er erkennen sollte, dass Hass nicht der endliche Weg für ihn war und er früher oder später darunter zu Grunde gehen würde. Doch jetzt beschlich sie ein Gefühl der Unsicherheit und Schwäche, ausgelöst durch die Phrasen einzelner Reporter die Kazuya zum neuen Vorstand der Mishima Zaibatsu erklärten. Weil der Konzern weiterleben musste und Heihachis Sohn der einzige Erbe war, wurde ihm das Geschäft mit seinen schmutzigen Machenschaften einfach zugeschoben, als Siegerprämie sozusagen. Denn offenbar hatte Kazuya Heihachi im Turnier der Eisernen Faust besiegt und damit das Preisgeld und den Titel gewonnen. Zu ihrer eigenen Überraschung nahm der vermeidliche Turniersieger den Gewinn entgegen und wurde seither in jedem Klatschblatt als der neue, junge und dynamische Firmenchef gefeiert, der der Zaibatsu zu Ruhm und Glanz verhelfen sollte, der sie aus ihrem Schatten führen und ihr ein besseres Image geben konnte. Nur wer die wahre Geschichte um Kazuya kannte, wusste wie lächerlich das war. Nicht, dass Jun ihrem Freund aus Kindertagen dieses Glück nicht gönnte, ganz im Gegenteil. So, wie sie ihn an jenen Tagen des Turniers wieder gesehen hatte, machte er den Anschein außer seinem Leben und einem Paar Jeans kaum etwas zu besitzen. Nein, es war viel mehr die Sorge, die sie nachts nicht schlafen ließ – was, wenn Kazuya diese Macht zu Kopf stieg und er sich einmal mehr in sich selbst verlor? Was, wenn Heihachi alles so geplant hatte, nur um ihn weiter zu quälen – oder noch schlimmer, sich an ihm zu rächen? Die Lippen zu einem schmalen Strich aufeinander gepresst, kehrte die Schwarzhaarige ihrem Koffer den Rücken und griff nach dem obersten Titelblatt des Zeitungsstapels. Es war der aktuellste Artikel über die augenblicklichen Umstände der Mishima Zaibatsu, ihrem Aktienanteil und ihrem allgemeinen Einfluss auf der Welt. Und hinsichtlich der vielseitigen Akivitäten der Firma war offensichtlich, dass Kazuya ein ganzes Imperium in den Schoß gefallen war. Sie hoffte inständig, dass er in seinem Tun von weiteren Tierversuchen absah und selbst erkannte wie krank Heihachi seinerzeit gewesen sein musste. Andernfalls würden sie das nächste Mal, wenn sie sich begegneten, Feinde sein und das war ein Umstand den Jun auf jeden Fall vermeiden wollte. Die Zeitungen fahrig ordnend, legte sie das Altpapier zu ihren Kleidern in den Koffer, bevor sie sich dem hohen Fenster zu wand, die Arme um den Bauch legte und einen langen Blick nach draußen warf. Wie die meisten Hotels in der Metropole war auch das „the 4th Seasons“ ein Gebäude aus purem Glas, kalt und unnahbar, dass bei Jun beinahe alle Bemühungen ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten, relativ umsonst waren. Sie war ein Freigeist, liebte die Natur und kam nicht umhin sich einzugestehen, dass sie sich auf die freien Tage in Yakushima freute. Was manche Menschen dem Stadtleben abgewinnen konnten, wusste sie nicht. Der Lärm, der Gestank, das Gefühl erdrückt zu werden – all das waren für sie genug Gründe, auf dem Land zu bleiben. Das schwache Ringen des Telefons riss die junge Japanerin aus ihren Gedanken und mit einem Blick über die Schulter, streckte sie sich nach dem Hörer, das Augenmerk nur einen geraumen Sekundenbruchteil von der angelegten Hotel-Parkanlage gelöst. „Ja, bitte?“ horchte sie beinahe zurückhaltend in die Sprechmuschel. „Miss Kazama? Hier ist jemand, der Sie sehen möchte.“ Die freundliche Stimme des Portiers hegte in ihrem Ton den leichten Anflug eines Lächelns. „Soll ich Ihn zu Ihnen hoch schicken?“, fragte er weiter, während er eine Antwort ihrerseits abwartete. Eine sanfte Falte bildete sich auf Juns Stirn. Besuch? Für sie? Sie erwartete keinen Besuch, schon gar nicht so kurz vor der Abreise. Ein Blick auf den Radiowecker neben dem Bett bestätigte, dass der Bus bis zur Fähre binnen drei Stunden abfahren würde. „Nein, ich komme runter“, entschied sich die Tierschützerin schließlich spontan, das Gespräch beendend, um merklich verwundert der Aufforderung nachzugehen, ihren Gast zu empfangen. Die Frage, um wen es sich handelte der dort unten an der Rezeption auf sie wartete, gepaart mit einem Hauch von Vorfreude, die ihr Herz abrupt schneller schlagen ließ, hastete sie über das Treppenhaus in ihren Pantoffeln in Richtung Lobby. Es war eine ganze Woche vergangen, in der sie Kazuya das letzte Mal gesehen hatte. Er wusste, dass sie zum Wochenende hin nach Yakushima zurück kehren würde und hatte versprochen sich noch einmal bei ihr zu melden. Nach und nach hatte Jun die Hoffnung allerdings aufgegeben, je ein Lebenszeichen von ihm zu bekommen, nicht zuletzt weil sich seit Heihachis Verschwinden alle um den jungen Mishima-Erben rissen. Sie verstand den plötzlichen Stress, dem der Schwarzhaarige ausgesetzt sein musste sehr gut, konnte eine Enttäuschung aber nicht ganz unterdrücken. Umso eiliger wurden ihr Tempo, den Besuch zu empfangen und umso schwerer war der Stein, der sich abrupt in ihre Magengrube legte, als Jun bereits durch die gläsernen Türen erkannte, dass die Person, die sie sehen wollte nicht Kazuya Mishima war. Er hatte sie also wirklich vergessen. Den Eingangsbereich des Hotels betretend, hielt sich Juns Freude etwas in Grenzen. Nach allem, was auf der Insel passiert war, hatte sie geglaubt Kazuya hätte sich geändert oder zumindest begriffen, was in seinem Leben wirklich relevant war. Ein Hauch Niederlage erreichte ihr Herz, dass es der Japanerin schwer fiel, das Thema beiseite zu schieben und sich auf Lei Wulong zu konzentrieren, der mit einem breiten Grinsen an der Theke der Rezeption lehnte und kaum, da er sie sah, erfreut auf sie zu kam. Er nahm sie in eine feste Umarmung, bei der sich vereinzelte Rippen, die noch nicht ganz kuriert waren, beschwerten. Wie sie und wohl auch alle anderen, wirkte er immer noch ein wenig lädiert, mitgenommen vom Geschehen wenige Tage zuvor. Wer konnte es ihm verübeln? Nach allem, was sie in Erfahrung bringen konnte, hatte er Interpol einen wahren Goldsegen mit Mishimas unterirdischen Laboren beschert. Inwieweit davon nach der Explosion allerdings noch etwas übrig war, stand auf einem anderen Blatt. „Hallo, ich hoffe ich komme nicht ungelegen. Ich wollte mich noch einmal von dir verabschieden bevor ich nach Hong Kong zurück fliege“, erklärte er ihr in seinem überschwänglichen, fröhlichen Ton. „Meine Arbeit ist hier getan und naja... das Verbrechen schläft nicht.“ Abermals verzogen sich Leis Mundwinkel in ein sanftes Lächeln, das Jun in ihrer leichten Aparthie halbherzig erwiderte. „Schön, dass du da bist. Mit dir hatte ich überhaupt nicht gerechnet – du hattest Glück, ich fahre heute selbst nach Yakushima zurück und -“ „Yakushima?“ ein Lachen stahl sich aus Wulongs Kehle, „Brauchst du etwa Urlaub von Mishima?“ Da war er wieder, dieser stichelnde Unterton in seiner Stimme, der Jun schon bei ihrer ersten Begegnung zu provozieren wusste. Der chinesische Polizist war zweifellos ein netter Kerl, hatte aber ein Talent darin andere mit seiner Art schnell zu verletzen, auch wenn er es vielleicht nicht so meinte. „Ich habe Kazuya seit dem Turnier nicht mehr gesehen“, erklärte sie ihm beinahe kühl, während sie durch den Empfangsbereich die Lobby aufsuchten, um sich nahe am Fenster in zwei Sessel sinken zu lassen. Lei, der seine Taktlosigkeit nicht bemerkt hatte, bohrte tiefer in die offenen Wunde der anderen: „Ich dachte mir schon, dass er sich nach dem Kampf in seine eigene Welt zurück zieht.“ Die Stirn in sanfte Falten legend, sah die Braunäugige auf. „Wie meinst du das?“ „Nun ja... ich bin kein besonders guter Menschenkenner, Jun. Aber wenn du mich fragst, stimmt mit dem Kerl etwas nicht und damit meine ich nicht seine hässliche Frisur. Ich habe auf dem Boot versucht mit ihm zu reden, jedoch keine klare Antwort erhalten. Mit so jemandem kann man doch kein vernünftiges Gespräch führen, ganz zu schweigen von einer Freundschaft oder was auch immer zwischen euch läuft...“ Ihre Augenwinkel verengten sich als Jun ein Stück an die Sesselkante rutschte. Normalerweise war Lei ein sehr umgänglicher Mann, prüde ja, doch stets ehrlich. „Worüber habt ihr denn auf dem Boot gesprochen?“ Spürte sie da einen Hauch von Missgunst oder Eifersucht? Nein, das war Schwachsinn – sie kannten sich kaum, hatten zwar vor dem Turnier gemeinsame Recherchen angestellt, führten ihre Unterredungen aber immer auf geschäftlicher Basis. Seine leicht erröteten Wangen sprachen da eine etwas andere Sprache. „Eigentlich über nichts... ich..“ ein leichtes Stocken verriet das keimende Unbehagen in seinem Innersten. „Ich habe ihn gefragt, wie ihr zueinander steht, weil er dich von der Insel gerettet hat und weil ihr euch den Abend davor offenbar schon getroffen habt und du so überrascht warst, ihn auf dem Boot zu sehen...“ Irritiert zuckte der Chinese die Schultern. „Ich bin einfach neugierig, das ist alles – versteh mich jetzt bitte nicht falsch, aber ich habe den Eindruck, dass ihr euch schon etwas länger kennt.“ Jun kam nicht umhin zu lachen, leise und hell, dass das Rot auf Leis Wangen noch etwas dunkler wurde. Sie verstand seine Gefühle gegenüber Kazuya nicht ganz, wusste dennoch wohl, dass keiner ihn wirklich leiden mochte – ganz einfach weil ihn niemand kannte. „Ich würde nicht sagen, dass wir uns gut kennen, wir waren Kinder, als wir uns das letzte Mal gesehen haben.“ „Ihr seid also kein … ?“ „Nein, wir sind kein Paar... wir sind Freunde, zumindest glaube ich das“, fügte sie leise und mehr zu sich selbst hinzu, die Augen einen Moment über den Holzboden, dann aus dem Fenster schweifen lassend. Eine Woge der Erleichterung erreichte sie, die man Wulong sogar in der tiefsten Nacht hätte ansehen können, ehe sich ein ominöses Grinsen auf sein Gesicht legte. „Dann könnten wir ja doch irgendwann mal zusammen ausgehen..!“ „Träum weiter, Wulong“ Er erwiderte ihr Zwinkern, als er sich aus seiner Position erhob. Jun folgte seinem Beispiel, wissend, dass der „Hong Kong-Super-Polizist“ ein Flugzeug erwischen musste. So unangenehm ihr das spontane Treffen zu Anfangs auch war, so sehr freute sie sich jetzt, ihrem Partner noch persönlich Lebe-Wohl sagen zu können. Sie gingen gemeinsam zurück in den Eingangsbereich, wobei sich Jun später selbst eine Närrin schimpfte, nicht aufmerksamer gewesen zu sein. Denn kaum, da Lei und sie sich eine letzte Umarmung gönnten, er ihre Hand zum Gruß schüttelte und sich auf den Fersen umwandte, glitt die Schiebetür des Hotels auf, um einem Mann Einlass zu gewähren, dessen bloßes Erscheinen den Raum in Eis zu tauchen wusste. Da beide nicht auf ihre Umgebung achteten, passierte es, dass Wulong sich an Kazuyas Brust wieder fand, der nicht minder überrumpelt auf den etwas kleineren Chinesen herab blickte. Es genügte ein schweifendes Augenmerk von Lei zu Jun und ein boshaftes Funkeln in seinem Blick, um die Missgunst des Schwarzhaarigen deutlich zu machen. Der Interpol-Polizist hingegen blinzelte kurz und lachte verlegen auf: „Wenn man vom Teufel spricht!“, entkam es ihm, während er sich an Kazuya vorbei zwängte und Kazama noch einmal winkte, das Hotel schneller hinter sich ließ, als notwendig. Die Hand zum Mund geführt, überfielen die Agentin mehr Gefühle als für ihr sanftes Wesen eigentlich tragbar waren, dass es ihr fast unmöglich war ihren Gegenüber mit der Freude zu begrüßen, die sie empfand. Sie hatte nicht mehr damit gerechnet, dass er kommen würde. Er hatte die ganze Woche die Möglichkeit dazu gehabt und sich für den letzten Augenblick entschieden. Wahrscheinlich, genau wie Lei, nur um auf Wiedersehen zu sagen. Irgendwie trübte dieser Gedanke Juns Wiedersehensfreude ein wenig, hielt sie das jedoch nicht davon ab, auf ihn zuzugehen und ihn in ihre Arme zu schließen. Weil ihr Zuwendungsversuch aber keinen Anklang fand und Kazuyas Augen von Sekundenbruchteil zu Sekundenbruchteil kleiner wurden, ging die Japanerin wieder eine Armlänge auf Distanz, und unterzog den Gesichtsausdrucks ihres Gegenübers einer eindringlichen Musterung. „Ist alles in Ordnung?“ Ohne Umschweife und mit einem leicht säuerlichen Ton ging der junge Firmenchef auf Wulongs Besuch ein: „Was wollte der hier?“ Juns Augenbrauen zuckte leicht, bevor sich ein beschwichtigendes Lächeln auf ihre Züge stahl, das Kazuya nur skeptisch akzeptierte. „Er wollte sich lediglich bei mir verabschieden. Lei fliegt heute nach Hong Kong zurück und wir werden uns so schnell wohl auch nicht wiedersehen. Er ist ein Freund, Kazuya – kein Grund mich gleich so strafend anzusehen.“ Stutzig wandte der Schwarzhaarige seinen Kopf trotzig beiseite. „Ich dachte, ich komme ungelegen.“ Um die Situation etwas zu entschärfen, griff sie mit der Naivität eines Kindes nach seiner Hand, um ihn ein paar Schritte mit sich zurück in den Aufenthaltsraum zu ziehen. „Nicht doch. Ich hatte schon befürchtet, du kommst gar nicht mehr bevor ich nach Hause fahre.“ Der auf den zwei Händen ruhende Blick glitt abrupt empor, als Jun ihre eigene Heimfahrt verkündete. Seine Reaktion war ihr nicht entgangen, was ihren Kopf in eine fragende Schräge brachte. „Hast du das etwa vergessen?“ Zögerlich verneinte der hoch Gewachsene knapp, zuckte dann die Schultern und versuchte offenbar den Hauch einer Enttäuschung zu verbergen – ganz zu schweigen von dem Anflug von Ärger auf sich selbst und seine Nachlässigkeit. Aber um weitere Diskussionen zu vermeiden, nahm Jun Kazuyas Antwort an, den Karateka eine geraume Weile beobachtend, ehe sich ein Lachen auf ihre Lippen stahl: „Du kannst ja mitkommen, etwas Abstand täte dir bestimmt gut.“ Ein Hauch von Stille legte sich über ihr Gespräch, bevor Kazuya zu einer Antwort ansetzte: „Wieso bleibst du nicht einfach noch ein wenig hier?“ „Weil das hier nicht meine Welt ist und ich mich auf Yakushima freue. Der Lärm dieser Stadt raubt mir noch den letzten Nerv, ich kann nachts kaum schlafen.“ Obschon sie lächelte, ließ sie von seiner Hand ab. „Du bist immer willkommen, falls du dem Dschungel dort draußen mal entfliehen willst.“ Und Kazuya in eine neuerliche, diesmal festere Umarmung schließend, entwich ihrer Kehle ein bedauerliches Seufzen. „Ich muss los, sonst erwische ich meinen Bus nicht mehr. Es tut mir leid, dass wir uns nicht länger unterhalten konnten, aber das holen wir beim nächsten Mal nach. Pass auf dich auf.“ Damit verbeugte sie sich vor ihm, daran zu gehen, als er sie am Handgelenk zurück hielt. „Ich kann dich zu dieser Bushaltestelle bringen, wenn du das möchtest.“ „Danke, das wäre sehr nett.“ „... Dann warte ich hier auf dich.“ Kapitel 2: Spontaneität ----------------------- Die Sonne war bereits daran unterzugehen und tauchte die Stadt um sie herum in tiefes, dunkles Rot. Das Licht brach sich an den Fenstern der Wolkenkratzer, reflektierte sich und erfüllte damit seinen Soll, die Autofahrer zu blenden. Der lange Wagen hielt sanft an einer Ampel, dass sich Kazuyas Blick für einen Sekundenbruchteil von Jun löste und durch die Windschutzscheibe glitt. Ein knappes Blinzeln anfügend, sah er zu seiner Gesprächspartnerin zurück, woraufhin sich ein seichtes Lächeln in seinen Mundwinkeln ankündigte, das seine Augen irgendwie nicht erreichte: „Wir sind fast da.“ In nicht weniger als zehn Minuten würden sich ihre Wege wieder trennen. Was den Schwarzhaarigen daran am meisten störte war die Tatsache, dass er ihre Abreise vollkommen vergessen hatte. Natürlich konnte er ihr das nicht gestehen, wäre es für ihn unheimlich peinlich gewesen. Es ärgerte ihn auch ungemein, so leichtsinnig mit dem Versprechen, sie besuchen zu wollen, umgegangen zu sein. Der Stress der letzten Tage hatte ihn regelrecht übermannt und seine Konzentration auf andere Dinge gelenkt – Sachen, mit denen er nicht vertraut war, von denen man aber ausging, dass er sie erfüllen konnte. Überhaupt war alles zuviel für ihn geworden – von einem Moment auf den Anderen hatte er so viel Geld, dass er gewissermaßen die ganze Stadt kaufen konnte. Zeitgleich mit den Geldscheinen taten sich auch neuerliche Probleme auf: Menschen und ehemalige Geschäftspartner Heihachis, die sich eine Scheibe des Kuchens abschneiden wollten. Alte Schulden, die noch offen waren, mussten schleunigst beglichen werden. Das Personal versuchte über den Rat an eine Gehaltserhöhung zu kommen. Dinge, über die sich jemand wie Kazuya all die Zeit seines Lebens nicht einmal annähernd Gedanken machen musste, warteten jetzt darauf von Heute auf Morgen erledigt zu werden. So kam es dann, dass er den Blick für das Wesentliche schnell verlor und Jun unweigerlich dabei vergaß. Die schwarze Benz-Limousine setzte sich mit dem Umschalten der Ampel wieder in Bewegung. Diesen Moment nutzte die Japanerin, sein halbherziges Lächeln aufrichtig zu erwidern. Sie rutschte etwas in ihrem Sitz zurück, offenbar nicht ganz fähig seiner Musterung stand zu halten. „Vielen Dank, dass du mich fährst. Ich weiß, dass das für dich keine Selbstverständlichkeit ist, jetzt wo du ein viel beschäftigter Mann geworden bist.“ Eine steile Falte bildete sich auf Kazuyas Stirn. Er war nicht sonderlich taktvoll und in jeglicher Hinsicht ein Anfänger, wenn es darum ging die Gefühlslagen anderer zu erkennen. Aber Juns schlechtes Gewissen war sogar für ihn offensichtlich genug, um ihn aufhorchen zu lassen. Glaubte sie tatsächlich, dass er sich nicht einfach die Zeit nehmen würde, die er mit ihr verbringen wollte? Wobei er sich selbst nicht ganz im Klaren war, was genau dazu führte die Schwarzhaarige interessant zu finden. Fazit war, dass sie in der Vergangenheit viel durchmachen mussten und er schon seit jeher die Aufgabe verspürte, sie beschützen zu wollen. Als Kind war das für ihn ganz deutlich gewesen, Kinder waren auch nicht geprägt von Hass oder Missgunst – das wusste er jetzt. Ja, sie hatte ihm in kürzester Zeit die Augen geöffnet und ihn wieder klar denkend gemacht. Dafür war er ihr tief in seinem Innersten dankbar, und sein Herz jetzt um einiges leichter. Und wie um ihr Gerede etwas zu verspotten schüttelte er zur Antwort den Kopf. „Kein Geschäft der Welt hält mich davon ab, das zu tun was ich will. Ich bin kein Gefangener, nur weil ich den Antrag der Zaibatsu, sie zu führen, übernommen habe.“ Ein schwaches Grinsen umspielte seine rauen Lippen. „Ich habe Angestellte, die für mich arbeiten wenn ich das will. Mach dir keine Gedanken darüber. Ich... fahre dich gern durch die Stadt. Ich würde dich auch bis nach Yakushima bringen. Ich schulde dir eine ganze Menge.“ Beinahe nachdenklich und ohne sein Zutun glitten seine Finger an seine Brust, wo sie das Kettchen unter dem Hemd erfühlten, hinter dem eine Erinnerung lag, die Kazuya mit niemandem teilen wollte. Während der Zeit seines Hasses und der Vorbereitung zur Zerstörung seines Vaters hatte der Schwarzhaarige seine Mutter und die Liebe zu ihr völlig verdrängt. Das hatte ihn zu einem grausamen Menschen werden lassen, der er eigentlich gar nicht war – aber das war noch nicht alles. Und als die dunkle Vorahnung seinen Geist erreichte und sich seine flache Hand auf die Stelle legte, wo die tiefe Narbe seinen Körper teilte, erschrak er merklich durch die Berührung Juns die seiner Bewegung mit ihrer eigenen Hand gefolgt war. Eine fast wohlige Wärme breitete sich über seine Haut aus, wanderte kribbelnd seinen Arm empor, bis sie wie heißes Öl zähflüssig seinen Corpus erreichte. Jun war ein wenig an den hoch Gewachsenen heran gerückt, einen aufrichtigen Ausdruck in den Augen, der Kazuya zum Blinzeln veranlasste. „Du schuldest mir nichts. Du hast schon viel für mich getan – mir das Leben gerettet. Lass das Böse nur nicht noch einmal die Oberhand über deinen Geist gewinnen, das könnte ich mir nicht verzeihen.“ Ihre annähernde Regung weiterhin betrachtend, legte sich nach und nach eine bedachte Stille über das Gespräch, das mit einem plötzlichen Bremsen des Wagens und einem entschuldigenden Blick des Fahrers über den Rückspiegel zu seinem Chef unterbrochen wurde. Kazuya wirkte abrupt erzürnt über die Taktlosigkeit seines Chauffeurs, wobei er Juns Hand fast unwirsch von seiner Brust streifte und sich zum Fahrersitz vorbeugte. „Was sollte das?“, fragte er mit einem gefährlichen Unterton, der den Fahrer merklich kleiner werden ließ. „Wir... wir sind da, Mr. Mishima.“ Und ein prüfendes Augenmerk aus den getönten Scheiben werfend, erkannte er ein gläsernes Bushäuschen, das die Falte auf seiner Stirn tiefer werden ließ: „Haben Sie etwa direkt auf der Bushaltestelle geparkt?“ „Ja... Sir. Das war die einfachste Möglichkeit, Sir... hier sind weit und breit keine Parkplätze mehr frei...“ Kazuyas Wut auf seinen unfähigen Angestellten wurde spürbar, versuchte er in Juns Gegenwart aber sein Temperament zu zügeln. Was war so schwer daran, eine geeignete Haltestelle zu finden? Wie kam dieser Idiot auf die Schnapsidee den für den Bus reservierten Platz zu besetzen? Am Ende musste er für den Trottel noch bürgen, wenn besagter Bus ebenfalls hier halten wollte, während er daran war, sich von Jun zu verabschieden – was er ja so gesehen nicht wollte. Die Tierschützerin war indes daran den Benz zu verlassen. Sie hatte ihm gut zugeredet und erklärt, dass sie ohnehin nur aussteigen müsse. Doch Kazuya hielt sie mit einer schnellen Reaktion zurück und fügte an den Cheffeuer gewandt hinzu: „Fahren Sie uns zum Flughafen, Ryu. Und stellen sie klar, dass mein Flugzeug bereit steht, wenn wir ankommen.“ „Kazuya...“ mischte sich die Schwarzhaarige ein, sah von weiteren Worten jedoch ab, als ihr Unbehagen auf einen stählernen Lidaufschlag traf. „Kein Widerrede, ich bestehe darauf dich nach Yakushima zu bringen. Mit dem Bus bist du nur stundenlang unterwegs, bis du überhaupt erst in Kagoshima ankommst – meine Variante ist komfortabler. Ich hätte gleich darauf kommen sollen.“ Jun stieß ein resignierendes Seufzen aus, gefolgt von einem zustimmenden Nicken, das Kazuya sofort als „Ja“ akzeptierte. Die Limousine setzte sich in Bewegung und bog wieder auf die Strasse ein. Der Weg zum Flughafen erschien ihm im allgemeinen um einiges kürzer, als die verhältnismäßig mickrige Strecke vom Hotel zur Bushaltestelle zuvor. Wieder in seinen Sitz zurück gesunken, verfolgten Kazuyas wachsame und ruhelosen Augen den Straßenverkehr. Diese Menschen wirkten alle so hoffnungslos gestresst und kontrolliert, dass es einem fast Respekt einflöste. Das Angebot der jungen Japanerin beschäftigte ihn ungemein, während er den Alltag der Metropole an sich vorbeiziehen sah: Mit nach Yakushima, für ein paar Tage einer Aufgabe entfliehen, die ihm fast schon aufgedrängt wurde und sich endlich vom Kampf auf der Insel regenerieren. Der Schwarzhaarige war schon lange nicht mehr „zu Hause“ gewesen. Er hatte auch nicht geglaubt, je wieder einen Gedanken daran zu verschwenden. Umso verführerischer war die Einladung der Geheimagentin, mit ihr zu gehen. „Worüber denkst du nach?“, schummelte sich Jun leise flüsternd in seine Gedankenwelt. Hatte sie ihn die ganze Zeit über etwa beobachtet? Er sah zu ihr und lehnte seinen Kopf an der Stütze des Sitzes zurück. „Glaubst du wirklich, du hältst es mit mir eine Woche aus?“ Ein Lächeln zauberte sich auf ihr zartes Gesicht und ließ den Karateka zu Jun umsehen. Wenn sie sich wirklich freute, wusste sie ihre Umgebung irgendwie damit zu bezaubern, das war faszinierend. „Ist das dein Ernst? Willst du doch mitkommen?“ Kazuyas Antwort bestand aus dem Anflug eines Grinsens. Zu Ryu gewandt fügte er hinzu: „Sorgen Sie dafür, dass mir ein Koffer nach Yakushima geschickt wird.“ Eine wohliges Gefühl des Willkommen-Seins erreichte sein Herz. Wenn das seine Zukunft sein sollte, dann hatte es sich gelohnt dafür zu kämpfen. Kapitel 3: Zurück ----------------- Es war ein berauschendes Gefühl, mit nackten Füßen über den kühlen Moos zu wandern. So berauschend sogar, dass Jun nicht anders konnte, als ihre Schuhe in die Hand zu nehmen und zwei Pirouetten zu schlagen, dass das Kleid zu ihrer Bewegung aufgeregt wippte. Der Duft des Waldes, der Bäume und das Zirpen der Grillen, das annähernd wie Nachtmusik in den Ohren klang, ließ sie ihre Umwelt abrupt vergessen, sodass sie nicht bemerkte, dass ihr überraschender Begleiter Kazuya in einem respektvollen Abstand ihren kleinen Koffer trug, während er sein Jackett mit der freien Hand über seine Schulter geworfen hatte. Nachdem der junge Mishima sein eigenes kleines Privatflugzeug angeboten hatte, um sie auf dem schnellsten und bequemsten Weg nach Yakushima zurück zu bringen, verbrachten sie die meiste Zeit mit Schweigen. So gesprächig sich der Schwarzhaarige noch in der Limousine gezeigt hatte, so still zog er sich nun in seine eigene Gedankenwelt zurück - und das hinnehmend, hatte Jun den Augenblick genutzt, etwas zu Ruhen und war erst wieder aufgewacht, als sie der Freund aus Kindheitstagen zur Ankunft auf der Insel wecken musste. Mit dem Bus fuhren sie schließlich bis zur letzten Haltestelle vor dem Waldrand und jetzt, mitten in der Nacht – wobei Morgenrauen die bessere Bezeichnung gewesen wäre – spazierten sie über den schmalen Pfad zu einem der abgelegensten Dörfer des kleinen Paradieses. Für Kazuya musste es ein Kulturschock sein, vom größten Lärm plötzlich wieder in die Natur – ins Sein selbst – zurück zu kehren. Jun vermutete das auch als Grund für sein seltsam distanziertes Verhalten; zumal die Skepsis in seinen unbewegten Zügen ihre ganz eigene Sprache sprach. Sie konnte ihn gut verstehen, fühlte sie sich doch in Tokyo ebenso unwohl und annähernd unwillkommen. Doch war sie sich sicher, dass der Schwarzhaarige sich schnell wieder in seiner alten Heimat einleben würde. Ein sanftes und leises Lachen ausstoßend, atmete die Japanerin hörbar und tief ein, ehe sie zu ihrem Bekannten zurück lief und sich neben ihm seiner Schrittgeschwindigkeit anpasste. Die Hände locker mit den Schuhen auf den Rücken gelegt, kam sie nicht umhin ein breites Strahlen über ihre Mundwinkel zucken zu lassen, das Kazuya dazu veranlasste, ihre Geste mit einem Blinzeln zu quittieren. „Ist alles in Ordnung?“, fragte Jun vorsichtig ob der Müdigkeit in seinen Augen. Wahrscheinlich war er schon seit Stunden auf den Beinen – nicht zuletzt wegen ihr, was ihr abrupt ein schlechtes Gewissen bescherte. Und sich auf die Unterlippe beißend, wanderte ihre Rechte auf seinen Unterarm. „Wir sind bald da, dann richte ich dir einen gemütlichen Futon und morgen bekommst du dann ein ausgiebiges Frühstück.“ Seine Augenbrauen trafen sich kurz an der Nasenwurzel, ehe er ein Lächeln versuchte, das ihm nicht ganz gelingen wollte. „Das ist sehr nett und ich verstehe jetzt auch, was du damit gemeint hast, dass du es in Tokyo nicht länger aushalten würdest.“ Ihren fragenden Blick erwiderte Mishima mit einem schwachen Zwinkern. „Seit ich dich kenne habe ich dich noch nie derart glücklich gesehen; ich kann dein Ki spüren, wie es beginnt zu leben. Ich hätte dich nicht fragen dürfen in dieser Stadt zu bleiben.“ Er war wirklich ein anderer Mensch geworden, entwickelte sich langsam wieder zu dem Jungen, der er einst gewesen war und dazu musste sich Jun nicht einmal in ihn hinein versetzen, es war offensichtlich und es machte sie auf eine seltsame Weise glücklich. Die Art, wie er mit ihr sprach – so aufrichtig und ehrlich – bewies ihr seinen Sinneswandel. Natürlich war er immer noch ein gebrochener Mann, geprägt von Hass und Enttäuschungen, doch ließ er zumindest ihr gegenüber einen Hauch von Schwäche zu, der es schaffte sie für einen Herzschlag lang aus dem Konzept zu bringen. Ihre Wangen erröteten in der Dunkelheit unsichtbar. Hatte er sie etwa die ganze Zeit über beobachtet und ihre Worte ernst genommen? Dass ihr jemand so viel Aufmerksamkeit entgegen brachte, war sie nicht gewohnt. Umso stärker schnürte sich ihre Kehle vor Verlegenheit zu. „Du musst dir keine Gedanken mehr darüber machen. Jeder hat doch seinen Platz, wo er sich am wohlsten fühlt und einfach er selbst sein kann.“ Sich ihm dann entschieden in den Weg gestellt, stockte Kazuya unweigerlich in seiner Bewegung. Ihre Augen trafen die seinen, wobei Jun feststellen musste, dass sie in der herrschenden Finsternis nahezu schwarz wirkten. Sie wollte ihm noch etwas entgegnen, konnte aber nicht die notwendige Kraft dafür aufbringen, abgelenkt von dem Blick, der auf ihr ruhte, dass sich während der aufkeimenden Stille das Jackett auf der Schulter des hoch Gewachsenen langsam selbstständig zu machen begann und beinahe ungeachtet zu Boden gefallen wäre, hätte Kazuya nicht schnell genug reagiert und es vor einem tieferen Sturz in den Schmutz bewahrt. Seine unvorhergesehene Reaktion, in der er sich zu ihr hinab beugte, dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten, erschreckte sie plötzlich. Diese Nähe jagte ihr eine sanfte Gänsehaut über den Rücken, war sein Atem doch spürbar auf ihrer Haut, seine Konturen selbst zwischen den Schatten klar und deutlich erkennbar. Jun merkte, dass ihr Herz schneller zu schlagen begonnen hatte. Der junge Mishima war zweifellos ein attraktiver und anzüglicher Mann, der nicht nur negative Eigenschaften verkörperte. Sein angenehmer Geruch stieg ihr in die Nase und schaffte es für einen Sekundenbruchteil ihre Sinne zu vernebeln. Und die Lider ganz langsam schließend, wollte sie einfach abwarten was passieren würde, wenn er aus ihrem Blickfeld verschwand... - um dann abrupt von seiner tiefen Stimme aus ihrer Traumwelt gerissen zu werden: „Ich hoffe, ich kann wenigstens hier ein wenig ich selbst sein.“ Jun sah Kazuya entgegen und stellte dabei leicht enttäuscht fest, dass er sich wieder zu seiner vollen Größe aufgerichtet hatte, das Jackett baumelte inzwischen über seinem Unterarm. Hatte sie tatsächlich etwas anderes erwartet? Die Schwarzhaarige erinnerte sich an die Worte die sie Lei Wulong mit auf den Weg gegeben hatte: „Wir sind nur gute Freunde, mehr nicht. Wir kennen uns seit unserer Kindheit.“ Aber in diesem Sekundenbruchteil war der Firmenchef mehr als das: anziehend, geheimnisvoll. Sie hatte keine Erfahrung mit Männern, umso verwirrender war ihr aufkeimendes Gefühlschaos, das sie einige Schritte vor ihm zurückweichen ließ. Mit der erfolgreichen Selbstlüge, dass sie lediglich übermüdet war und dringend etwas Schlaf benötigte, ergriff sie seine freie Hand, um Kazuya schließlich mit sich zu ziehen. Unter dem strahlenden Mondlicht waren bereits die Umrisse des Dorfes zu erkennen, dass sie neuerliche Freude überkam, welche die Trübsinnigkeit besiegte und ihr Gang schneller wurde, bis er sich fast in ein Laufen wandelte. Sie wollte nach Hause, wollte nach allem was passiert war wieder dorthin zurück, wo sie sich geborgen fühlte. Und als sie dann auf der Türschwelle inne hielt, die Stirn völlig atemlos an das raue Holz der Türe lehnte, hätte sie die kleine Hütte am liebsten vor Wiedersehensfreude umarmt. Ohne zu zögern verschaffte sie sich Zutritt, Kazuya im Rücken, der offenbar von ihrem kleinen Gefühlsausbruch überwältigt schien. Indes, da sich der hoch Gewachsene seinen eigenen Eindruck von der Bescheidenheit machte, zündete Jun eine alte Öllampe an, die das Innenleben der Behausung in ein zartes Licht zu tauchen wusste und die Räumlichkeit so erhellte, dass sie sich aufmachen konnte, die Futons aus dem Schrank zu zerren und bettfertig auf dem, zugegeben staubigen, Boden auszubreiten. Aber der Umstand war ihr egal, spürte sie nun deutlich die Müdigkeit in ihren eigenen Gliedern, die sie in ihrer Bewegung nahezu fahrig werden ließ. „Fühl dich wie zu Hause, Kazuya“, entgegnete die Schwarzhaarige dem etwas ratlos da stehenden Kerl, der zumindest schon den Koffer und sein Jackett abgelegt hatte, daran war sich aus den Schuhen und dem Hemd zu befreien, ehe er auf die ausgebreiteten Matten zuging. Jun sah ihm an seiner steinernen Mimik an, was sie vermutete: Das wenige Hab und Gut verwirrte ihn. Wahrscheinlich schlief er in Tokyo in einem großen und weichen Bett in einer ebenso gewaltigen Wohnung oder einem Appartement, aber so etwas gab es hier nicht. Und tief in seinem Innersten erinnerte er sich sicherlich wieder daran. Ob gerade dieser Verzicht ein Grund für ihn gewesen wäre, wieder zu gehen? Doch zu ihrer Überraschung tauchte Kazuya in einer annähernd eleganten Bewegung unter dem Futon ab. „Wir sollten uns ausruhen, es war eine lange Reise auf sehr kurze Zeit.“, murmelte er tonlos, ein Räkeln unterdrückend als er sich seitlich abwandte. „Gute Nacht.“ Es dauerte kaum Sekunden, da er eingeschlafen war – Jun konnte es an seinem regelmäßigem Atem hören. Und ebenfalls daran seinem Beispiel zu folgen, löschte sie die Lampe und bettete sich auf ihre eigene, kleine Schlafmöglichkeit. Der Morgen hielt viel für sie bereit, aber darüber machte sich die Schwarzhaarige schon längst keine Gedanken mehr, denn war auch sie ohne große Umschweife in einen tiefen und traumlosen Schlaf geglitten. Ohne zu wissen, welche Gefahren im Wald auf sie oder Kazuya die Tage warten würden, ohne zu wissen, dass längst jemand unterwegs war, ihre kleine Idylle zu zerstören. Kapitel 4: Erster Gedanke ------------------------- Er wurde von einem herrlichen Duft geweckt, der in seiner Nase kitzelte und ihm gemächlich zu Kopf stieg. Die Augen noch geschlossen und nach wie vor seinem Halbschlaf erlegen, hing er der traumlosen Nacht noch ein Weilchen hinterher, die Ruhe und fremde Stille um sich herum genießend. Für gewöhnlich schaffte es sogar der Lärm der weit entfernten Strassen Tokyos bis in seine Wohnung zu dringen. Wirklich leise war es nie, die Hektik war ein stetiger Begleiter in seinem Alltag geworden. Eine Umstellung, mit der Kazuya zu Anfangs zu kämpfen hatte – nicht nur, weil auch seine Laune merklich darunter gelitten hat. Jetzt war ihm, als wäre er zu Hause angekommen. Ein vertrautes Gefühl regte sich in seinem Corpus und sich entspannt auf dem Futon ausgestreckt, war es letztendlich der säuerliche Geschmack in seinem Mund, der ihn dazu veranlasste dem Tagtraum einen Tritt zu verpassen und ins Hier und Jetzt einzukehren. Das Sonnenlicht, das durch die hohen Fenster der kleinen Hütte drang, blendete ihn leicht und zwang ihn zum Blinzeln. Und ein Gähnen unterdrückt, ließ er das Augenmerk einen Moment lang orientierungslos durch die Räumlichkeit gleiten. Nur langsam kehrte die Erinnerung an den gestrigen Abend zurück: die überstürzte Abreise nach Yakushima, plötzlich und spontan und eigentlich so gar nicht seine Art. Sich mit der flachen Hand über den Nacken fahrend, streckte er die Arme zu beider Seiten von sich und drückte den Rücken durch, dass einige Wirbel hörbar darunter knackten. Als er mit dem Oberkörper schließlich abermals auf den Futon fiel, nutzte Kazuya den entstandenen Schwung um seine Beine in Richtung Brust anzuziehen und mit einer galanten Bewegung auf die Füße zu springen. Eine Aktion die er gleich darauf bereute, waren seine Knie noch nicht so munter wie sein Geist und brachten ihn deshalb kurz aus dem Gleichgewicht und Sternchen vor seinen Augen zum Tanzen. „Wie ich sehe, bist du schon wach“, begrüßte ihn eine sanfte Stimme mit dem Anflug eines Lächelns vom Türrahmen aus. „Ich wollte dich nicht wecken, deshalb war ich in der Zwischenzeit im Dorf einkaufen und habe Frühstück gemacht.“ Jun wies auf eine Schiebetüre nahe ihres Schlafplatzes. „Dort ist das Bad, da kannst du dich frisch machen. Ich habe dir außerdem etwas von meinem Vater hingelegt, es sollte dir passen.“ Nur zu einem Nicken im Stande, stand Kazuya etwas überrumpelt in dem spärlichen Wohnraum. Als sie seine irritierte Miene wahrnahm kam sie nicht umhin zu lachen, was dem Schwarzhaarigen eine Falte auf die Stirn trieb. „Guten Morgen erstmal … oder besser schon guten Mittag.“ „Mittag..?“ wiederholte der hoch Gewachsene mit einem ungläubigen Unterton. Er konnte sich nicht erinnern, das letzte Mal nach Sonnenaufgang aufgestanden zu sein. Eigentlich brauchte er allgemein nur sehr wenig Schlaf. War die Anreise am gestrigen Abend tatsächlich so spät gewesen? „Ja, wenn wir heute noch etwas unternehmen wollen müssen wir uns etwas überlegen, bevor uns die Zeit davon läuft.“ Damit ließ sie ihn mit hängenden Schultern allein, um summend in den Teil der Hütte zurück zu kehren, der wohl zur Küche gehören musste. „Unternehmen?“ Irgendetwas in ihm war noch nicht ganz in der Realität angekommen, was ihn im Nachhinein auch nicht verwunderte. Schließlich sollte er heute Vormittag bei einer Konferenz anwesend sein, einige sinnlose Entscheidungen treffen und anderen Geschäftspartnern erlauben, ihm in den Arsch zu kriechen. Das Wort „Freizeit“ war ihm ohnehin fremd, denn wenn er nicht mit dem Überleben beschäftigt war, dann sicherlich mit dem An- und Verkauf solcher Firmen die es zu nichts gebracht haben. Die Tatsache, all das erst einmal vergessen zu können löste ein kleines Feuerwerk in seinem Bauch aus: Er konnte tun und lassen was er wollte! Kazuyas Lippen formten sich zu einem begierigen Grinsen. Das war zu schön um wahr zu sein, doch die durch die Sonnenstrahlen verursachte Wärme auf seiner Haut bestätigte ihm, dass er längst wach und gestern wirklich mit nach Yakushima gekommen war. Also machte der Hüne auf den Fersen kehrt, steuerte auf die Türe zu die ihm Jun empfohlen hatte, bahnte sich den fremden Weg zum Baderaum, wo er sich die restliche Müdigkeit mit kaltem Wasser aus dem Gesicht spülte und sich eine kurze Dusche gönnte. Wie der Rest der Hütte war auch hier mit Modernität gespart worden: Die Ausstattung war aus dunklem Holz und seine Intuition bestätigte ihm, dass das warme Wasser über eine Feuerstelle erhitzt werden musste, bevor es benutzt werden konnte – zumindest hätte das den rauchigen Geruch erklärt, der in der Luft hing. Nachdem seine Lebensgeister vollends erwacht waren und er sich wie ihm geheißen in die dargelegten Kleider zwängte, die aus einem blauen mit goldenen Stickereien besetzten Kimono bestanden, folgte Kazuya dem Duft von frischem Essen, wobei ihn das Knurren seines Magens erinnerte, dass er seit einer geraumen Weile schon nicht mehr befriedigt worden war. „Da bist du ja“, begrüßte Jun ihren spontanen Gast mit dem selben Lächeln wie zuvor und erneut bemerkte der junge Mishima, wie glücklich sie in ihrer vertrauten Umgebung doch war. Bei ihrem vermeidlichen Waldspaziergang war er ihr aus einem dummen Zufall heraus näher gekommen als notwendig; eine Nähe die ihm einen Sekundenbruchteil lang die Fassung geraubt hatte. Anfangs war sie für ihn nichts weiter als die kleine Freundin aus Kindheitstagen gewesen, die er nicht weinen oder unglücklich sehen konnte. Seit gestern Nacht bemerkte er die eigentliche Attraktivität in ihrer Figur, ihrem Aussehen und ihrem Charakter. Eine Erkenntnis die ihn unweigerlich etwas beunruhigte und einen Stein ins Rollen brachte, über den er so vorher nie nachgedacht hatte. Die Erkenntnis, dass Jun mittlerweile eine richtige Frau mit entsprechenden Anziehungsmerkmalen war, formte in seinem Kopf ein Bild, das ihn so sehr ablenkte, dass Kazuya ihren fragenden Lidaufschlag erst mit dem zweiten Atemzug erkannte. Und dann lachte sie - schon wieder. Der Schwarzhaarige hatte noch nie einen Menschen so oft und so ehrlich lachen sehen, wie sie. „Ist alles in Ordnung? Setz dich doch, was willst du denn jetzt trinken? Grünen Tee, Wasser oder Milch?“ Sich etwas steifer als nötig vor dem niedrigen Tisch auf die Knie sinken lassend, berührten sich seine Augenbrauen an der Nasenwurzel, ehe er geistesabwesend einen Tee in Betracht zog. Während Jun ihm einschenkte, entging ihm ihr prüfender Blick nicht – war seine Gedankenwelt für sie so offensichtlich? Er hoffte nicht, denn ging es sie nun wahrlich nichts an, dass er ihre Brüste unheimlich interessant fand. So interessant sogar, dass er sie gerne einmal angefasst hätte. Irritiert schüttelte Kazuya zu sich selbst den Kopf, räusperte sich tief und bedankte sich nebensächlich für die Bedienung welche sie ihm zu Teil werden ließ. Ihre schwingenden Brüste ständig in seinem Blickfeld, dass es ihm schwer fiel, nicht hinzusehen. „Ich hoffe du magst Sushi. Nach dem ganzen künstlichen Essen aus Tokyo wollte ich etwas frisches machen, da kam mir der Fisch gelegen. Ich persönlich würde für Sake ja sterben ... hoffentlich wirst du satt davon“ Die Unsicherheit, die in ihrem Ton mit schwank lenkte Kazuyas Augenmerk von der Tischplatte auf ihr Gesicht. War das ernst gemeint? Hatte sie Angst darum, es könne ihm nicht schmecken? Abermals knurrte sein Magen, schrie förmlich nach dem dampfenden und duftenden Reis, dass er sich nur mühsam zu einem beschwichtigenden Schmunzeln durchringen konnte. „Sushi ist perfekt.“ „Dann bedien dich, lass es dir schmecken“, eröffnete Jun damit das kleine Buffett, wobei sich Kazuya nicht zweimal bitten ließ, das Loch in seinem Bauch mit Reis und Fisch zu stopfen, bis sich der Gürtel des Kimonos um seinen Bauch zu spannen begann. Das Gute an ihrem schweigsamen Essen war, dass sich der Firmenchef ganz auf die Stäbchen und nicht auf ihre Reize konzentrieren musste. Indes vermutete ein Teil seines Verstandes, dass die plötzliche Einsicht über Juns Weiblichkeit daher rührte, weil er jetzt vollkommen allein mit ihr am sogenannten Arsch der Welt saß und ihn im Endeffekt nichts mehr davon ablenken konnte, sie in gewisser Weise zu bemerken. Innerlich betete er zu seiner Selbstbeherrschung, nichts Unüberlegtes zu tun. Jun schien ihm zu vertrauen und an nichts anderes außer Freundschaft zu denken. So schätzte er sie jedenfalls ein, obschon sie Kazuya nach Strich und Faden mit Gastfreundlichkeit verwöhnte. Trotzdem lag es ihm fern dieses Klima zu zerstören. „Was wollen wir heute machen?“, unterbrach der hoch Gewachsene die Stille zwischen ihnen, die leere Schüssel mitsamt den Stäbchen auf den Tisch zurück stellend. Ihre Blicke trafen sich, wobei Jun lediglich die Schultern hob. „Ich habe ehrlich gesagt nichts konkretes im Sinn. Aber wir könnten in den Wald gehen, oder an den Strand.“ Ihre Augen leuchteten kurz, während sich Kazuyas Magen leicht verkrampfte. Hatte er zu viel gegessen? Nein, es war das andere Gefühl, die Unruhe über ihre Idee, der Gedanke an nackte Haut. „Ja, der Strand wäre klasse“ Die eigene Bekräftigung ihrer Worte ließ ihn lautlos aufstöhnen, warum hatte er überhaupt gefragt und war nicht selbst mit einem Vorschlag gekommen? Als er dann ihre Hand auf der seinen spürte und das Funkeln in ihren braunen Augen sah, kam er nicht umhin ergeben zu nicken. „In Ordnung. Dort kann ich dann wenigstens etwas in Form bleiben.“ „Du willst trainieren?“ „Natürlich... wenn ich schon die Zeit dazu habe?“ Abermals brachte ein glockenhelles Lachen seine Ohren zum klingen. „Dann werde ich dir dabei zusehen.“ Kapitel 5: Schmetterlinge ------------------------- Das Wetter hätte schöner nicht sein können. Die Sonne strahlte grell wie ein überfordertes Atomkraftwerk über der gesamten Insel, was für Yakushima fast schon untypisch war. Wurde das Fleckchen Erde eigentlich häufig von langen Regenzeiten heimgesucht, hatte sich der Spätsommer ausnahmsweise behauptet. Zu Juns Überraschung war die Luft alles andere als stickig, sondern mild, begleitet von einem sanften Windhauch, der die Baumkronen zum beben brachte. Das Rauschen der Blätter beherrschte ihre Umgebung, während das ungleiche Paar mit Korb, Decke und Handtüchern bewaffnet dem schmalen Pfad talabwärts folgte. Die schlagenden Wellen waren bereits aus der Ferne zu hören, der Geruch des salzigen Meeres deutlich in der Nase zu spüren. Alles in Allem war die Idylle nahezu unwirklich, doch genau nach dem Geschmack der Naturliebhaberin. Die Eindrücke der Natur drangen regelrecht gewaltsam in ihre Wahrnehmung, dass ihre Sinne darunter leicht vernebelt wurden. Vielleicht war auch das der Grund, warum sie auf ihrem kurzen Weg vom Waldrand bis zum Strand unzählige Male stehen geblieben waren, damit Jun in Ruhe das Farbenspiel von Flora und Fauna genießen konnte. Kazuya war ihr wortlos in einem gewissen Abstand gefolgt und wahrscheinlich hätte er die Arme sogar abweisend vor der Brust verschränkt, hätte er nicht ihre ganzen Utensilien getragen. Sie vermutete es jedenfalls, weil sie das hitzige Gemüt des jungen Mishima nur allzu gut kannte und wusste, oder zumindest annahm, dass er nicht viel von der Schönheit der Pflanzen hielt, oder sich für die Umgebung in der sie sich befanden interessierte. Aber das machte nichts. Ganz im Gegenteil, seine offensichtliche Abneigung, der leicht störrische und ungeduldige Blick amüsierten sie sogar ein wenig. Und je länger sie in seiner Nähe war, umso wohler begann sie sich zu fühlen, ganz unabhängig seines Gemütszustands. Mit der Erinnerung an die vergangene Woche wurde Jun in einem stillen Moment, da sie einer Biene dabei zusah, wie sie den Nektar aus einer blühenden Knospe sog, klar, dass sie Kazuyas Anwesenheit unheimlich vermisst hatte. Wenn man darüber nachdachte, war das auch völlig selbsterklärend, hatte sie ihn doch nach jahrelanger Suche endlich wieder gefunden und daraufhin gleich wieder verloren geglaubt. Jetzt mit ihm gemeinsam diesen kleinen Spaziergang machen zu können war ein Erlebnis, dass sie sich in ihren kühnsten Träumen nicht einmal gewagt hatte vorzustellen. „Ist das nicht herrlich?“, versuchte die Schwarzhaarige die gedrückte Stimmung etwas zu lockern, sich dem hoch Gewachsenen zugewandt, um ihm kurzerhand den Korb aus den Händen zu nehmen. Kazuya wusste offenbar nicht recht, was er auf ihre Frage antworten sollte und entschied sich letztendlich für ein schwaches Schulterzucken. „Es ist nichts Besonderes“, tat er ab, was er sah und brachte Jun damit unweigerlich in ihrem Gang zum Straucheln. „Nichts Besonderes?“ Ihm war sein zu Hause, der Wald einerlei? Diese Aussage schaffte es beinahe sie zu kränken, was der andere zu bemerken schien, hob er abrupt beschwichtigend die Arme. „Nichts, was ich nicht bereits kennen würde, bitte versteh mich nicht falsch.“ Ein kleiner Zitronenfalter kreuzte ihren Weg, surrte Kazuya einmal um das Haupt und ließ sich dann mit zittrigen Flügeln auf seinem Zeigefinger nieder, was den vermeidlichen Teufel etwas aus dem Konzept brachte und die Aufmerksamkeit auf das Insekt lenkte. Blinzelnd, neigte sich sein Kopf etwas schief, doch noch ehe er den Schmetterling näher betrachten konnte, nahm er mit kräftigen Flügelschlägen Reiß aus, flatterte gen Sonnenlicht wo er binnen weniger Sekunden annähernd unsichtbar wurde, bevor er gänzlich am Horizont verschwand. In der Zwischenzeit hatte sich Jun bei ihrem Begleiter eingehakt, der jetzt nicht umhin kam ihre Regung ebenso unglaubwürdig zu mustern wie das kleine Tier zuvor, das freiwillig seine Gegenwart gesucht hatte. „Natürlich kennst du diese Blumen, diesen Weg und wohl auch jeden Baum in dieser Gegend. Du warst als Kind oft hier gewesen, wir haben hier gespielt. Aber darum geht es mir nicht, Kazuya. Der Wald besteht seit Anbeginn der Zeit, weil er gelernt hat sich zu regenerieren. Denk an Tokyo zurück – hast du dort schon einmal einen Schmetterling gesehen?“ Ihn mit ihrer geheimnisvollen Erklärung allein lassend, schwenkte die Einheimische den Picknickkorb zu ihrer Bewegung, ein leises Lied angestimmt, das sie scheinbar fröhlich vor sich her summte. Der junge Mishima war in der Tat ein sehr schwieriger Mensch geworden. Schon bei ihrem ersten Wiedersehen hatte Jun Ablehnung, Hass und Wut in seinem Herzen gespürt. Zwar war der größte Teil der Energie nun verschwunden, doch tat sich Kazuya offenbar immer noch schwer damit, die schönen Seiten des Lebens zu akzeptieren. Zu störrisch war sein Geist und vor allem sein Ego, dass er Gefühle kaum zu ließ. Diese indirekte Niederlage entrang der zierlichen Frau ein leises Seufzen. Warum sie so besessen davon war, ihn wieder zu einem Teil dieser – ihrer? - Welt zu machen konnte sie sich selbst nicht beantworten. Am vergangenen Abend hatte sie jedoch dieses wohltuende Gefühl in ihrer Brust gespürt, das ihr verriet, dass es richtig war was sie sich vorgenommen hatte. Seitdem sehnte sie sich mehr denn je bei ihm zu sein, ihn zu berühren – in seinen Augen zu lesen. Hatte sie einen Narren an ihm gefressen? „Und du willst wirklich nur zusehen?“, unterbrach der hoch Gewachsene die aufgekommene Stille zwischen ihnen mit seiner dunklen und schneidenden Stimme, dass Jun nicht umhin kam in ihrem Schritt inne zu halten und zu ihm umzusehen. Mittlerweile waren sie dem Meer schon sehr nah. Die Klippen waren bereits zu sehen und der Pfad wand sich weiter, steiler hinab in Richtung Tal. Nur noch wenige Meter, dann konnten sie den weichen Sand unter ihren nackten Füßen spüren, den restlichen Nachmittag genießen – und baden! Ja, wenn sie sich auf eines freute, dann durch die Wellen zu tauchen. Kazuyas Frage quittierte Kazama mit einem überraschten Blinzeln: „Ich werde nicht gegen dich kämpfen“, antwortete sie sofort und wohl etwas zu schnell, sah sie auf den Zügen des hoch Gewachsenen ein boshaftes Grinsen aufblitzen, das ihr nicht gefiel. Der Karateka schloss gemächlich zu ihr auf. „Schade. Ich dachte du wärst eine Meisterin deines Fachs. Da habe ich mich wohl geirrt... - vergiss es einfach.“ Die Luft in den Backen aufgeblasen, blähten sich dieselben kurz vor Empörung. Wollte er sie necken, oder aus der Reserve locken? Was auch immer er vor hatte, Jun wäre nie auf den Gedanken gekommen Kazuya heraus zu fordern. Die sichtliche Genugtuung in seiner Mimik verletzte sie allerdings etwas; lag ihm so viel daran ihr überlegen zu sein? Etwas in ihrer Reaktion schien ihn plötzlich ernst werden und die Stirn runzeln zu lassen, dass sich seine Augenbrauen an der Nasenwurzel fast berührten. Der Hüne beugte sich etwas zu ihr herab und kam der Kazama dabei ähnlich nah wie am Abend zuvor, dass sie ihr Herz nicht davon abhalten konnte einen kleinen Sprung zu machen. „Habe ich etwas falsches gesagt?“ Bevor Jun ihren Körper unter Kontrolle brachte und verneinen konnte, hatte sie bereits genickt - und errötete prompt. Super. „Wieso kommst du darauf, gegen mich kämpfen zu wollen?“ Die Lippen aufeinander gespresst, fuhr sich Kazuya mit der flachen Hand über den Nacken, ehe er sich zu seiner vollen Größe aufrichtete: „Hast du dich angegriffen gefühlt? Das war nicht meine Absicht. Ich habe einen seltsamen Humor... ich würde mich nie dazu hinreißen lassen, mich mit dir zu messen. Das hat nichts damit zu tun, dass du eine Frau bist – versteh mich nicht falsch...“ Verlegenheit regte die Luft zum Knistern an, der hoch Gewachsene sah beiseite. „Es läge mir einfach nur fern, dich zu verletzen.“ Und sich dann steifer als notwendig verbeugend, entschuldigte er sich so leise, dass es für Juns Ohren schwer war ihn zu verstehen. Überforderte sie sein gesamtes Verhalten sowieso, wobei er einmal mehr bewies wieder derjenige zu sein, mit dem sie die Kindheit verbracht und den sie Zeit ihres Lebens gesucht hatte. „Komm“, entschärfte Jun dann die Lage, griff nach der Hand des Hünen, um dem Abstieg weiter zu folgen, der von der Natur selbst in steiniger Stufenform angelegt worden war. Ihre Berührung war nichts außergewöhnliches, löste aber ein Kribbeln auf ihrer Haut aus, das die Schwarzhaarige nur schwer ignorieren konnte. Seine Finger waren wie der Rest seines Körpers kräftig, der Handteller ungemein groß. Sie mochte diese verborgene Stärke die darin ruhte, die Tatsache außer Acht gelassen, dass Kazuya jederzeit jemanden mit seinen bloßen Händen töten konnte. Sie hatte von Anfang an keine Angst vor ihm gehabt. Natürlich waren kurz Zweifel aufgetreten, als sie bemerkte von wem er eigentlich besessen war. Doch war das Gefühl der Zuneigung zu ihm stärker gewesen und hatte ihre Naivität genährt die sich im Nachhinein offenbar sogar ausgezahlt hatte. Ihn mit sich ziehend, gelangen sie schnell ans Treppenende, wo sich Jun von ihren Schuhen befreite, damit sie den Sand zwischen ihren Zehen willkommen heißen konnte. Die Umgebung war nahezu verlassen. In der Ferne konnte man zwei Angler erkennen, die auf einem Felsen saßen und ihre Ruten geduldig ins Wasser hielten. Ansonsten labte sich keiner unter der warmen Sonne, was dem Pärchen die Chance gab weiterhin unter sich zus ein. Jun eilte den Wellen entgegen, die ihre feuchten Zungen über dem Boden ausbreiteten, legte ihren Korb mit simplen Proviant nahe derselben ab, streckte die Arme von sich und inhalierte den berauschenden Duft des Salzwassers, dass sich ihre Brust merklich darunter hob. „Ich kann mich nicht erinnern, je hier gewesen zu sein“ Kazuya hatte zu ihr aufgeschlossen, seinen Oberkörper bereits aus dem Kimono geschält, wobei er einen Blick auf seinen anschaulichen Körperbau zu ließ. Die Arme dennoch ein bisschen skeptisch verschränkt, suchte er den Horizont ab, ein seichtes Lächeln auf den harten Zügen. „Es ist wirklich schön hier.“ Zu ihr herab sehend, wurde das Zucken in seinen Mundwinkeln breiter. „Willst du ins Wasser?“ Doch noch bevor Jun zu einer Antwort ansetzen konnte, unterbrach sie der Hüne mit einer knappen Handbewegung, den Kopf gereckt, um den Platz um sie herum aufmerksam zu sondieren. Irritiert blinzelte die Schwarzhaarige, während sie seinem Blick folte. Er schien seinen eigenen Gedanken zu verwerfen, konnte den ernsten Ausdruck auf seinem Gesicht allerdings nicht unterbinden. „Ist etwas nicht in Ordnung, Kazuya?“ „Mir war, als hätte ich etwas gespürt. Ich muss mich geirrt haben, das ist unmöglich...“ Irritiert über den unerwarteten Gemütswechsel, neigte sich Juns Haupt ein wenig schief. „Was hast du gespürt?“ Ein Schatten zog sich über seine Züge, machte seine Erscheinung unheimlich fremd. „Die Aura meines Vaters... er ist hier.“ Kapitel 6: Hitze ---------------- Kazuyas Gefühlswelt wirbelte in seinem Innersten wie ein Taifun. Er hatte sich insgeheim schon auf den Tag mit Jun gefreut, darauf gefreut endlich er selbst sein zu dürfen – und jetzt? Jetzt plagte ihn die Unruhe und der brodelnde Hass in seiner Magengrube, weil er die vertraute Aura seines Vaters spürte – so mächtig und erhaben – dass ihn der Drang nach ihm zu suchen gerade zu verzehrte. Die Hände zu festen Fäusten geballt, dass die Knöchel unter der Haut weiß hervor traten, schweifte sein Blick suchend über die sandigen Dünen und sich einmal um die eigene Achse drehend, versuchte der Schwarzhaarige die vertraute Gestalt auszumachen, um seinem Zorn endlich nachgeben zu können - aber das befriedigende Ziel blieb aus. Und dann, ganz plötzlich, war die vermeidliche Gegenwart so schnell verschwunden wie sie gekommen war. Völlig atemlos und verwirrt vergaß Kazuya einen Sekundenbruchteil, wo und wer er war. Sein Geist war auf die Insel zurück gekehrt, wo ihm die Fratze Heihachis höhnisch entgegen grinste und ihn dazu aufforderte, seiner Wut freien Lauf zu lassen. Doch noch bevor er sich in die imaginäre Provokation hinein steigern konnte, holte ihn eine unscheinbare Berührung aus dem Teufelskreis zurück an den Strand, zurück nach Yakushima und zurück zu Jun. Ihre flache Hand lag auf seiner nackten Brust und selbst ein gefühlsabgewandter Mann wie Kazuya konnte die Sorge in ihrem Blick sehen. War er so weit von der Realität abgetriftet? Ein Zittern durchfuhr seinen Körper, ihm wurde kalt. Wieso hatte Heihachi immer noch diese Macht über ihn? Hilflosigkeit übermannte ihn kurz, dass Kazuyas Herz einen Schlag lang aussetzte. „Hier ist niemand“, versuchte ihn die Schwarzhaarige zu beruhigen. Die mütterliche Art, die sie ihm zukommen ließ, war wie Balsam auf seiner geschundenen Seele. Und als seine Schultern schließlich an Kraft verloren und einsanken, fühlte er sich in eine warme Umarmung gezogen. Kazuya wehrte sich nicht dagegen. Es tat gut, Schwäche zu zeigen und er fühlte sich bei dieser kleinen Frau aufgehoben und verstanden, was ihn gänzlich aus der Bahn warf – war das alles für ihn so neu und fremd. Der junge Mishima ersparte sich jegliche Worte zu seinem Befinden, es war auch nicht notwendig zu sprechen. Jun wusste was ihn quälte – hatte es in dem Augenblick gewusst, als er Heihachi erwähnte. So standen sie eine geraume Weile einfach da, ließen die sengende Hitze auf ihre Häupter brennen und die Ruhe der Natur wieder die Oberhand über die Situation erlangen. Erst, als Jun die Umarmung löste und ihn anzwinkerte, unterbrach sie die Stille mit dem Hauch eines Flüsterns: „Versprich mir, nicht nach ihm zu suchen. Ich möchte nicht, dass dir etwas passiert...“ Überrascht blinzelnd, kam der hoch Gewachsene nicht umhin ein verächtliches Zischen auszustoßen und den Kopf in einer störrischen Manier abzuwenden. Auf der einen Seite war ihm klar, dass sie ihm nur helfen wollte – auf der anderen wollte er diese Hilfe nicht. Aber ehe er sich versah, spürte er zarte Finger auf seiner Wange, dass sich der Knoten in seiner Brust etwas löste. „Kazuya... bitte.“ Er wusste nicht, wie sie es machte. Doch irgendetwas an ihr ließ den Hünen nicht nur zur Besinnung kommen, sondern wusste ihn auch merklich zu besänftigen. Am liebsten hätte er auf den Fersen kehrt gemacht, um dieser Aura nachzuspüren die ihn so ungemein aus dem Konzept brachte. Ihre Nachdrücklichkeit jedoch war stark genug ihm lediglich einen sturen Gesichtsausdruck auf die Züge zu jagen, den sie mit einem herzlichen Lächeln quittierte, dass er sich verarscht und dumm vorkam. „Und jetzt zieh nicht so ein Gesicht. Wir sind hier um uns zu amüsieren...“ Eine Armlänge auf Abstand gegangen, verschränkte sie nahezu schüchtern die Arme auf dem Rücken und drehte ihr Profil in Richtung Meer. Ja, sie hatte Recht. Eigentlich wollten sie ihre Freiheit ein wenig genießen. Er wollte sich an ihrem Anblick laben. Kazuya hatte an der Japanerin Gefallen gefunden – auf seine ganz eigene Weise. Sie war mysteriös, umgeben von einem so gleißend hellen Licht, dass es ihn blendete. Ihre Fürsorge brachte den Vulkan in seinem Innersten zum erlischen und entfachte stattdessen ein Feuer der Begierde, das er nicht kannte. Jede ihrer Berührungen machte ihn an, weckte den männlichen Instinkt, der irgendwo zwischen Wut und Hass in ihm schlummerte. Kazuya bekam Gänsehaut. Ehe sich der hoch Gewachsene versah, hatte er sich aus dem Kimono-Rock geschält und war lediglich in Unterwäsche bekleidet an Jun vorbei gehastet, um sich bäuchlings in die Wellen fallen zu lassen. Das kühle Nass tat seinem buchstäblich erhitzten Körper ungemein gut und vertrieb einen Herzschlag lang den Gedanken an seinen Vater Heihachi. Eine Armlänge schwimmend, tauchte er fernab des Strandes wieder auf, das nasse Haar störend in der Stirn und den Augen, dass er Juns überraschte Miene nur ansatzweise erahnen konnte. Allein die Möglichkeit sie ein wenig aus der Reserve zu locken zauberte ein schwaches Grinsen auf sein Gesicht und die Arme von sich gestreckt, tat Kazuya neuerliche Züge durch das Meer, bevor er wieder näher an dessen Rand heran schwamm, bis seine Füße ungehindert den Boden berührten. „Was ist nun? Ich dachte, du wolltest unbedingt ins Wasser und jetzt stehst du da wie angewurzelt. Ich hoffe dir ist nicht die Lust vergangen?!“ Langsam, mit einem ruhenden Blick auf ihm, legte die Tierschützerin ihr Kleid ab und gab die weiße Haut darunter preis - und die Luft scharf zwischen den Zähnen eingezogen, war der junge Mishima zum mehrmaligen Blinzeln gezwungen, als er sich ihrer annähernd nackten Gestalt ungehindert gegenüber sah. Für seinen Kopf war sie immer noch das kleine Kind von damals, das es zu beschützen galt – seine Lenden sprachen eine deutlich andere Sprache und das schürte seine Unruhe. Kazuya wollte diesen Anblick weder zerstören, noch eine Anmaßung kundtun, die sie vielleicht verschrecken konnte. Und unweigerlich ein wenig tiefer in die Wellen sinkend, beobachtete er Jun dabei wie sie gemächlich in das Wasser glitt und auf ihn zukam. Heihachi war bei ihrem Anblick mit einem Mal wie weg geblasen. Um nicht unhöflich zu wirken wandte Kazuya den Blick kurzerhand ab, als sich ihre Augen trafen. Wieso verwirrte sie ihn nur so? Bisher waren sie doch auch ohne jeglichen Humbug ausgekommen, also warum fühlte er sich gerade jetzt so ungemein stark zu ihr hingezogen? Eine Antwort erhielt er jedenfalls nicht. Dafür schwamm Jun an ihm vorbei, schlug einen Haken und tauchte dann einen Sekundenbruchteil lang unter. In Kazuyas Fingern kribbelte es. Er wollte ihr nahe sein, ohne sie zu bedrängen – aber wie? Wenn er sie anfasste, fühlte sie sich sicher unwohl dabei. Zumindest würde es ihm so ergehen, wenn er eine zierliche Frau wie sie war und von einem närrischen Kerl wie ihm betatscht werden würde. Sicher würde sie keine Minute zögern, ihn zu ohrfeigen und die flache Hand an seine Wange führend, konnte er den imaginären Schmerz schon spüren. Ein plötzliches Gewicht auf seinem Rücken erschreckte den Karateka dann so sehr, dass er dem Druck nachgab und sich vornüber ins Wasser tauchen ließ. Kaum Zeit um Luft zu holen, brannte das Salz auf seinem Gesicht, schmeckte er die Bitterness auf seinen trockenen Lippen. Das amüsierte Lachen, das an seine tauben Ohren drang, nachdem er die Wasseroberfläche wieder erreichte, reichte aus ihn zornig werden zu lassen. Dass er ein Narr war, musste er sich von ihr nicht auch noch derart offensichtlich auf die Nase binden lassen! Und wie sie dort trieb und kicherte, über seine verdutzte Miene kicherte wie ein kleines Mädchen... Kazuyas Augenbrauen stießen an der Nasenwurzel aneinander. „Ich fürchte, ich habe dich besiegt Kazuya.“ „Das glaubst aber auch nur du!“, konterte der Schwarzhaarige grimmig und angriffslustig gleichermaßen, sich ohne Umschweife in ihre Richtung bewegend, um sie mit seinem gesamten Gewicht mit sich unter die Wellen zu ziehen. Jun hatte nicht einmal die Chance zu schreien, dass der Laut erstickte Blasen aus ihrem Mund hervorquellen ließ, während sie gegeneinander gepresst ein kleines Duell austrugen, das Kazuya mit einem Abstoß vom Meeresboden, der sie zurück nach oben katapultierte, beendete. Die Tierschützerin keuchte erstickt auf, hatte das Haar wirr im Gesicht, vom Sand ganz zu schweigen. Nun war es an dem Firmenchef zu lachen, lauthals und ausgelassener denn je, was Jun mit einem Wasserspritzer in seine Richtung quittierte. „Nun, wer ist jetzt der Verlierer..?“, feixte er ihr überlegen entgegen. Kazuyas Gedanken waren ausgeschalten, die Sonne brannte auf ihr Haupt herab, dass er den Sonnenbrand in seinem Nacken schon spüren konnte. Doch das war zweitrangig, denn so eine Chance bot sich ihm kein zweites Mal. Und die Gelegenheit beim Schopf gepackt, kraulte der Hüne auf sein Opfer zu, um es besitzergreifend an sich zu ziehen. Er wischte ihr die Strähnen aus den Augen, ein breites Grinsen in den Mundwinkeln. Zu seiner Überraschung wehrte sie sich nur kurz, ehe Jun seinen Blick auf seltsame Art erwiderte. Eine Art, die ihn anzog – im wahrsten Sinne. Kazuya wollte dem magnetischen Sog nachgeben, der ihn immer mehr an sie heran trieb, bis zwischen ihre Nasen kaum mehr ein Blatt Papier gepasst hätte. Aus einem Impuls heraus wollte er sie küssen, sie zu seinem Eigentum erklären. Ja, mit dem Gedanken konnte sich der hoch Gewachsene anfreunden... es war nur noch ein Ruck, eine Überwindung – schließlich konnte er ihren warmen Atem schon auf seiner Haut spüren und.. - „He! Ihr da! Junges Gemüse..!“ Der Moment war zerstört. Der erste und wahrscheinlich auch einzige Moment ihrer Zweisamkeit war zerstört von einem alten, dreckigen Sack der am Strand stand und ihnen wild mit beiden Händen zu wank. Den Blick missbilligt erhoben, merkte er wie sich Jun in seinen Armen von ihm entfernte – hatte er sich geirrt, oder waren ihre Wangen gerötet? „Ihr verscheucht uns mit eurem Geschwimme die Fische!“, brüllte er weiter in ihre Richtung und wies mit heftigen Bewegungen auf den Steg, wo der andere Angler böse zu ihnen herüber funkelte. Den nächstbesten Fluch auf der Zunge, kam Jun Kazuya zuvor, die sich für ihr Verhalten entschuldigte und dem Hünen gleichsam flüstern entgegnete, dass es wohl besser wäre wenn sie das Tollen hier abbrachen. Der tiefe Stein in seiner Magengrube hätte den Schwarzhaarigen beinahe auf den Grund des Meeres sinken lassen. War sie sauer auf ihn? Enttäuscht? Sie sah ihn nicht einmal an, als sie mit ihm sprach. Tief einatmend, nickte Kazuya nur besiegt und folgte ihr dann zurück an Land. Kapitel 7: Irritation --------------------- Was war das für eine seltsame Hitze in ihrem Körper? Jun bezweifelte stark, dass das fremde Gefühl von der glühenden Sonne kam, die ihre Haut allmählich versengte. Ein Frösteln durchfuhr sie, dass sie sich die Oberarme rieb und sich trotz der Wärme in das große Handtuch kuschelte, das ihren Körper ganz zu bedecken wusste. Hatte sie Angst? Nein, das war unmöglich. Wovor denn? Kazuya war kein Mann, der die erstbeste Situation für sich nutzte. Oder vielleicht doch? Der Blick ihrer tiefbraunen Rehaugen glitt scheu zu dem Hünen, der sich längst mit etwas anderem, als sie beschäftigte. Ob es ihm missfiel, dass die Fischer sie unterbrochen hatten bei… Ja wobei eigentlich? Ihre Wangen färbten sich abermals und sich mit einem schwachen Seufzen zurück auf die Decke fallen lassend, zog Jun die Beine in einen Schneidersitz. Der sandige Boden wirkte mit einem Mal unglaublich interessant unter dem Gedanken der Verwirrtheit, der sie überfiel. Dieser Moment war so ungewohnt und plötzlich gewesen, dass sie gar nichts anderes hatte tun wollen als Kazuyas Aufforderung Folge zu leisten. Andererseits verstand sie das Verhalten des Karatekas nicht. Wieso machte er alles so kompliziert? Den hoch Gewachsenen im Auge, neigte sich ihr Haupt kaum merklich schief. Nachdem beide peinlich berührt und schweigsam aus dem Meer gestiegen waren, hatte sich ihr Begleiter mit der dumpfen Ausrede, er müsse noch etwas für seine Fitness tun, in sich selbst zurück gezogen. Sie kannte dieses Verhalten an ihm, das deutlich machte, dass er in gewisser Weise alleine sein wollte. Und Jun schmerzte es ein wenig, jetzt mehr oder minder völlig von Kazuya übergangen zu werden. Freilich hatte er bereits angekündigt, die Möglichkeit für eine Trainingseinheit zu nutzen, aber in Anbetracht der Tatsache, was gerade passiert war, fühlte sich die Tierschützerin dann doch ein wenig abgeschoben. Die Lippen aufeinander gepresst, angelte Jun nach dem Picknickkorb, aus dem sie einen Apfel und ein Messer heraus zog, ehe sie damit begann die Zeit ein wenig tot zu schlagen - würden sie jetzt den lieben langen Tag damit verbringen sich gegenseitig anzuschweigen? Sie hoffte nicht. Denn immerhin konnte sie den jungen Mishima gut leiden… Ein Stück des Apfels in den Mund geschoben, begrüßte ihre Zunge den kühlen Saft des Obstes und weiterhin in ihrer eigenen kleinen Welt gefangen, dachte Jun über die vergangenen Wochen nach. Wie war sie eigentlich auf die Idee gekommen, diesen Mann so unvoreingenommen zu sich einzuladen? Klar, sie hatten als Kinder miteinander gespielt und er hatte ihr letztendlich sogar das Leben gerettet. Möglicherweise waren sie, was das anbelangte, quitt. Aber war Kazuya für sie nicht ein völlig Fremder? Den Hünen erneut fixierend, wie er seinen inneren Zorn über Tritte und Schläge freien Lauf ließ, blinzelte Jun mit dem Anflug von Zweifel. Einerseits war es falsch, Kazuyas Freundschaft in Frage zu stellen. Andererseits war sich die Tierschützerin nicht ganz sicher, was ihr vermeidlicher Freund unter dem Begriff überhaupt verstand und ob sie beide auf das Selbe hinaus wollten. Denn wenn er sie nur wie eine gewöhnliche Frau behandeln wollte, war er bei ihr an der falschen Adresse. Sie würde sich nicht aus Spaß an der Freude irgendeinem Mann hingeben, für den sie nichts empfand. War das so? Jun erschrak über ihre eigenen Gedanken und musste sich prompt eingestehen, dass sie es nicht wusste. Sie wusste nicht, ob es Liebe war, die sie zu Kazuya hinzog, oder sie einfach nur der Chance folgte, in seiner Nähe sein zu können – auf einfacher und freundschaftlicher Basis. Sie schob sich ein weiteres Stück des Apfels zwischen die Lippen und beschloss beim Hinunterschlucken für ihr eigenes Seelenheil, dass es wohl besser sein würde, den anderen alsbald darauf anzusprechen. Es nützte nichts, wenn Jun ihn zu sich einlud und ihm dann wegen einer solche Lappalie aus dem Weg ging. Denn das wollte sie nicht, ebenso wenig wie von ihm benutzt zu werden. Ja, Tacheles reden und klare Verhältnisse schaffen war in diesem Fall wahrscheinlich die beste und einzige Lösung und dann konnten sie ja immer noch … „Lässt du mir etwas davon übrig?“ Die Schwarzhaarige stockte in ihrer Bewegung, rutschte vor Schreck mit dem Messer ab und bemerkte erst zu spät, dass sich die Klinge bereits tief in das Fleisch ihres Daumens bohrte. Das Blut sickerte aus dem schmalen und sauberen Schnitt als die Klinge zurück gezogen wurde, kräuselte sich schnell in einem feinen Rinnsal am Gelenk herab und fiel tropfend auf das weiße Handtuch. „Oh nein“, war das erste, was Jun dazu einfiel und Obst und Werkzeug rasch beiseite gelegt, führte sie den Daumen an ihren Mund. Kazuya wirkte unzufriedener denn je, griff jedoch bestimmt nach ihrer Hand und murmelte eine Entschuldigung, die sie fast nicht verstand. „Warte… das haben wir gleich“ Seine Order zeigte Wirkung, als er mit Hilfe des Messers ein Stück Stoff aus dem Kimono trennte und nebensächlich bekundete, dass er ihn ersetzen würde, es allerdings erst einmal die beste Idee sei, ihr damit zu helfen. Jun hörte nicht hin, sondern war starr auf das Handeln ihres Gegenübers konzentriert, der behutsam versuchte, den Schnitt so gut wie möglich zu verbinden um die Blutung zu stoppen. Seine Zärtlichkeit kam ihr bekannt vor. Auch als kleiner Junge hatte er immer versucht, sie zu trösten. Er war eigentlich stets da gewesen, wenn sie ihn brauchte. Sollte dieser Junge zu einem Mann geworden sein, der nur noch seine eigenen Ziele verfolgte? Der Zwiespalt ließ ihr Herz schmerzhaft gegen die Brust hämmern. „Wein' nicht, ja? Ich wollte dich nicht erschrecken...“ Seine tiefe Stimme animierte die Polizistin zum Aufsehen und als sich ihre Blicke trafen, durchfuhr sie ein neuerlicher und befremdlicher Schauer. Den Kopf schüttelnd, wollte sie etwas sagen. Aber ihr war, als würde ein Stück des Apfels sie am Sprechen hindern und ihr von Innen heraus in der Kehle die Luft abschnüren. „Ist alles in Ordnung?“ Er hielt noch immer ihre Hand und Jun war sich nicht ganz sicher, ob das nur ihr bewusst war. Sich kurz räuspernd, schluckte die Schwarzhaarige schwer und zog scheu den Arm zu sich zurück. „Es geht schon, danke. Ich habe dich gar nicht bemerkt.“ Sie versuchte zu lächeln, was ihr gänzlich misslang. Die Sachen ihres Ausflugs bereits im Anschlag, legte sie alles fahrig in den Korb und rappelte sich mitsamt Handtuch auf die Beine zurück. „Wir sollten wieder gehen, was meinst du?“ Jun konnte den Anflug von Überraschung auf seinen Zügen erkennen, als er es ihr gleich tat und verhalten nickte. „Wie du willst“, war das einzige was Kazuya ihr dann dunkel zuwarf, ehe er sich bereitwillig nach der Decke bückte und ihr auf dem Weg folgte, den sie am Morgen gekommen waren. Kapitel 8: Gefunden ------------------- „Ich gebe es ungern zu, aber du hattest Recht.“ Das graue Augenmerk erwiderte kurz das dunkle Braun seines Gegenübers, das voller Vorfreude zu funkeln begonnen hatte. Als Heihachi von der Insel fliehen musste, auf der er das Iron Fist Turnier abgehalten hatte, hatte er erzürnt feststellen müssen, dass sich sein Sohn nun in dem Licht präsentierte, für das er sein Leben lang schuften musste. Freilich, ursprünglich war es so angedacht gewesen, dass der Gewinner aus dieser Schlägerei alles in seine Taschen schieben konnte und durfte, was als sein rechtmäßiger Besitz galt. Aber da Kazuya eben dieses Finale aus purem Glück überstanden und nicht gewonnen hatte, konnte Heihachi nicht zulassen, dass sich der Bengel in seine Angelegenheiten mischte und sich alles unter den Nagel riss, was man ihm auf dem Silbertablett servierte. Als er sich während der Explosion in seinen Helikopter angelte, war dem Alten der Verlauf der Zukunft erst einmal völlig egal gewesen. Nachdem ihm zwei Tage später über die Zeitungen die Nachricht ereilte, Kazuya Mishima sei der neue Vorstand der Zaibatsu, hatte Heihachi zuerst lauthals aufgelacht. Doch schon einen Sekundenbruchteil später wünschte er sich nichts sehnlicher, als diesem Bastard endlich den Garaus zu machen. Dass dieser Wunsch auf Gegenseitigkeit beruhte, wusste und interessierte den hoch Gewachsenen dabei eher weniger. Einzig Lee hatte er es zu verdanken, dass Heihachi wusste wo sich sein leiblicher Sohn gerade aufhielt. Dabei war er sich nicht einmal sicher, ob er dem Silberhaarigen trauen konnte oder ihn schnurstracks zum Teufel jagen sollte, denn wirklich hilfreich war sein adoptiertes Kind in der Vergangenheit nicht gewesen, zumal Lee ohnehin über seinen Verhältnissen lebte. Materielle Dinge waren ihm immer wichtiger gewesen, als der klare Geist und der wache Verstand, obwohl Heihachi nicht abstreiten konnte, dass der Junge ein kleines Genie war. Und allein die Tatsache, dass er ihm Kazuya regelrecht auslieferte, ließ ihn die Wut über Lees Dummheit an jenem Tag auf der Insel erst einmal vergessen, bis sich eine neuerliche Chance bot den Jüngeren zu demütigen, wie er es verdient hatte. Denn nichts war im Moment wertvoller, als der Aufenthaltsort seines einzigen und leiblichen Erben, den er Zeit seines Lebens versuchte, stark zu machen. Und wie das Schicksal so wollte, hatte sich Kazumes Kind an den Ort zurück gezogen, der Schuld an seinem größten Leid war: Das kleine Inselparadies Yakushima. Heihachi wollte gar nicht wissen, wie Lee ihn ausfindig machen konnte. Warum, Weshalb, Wieso waren Fragen, die einem nur Zeit und Nerven kosteten. Wichtiger war es jetzt, sich die Firma zurück zu holen und dem Bengel einzutrichtern, dass man sich die Sachen anderer Leute nicht so ungefragt unter den Nagel riss. Das Anwesen, das auf dem höchsten Punkt des Berges ruhte, von dem man sagte er wäre ein ausgebrannter Vulkan, wirkte immer noch unbewohnt. Heihachi war schon lange nicht mehr hier gewesen, weil die Erinnerungen an jenen Ort selbst für jemanden wie ihn zuweilen schmerzhaft waren. Aber verborgen hinter dichten Baumkronen ging der Hüne davon aus, ein gutes und idiotensicheres Versteck gefunden zu haben. Denn der Letzte, der den Weg hier herauf nehmen würde, war Kazuya selbst. Es sei denn, er wollte es so. Und während der Graubart die Kerzen in dem abgedunkelten Meditationszimmer maß, spürte er den aufflackernden Hass seines Sohnes, der einer Flammenzunge gleich nach Rache lechzte. Ja, er hatte ihn enttarnt, noch bevor er überhaupt daran dachte, dass sein Vater ganz in seiner Nähe war. Und das fand Heihachi wiederum beeindruckend. Er hatte einen Prachtkerl groß gezogen. Einen Solchen, der mit seiner Familie zwar nichts zu tun haben wollte, aber doch einen gefährlichen und intelligenten Gegner gab, in jeglicher Form. „Soll ich ihn weiterhin beobachten, Vater?“, mischte sich Lee in Heihachis Gedankenwelt ein, der sich nicht noch einmal die Mühe machte, über die Schulter zu dem Silberhaarigen umzusehen. Seine Mundwinkel verzogen sich, ehe er schwach nickte. „Wieso arrangierst du nicht ein kleines Intermezzo? Schließlich ist er hier auf „Urlaub“, wie du sagtest? Er würde sich bestimmt sehr über einen Besuch von dir freuen.“ „Ja, in der Zaibatsu hat man mir seine Abwesenheit damit erklärt. Ich nehme an, er vergnügt sich mit diesem Mädchen, das an dem Turnier teilgenommen hat.“ Blinzelnd, wurden Lees Augen gefährlich schmal. Er hob kurz die Schultern. „Ihr Name ist Kazama Jun, sie war gemeinsam mit Interpol beauftragt worden uns auszuspionieren.“ „Hat wohl nicht ganz geklappt, wie!“, bellte der Alte lachend auf, dass sich die Nackenhaaren des Silberhaarigen kräuselten. „Nein. Unser einziges Problem war und ist immer noch Lei Wulong. Nach den aktuellen Angaben ist er nach Hong Kong zurück gekehrt. Aber offengestanden traue ich dem Frieden nicht ganz.“ Das Mishima-Oberhaupt schwieg sich einen Atemzug lang aus, ehe er ein Räkeln unterdrückte und sich auf die Beine zurück kämpfte. Sein Adoptivsohn wich einen halben, respektvollen Schritt vor ihm zurück und ging in eine tiefe Verbeugung. Ja, es gefiel dem Alten, wenn die anderen erkannten, dass er stärker war als sie und sich ihm unterordneten. Kazuya fehlte diese Einsicht bislang, was nicht zuletzt daran lag, dass er einfach keinen Respekt vor seinem Vater hatte – eine Schandtat, wenn man sein Traditionsbewusstsein bedenkt! Aber es war nicht zu ändern, noch nicht. Es würde sicher die Zeit kommen, wo alles wieder in geregelten Bahnen lief. Er musste nur den Humbug aus dem Hirn des Knaben vertreiben, zur Not eben mit Prügel. „Inspektor Wulong könnte uns in der Tat ein Dorn im Auge sein. Sorge dafür, dass er nicht in Hong Kong ankommt, beziehungsweise die Stadt nicht mehr verlässt.“ Lee erwiderte Heihachis Worte mit einem süffisanten Grinsen. „Die Williams-Schwestern, Vater?“ „Bitte nicht beide auf einmal, sonst behindern sie sich gegenseitig!“, fuhr Mishima Chaolan ins Wort, wobei sich seine Brauen an der Nasenwurzel berührten, als sich seine Stirn in tiefe Falten legte. „Diese Weiber sind viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, wenn man sie gemeinsam in einen Raum sperrt. Das können wir bei Interpol als Gegner nicht verantworten. Gib Nina den Auftrag, sie hat weiß Gott mehr Talent als dieses braunhaarige, dürre Ding.“ „Anna hat eben andere Vorzüge“ Lees Entgegnung war ruhig, nahezu singend und von einem Lächeln unterstrichen. Dass er sich über Heihachis Aussage ärgerte, war ihm nicht einmal ansatzweise anzusehen. „Als Hure vielleicht! Und jetzt lass mich allein.“ Eine erneute Verbeugung angedeutet, wandte sich der Silberhaarige steif ab, um die Räumlichkeiten durch die Schiebetür so lautlos zu verlassen, wie er sie betreten hat. Seine rauen Finger richteten den Kimono, bevor er in einen Seisa zurück sank und sich vor der mannshohen Buddhastatue verneigte. Die Augen schließend, glitt der Graubart neuerlich in sein ganz eigenes, persönliches Reich des inneren Friedens ab, durch das er fähig war, seine Kräfte zu bündeln, seine Umgebung zu spüren, wie sie kein normaler Mensch wahrnehmen würde. Es war ein angenehmer Zustand, ein solcher der Macht verhieß. Und als machtvoll betrachtete sich der Karateka alle mal. Er würde sein Eigentum sicher zurück bekommen, Kazuya zeigen wie man mit ihm umzugehen hatte und endlich dessen wahre Stärke heraus finden. Mit dem Anflug eines schmallippigen Lächelns erinnerte sich Heihachi an ihre letzte Begegnung zurück, wo der Schwarzhaarige kämpfte, als wäre er der Teufel selbst. Irgendetwas war an seinem Sohn anders, etwas das er ergründen und besitzen wollte. Mishima hoffte nur inständig, dass ihm das Weibsbild nicht noch mal einen Strich durch die Rechnung machen würde und er andere Saiten aufziehen musste. Man behauptete oft, Heihachi Mishima sei ein grausamer Mann. Er selbst sagte, er war lediglich fair. Denn am Ende erhielt jeder das, was er verdiente. Kapitel 9: Geständnis --------------------- Er hatte auf dem Weg zurück ins Dorf kein Wort mehr gesprochen. Und auch, als Jun und er in der Hütte einkehrten, hüllte sich der Hüne in tiefes und nachdenkliches Schweigen. An diesem Tag war mehr passiert, als ihm lieb war. Nicht nur, dass Kazuya damit rechnete auf kurz oder lang Heihachi gegenüber zu stehen, kam er nicht umhin zu bemerken, dass sich Jun seit ihrer gemeinsamen Badestunde äußerst merkwürdig verhielt. Sie schien ihm plötzlich aus dem Weg zu gehen, nur das Notwendigste mit ihm reden zu wollen und gab sich auch sonst verschlossener als üblich. Da Kazuya nicht unbedingt der einfühlsame Typ war, nahm er das Anschweigen eine geraume Weile hin, bis sie sich schließlich zum Abendessen vor dem niedrigen Tisch setzten und der Tee kleine Dunstwolken produzierte, die ihre Gesichter unweigerlich in Feuchtigkeit tauchten. Der Schwarzhaarige beobachtete die Regungen seiner Gegenüber verstohlen, aber eindringlich und als sie sich auch noch dazu entschied, den Oberkörper leicht beiseite zu drehen kam er sich mit einem Mal abgeschoben und ignoriert vor. Die Essstäbchen etwas zu herrisch auf die Tischplatte knallend, ärgerte er sich kurz über sich selbst, sie augenscheinlich mit seiner Bewegung erschreckt zu haben. Den ängstlichen Lidaufschlag, der dem eines naiven Rehs gar nicht so unähnlich war, hart quittiert, kräuselte sich seine Stirn in tiefe Falten und trugen bei, seiner Wut unheimlich grausamen Ausdruck zu verleihen. „Wieso tust du das?“ Jun wirkte ehrlich verwirrt. „Wie bitte?“ „Du ignorierst mich...“ Und noch ehe die Tierschützerin die Möglichkeit hatte, zu sprechen, fuhr der Hüne schnell fort: „... habe ich etwas falsch gemacht?“ Kazuya wusste ihren Blick nicht zu deuten, ebenso wenig konnte er mit dem schüchternen Lächeln etwas anfangen, das ihr Gesicht zwar einen Herzschlag lang erhellte, ihre Augen aber nicht erreichte. „Natürlich nicht“, sagte sie schlicht und machte dabei eine wegwerfende Handbewegung um die Bedeutung ihrer Reaktion etwas zu untermauern. „Aber du ignorierst mich.“ So leicht würde er sich nicht abwimmeln lassen. Denn obschon er nicht besonders feinfühlig war, so war er keinesfalls dumm und würde sich von Jun Kazama einen Bären aufbinden lassen. Sie schien in der Tat ein wenig in ihrem Seisa zu schrumpfen, stocherte kurz in ihrer Reisschale herum und seufzte dann ergeben. Kazuya war sich mit einem Mal nicht mehr ganz so sicher, ob ihn ihre Antwort wirklich interessierte, denn sein Magen verkrampfte sich abrupt und annähernd schmerzhaft. „Vielleicht wäre es besser, wenn du gehst. Ich meine... zurück nach Tokio“ Jun wich seinem Blinzeln aus und schien sich instinktiv schon auf ein Donnerwetter einzustellen. Nicht zuletzt, weil ihr nicht entgangen war dass sie ihn unbedingt bei sich haben wollte und eingeladen hatte. Doch der Hüne versuchte das kochende Blut in seinen Adern und sein Temperament unter Kontrolle zu zügeln, denn der geschmeidige Rauswurf sackte wie ein schwerer Stein in seinem Bauch und drohte ihn in seiner Gesamtheit zu lähmen. Für einen Moment suchte sein Hirn nach jeder Beleidigung, die er kannte. Aber ihm fiel keine Passende ein, die die aufkeimende Enttäuschung umschreiben konnte. So schob er seine Reisschale von sich, legte die Stäben sauber darauf und erhob sich vom Tisch. Wenn sie seiner schon nach so kurzer Zeit leid war, würde er ihr den Wunsch umgehend erfüllen um am Ende nicht tatsächlich noch einen Fehler zu begehen, den er womöglich bereuen würde. Während Kazuya damit beschäftigt war, sich aus dem Kimono zu schälen und Hemd und Hose anzulegen, bemerkte er Jun im niedrigen Türrahmen der kleinen Hütte nicht, wie sie ihn mit roten Augen dabei verfolgte, wie er wirklich inbegriffen war ihrem Vorschlag Folge zu leisten. Der Hüne wurde erst durch ihr knappes Schluchzen aufmerksam, das sie mit der Faust vor dem Mund zu unterdrücken versuchte – und vielleicht war es gerade diese jämmerliche Geste, die ihn inne halten und aufsehen ließ. Etwas stimmte an diesem Bild nicht, war verzerrt und unwirklich. Sie war doch sonst nicht so am seichten Wasser gebaut, zumal er die eher starke Frau noch nie hatte weinen sehen. Die innere Vernunft also übergehend, die danach schrie einfach das Weite zu suchen, riss sich Kazuya abermals am Riemen und tat einen halben, gar versöhnlichen Schritt auf Jun zu. „Du willst nicht, dass ich gehe... du hast mich gerade angelogen.“ Wie ein Kind, das man beim Stehlen ertappt hat, nickte die Schwarzhaarige betroffen, dass ihr einzelne Haarsträhnchen in die Stirn fielen. Das ermutigte den Hünen, den Abstand zwischen ihnen abermals ein wenig zu verringern. „Warum sagst du mir nicht einfach, was los ist? Offensichtlich hat es ja etwas mit mir zu tun, wenn du schon versuchst mich rauszuwerfen.“ Selbst über die Ruhe seiner Stimme erstaunt, breitete sich ein unwirklich mildes Lächeln in seinen starren Mundwinkeln aus, das seine Fratze schrecklich verzerrte. „Bitte habe keine Angst vor mir. Ich wollte dich nicht erschrecken und dir auch nicht weh tun. Wenn ich das gemacht habe, tut es mir sehr leid... -“ „Nein, das hast du nicht!“ unterbrach sie ihn schnell, nesselte kurz auf ihrer Unterlippe herum und haderte sichtlich mit sich selbst. Irgendetwas an dieser Haltung jagte Kazuya einen kalten Schauer über den Rücken. „Es ist nur... ich... was hattest du heute im Wasser vor? Ich meine... bevor die Angler uns unterbrochen haben?“ Stockend, dachte Mishima über den vergangenen Tag nach – aber die Antwort war simpel wie einfach, weshalb er lediglich stoisch die Schultern zuckte. „Ich wollte dich vermutlich küssen.“ Jun schien bei der Direktheit seiner Antwort leicht zu erröten. „Und .. - hättest du es auch getan?“ „Ja, wahrscheinlich schon.“ Einen Atemzug lang herrschte nahezu peinliche Stille, die Kazuya mit einem etwas herablassenden Zischen durchbrach und seine Kindheitsfreundin damit zum Zusammenzucken animierte. „Das ist alles? Deswegen willst du, dass ich zurück nach Tokio fliege? Ich bitte dich, Kazama. Wir sind keine Kinder mehr. Sieh dich doch an! Glaubst du etwa, ich bin hier um mit dir im Sandkasten Burgen zu bauen?“ Noch ehe die letzten Silben seine Zunge verlassen hatten, hätte er sich am Liebsten darauf gebissen. Nein, so boshaft sollte es nicht klingen wie es sich anhörte und sicher auch den falschen Eindruck erweckte. Die Röte in Juns Gesicht wuchs an und ihr Mund bebte plötzlich vor erstickter Tränen, die sie offenbar krampfhaft herab würgte. Die Distanz zwischen ihnen gänzlich überbrückend, streckte der hoch Gewachsene die Hand aus, um ihr Kinn sanft aber bestimmt ein Stück anzuheben. Er versuchte zu lächeln, was ihm gänzlich misslang und sein Gesicht eher schmerzverzerrt machte. „Ich weiß nicht was es ist, Kazama, aber irgendetwas hält mich in deiner Nähe.“ Kazuyas Zeigefinger tastete vorsichtig über ihre Wange, streifte ihre Lippen. „Du bringst Ordnung in das Chaos in meiner Brust. Ich bin gerne mit dir zusammen – was ich nicht von vielen Menschen in meiner Umgebung behaupten kann.“ Juns Gesicht in den tellergroßen Händen, erkannte er die Angst in den großen, braunen Augen, die sowohl von Neugierde, als auch Misstrauen erfüllt waren. Er seufzte. „Bitte sieh mich nicht so an, es fällt mir sowieso schon schwer, mich zu beherrschen.“ Jun befreite sich geschickt aus seiner Berührung, um etwas vor ihm zurück zu weichen. Etwas an ihrer Haltung sagte ihm, dass sie sich mehr als nur von ihm bedrängt fühlte – dabei hatte er eigentlich noch gar nichts getan. Der Krampf in seinem Innersten kehrte zurück, diesmal spürbar quälend. „Wenn ich dir etwas Falsches zu Verstehen gegeben habe, war das nicht meine Absicht, Kazuya. Aber ich bin nicht wie diese leichten Frauen für eine Nacht oder ein spaßiges Techtelmechtel zu haben. Und wenn du solche Absichten hast, erachte ich es wirklich für besser wenn du gehst.“ Bamm! Da war sie, die verbale Ohrfeige für sein kopfloses Handeln am Vormittag. Dabei hatte der Firmenchef allerdings angenommen, dass Jun ebenfalls geküsst werden wollte... konnte er sich so geirrt haben? Noch ehe er sich in den Gedanken hinein steigerte, schüttelte er heftig den Kopf. „Es ist fast beleidigend, wie du mich einschätzt, Jun Kazama. Ich hatte nie die Absicht, dich zu benutzen – wenn du das meinst. Ich bin dir dankbar dafür, was du auf der Insel für mich getan hast. Wir kennen uns seit unserer Kindheit... ich hatte keine Ahnung, dass ich dich zu etwas genötigt habe und ich werde es auch nicht wieder tun.“ Den Mund geöffnet, um noch weiter zu sprechen, blähte sich seine Brust bereits beim Luft holen, wurde jedoch von einem dumpfen Klopfen an der Haustüre jäh erstickt. Stockend, wandte sich die Aufmerksamkeit beider auf den verlassenen Flur. „Erwartest du noch jemanden?“ hakte Kazuya stattdessen nach und ging unaufgefordert selbst der Aufgabe nach, dem Fremden auf der anderen Seite zu öffnen. Als er Lee Chaolan auf der Türschwelle sah, knallte er die Türe so schnell wieder ins Schloss zurück, dass die Fenster darunter bedrohlich klirrten. Dabei hatte sein vermeidlicher Bruder nicht mal die Chance gehabt, unter dem gekonnt friedvollen Lächeln eine Begrüßung auszustoßen. Kapitel 10: Unmoralisches Angebot --------------------------------- „Danke“, murmelte der Silberhaarige so leise, dass Kazuya ihn kaum verstand als ihm Jun eine Tasse des dampfend grünen Tees reichte. Irgend etwas an dem Bild war so abstoßend, dass er Lee das Gesöff am Liebsten aus der Hand geschlagen hätte. So stand er mit geballten Fäusten stocksteif im Türrahmen und beobachtete seinen vermeidlichen Bruder dabei, wie er sich offensichtlich in Juns Haus einzunisten versuchte. Seine Mundwinkel hoben sich wie die Leftzen eines aggressiven Hundes. Wie konnte der Bastard es wagen, überhaupt hier aufzutauchen? Schlimmer noch, wie konnte er es wagen noch am Leben zu sein, nach allem was er ihm auf der Insel zugemutet hatte? Nur widerwillig ließ Kazuya den Gedanken an die monströsen Dinosaurier zu, die ihn beinahe bei lebendigem Leib verspeist hätten. Der Silberhaarige war nichts weiter als vollkommen schwachsinnig - wieso also hatte Jun ihm den Eintritt gewährt? Genauso gut hätte sie den Teufel unter ihr Dach bitten können. Ein fahler Beigeschmack machte sich eisern im Mund des Hünen breit und er schüttelte zu sich selbst den Kopf. Nachdem Kazuya Lee die Türe vor der Nase zugeschlagen hatte, war die Hausherrin an deren Schwelle geeilt und hatte dem Waisen selbstverständlich und ohne zu zögern wieder geöffnet. „Er hätte wichtige Neuigkeiten“, erklärte er sein Hiersein. „Es ginge um Heihachi und er wolle Kazuya warnen“, hatte Lee scheinheilig von sich gegeben und somit seinen Einlass erschlichen. Wenn es nach dem Karateka gegangen wäre, hätte er dem anderen sofort das Genick gebrochen. Wie konnte Jun nur so leichtsinnig sein und auf Lees Worte vertrauen? Kazuya wurde das dumpfe Gefühl nicht los, dass sie damit nur ihre eigene, verwirrte Situation überspielen und ihm einmal mehr aus dem Weg gehen wollte. Und gerade diese Annahme war es, die ihn in Rage versetzte. „Woher weißt du, wo ich bin? Wie kommt es, dass du noch lebst?“ Die Abfälligkeit in seiner Stimme machte die zierliche Frau stutzig; ihm gefiel es nicht, wie sie ihn mit abtastenden Blick fixierte. Lee schien die leise Drohung in Kazuyas Worten entweder nicht aufzufallen oder er versuchte sie geschickt zu ignorieren. „Was in der Vergangenheit passiert ist, tut mir aufrichtig leid, Bruder... - „ „Ich bin nicht dein Bruder!“ „Kazuya, bitte... lass ihn wenigstens ausreden.“ Ein tiefes Knurren brachte die Brust des Schwarzhaarigen zum Beben. Chaolan wirkte über Juns Einwand amüsiert und fuhr mit Anflug eines triumphierenden Lächelns fort: „Ich war Vaters Marionette, ebenso wie du. Wir teilen das gleiche Schicksal, Kazuya. Ich war blind und besessen von der Annahme ich könnte an Vaters Seite die Zaibatsu führen. Ich habe mich geirrt. Heihachi hat mein Genie für seine A- und R-Experimente benutzt und ich bin alles andere als stolz darauf, dass er es geschafft hat mich derart zu betrügen und vorzuführen. Denn am Ende hat er mir gezeigt, dass ich ihm genauso viel wert bin wie du – nämlich nichts.“ Ein stählender Ausdruck auf dem Gesicht, verschränkten sich Kazuyas Arme langsam vor der mächtigen Brust. Seine Miene machte nur allzu deutlich, dass er dem Silberhaarigen nicht ansatzweise so viel Glauben schenkte die wie Hausherrin, die ihn ja am liebsten sofort adoptieren wollte. „Nachdem er mich auf der Insel zurück gelassen hat, habe ich mich auf die Suche nach dir gemacht – was offengestanden auch keine allzu große Herausforderung war. Schließlich warst du seinerzeit auf der Titelseite jedes erdenklichen Klatschblatts. Dein Chauffeur hat mir letzten Endes verraten wo du dich versteckst. Vergiss nicht, dass diese Leute vor nicht allzu langer Zeit noch für mich gearbeitet haben...“ „Ryu“, spie Kazuya den Namen seines Fahrers aus, als wäre dessen Bedeutung eine tödliche Krankheit. Wie hatte er sich auch darauf verlassen können, unentdeckt ans gefühlte andere Ende der Welt zu kommen? „Nenn mir einen Grund, warum ich dir nicht sofort alle Knochen brechen sollte, Chaolan“ Nun wandelte sich Lees Lächeln in ein überlegendes Grinsen. „Weil ich weiß, dass du nur darauf wartest Vater eine Lektion zu erteilen und ich dir dabei helfen möchte. Lass mich dir helfen ihn zu finden und ich verspreche dir tiefste Loyalität.“ Jetzt war es an dem Hünen aufzulachen, obschon er nichts Amüsantes an dem Gespräch erkennen konnte. Juns Züge hatten sich nach und nach auf ungewohnte Weise verfinstert. Natürlich kannte sie Lee und dessen Vergangenheit. Vermutlich traute sie ihm im Nachhinein genauso wenig wie er. „Mach dich nicht lächerlich, Blondie...“ Der Silberhaarige erhob sich in einer geschmeidigen Bewegung, die Kazuya nicht einmal annähernd hätte nachempfinden können, aus seiner knienden Position und tat einen halben Schritt auf seinen Bruder zu, wobei er Jun die unberührte Teetasse reichte und seine Muskeln deutlich anspannte. Sein Augenmerk wurde sonderbar ernst. „Ich weiß, dass er vorhat dich zu töten, Kazuya. Ich war lange genug bei ihm, um sein perfides Spiel zu kennen. Nicht mehr lange und er wird dich hier eben so ausfindig machen, wie ich es getan habe. Dazu braucht er nicht einmal in der Öffentlichkeit in Erscheinung zu treten. Du kennst Heihachis Methoden nicht. Wenn er dich findet, wird er dich umbringen – so oder so. Er sinnt ebenso nach Rache wie du, dafür, dass du ihm das Turnier zerstört und ihm die Firma unter dem Nagel weg gerissen hast.“ Stockend, bebten die Lippen des hoch Gewachsenen zornig. Wieso sollte er Lee trauen? Wieso sollte er so dumm sein und sich auf dessen Geschwätz verlassen? Welches Spiel spielte sein vermeidlicher Bruder mit ihm? Doch noch bevor er zu einer Antwort ansetzen konnte, drängte sich der Chinese an ihm vorbei, durchquerte den Wohnraum und steuerte die Türe an. „Ich finde es ganz nett hier, werde wohl selbst ein paar Tage in Yakushima bleiben. Denk drüber nach, großer Bruder und lass das Vergangene ruhen. Im Grunde habe ich dir gar nichts getan, du warst nur eine Schachfigur in dem gesamten Spiel unseres Vaters, genauso wie ich. Wir könnten ihn gemeinsam erledigen, meine Weste wäre wieder sauber und du kannst meinetwegen auf dieser Insel bleiben bis du Großpapi wirst und an Altersschwäche neben deiner Braut dort stirbst.“ Kazuyas Fratze wurde ein Spur zorniger und damit geifernd gefährlich, was Lee als Antrieb nahm um sich höflich in Juns Richtung für die Gastfreundschaft und den Einlass zu bedanken. Man sah ihm an, dass er selbst nicht mit einer derartigen Einfachheit der Dinge gerechnet hätte. „Zusammen mit mir stünden dir einige Leute zur Verfügung, mit denen du weitaus mehr als Heihachis endgültigen Untergang erreichen kannst, denk darüber nach. Gute Nacht.“ Damit zog Lee die schwere Holztüre hinter sich zu und ließ den Schwarzhaarigen mit einer nicht minder wortlosen Polizisten in dem kleinen Schlafraum zurück. Es verging eine empfundene Minute, bis sich Jun regte und gemächlich näher an Kazuya heran trat. „Glaubst du, er sagt die Wahrheit?“, flüsterte sie so leise, dass sich der Hüne abrupt ein Stück zu ihr herab beugen musste um sie zu verstehen. „Ich glaube ihm gerne, dass mein Vater mich umbringen will – ich habe gespürt, dass er irgendwo in der Nähe ist. Aber allein die Art und Weise wie selbstsicher er hier eingedrungen ist, irritiert mich. Ich traue ihm nicht, andererseits hat er Recht. Er kennt Vaters Methoden besser als ich...“ „Du wirst Heihachi doch nicht töten, oder?“ Der leise Schock in Juns Stimme stimmte Kazuya ungewöhnlich milde, was ihn selbst überraschte. Sein Blick glitt in ihre Richtung, aber er antwortete nichts. „Kazuya, hast du auf der Insel etwa nichts gelernt?“ „Natürlich. Wie du allerdings gehört hast, ist er es der mich umbringen möchte, Kazama. In Folge dessen betrachte ich mein Handeln als Notwehr.“ Juns Hand legte sich vorsichtig auf den Unterarm des Karatekas, ihre Finger klammerten sich annähernd Halt suchend daran fest, dass er ihre Fingernägel sogar unter dem Stoff des Hemdes fühlen konnte. „Du wirst nichts Unüberlegtes tun, bitte versprich mir das...“ Von ihrer Berührung kurz abgelenkt, erwiderte Kazuya ihren Blick ruhig. Er wollte ihr intuitiv widersprechen und starrköpfig sein, entschied sich dann jedoch nur ergeben zu nicken. Plötzlich hellten sich seine Züge ein wenig auf und er neigte das Haupt neugierig schief. „Hast du Angst, dass mir etwas zustößt?“ „Natürlich habe ich das...“ „Dann magst du mich also doch.“ Juns Wangen bekamen abermals eine rötliche Färbung, sie machte sich von ihrem Klammergriff los und ging ein Stück auf Abstand. „Kazuya, bitte...“ „Bitte was..?“ „Du weißt, dass du mir viel bedeutest. Aber ich kann und will nicht diese Art von Frau für dich sein. Bitte versteh das.“ Der spürbar schwere Stein machte sich wieder in seiner Magengrube bemerkbar und einmal mehr fragte sich der Schwarzhaarige, was er eigentlich genau von dem jungen Mädchen wollte, das derart hilflos vor ihm stand. Wollte sie nur mit ihm befreundet sein, wie sie es zu ihrer Kindheit gewesen waren? Er konnte sich kaum so weit in die Vergangenheit zurück denken, doch wusste er instinktiv, dass sie damals viel zusammen unternommen hatten. Nun war er jedoch kein Kind mehr, sondern ein erwachsener Mann der sich augenscheinlich für eine bezaubernde Frau interessierte. Wie konnte er ihr das nur beweisen und dahin gehend ihr Vertrauen gewinnen? Schließlich lag es ihm ferner als alles andere, sie zu verletzen. Dazu verspürte er viel zu stark den Drang, sie beschützen zu müssen. „Ich wollte dich nicht verletzen, Jun Kazama.“ „Das weiß ich...“ Sie versuchte zu lächeln, was ihr unweigerlich misslang. „Lass uns jetzt schlafen gehen, es war ein langer Tag.“ Kapitel 11: Assassine --------------------- Die dunkle Gasse wirkte verlassen. Über den Wolkenkratzern, die wie Riesen über dem kleinen Stadtteil wachten, hatte sich der erste Nebel gebildet und verschleierte gekonnt das Sternenlicht und den Mond, der die Umgebung ansonsten sicher in ein angenehmes Licht hätte tauchen können. Niemand wäre unter Umständen auf den Gedanken gekommen, um diese Zeit hier herum zu schleichen – schließlich galt dieses Viertel als alles, aber bestimmt nicht als sicher. Eine schwarze Katze, deren gelben Augen sich im Schein der entfernten Laterne brachen, sprang von einer Mauer, auf einen losen Mülleimerdeckel, der klappernd und laut zu Boden prallte und die Stille wie ein zweischneidiges Schwert ohrenbetäubend durchbrach. Das Geräusch wurde im selben Moment von einem Schuss unterstrichen, dass sich die Katze mit gesträubtem Fell in Sicherheit brachte – keine Sekunde zu früh. Denn einen halben Herzschlag später landete ein graziler Körper gekonnt in der Hocke unweit der Mülltonne, ehe er sich aufraffte und im Laufschritt die Flucht ergriff. „Stehenbleiben!“, drohte der Verfolger und erhob seine Waffe ein weiteres Mal, um deren letzten Warnschuss abzufeuern. Er war sauer. Zum einen, weil auf ihn eine der besten Nudelsuppen ganz Chinas wartete und er beim Essen gestört worden war, und zum anderen weil man es vermutlich auf einmal auf seinen Kopf abgesehen hatte. Lei Wulong konnte immerhin von Glück reden, dass ihn der Scharfschütze um Haaresbreite verfehlt hatte. Wer auch immer es wagte, sich so dreist in seine Angelegenheiten zu mischen, musste einen triftigen Grund dafür haben und er wurde, während er dem Schatten durch die engen Straßen im Sprint folgte, den Gedanken nicht los, dass es etwas mit der Sache in Japan zu tun hatte, aus der gerade erst zurück gekehrt war. Kazuya Mishimas ernstes Gesicht tauchte während eines keuchenden Atemzuges vor seinem inneren Auge auf. Ihr letztes Wiedersehen war nicht unbedingt von Freundschaft gekrönt – was wohl daran lag, dass er ebenso an Jun Kazama interessiert war, wie der Chinese. Lei hatte sich daran eigentlich nicht sonderlich gestört, denn der Agent wusste, dass er bei seiner vermeidlichen Partnerin nie eine tiefgründigere Chance gehabt hätte; obschon er die Möglichkeit nicht verabscheuen würde. Doch er erkannte in Juns Zügen die unterdrückte Freude, als der Sieger des Turniers das simple Hotel betreten hatte; und letztendlich hatte sie Lei ohnehin immer und immer wieder Prügel angedroht, wenn er ihr zu Nahe kam. Nein, Kazuya Mishima konnte diesen Killer nicht geschickt haben, der erledigte sowas am Ende wahrscheinlich sogar noch selbst – nur um auf Nummer sicher zugehen! Dieser Kollege dort vor ihm, der gerade daran war aus seiner Reichweite zu verschwinden und zu entkommen, war von jemand anderem beauftragt worden. Jemandem, der Interpol nicht leiden konnte und wusste, dass er für diese Organisation tätig war. Ein ernst zu nehmender Gegner also. Der Weg mündete auf einem überschaubaren Stadtplatz, der selbst für die Verhältnisse dieses Viertels ungewöhnlich ruhig war. Nur der Schatten an den Hauswänden verriet Wulong, dass er dem Auftragskiller noch immer folgte. Wenn er denselben einholen wollte, musste er sich auf jeden Fall etwas besseres einfallen lassen, als lediglich die selben Haken zu schlagen wie ein Fuchs der mit seiner Beute Spielchen trieb. Lei schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass sein kurzfristig in Erwägung gezogener Plan funktionierte, steuerte eine andere Gasse an, hob sich mit seitlichem Körpergeschick über eine hüfthohe Mauer und beschleunigte seinen Lauf noch einmal. Wenn er es schaffte, vor dem Maskierten an den Docks zu erscheinen, blieb ihm immer noch die Chance einfach wie wild die restliche Munition in seiner Pistole zu verballern; nicht zuletzt weil man das Feuer ja auch auf ihn eröffnet hatte. Guter Plan! Der Chinese konnte das Wasser am Hafen rauschen hören, noch bevor er es unter dem fahlen Laternenlicht sah. Seine Schritte wurden ausgreifender, sein Atem rasselte bereits vor Erschöpfung. Irgendwo hier musste er sein – ein Gedanke, der seine Finger dazu animierte sich noch fester um den Leib seiner Waffe zu klammern. Doch die Reaktion kam zu spät, sein Hinterhalt wurde zu seiner eigenen Falle, noch bevor Wulong realisierte, was geschah: Ihm gegenüber stand ein zierlicher Mensch, eine Frau wie ein Teil seines Gehirns schwerfällig fest stellte. Sie hatte zwei Magnums auf ihn gerichtet, ihr blondes Haar hatte sich längst aus dem Zopf gelöst und fiel ihr wirr in die verschwitzte Stirn. Sie wirkte angespannt, aber in ihren Augen funkelte so etwas wie kaltblütiger Triumph. Lei Wulong hielt wie erstarrt in der Bewegung inne und folgte dem logischen Ablauf seines lang vergangenen Trainings, die eigene Pistole fallen zu lassen, um so etwas wie Unterwerfung und Ergebung zu demonstrieren. Den Kopf neigend, sickerte die Lösung des Rätsels nur sehr langsam in sein Bewusstsein. Mit einem Mal war alles so klar, dass es ihn nicht einmal überraschte, wie die Zeigefinger Ninas die Auslöser betätigten und zwei beachtlich große Kugeln auf ihn zugeschossen kamen. Wulong konnte sie durch ihr Gewicht in der lauen Nachtluft pfeifen hören, bis sie sich tief und widerstandsfähig in seine Brust bohrten, den Körper aus dem Gleichgewicht brachten und zum Taumeln anregten. Er fühlte dabei keinen Schmerz, dafür war das Adrenalin zu stark, erkannte allerdings die Chancenlosigkeit in seiner Situation. Sollte es das gewesen sein? War sein Leben vorbei? Und warum? Es dauerte nur noch einen weiteren Atemzug seines Herzens, ehe der Polizist plötzlich rücklings zu Boden ging und in einem spürbar unendlichen Sog aus Dunkelheit erlag. Alles wurde schwer, wie eine untragbare Last. Ihm war kalt. Nina beobachtete ihr Opfer eindringlich, steckte die Kanonen zurück in ihre Halfter und machte sich rücklings auf den Weg in Richtung Ausgangspunkt. Sie hatte ihren Job erledigt, den Interpol-Agenten beseitigt und damit einen Hauch ihrer Ehre wieder hergestellt, den sie an Lee Chaolan und Heihachi Mishima verloren hatte. Wieso und warum sie sich der Zaibatsu damals angeschlossen hatte, konnte die Irin sich selbst nicht beantworten. Vermutlich glaubte sie dadurch ihrer Schwester endlich eins auswischen und sich an ihrem Leid laben zu können. Sie wollte sie heraus fordern und endlich das zu Ende bringen, was auf der Insel nicht möglich war. Nach einem kleinen Telefon an ihrer Seite greifend, wählte die Blondine eine der Tasten an, die sie direkt mit ihrem Auftraggeber in Verbindung bringen würde. Und noch bevor das erste Freizeichen ertönte, trennten sich ihre rauen Lippen voneinander: „Die Zielperson wurde beseitigt.“ Das Schweigen auf der anderen Seite hielt nur kurz an. „Wunderbar. Auf dich ist also doch Verlass.“ Ninas Schritte wurden langsamer; sie pfiff beleidigt und runzelte unter dem Gespräch die Stirn. „Natürlich.“ „... das habe ich schon einmal gedacht, damals wurde ich enttäuscht. Nichts desto trotz zweifel ich nicht an deinen Fähigkeiten, Nina Williams.“ „Was ist mit unserer Abmachung?“ „Du bekommst dein Geld und deine Rache – ich stehe zu meinem Wort, Mädchen. Und jetzt mach dich auf den Weg nach Osaka, dort treffen wir uns und ich instruiere dich in alles weitere.“ „Wieso erledigen Sie das eigentlich nicht selbst?“ „Oh, das werde ich. Ich brauche dich nur noch für eine weitere, unbedeutende Kleinigkeit.“ „... Sir?“ „Kazama Jun, ebenfalls Agentin bei Interpol und obendrein noch in unsere Geschäfte involviert. Sie muss von der Bildfläche verschwinden.“ Nina ließ sich mit ihrer Entgegnung Zeit. Sie kannte die Person, die Heihachi ansprach und obschon sie gelernt hatte, ihre Gefühle bei derlei Aufträgen zu unterbinden, wusste sie, dass es falsch gewesen wäre die Tierschützerin zu ermorden. Und dennoch durfte sie ihr eigenes Ziel nicht aus den Augen verlieren. Die Irin schloss die mittlerweile müden Lider. „In Ordnung. Wir sehen uns in 48 Stunden. Lassen Sie mich nicht warten.“ Die Leitung erstarb. Nach den vielen Niederlagen der letzten Wochen, dem verlorenen Kampf mit Anna und dem vermasselten Auftrag Kazuya Mishima zu töten, kehrte Nina zu sich selbst zurück. Es war wichtig, wieder mit der Ruhe ihres eigenen Daseins in Einklang zu kommen bevor sie da weiter machte, wo sie unweigerlich aufzuhören hatte. So ging sie für eine Weile nach Irland, besuchte die alte Stadt in der sie aufgewachsen und wo ihr Vater gestorben war. Die Ruhe, ja die Besinnlichkeit, war bedauerlicher Weise nur von kurzer Dauer: denn keine Woche später meldete sich ein alter und wohl bekannter Auftraggeber und jetzt war sie hier. Nina hatte nicht angenommen, sich so schnell wieder ihrer „Arbeit“ zu widmen. Sie wollte es genau genommen nicht, musste ihrer Vernunft jedoch nachgeben, die ihr immer wieder aufzeigte wie abhängig sie von dem Geld war, das dabei für sie heraus springen konnte. Waren die Menschen alle gleich? Nein, dachte die Blondine, jeder verfolgte irgendein Ziel und das ihre war es nun mal, andere für ihre grenzenlose Dummheit zu richten. Sie war sich sicher, dass Jun Kazama keine große Herausforderung für sie darstellen wird. Und wenn sie Heihachi Mishima damit einen Gefallen tun konnte, sollte es so sein. Kapitel 12: Eindringling ------------------------ ENDLICH! endlich habe ich den Faden wieder gefunden. Liegt's am neuen Spiel? Keine Ahnung. Möglicherweise. Ich hoffe, es ist mein Antrieb, die Geschichte zu beenden. Das hier ist ein Teilkapitel, also bitte nicht über den Cliffhanger echauffieren Viel Spaß beim Lesen. ************************************************************************ Er war eine Plage. Er war eine verdammte Plage, die sich wie ein unaufhaltsames Virus ausbreitete und die Umgebung mit seinem bloßen Gedanken vergiftete. Dass es bei dem einen und sehr überstürzten Besuch von Lee bleiben würde, war reines Wunschdenken gewesen - seit wann hatte er angefangen sich solche schwachsinnigen Luftschlösser zu bauen? Jedenfalls wurde Kazuya eines besseren belehrt, nachdem er am nächsten Morgen von Jun dazu genötigt wurde sie auf den bäuerlichen Markt zu begleiten, um ihr beim Einkaufen zu helfen. (also wohl, um die Einkäufe zu tragen, korrigierte er ihren Vorschlag in Gedanken finster ohne jegliches Widerwort) - Trat ihnen besagter und vermeidlicher Bruder doch tatsächlich freudestrahlend wie der neue Morgen entgegen, dass der Hüne nicht umhin kam sich zu wundern, ob Lee nun die ganze Nacht vor ihrer Hütte gesessen und Wache gehalten, oder seine schwarzhaarige Tierfreundin dieses katastrophale Treffen hinter seinem Rücken irgendwie arrangiert hat. Allein die Frechheit des Jüngeren, ihm mit Begeisterung zuzuwinken, den Anschein zu erwecken die Welt bestünde aus Marzipan und funkelnden Einhörnern, zauberte einen derart tödlichen Ausdruck auf Kazuyas Gesicht, dass jeder umstehend gesund denkender Mensch in diesem Moment einen großen Bogen um seine Gestalt gemacht hätte. Jedoch nicht die Silberzunge, die ihm einen versöhnlichen Klapps auf die Schulter gab, der Kazuya zum Knurren animierte und dem Mädchen an seiner Seite im selben Atemzug kurzerhand den Arm anbot, als ginge es hier weniger darum ein bisschen Gemüse einzukaufen, sondern um Juns ungeteilte Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen - oder ihre Gunst. Oder eine Mischung aus beidem. Die Augen zu boshaften Schlitzen verengt, vergrub der Hüne pikiert die Hände in den Taschen seiner frisch gewaschenen Stoffhose und trottete dem neu gefundenen Pärchen mit stetig sinkender Launer hinterher, einen bitteren Beigeschmack der Missgunst auf der Zunge, begleitet vom Anflug ehrlicher Eifersucht. Wieso verstanden sich die beiden plötzlich so gut? Und ja, wieso erteilte Jun diesem Möchtegern-Chameur überhaupt die Chance, sie alle vom Gegenteil zu überzeugen und damit zu beweisen, dass er eben nicht der Wahnsinnige war, der die Insel in die Luft sprengte wo das Turnier stattfand?! Kazuya gestand es sich nur ungern ein, aber die ihm erteilte Abfuhr vom Vortag nagte stetig an seinem ausgeprägten Stolz und die aufdringliche Art Chaolans trug absolut nicht dazu bei, abermals das Gespräch mit seinem vermeidlichen weiblichen Opfer zu suchen. Doch wollte er das überhaupt? Wollte er sich mit Juns gefühlsduseliger Welt auseinandersetzen und in Erfahrung bringen, was in ihr vorging? Er musterte ihren Rücken unter dem gemächlichen Trott mit einer Spur wachsender Nachdenklicheit, ehe sich sein Blick unbewegt auf den steinigen und ungeteerten Fußweg richtete, der sie direkt zum Marktplatz des kleinen Dorfes führen sollte. "Du bist sicher eine wunderbare Köchin", schmeichelte ihr ungebetener Gast so laut, dass die Ohren des Karatekas abrupt darunter klangen. Offenbar hatte der Jüngere eine ausgeprägte Todessehnsucht, wo er sich seinem Zorn bereits vor den Toren des Mishima-Turmes ausgliefert hatte und sich somit zwischen die Rache Kazuyas und seinem Vater stellte - und überhaupt war die Anwesenheit des Chinesen gerade vollkommen überflüssig! Die Nasenflügel des Schwarzhaarigen blähten sich vor Abneigung unter einem hörbaren Schnaufen merklich auf, wobei er für seine Abfälligkeit lediglich ein besänftigendes Lächeln Juns erntete, die über die Schulter endlich zu ihm umsah - wenn sie seinen Griesgram erkannte, so ignorierte sie ihn allerdings geflissentlich. "Oh, mit Nichten ... ich habe das Übliche von meiner Großmutter gelernt, um auf mich allein gestellt nicht zu verhungern." Das glockenhelle Lachen jagte Kazuya Gänsehaut über den Nacken, begleitet von dem unterdrückten Wunsch Lee für sein Eindringen mit bloßen Händen den Hals umzudrehen. "Und dabei ist es dann auch geblieben - umso faszinierender, dass Du dich für das Kochen interessierst." - "Soll das ein Witz sein? Ich habe mich eine Weile in einem Restaurant durchgemogelt, da lernt man ein oder zwei nützliche Dinge." Wunderbar. Eine Gemeinsamkeit. Wie Kazuya diesen silberhaarigen Teufel hasste. Marionette des Bösen, eh? So ein Blödsinn! Lee war nicht annähernd so dumm wie er mit seinem Mittelscheitel aussah und war in seinem Tun kein zu unterschätzender Gegner. Natürlich, rein von der Kraft her konnte er dem Mishima kaum das Wasser reichen, doch kannte sich Chaolan in der Welt des Firmenimperiums besser aus, wie der Schwarzhaarige - und dass er dorthin zurück wollte wo er vor dem Turnier gewesen war, war für den Älteren annähernd nachvollziehbar. Dennoch wehrte sich Kazuya vehement gegen die Vorstellung mit Lee zusammen zu arbeiten, konnte er demselben nicht einmal sein einfaches Vertrauen schenken, von Sympathie ganz zu schweigen - und Jun um den kleinen Finger wickeln, das würde er rechtzeitig unterbinden. Jetzt jedoch besann sich der Hüne in seiner Wut, die ein seltsames Kribbeln in seiner Brust auslöste und folgte dem voranschreitenden Gespann zwischen die Buden, mit ihren aufgestellten Marktschreiern die versuchten ihre Waren an den Mann zu bringen. Zumindest hier hatten es die Menschen geschafft, etwas Zivilisation zuzulassen und den Asphalt mit Kopfsteinpflaster zu säumen auf dem sich die Hacken ihrer Schuhe im ungleichmäßigen Klang voneinander abhoben. "Was brauchst du?", erkundigte sich der Chinese mit der selben Freundlichkeit, mit der er die Beiden zuvor begrüßte und beugte sich dicht über die in der Hast gekritzelte Einkaufsliste, dass Kazuyas Knöchel bedrohlich knackten, als er die tellergroßen Hände unbemerkt zu Fäusten ballte. "Nicht viel, ein bisschen Gemüse, einen Sack Reis und frischen Lachs. Vielleicht noch Suppengewürze, die gehen allmählich zur Neige ..." "Exzellent!" Kazuyas Augenlid zuckte. "Dann schlage ich vor, gibst du uns deine Notizen und während dein Freund und ich uns um die Liste kümmern, gehst du ganz gemütlich ein bisschen bummeln." Der Ausdruck auf dem Gesicht des Japaners wandelte sich binnen eines Sekundenbruchteils von Ignoranz in pures Entsetzen. Was für ein Spiel wurde hier mit ihm gespielt? Aber bevor er den Mund auseinander brachte, damit er lauthals protestieren konnte, stimmte Jun bereits amüsiert zu, bedankte sich mit einer höflichen Verbeugung und schenkte dem Hünen eine alles entwaffnende Umarmung, ehe sie sich abwandte und in der Menge der Dorfleute verschwand. Diesmal zögerte der Mishima-Sohn nicht, seinem Gegenüber buchstäblich an die Gurgel zu gehen und ihn soweit an sich heran zu ziehen, dass er dessen Atem auf seinem Gesicht spüren konnte - vorbei mit der Scheinheiligkeit, dem aalglatten und ehrfürchtigen Verhalten, das Lee ihnen zuteil werden ließ! Etwas stank so offensichtlich und so gewaltig, dass diese Geschichte nur im Chaos enden konnte - und wie dieses Chaos aussah, nun das konnte sich Kazuya lebhaft vorstellen. "Ich frage dich jetzt zum letzten Mal." Entgegen seines Zorns war die Stimme des hoch Gewachsenen gedehnt langsam und ebenso gefährlich leise; anders wie sein Vater hatte sich der Sieger des Tuniers eigentlich im Griff, war weder exzentrisch, noch gewaltätig, in seiner Kunst und im Kampf ausgeglichen. Doch Chaolan schaffte es die Grenze seiner Vernunft zu überschreiten und wenn ihm der Geduldsfaden riss, wandelte sich der Windhauch, den Kazuya mit seiner schlechten Laune erzeugte, schnell zu einem unaufhaltsamen Hurricane. "Was willst du von mir?" Lee blieb völlig ruhig, einzig das Funkeln seiner Augen verriet die Anspannung, die durch die Bedrohung des Hünen ausging -  und anstatt sich gegen den Griff zu stemmen, legten sich die schmalen Finger seines adoptierten Bruders lediglich um die Faust Kazuyas, die er beschwichtigend tätschelte. "Ich wiederhole mich gerne: Ich bin nicht dein Feind." "Nenn' mir einen guten Grund, dir zu glauben." Ein Anzeichen auf den Zügen des Silberhaarigen zu suchen, das Lee verraten hätte, war zwecklos und Zeitverschwendung, drang die regelrechte Provokation gar nicht zu ihm hindurch, was Kazuya nach einer Weile dazu veranlasste sich aus seiner Drohgebärde zurück zu ziehen - sicher genau das, was Chaolan erreichen wollte: eine Niederlage mehr auf Kazuyas Liste. Der Kleinere holte tief Luft und nickte auf den Markt, forderte den Firmenchef auf ihm zu folgen und studierte nebensächlich das Geschriebene auf Juns Zettel. Während sie in einer erzwungenen Selbstverständlichkeit an die Stände heran traten, um die Auslagen zu begutachten, spürte Kazuya seinen Puls von Neuem aus reiner Ungeduld ansteigen. "Erstens," begann Lee so leise, dass man ihn kaum verstand "erscheint es mir, als könntest du Hilfe gebrauchen. Mir liegt viel daran, meine alte Arbeit wieder zu bekommen. Ich mochte den Job und, mit Verlaub Bruder, du hast genauso viel Ahnung von Aktiengeschäften, wie ein Fisch vom Laufen." Bevor er unterbrochen werden konnte, sprach der Chinese schnell weiter: "Zweitens wären wir ein unschlagbares Team und nach allem, was ich mit Vater durchstehen musste, kannst du mir glauben dass ich ebenso Vergeltung suche wie du. Ich könnte das Geschäft verwalten, du wärst der Repräsentant und hättest genügend Zeit, um dich um dein Mädchen zu kümmern - was mich zu meinem dritten Grund bringt, der dir hoffentlich verdeutlicht, wie ernst mir mein Anliegen ist: Jun ist in Gefahr." Diese Information traf ihn trotz der milden Tonlage unvorbereitet und tief, dass Kazuya flüchtig blinzelte und den Salatkopf, den er unter der Vorstellung es wäre der silberhaarige Teufel in persona krampfhaft umschlossen hielt, überrascht zurück in den Korb fallen ließ. Es war ihm unangenehm, seine Reaktion kaum zügeln zu können - aber Lees hoch gezogenen Augenbrauen bestätigten ihm, dass sein Gegenüber mit so einer Antwort gerechnet hatte. "Was meinst du damit, sie ist in Gefahr?" "Kazuya, ich bitte dich ... man könnte keine Schwäche offensichtlicher kennzeichnen. Außer natürlich, du möchtest ihr ein rotes Kreuz auf die Stirn malen - oder eine Zielscheibe, beides hübsche Varianten die Dringlichkeit meiner Bitte zu unterstreichen. Sie ist in Gefahr; sie arbeitet nicht nur für Interpol, sondern ist mit dir zusammen. Ihr tut gut daran euch hier zu verstecken - aber das wird Heihachi nicht davon abhalten, euch früher oder später zu finden." Allein den Namen zu hören genügte, seinen Groll zu schüren und sich sämtliche Verwünschungen für den alten Mann zurück ins Gedächtnis zu rufen. Wenn der Chinese Recht hatte, bedeutete das, dass Jun weder mit noch ohne ihn in Sicherheit wäre, fragte sich nur woher der Jüngere diese Informationen hatte. "Warum sollte ich dir trauen?" Diesmal lächelte Lee, hing sich die kleine Tüte, die ihm die Verkäuferin in die Hände gab um das Handgelenk und schlenderte weiter an den Reisstand, wo er nebensächlich einen Sack beorderte, den er Kazuya anschließend kommentarlos in die Arme drückte. "Eigentlich solltest du das tatsächlich nicht tun. Ich bin niemand, dem man vertrauen kann - doch es läge mir fern, dich zu hintergehen." "Das würde ich dir auch nicht raten." "Ich weiß - komm! Machen wir uns auf die Suche nach deiner Hübschen." "Hmpf." Kapitel 13: Säen und Ernten --------------------------- Es war also beschlossene Sache; auch wenn Kazuya das Gefühl hatte, nicht unbedingt nach seiner Meinung gefragt worden zu sein. Aber ging es hier noch um ihn und um das was er sich in den Kopf gesetzt hatte? War es von Anfang an überhaupt um ihn gegangen und wenn ja, wohin sollte sein verwachsener und düsterer Pfad ihn am Ende führen? Nicht zum ersten Mal kam sich der Hüne vor, als würde ein unbrechbarer Schwur auf ihm lasten - ein solcher, der anderen signalisierte sich von ihm fern zu halten, weil er jeden in seiner Umgebung drohte mit in die Tiefe des Abgrunds zu ziehen. In Wahrheit befand er sich doch unlängst im freien Fall! Und das schon eine ganze Weile; das einzige was fehlte war der Aufprall und wenn er Lees Worten Glauben schenkte, was ihm absolut zuwider war, würde dieser schneller Wirklichkeit werden wie erwartet. Der Schwarzhaarige wollte Jun nicht in Gefahr bringen, das wollte er nie. Vermutlich war es einfach sein unfreiwilliger Lebensstil, auf der Abschussliste von Leuten zu stehen die er nicht kannte, welche ihn aber um jeden Preis tot sehen wollten. Seine Existenz war eine Bürde und wenn er genau darüber nachdachte, eine einzige Qual - wie konnte er dann den wichtigsten Inhalt desselben auf Chaolans Geheiß hin verstoßen? Oder schlimmer noch: sich vorstellen, Kazama zu verlieren? Keine spontane Möglichkeit und kein Versuch  etwas an der Situation zu ändern brachte Befriedigung auf seine Züge, die inzwischen regungslos und abwesend geworden waren, seit sie den dicht gedrängten Weg über die kleine Dorfstraße zurück zu ihrem Ausgangspunkt gingen. Und so beschloss er für sich, dass er sie beschützen würde - wenn nötig sogar mit dem kümmerlichen Dasein, das sich Leben schimpfte. Wenn Lee etwas gesagt hat, so ging es im allgemeinen Gemurmel der schnatternden Menschen um sie herum unter. Die Laune seines vermeidlich kleinen Bruders war jedenfalls amüsiert und prächtig wie eh, dass es allmählich den Anschein einer Maskerade erweckte. Aber selbst wenn es so war, schenkte Kazuya dem Chinesen nicht die Aufmerksamkeit, der er vielleicht bedurfte, sondern klammerte sich nebensächlich an den rauen Stoff seines Reissacks und hielt über den Köpfen der Dörfler Ausschau nach seiner Begleiterin. "Woher kommt es, dass du so viel weißt?", rang sich der hoch Gewachsene schließlich seine keimende Neugierde mit einem schneidenden Seitenblick auf Lee ab, der dieses Mal in der Tat unter der unerwarteten Ansprache zusammen zuckte. "Bitte frag' mich das nicht, akzeptiere einfach, dass ich dir helfe." Kazuyas Mimik verriet, dass er mit der ausweichenden Antwort nicht zufrieden war, was Chaolan nicht einmal annähernd Beachtung strafte. Wie sollte man sich auf jemanden einlassen, der ein Rätsel aus sich selbst machte? Welcher Beweis erklärte ihm, dass Lees Gehabe nichts weiter als bodenloses Getue war, nur damit man ihm letztendlich das Messer in den Rücken rammen konnte? Der Firmenchef stieß einen hörbaren und gereizten Seufzer aus, von dem er nicht einmal bemerkte, dass er ihn angehalten hat, schüttelte in einem inneren Konflikt das Haupt und widerstand dem Drang, seinem adoptierten Bruder den Reissack in einer ausholenden Bewegung gegen das Nasenbein zu donnern. "Bleib' einfach hier, halte dich bedeckt und spiel' noch ein bisschen Vater-Mutter-Kindermachen, um den Rest kümmere ich mich.", beschwichtigte Lee schließlich ruhig - und mit dem Anflug eines neuerlichen Lächelns, das Kazuya nicht gefiel, setzte die Silberzunge zu einem Summen an und beschleunigte dabei seinen Schritt ein wenig, was unweigerlich den Eindruck von Flucht erweckte. Bedeckt halten? Verstecken? Man musste kein Menschenkenner sein um zu erahnen, wie wenig der Hüne davon hielt, sich wie ein feiger Hase in seinem Bau zu vergraben. Andererseits war das in der Tat im Augenblick die einzig sinnvolle Entscheidung, wenn er ein Auge auf seine schwarzhaarige Freundin aus Kindheitstagen werfen wollte; zumal er hier nach wie vor einige Tage fernab der Hauptstadt und seiner neuen Verantwortung verbrachte und wenn sich sein Urlaub ein Weilchen verlängerte war das in jeglicher Hinsicht nicht weiter tragisch. So konnte er sein Training wieder aufnehmen, mit sich selbst ins Reine kommen und Juns Gefühlswandlung auf den Grund gehen: klang alles reizvoll, bis auf den kleinen Haken, dass ihre Holzhütte inbegriffen war in die Luft gesprengt zu werden. "Ich halte dich auf dem Laufenden." Lee drückte dem hoch Gewachsenen kurzerhand die Einkaufstüte in die Hand, bevor der Jüngere unerwartet und plötzlich mit der Menge der umher irrenden Menschen verschmolz und Kazuya sich selbst und seinen Zweifeln überließ. "... auf dem Laufenden", wiederholte der Mishima abfällig und dumpf, knurrte leise, presste die rauen Lippen blutleer aufeinander und wurde das hartnäckige Gefühl nicht los, dass ein unaufhaltsames Unheil auf dem Weg zu ihnen war und Lee Chaolan lediglich den gut bezahlten, charmanten Boten miemte, der sie gemächlich auf ihren Tod vorbereitete. Eigentlich war es ganz richtig so, dass der Hüne im Nachhinein für seine eigene Naivität bezahlte. Hatte er nicht von Anfang an damit gerechnet, von seinem Vater gejagt zu werden? Es war nur eine Frage der Zeit bis Heihachi sich soweit erholte, um zu einem vernichtenden Gegenschlag auszuholen; dieses stille Versprechen hatte zwischen den Rauchschwaden bereits in der Luft gehangen, als Kazuya der Turnierinsel mit dem rettenden Unterseeboot den Rücken kehrte. Der Frieden um ihn herum war trügerisch und schon bald, vielleicht nicht unbedingt heute, oder morgen - doch in unmittelbarer Zukunft würde der Kampf in die zweite Runde gehen und wenn das passierte, musste der schwarzhaarige Erbe vorbereitet sein; denn Ruhe fand seine geschundene Seele erst, wenn der Graubart ein für alle Mal besiegt wurde: ein Duell, das höchstens einer von ihnen überleben konnte. Und hatte Kazuya nicht noch eine Schuld bei seinem erlösenden schwarzen Retter zu begleichen, der ihm all das überhaupst erst ermöglichte? In Juns Gegenwart war der Teufel ungemein leise, was Kazuya überraschte; war er für gewöhnlich ständig von innerem Zorn und dem Bedürfnis nach Macht und Verdammnis erfüllt. Diese Ausgeglichenheit, die er jetzt empfand war ihm unerklärlich und gleichsam wie Balsam für die Wunde auf seiner Brust die tief genug ging, dass sie fast sein Herz erreichte. Er blinzelte müde, furchte die Stirn und überlegte schon, ob Jun nicht vielleicht bereits zu ihrer Hütte zurück gekehrt war, weil er das verräterische weiße Haarband nirgendwo inmitten der Umherirrenden ausmachen konnte, als ihre Stimme hinter ihm erklang. Sie lachte. Wie immer - und von dem Groll, den sie abends zuvor gegen ihn gehegt zu haben schien, war nichts mehr übrig. "Du siehst aus, wie bestellt und nicht abgeholt." Ihre Hand berührte seinen Unterarm, lenkte ihn einen lähmenden Herzschlag lang ab und entrang ihm nicht mehr wie ein fragendes Brummen. "Na, du stehst hier allein auf der Straße mit einem Sack Reis in den Armen und ziehst ein Gesicht wie ein Junge der sich verlaufen hat." Juns Lächeln wurde eine Spur breiter, wobei sie die Tasche mit den kleineren Utensilien an sich nahm und sich zeitgleich bei dem hoch Gewachsenen unterhakte. Kazuya beobachtete ihr Tun und sah es gleichsam als Anlass wieder einen Fuß vor den nächsten zu setzen, um den Heimweg anzutreten. "Wo ist Lee?" Es war eine nebensächliche Frage, annähernd unschuldig gestellt, aber Kazuya ersparte sich eine ausführliche Antwort, hob nur lapidar die Schultern und murmelte ein tiefes: "Weg.", welches Jun skeptisch blinzelnd quittierte. Bevor die aufkeimende Stille zwischen ihnen allerdings unangenehm zu werden begann, fügte der Schwarzhaarige etwas gereizter hinzu: "Er wird sicher bald wieder ungefragt auftauchen, hatte etwas zu erledigen - keine Sorge." Dass er den Jüngeren nicht mochte, verheimlichte der Mishima kein bisschen, was nicht bedeutete, dass er ihm sofort auf offener Straße auch den Hals umdrehte. Jun dachte wohl das selbe, hellten sich ihre Züge derart auf, dass sie der Sonne damit alle Konkurrenz geboten hätte. "Was?", knurrte Kazuya weiter, ohne sie anzusehen weil er das braune Augenmerk seiner Begleiterin ohnehin unentwegt auf sich spürte. "Du bist eifersüchtig." Es war eine Feststellung, keine Vermutung - und es brachte den Hünen ins Straucheln, zum Stehen und Zwinkern. Das Blätterrauschen des Waldes, an dessen Rand sie sich inzwischen befanden, schwoll in seiner Lautstärke derart an, dass ihm die Ohren schmerzten und dennoch konnte er nicht anders, wie ihr entgegen zu stieren. Kazuyas Augen waren durchzogen von Wildheit und einer Spur Wahnsinn, die sich schnell in Sturheit wandelte, während er den Kopf ruckartig beiseite lenkte. "Unsinn!" Doch Jun lachte glockenhell auf, sichtlich unberührt von dem Gemütswandel ihres Gegenübers und dessen Uneinsichtigkeit. Sie wusste es besser und sie verspottete ihn damit. Hier und Jetzt in ihrer von dem Mishima herbei gesehenten Zweisamkeit. Das war nicht fair! Und das würde er sich auch nicht bieten lassen. Der Reissack fiel plump zu Boden, grub sich mit seinem Gewicht ein wenig ins Erdreich, blieb aber ungeachtet seines Trägers einfach liegen, der sich zu seiner vollen Größe aufbäumte und sich der Tierschützerin zuwandte, die zuerst im Unglauben ihre Augenbrauen hob, dann etwas unsicher unter dem vernichtenden Lidaufschlag des Schwarzhaarigen einen Schritt vor ihm zurück wich. Woher konnte sie auch von seiner Laune ahnen, begreifen was in ihm vorging wo er selbst gerade erst erfahren hat, wie gefährlich der Umgang mit ihm eigentlich war? Gefährlich und bittersüß, wie er feststellte und sich vornahm, dieses Spiel das sie trieben nicht länger mitzuspielen. Er wollte sie, das hatte er ihr sogar gesagt und je länger sie ihn reizte und herausforderte, desto schneller war die Hemmschwelle seiner Geduld erreicht. Vor allem jetzt, vor allem mit dem Hintergedanken ihr nie wieder so nah sein zu können, wenn sein Vater ihn erst einmal dingfest gemacht hat. Ihre Idylle war begrenzt, so fürchterlich begrenzt, dass er sich fühlte wie ein grausamer Sadist, als sich seine tellergroßen Hände um ihre Oberarme schlossen und sein mächtiger Körper den ihren mühelos voran trieb, bis ihm einer der kargen Bäume Einhalt gebot. Jun war sprachlos ob des Angriffes, die Augenwinkel weit und den Mund zu einem Protestieren geöffnet, das ihre Kehle niemals verließ, weil sich Kazuya so tief und einvernehmlich zu ihr herab beugte, dass seine Lippen die ihren beinahe berührten. Der Hüne stockte flüchtig, spürte ihren Atem auf seiner totgeglaubten Haut der sich warm und wohlig den Weg über sein Gesicht bahnte. So beugte er sich ruhelos zu ihrem Ohr, wobei seine Wange kratzend über die der Schwarzhaarigen streifte, den Bariton tief und heiser angestimmt, der gegen ihren zitternden Leib vibrierte: "Man erntet, was man sät." Juns Duft stieg ihm in die Nase, betörte seine Sinne und die Klarheit in seinem Denken. Er widerstand der Versuchung, seinem Willen kleinbei zu geben und sich zu holen was er begehrte, war ihm sein Versprechen vom Vortag nämlich lebhaft im Gedächtnis geblieben und ihre Angst unter seiner kleinen Drohung eindeutig. Kazuya versuchte der Situation mit dem Anflug eines Lächelns die Schärfe zu nehmen, das seine Augen nicht erreichte. Mit einem flüchtigen Kuss auf ihre Stirn ließ er von der Polizistin ab, genoss einen Moment die Überlegenheit zwischen ihnen und angelte nach dem Reis, den er geschultert mit sich trug, eine Hand in der Hosentasche vergraben mit voran schreitenden Gang in Richtung ihrer Unterkunft. Der Karateka würde ihr nicht erzählen, was er von Lee gelernt hatte, würde sie nicht mit sich in die Untiefen der Hölle ziehen, weil sie dafür zu jung und naiv war - zu rein in gewisser Weise. Sie hatte dieses Unheil nicht verdient, ebenso wenig wie er ihre Aufmerksamkeit verdiente - doch das stand auf einem anderen Blatt. Er war kein Ehrenmann, sondern ein Mörder und der Handlanger des Teufels; früher oder später würde sie das begreifen. Aber nicht jetzt. Kapitel 14: Zwiespalt --------------------- "Und du weißt, was du da tust?" Die hoch gewachsene Brünette lehnte lässig im Türrahmen und beobachtete Lee dabei, wie er ein bisschen zu hektisch Ordnung in sein Kleiderchaos brachte, das er in den schmächtigen Schiebeschrank der kleinen Hütte presste. Der Komfort, der hier in Yakushima geboten wurde, erinnerte die Silberzunge sehr an das Existenzminimum eines einfachen Chinesen in der Bronx, einem Kellner oder Maurer - aber war sicherlich kein Vergleich zu dem Luxus, den er sich für gewöhnlich leistete und gewohnt war. Doch dem zum Trotz musste sich Chaolan eingestehen, dass es besser war das Geschehen um Kazuya und seinen Vater vor Ort zu verfolgen - zumal er dem älteren Bruder nun ebenfalls seine direkte Unterstützung angeboten hatte und von Tokio aus kaum zweigleisig fahren konnte. Er seufzte; nein, er wusste wahrlich nicht was er da tat und verfluchte sich innerlich für die Gefahr, der er sich so freiwillig ausetzte. Eigentlich war der Plan am Anfang simpel gewesen, idiotensicher: Kazuya für Heihachi aufspüren und am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang auf der Terrasse seines Anwesens bei einer Tasse Cappuccino die Nachricht in der Tageszeitung lesen, dass sich Vater und Sohn gegenseitig in ihrem tief sitzenden Hass umgebracht haben. Doch etwas hinderte ihn daran; etwas, das er von sich selbst kaum kannte, weil er die letzten Jahre über seinen Verhältnissen und in naiver Blindheit neben seinem Ziehvater hergelebt hat - und das war schlichtweg die Vernunft. Lee war kein Narr, er hatte sich in seiner Kindheit auf den Straßen Shanghais herum geschlagen, musste für sein Essen den Reichen das Geld aus der Gesäßtasche stehlen und war vom Leben nicht weniger gezeichnet, wie Kazuya. Es war auch kein Mitleid, das er für seinen vermeidlichen Bruder empfand und ihn soweit trieb, sich in die Angelegenheiten der Mishima-Familie einzumischen; nein fürwahr bot der Schwarzhaarige im Augenblick lediglich das bessere Blatt in dem Kartenspiel, das er gegen Heihachi spielte und obschon er nicht davon ausging, dass er mit Kazuya ein As im Ärmel hatte, so war er sich sicher, zumindest der Korruption des Alten nichtsdestotrotz endlich entkommen zu können. Auf welche Seite er sich am Ende schlug, überließ er dem Zufall. Lee fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über die Augen, kehrte sich das Haar aus der Stirn und schenkte Anna schließlich ein zuversichtliches Lächeln, das sie mit einem skeptischen Lidaufschlag erwiderte. Anna Williams war seine Perle; ihre Loyalität war berauschend und benötigt. Ohne ihre Hilfe und der unvoreingenommenen Rückendeckung derselben wäre er längst nicht mehr im Rennen, war sie es gewesen die ihn nach der Eskalation auf der Insel aufgepeppelt und zur Besinnung gebracht hat; die ihn kannte und so mochte wie er war. In der Tat waren sich die beiden sogar ziemlich ähnlich: sie liebten den Luxus, den Reichtum und die Macht, gaben sich gleichzeitig jedoch gerne mit dem zufrieden was sie bekamen, sofern es ihrem Niveau entsprach. Die Auftragskillerin wollte den Chinesen außerdem davon abhalten, Heihachi als Boxsack zu dienen und stattdessen seinen eigenen Weg zu gehen, oder sich gleich Kazuya zu verschreiben der inzwischen Inhaber der Firma war, für die er sein halbes Leben lang geschuftet hat. Im Nachhinein hätte Lee auf sie hören sollen, verließ er sich anfangs auf Heihachis Einfluss und dessen Genie, der Chance wieder an das zu kommen was er einmal besessen hat, anstatt sich mühselig etwas Neues zu erarbeiten. Dabei hatte sie Recht. Anna hatte die ganze Zeit Recht und trotzdem zweifelte sie keinen Sekundenbruchteil seine Entscheidungen an; und das wiederum erfüllte Lee mit einem Hauch von Anerkennung und Stolz. Er mochte die Irin, zweifellos. Auch, wenn er nicht vergessen hat, dass er sie in der Vergangenheit eine Weile nur für seine Vorteile benutzte. "Ich denke schon", entgegnete er endlich sanft, wobei das Lächeln auf seinen Lippen eine Spur breiter wurde und sein Gesicht erhellte, bis sich der Anflug von guter Laune auf Anna übertrug und die Irin seine Mimik auf die selbe Weise erwiderte. "Kazuya ist viel zu besorgt, dass seiner kleinen Freundin etwas passieren könnte. Er ist auf das Angebot eingestiegen - und eine andere Wahl blieb ihm überhaupt nicht. Wir wissen beide, dass er alleine keine Chance hat; weder darin die Zaibatsu zu leiten, noch Heihachi den Garaus zu machen. Nicht, wenn er dabei Rücksicht auf das Mädchen nehmen muss - und genau das tut er."   "Findest du das nicht etwas ironisch?", Anna trat gemächlich näher, improvisierte einen übertriebenen Hüftschwung in ihrem engen, roten und anmutigen Kleid, dass sie ihrer Figur alle Ehre machte und sank gemächlich auf einen der ausgelegten Futons zurück, die Lee bereits einer kleinen Kissenorgie gleich auf dem Holzboden ausgebreitet hat. Die Tatsache, dass das Bett fehlte störte ihn besonders, wo er nicht ganz so traditionell und konservativ veranlagt war wie der Rest seiner Familie und Wert auf eine weiche Matratze legte. Allein der Gedanke an Rückenschmerzen zwang seine gute Laune ein wenig in die Knie, woraufhin er Anna  leise zu brummte und sich ihr in einer nicht weniger geschmeidigen Bewegung im Schneidersitz gegenüber in die Kissen fallen ließ. Die Brünette nahm seine Geste zum Anlass, mit ihren Gedanken fortzufahren. "Ich meine, Kazuya Mishima galt zum Start des Turniers als Gefahr und wurde von der Zaibatsu wie der Staatsfeind Nummer 1 eingestuft. Er ist kein zu unterschätzender Gegner im Kampf und wenn du mich fragst seinem Vater lange überlegen ... aber da ist noch mehr, etwas unerklärliches ... etwas an seiner Art, das nicht greifbar ist. Also wieso behandelt er diese graue Maus wie einen unbezahlbaren Diamanten, wo er alle anderen Menschen um sich herum für gewöhnlich meidet?" Lee musterte Anna eine geraume Weile, in der er über ihre Frage sinnierte, nachdenklich die Hand nach einer Haarsträhne ausstreckte, die ihr in die Augen gefallen war und sie flüchtig um seinen Finger wickelte. Die Irritation der Killerin war berechtigt, hatte sich Chaolan selbst eine Weile mit der Beziehung beschäftigt, die Kazuya zu Jun Kazama hegte. "Ich konnte nicht viel in Erfahrung bringen", gestand er dann langsam. "Ich weiß nur, dass sie sich aus der Kindheit kennen müssen - Vater selbst hat mir erzählt, dass er sich an eine Kazama-Familie erinnert, die hier in Yakushima gelebt hat und Kazuya gerne Reißaus vor seinem Training nahm, um mit den beiden Kindern zu spielen." Die Brünette nesselte an ihrer Unterlippe, verengte die Augenwinkel zu schlitzen und nickte kaum merklich. "Also hat sie eine tiefere Bedeutung für ihn." "Mit ziemlicher Sicherheit." Für einen Moment sah es so aus, als würde Anna über eine sehr wichtige Sache grübeln, als hätte sie einen Gedanken gefasst, mit dem sie alleine nicht zurecht kam und den sie in Worte fassen wollte. Nachdem sich ihre Mundwinkel jedoch in ein herausforderndes Lächeln kräuselten zuckte Lees Augenbraue stoisch über seine Stirn, die Attacke ahnend, bevor sie passierte. Das war das Amüsante an der Williams-Schwester: sie konnte alles mit ihrer Leidenschaft verbinden und oftmals wurde sie dabei ihr eigenes Opfer; nachdem sie ständig im Schatten Ninas leben musste, rang sie nach Anerkennung und Aufmerksamkeit wie ein kleines Mädchen; wie auch jetzt, wo sich die Irin katzengleich auf die Knie balancierte und sich zu dem Chinesen hinüber beugte, dessen Blick flüchtig über ihren Ausschnitt an dem langen Hals hinauf wanderte, bevor er an den vollen Lippen hängen blieb, die ihm so nah waren, dass er Annas Atem auf seiner Haut spüren konnte. "Und, habe ich auch eine tiefere Bedeutung für dich?" Ihre Stimme war rau, ein verführerisches Flüstern, das dem Silberhaarigen einen Schauer über den Rücken trieb; die Hand erhoben, fuhr er mit den Fingerkuppen über ihre Wange, das Kinn, das er näher an sich heran führte, dass Lee seiner getreuen Gehilfin einen zarten Kuss schenken konnte, der Antwort genug gewesen wäre. "Anna, ich würde sterben, ohne dich." Sie kicherte abrupt und zerstörte damit den Augenblick ihrer wiedergefundenen und knisternden Zweisamkeit - sichtlich erfreut über den Honig, den Chaolan ihr ums Maul schmierte; dabei hatte er mit seiner Aussage gar nicht mal so unrecht, war die Irin immerhin seine Lebensretterin. "Und deshalb muss ich dich noch einmal um eine letzte Sache bitten", beendete die Silberzunge die Pirsch aus großen, grauen Augen und einem Anflug erdrückender Ernsthaftigkeit, die Anna ein wenig vor ihm zurück drängte. "Worum geht es?" Lee seufzte, rappelte sich aus seiner knienden Position auf, verschränkte die Arme auf dem Rücken und trat an eines der kleinen Fenster, das ihm einen Blick in Richtung Dorfmitte gewährte. Er war nicht umsonst so schnell vor seinem Bruder geflüchtet, nachdem das Mobiltelefon in seiner Hose vibrierend darauf hinwies, dass Heihachi seinen Rachefeldzug fortführte. Er ließ ihm ausrichten, dass Nina auf dem Weg war und am kommenden Morgen in Osaka eintreffen sollte - das war eine wichtige Information, nicht nur für den Silberhaarigen, sondern auch die Brünette die er auf die blonde Assassine ansetzen wollte. "Das Übliche. Halte deine Schwester in Schach, bring sie um, wenn nötig. Sie darf Yakushima nicht erreichen - oder nicht rechtzeitig jedenfalls."  - "Soll sie Kazuya töten?", hakte Anna prompt nach, aber der Chinese zuckte bloß mit den Schultern. "Das, oder Schlimmeres. Wahrscheinlich ist in den letzten Stunden schon ein Teilnehmer des Turniers durch ihre Hand und den Auftrag Heihachis gestorben." Die Verwirrung der Irin war spürbar, aber sie nickte mit grimmiger Zustimmung. "Ich habe ohnehin eine Rechnung mit ihr offen." Lee lachte hohl; ja - Annas offene Rechnungen mit ihrer Schwester kannte er zur Genüge, umkreisten sich die beiden seit einer Ewigkeit wie zwei reudige Straßenkatzen, ohne nennenswerte Erfolge; jedoch reichte es schon, wenn er etwas Zeit gewann, um Kazuya rechtzeitig warnen zu können. "Exzellent." Kapitel 15: Wirbelsturm ----------------------- Der Wind hatte sich gedreht - und damit die Stimmung verändert. Jun war zu perplex ob des plötzlichen Angriffs des Hünen und der Angst, die sich dabei ganz gezielt in ihrem Inneren ausbreitete, als dass sie einen klaren Gedanken hätte fassen können. Was war gerade passiert? War es wirklich ihre Absicht gewesen, seine Gefühle zu testen und ihn eifersüchtig zu machen? Benötigte sie tatsächlich eine Bestätigung für seine Worte, die er inzwischen so unzählige Male an sie gerichtet hat? Ihr Magen verkrampfte sich, übermannt von der intensiven Nähe die jetzt durch gähnende Leere ersetzt worden war, weil sich Kazuya unlängst wieder auf den Heimweg machte. Ihr Herz raste, lief einen buchstäblichen Marathon, dass sie fürchtete er könnte es aus der Entfernung immer noch hören; doch sie schüttelte nur zu sich selbst den Kopf, strich sich mit der flachen Hand über die Stirn und griff dann nach der kleinen Tüte mit den spärlichen Einkaufen, die sie in dem unerwarteten Ansturm hatte fallen lassen. Jun empfand viel für Kazuya. Das war ihr bereits bei ihrem ersten Wiedersehen klar geworden; denn so sehr sie sein Verbleiben über all die Jahre interessierte und beschäftigte, war es auch ihr Herz das unter dem Gedanken an ihn stetig gelitten hat - die simple Frage, ob er am Leben war, wie es ihm ging. Dass sie sich im Laufe der Zeit also in ihn verliebte war völlig selbstverständlich. Aber ihre eigenen Empfindungen beunruhigten sie, ebenso wie seine Reaktion darauf und wo sie zu Anfang sagte, nicht mehr als Freundschaft aus ihrer wiedergefundenen Beziehung machen zu wollen, war sich Jun inzwischen sicher, sich in ihrem eigenen Versprechen untreu zu werden. Kazuya war auch in jener Hinsicht absolut kein einfacher Gegner!, protestierte sie im Stillen selbst, die Stirn gefurcht, während sie versuchte mit dem hoch Gewachsenen Schritt zu halten, der sie inzwischen keines Blickes mehr würdigte. Er gab der Polizistin nicht zu verstehen, dass er es ernst genug meinte; dass es für ihn mehr war wie es den Anschein erweckte und er ihre Gefühle auf der selben Ebene erwiderte. Und das war frustrierend! Ja, der Mishima-Sohn hatte sich geändert. Es war nicht nur offensichtlich, Jun konnte es spüren. Seine Ausstrahlung, sein Ki war reiner wie zuvor, weniger von Hass zerfressen und eher ausgeglichen mit dem Körper, in dem es ruhte. Dennoch war es grau, ausgebrannt in gewisser Weise und unheilsverkündend. Jun konnte kaum sagen, so geschickt sie auch war aus der Seele eines Menschen zu lesen, auf welchem Weg sich Kazuya befand, endete schließlich alles was mit ihm verknüpft war und einen flüchtigen Sinn ergab in einer heillosen Katastrophe aus der sie ihm am Ende womöglich nicht mehr befreien konnte. Diese Erkenntnis schmerzte, war sie irgendwie erniedrigend, dass sie nüchtern seufzte und verloren auf den laubverhangenen Boden blinzelte, den sie mit kleinen Schritten hinter sich ließ. Ob sie ihn retten konnte, wenn sie ihm ihre vollkommene Liebe entgegen brachte? Ob sich die Frage, wie ernst es ihm war, von selbst klärte wenn sie es auf einen Versuch ankommen ließ? Es lag Jun fern Kazuya zu verletzen, oder schlimmer noch: zu erzürnen. Sie wollte ihn nicht vor den Kopf stoßen, und hatte trotzdem Furcht sich zu öffnen und ihrem eigenen Verlangen nachzugeben, das sie mittlerweile quälte. Es war ein einziger, verstörender Teufelskreis. "Kazuya!", machte sich die Polizistin abrupt mit einem Ausruf bemerkbar, dass der Hüne automatisch in seinem Gang langsamer wurde und etwas pikiert über die Schulter zu ihr umsah. Sie beschleunigte ihren Lauf und überbrückte die Distanz zwischen ihnen, wobei sie versuchte die Röte in ihren Wangen herab zu kämpfen, die sich heiß versuchte vor Scham darauf zurück zu schleichen. "Es... ich... es tut mir leid, ich wollte dir nicht zu nahe treten." Doch der Angesprochene lächelte lediglich stumpf, was seine Mimik zu einer leichten Fratze verzerrte, schwieg und nahm den Weg wieder auf, der sie in der nächsten Mündung direkt zu der keinen Holzhütte führte. "Ich habe Hunger", entgegnte er nur, begleitet von einem tiefen Grollen aus seiner Magengegend. "Vielleicht könnten wir daraus", Kazuya deutete mit der freien Hand auf den Reissack "...gleich etwas machen." Jun erreichte eine Welle der Erleichterung, die ihre Mundwinkel in den Anflug eines erfreuten Grinsens krümmten, glaubte sie beinahe ihn durch ihre eigene kleine Dummheit soweit gekränkt zu haben, dass er es ihr übel nahm und vielleicht sogar ans Abreisen dachte. Aber Kazuya stellte sich trotz der Gemeinheit und Lees Aufkreuzen als überaus gelassen heraus, was die Tierschützerin selbst ein wenig überraschte, nachdem sie seinen aufbrausenden Gemütszustand vom Vorabend noch lebhaft in Erinnerung hatte. Wie dem auch sei; so war es angenehmer für sie, weil sie sich leichter auf ihn zugehen traute, wenn er nicht den Sturkopf miemte und jedes Wort der Entschuldigung von ihr auf die Goldwaage legte, oder sie im schlimmsten Fall sogar ignorierte. "Du bekommst das beste Sushi, das du je gegessen hast!" Diesmal lachte der Schwarzhaarige auf, was Jun mehr an ein aufgeregtes Bellen erinnerte. "Gut, wenn es schlechter schmeckt wie das von gestern, wirst du es mir büßen, Kazama!" Die Augenbraue der Polizistin zuckte mit aufkeimender Skepsis an ihrer Stirn empor und den Blick zu ihrem Begleiter gewandt, geiferte Kazuya ihr entgegen wie ein Zähne fletschender Löwe. "Ich bin Meisterin im Sushi machen, du wirst um einen Nachschlag betteln!" - "Gut", entgegnete der Firmenchef geschmeidig, als er die beiden Stufen zur Hütte erklomm und der Kleinwüchsigen die Türe öffnete. "- Ich nehme die Herausforderung an." Die steigende Stimmung zwischen dem Paar tat der Japanerin gut, sorgte sie gleichsam dafür, dass sie sich in Kazuyas Gegenwart wieder wohl fühlte und sie vermutete, dass er seinen Griesgram für den Augenblick unter Kontrolle wusste. So trat sie an ihm vorbei, nicht ohne ihn dabei spielerisch anzurempeln, um im Eiltempo in die kleine Küche zu gelangen die aus einer einfachen Ablage und einem noch einfacheren Holzofen bestand. "Für dich ist alles ein Wettkampf, oder?", wollte die Schwarzhaarige dann wissen, während der Mishima damit beschäftigt war, den Reis in greifbarer Reichweite abzustellen.  Hätte sie gewusst, wie angriffslustig der Teufel in persona gerade war und auf ihr Gesprochenes reagierte, hätte sich Jun wahrscheinlich rechtzeitig auf die Zunge gebissen. Jetzt drehte sich der Hüne allerdings mit gestreckten Schultern in ihre Richtung, machte die wenigen Schritte auf sie zu, die sie voneinander trennten und zögerte keinen Atemzug, sie soweit an die Küchenzeile zurück zu drängen, bis sie die Kante derselben schmerzhaft im Rücken spüren konnte. Die Arme seitlich von ihrer zierlichen Erscheinung auf der Ablage abgestützt, war eine verwirrende Verschlagenheit in das dunkle Augenmerk zurück gekehrt, das sie ohne zu blinzeln mit einer Intensität fixierte, welche der Tierschützerin einen Schauer über den Rücken jagte. "Natürlich." Seine Antwort war schlicht und tief; war da eine Absicht auf seinem Gesicht? Die Augenwinkel verengt, zögerte Jun merklich, musterte die Züge die ihr abermals so nah waren, dass sie den warmen Atem auf ihrer Haut spüren konnte, bevor sie vorsichtig und langsam mit keimender Neugierde eine Hand nach dem Mishima ausstreckte und zuerst seine Wange, dann sein Kinn mit den Fingerkuppen abtastend berührte. Anders als erwartet, war das Gefühl unter ihren Fingern weich und sichtlich verwirrt ob ihrer plötzlichen Zuneigung runzelte sich Kazuyas Stirn für einen geschlagenen Atemzug, ehe er den Kopf gemächlich in Juns Handfläche lehnte und die Lider schließlich genießerisch darunter schloss. Es war ein beeindruckendes Bild; ein solches, wo sich die Schwarzhaarige vorkam, als würde sie ein wildes Tier mit ihrer Liebkosung besänftigen: und war dem nicht so? Schaffte sie es seither nicht immer, andere davon zu überzeugen, dass es wichtigeres gab, wie Hass und Ablehnung, Kampf und Krieg? Die Entspannung um die Augenwinkel des Hünen, die entgleiste und beruhigte Mimik verinnerlichte Jun auf ihre ganz eigene Weise und sog das Bild begierig in sich auf wie ein trockener Schwamm das Wasser. Wie konnte dieser Junge, dieser Mann, den sie schon so lang zu kennen glaubte, nur eine derartige Boshaftigkeit entwickeln und sich auf den Teufel und dessen unheilsverkündenden Versprechen einlassen? Noch bevor ihr allerdings eine befriedigende Antwort einfallen wollte, fühlte sie sich erneut von dem durchdringenden Augenpaar gefangen. Selbst wenn sie gewollt hätte, wäre es zu spät gewesen zu protestieren; entgegnete Kazuya ihrer Geste nämlich nicht minder sanft mit tellergroßen Händen, die sich um ihr Kinn schlossen. Wenn er etwas gesagt hat, so ging es mit dem rappelnden Herzen im Rauschen ihrer Ohren unter. Die Knie waren ungewöhnlich unsicher, ihre Gegenwehr viel zu schwach, weil der Mishima inzwischen daran war die letzte Barriere des Widerstandes einzureißen. Und dann, noch ehe ein Wort des Protestes Juns Lippen verlassen konnte, überwand sich der hoch Gewachsene zu einem zarten Kuss auf ihrem halb geöffneten Mund. Zuerst durchfuhr sie ein wohliger Schauer, begleitet von seinem Geschmack und dem Geruch, der von dem Karateka ausging und sich in ihrer Nase fest setzte; schließlich fand die Kazama den eigenen Mut, ihrem Gegenüber einfach zu vertrauen. War es ein Verbrechen? Irgendwie schon, konnte sie die Emotion in ihrem Innersten kaum zuordnen und riss es sie buchstäblich von den Füßen, dass sie Kazuyas rettende Hand bereits um ihrer Hüfte spürte, während sie den Kuss ergeben und in ihrer eigenen Welt verloren, erwiderte. Aus einem Impuls heraus klammerte sich Jun in den geöffneten Kragen des weißen Hemdes, bis sich ihre eigenen Fingernägel durch den Stoff hindurch in die Handinnenflächen bohrten und sicherlich Abdrücke hinterlassen würden - aber das war einerlei; zu befangen war sie von der Situation, der Einfachheit in der Geste, die ihr den Kopf schwirren ließ und sie so sehr einnahm, dass sie die Wirklichkeit um sich herum vergaß. Wie lange der Kuss dauerte, konnte die Tierschützerin im Nachhinein nicht sagen, hatte sich Kazuya ebenso bedacht wieder gelöst, wie er den Kontakt gewagt hatte, um die Schwarzhaarige letztendlich in einer gleitenden Pirouette um ihre eigene Achse zu drehen, damit er sie besitzergreifend in einer Umarmung an seine Brust pressen konnte. Den Kopf geneigt, dass seine Lippen nahe an ihrer Ohrmuschel waren, wog er sie in einer schwerfälligen Bewegung annähernd verspielt hin und her. "Es war mir eine Ehre, gegen dich zu kämpfen." Auch, wenn Jun das Grinsen nicht sehen konnte, brannte es sich in ihrer Vorstellung tief in das Gedächtnis, triumphat, aber liebevoll. "Vielleicht besiegst du mich ja beim nächsten Mal." Kapitel 16: Narben ------------------ Ja. Er hatte gewonnen und ihren Widerstand besiegt; er mochte nicht sagen, dass es einfach war - doch Kazuya genoss das Gefühl des Sieges in vollen Zügen, ihren Körper so nah an seine Brust gedrückt, dass es beinahe einer unnachgiebigen Umklammerung, denn einer Umarmung glich, die Nase zwischen ihrem schwarzen Haar, wobei ihn jede einzelne Strähne sanft dabei kitzelte. Juns Duft war betörend und zu seiner eigenen Überraschung wehrte sie sich nicht, als seine Nasenspitze ein wenig tiefer glitt, damit seine rauen Lippen die nackte Haut zwischen Halsbeuge und Schulter liebkosen konnte. Der Hunger, den er zuvor angemerkt hatte, war wie weggeblasen und hatte Platz gemacht für ein anderes Verlangen, dem er nun näher war wie nie zuvor. Es war nicht so, dass Kazuya darauf abzielte die Polizistin in Bedrängnis zu bringen; er hätte nichts getan, was sie nicht wollte und bis zu diesem Moment hatte sie sein Versprechen auch glorreich ausgenutzt. Aber er war im selben Atemzug auch immer noch ein Mann und konnte dem Reiz, den die Schwarzhaarige verströmte auf jenem engen Raum in diesem vermaledeiten Kaff kaum widerstehen. Und er liebte sie. Auf seine ganz eigene Weise hatte er sie in sein kümmerliches Herz geschlossen, voller Neugierde und Erwartung darüber, was er alles von ihr lernen würde und wie er dem Teufel, der nach wie vor in seiner Brust kauerte, entgültig den Garaus machen konnte. Kazuya gestand es sich ungern ein, weil ein Teil von ihm zu stolz und unabhängig dafür war, aber er brauchte sie und ihre Zuneigung um den Anschluss an seine eigentliche Existenz nicht zu verlieren. Es war ihm ein Rätsel, wie ein so naives Mädchen wie Jun Kazama es war, sich um einen Satan kümmerte, der nichts weiter wie Vergeltung und Unheil im Sinn hatte - wieso sie sich die Geduld nahm, ihm zu zeigen worauf es ankam und was nur Nebensächlichkeiten entsprach; erst ab diesem ausschlaggebenden Augenblick, wo sich Jun schützend zwischen den Hünen und seinen Vater geworfen hat, begann Kazuya zu begreifen was die sturen Worte der Schwarzhaarigen eigentlich für eine wichtige Bedeutung hatten - und dass sie es wert war, von ihm gehört zu werden. Zu seiner leisen Verwunderung sackte die Kazama ein wenig zwischen seinen haltenden Armen ein, drängte sich rücklings weiter gegen seinen Leib und neigte das Haupt mit einem leisen Laut der Bestätigung etwas beiseite. Hatte sie nun selbst Blut geleckt, wo sie sich so bereitwillig seiner Berührung hingab, oder stand dahinter ein Trick, den er in seiner aufkeimenden Hitze bisher nicht verstand? Für gewöhnlich hätte sie längst zur Gegenwehr angesetzt, oder zumindest etwas gesagt, doch ließ sie es zu, dass sich seine tellergroßen Hände lösten und über ihren Bauch empor, beziehungsweise daran hinab glitten, bis seine Fingerspitzen den Bund ihrer Hose, wie den Ansatz ihrer Brüste berührten und er darunter selbst etwas ins Straucheln kam; einen quälenden Kloß der Erregung im Hals, als sich seine Selbstbeherrschung am seidernen Faden spannte. Kazuyas Atem wurde schwer, ihrer unerwarteten Hingabe ausgeliefert, wo sie es war die sich zwischen seinen Fingern wie heißes Wachs anfühlte. Der Hüne umringte sie wie ein Raubtier, das im nächsten Augenblick zum Sprung ansetzen würde, um seine Beute zu reißen, die Ahnungslosigkeit seines Opfers im Blick und den Reiz wie schmutzige Erde zwischen seinen Fingernägeln. Um seiner eigenen Absicht Nachdruck zu verleihen, biss er die Schwarzhaarige sanft in die Schulter, umschloss ihre Brust und rieb sich mit dem Becken in einer flüchtigen Bewegung gegen ihr Gesäß, bevor er sie mit der gleichen Pirouette wie zuvor wieder um ihre eigene Achse drehte, damit er sie ansehen und den fiebrigen Blick, den er sich auf ihren glatten Zügen vorstellte, mit eigenen Augen sehen konnte. Sie wirkte etwas durcheinander ob des plötzlichen Wechsels ihrer Position, wobei sie sich in den Kragen seines Hemdes klammerte und Kazuya ein abwesendes Blinzeln schenkte, das nicht so ganz zu ihrer sonst eher aufmerksamen Person passen wollte. Ohne der Kazama die Möglichkeit der Flucht einzuräumen, verwickelte der Hüne die Japanerin in einen ablenkenden und einnehmenden Kuss, der nun deutlich intensiver und tastender war wie jener zuvor, die Fingerkuppen an ihrem Kinn, damit er sie führen konnte, wie es ihm beliebte. Ihre schlanken Hände fanden den Weg über seinen Oberkörper in den Nacken, verkrallten sich dort in seinem Haaransatz - und ehe sich das Paar versah, stolperte es völlig orientierungslos und blindlings durch die kleine Küche und polternd über den Holzboden durch die Schiebetüre in den Schlafbereich, wo ihre Futons von der letzten Nacht noch ausgerollt dalagen. Ihre Zungen hatten sich inzwischen in einen Kampf verstrickt, den keiner so recht gewinnen konnte, während sie einander alle Barrieren der Hitze zum Trotz fallen ließen und sich dem hingaben, was seit einer gefühlten Ewigkeit zwischen ihnen stand.  Kazuya nutzte seine Größe zum ersten Mal aus, in dem er Jun nicht nur in Richtung der Schlafstätte buchsierte, sondern sie auch ohne Zögern mit seinem Gewicht darauf hernieder drängte. Sie stockte kurz über die rabiate Art des Schwarzhaarigen, bohrte die Fingernägel schmerzhaft in die dünne Haut seines Nackens und quittierte sein Tun zudem mit einem tadelnden Lidaufschlag, den er lediglich spitzfindig und mit einem dünnlippigen Lächeln unterschrieb. Sie war schön, rein und fürwahr nicht für ihn bestimmt - doch das war ihm zum jetzigen Zeitpunkt einerlei. Jun gab ihm eine Chance, das war alles was ihn interessierte. Stumpfsinnige Gedanken konnte er sich auch später machen, wenn sein Kopf wieder frei und der Druck auf seinen Lenden verschwunden war. So hielt sich der Mishima-Sohn nicht weiter auf, sich fahrig an der weissen Bluse zu schaffen zu machen, die in dem schwarzen Hosenbund steckte und einen noch unschuldigeren Eindruck an der Kazama vermittelte, als ohnehin. Das war der Augenblick, wo sie seine Handgelenke umschloss und ihm Einhalt gebot - endlich, wie sein Gewissen flüsterte, während seine Gier enerviert aufstöhnte; doch ihr rehbraunes Augenpaar sprach Bände, dass Kazuya über ihrem Körper auf die Knie zurück sank und zögerlich zwinkerte. "Ich vertraue dir", hauchte die Schwarzhaarige heiser, eine Sorgenfalte zwischen der Nasenwurzel, die sie schrecklich ernst aussehen ließ. "Ich weiß." Und wie um ihre stumme Bitte zu erfüllen, verbeugte sich der Karateka mit einem deutlichen Anflug von Demut. "Es liegt mir fern, dein Vertrauen zu missbrauchen." Als er unter den schweren Lidern zu ihr herab sah, war das bestätigende Lächeln alles was er brauchte um sich ihrer würdig zu fühlen und sie abermals mit einer Mischung aus Leidenschaft und Sanftheit zu küssen, dass der zierliche Körper unter ihm kurz bebte. Wie sich Kazuya um ihre Kleider kümmerte, blieb jedoch auch Jun nicht untätig, knöpfte das Hemd in einer wachsenden Ungeduld auf und schob es ihrem Gegenüber so grob von den Schultern, dass seine Augenbrauen amüsiert an seiner Stirn empor zuckten. Ein Schauer ergriff ihn ob der Frische, die in der Hütte herrschte, begleitet von der streichelnden Geste über seine vernarbte Haut, die sie ihm völlig unvoreingenommen zu Teil werden ließ. Und während sich ihre Münder in einem neuerlichen Duell verstrickten, dauerte es keinen weiteren Atemzug, bis sie einander annähernd nackt gegenüber standen, die Kazama unlängst auf seinen Schoß gezogen, was dem Karateka die Möglichkeit eröffnete, seine beanspruchten und angeschwollenen Lippen an ihrem Brustbein hinab gleiten zu lassen, bis er ihre Brustwarzen mit spitzen Zähnen umschließen konnte. Kazuya hätte gelogen, hätte er Juns verhaltene Hingabe nicht genossen, wie sie die Augen zusammen kniff und sich vehement auf die Unterlippe biss, als würde sie krampfhaft jeden Laut unterdrücken wollen, der ihre Empfindungen offenbart hätte. Oh, aber, da war sich der Teufel sicher: er würde sie noch soweit bringen, dass sie zumindest seinen Namen raunte - früher oder später, fernab der Finger in ihrer feuchten Mitte, die sie völlig verstörten und ihm eine gewisse Macht über ihren Körper gab, der den starken Geist der in ihr schlummerte gemächlich zum Brechen brachte. Er wollte sie besitzen, mit jedem Atemzug den sie stoßweise taten mehr - hatten sie für derlei Spielchen in Zukunft schließlich noch genügend Zeit, oder nicht? Der Mishima-Sohn ging jedenfalls schwer davon aus, dass sie so schnell nichts würde trennen können; schon gar nicht sein vermaledeiter Vater, der ihn jagte wie ein wildes Tier. Wenn nötig würde er für solche Momente kämpfen - und wenn es das Letzte war, das er tat. Das schwor sich der Karateka im Geheimen und für sich selbst, während er Jun gemächlich wieder auf den Rücken buchsierte, dass er sich über sie gebeugt mit einem ablenkenden Lippenmanöver von dem restlichen Stück Stoff um ihre Hüften befreien konnte. Und plötzlich befanden sie sich in der Situation, in die keiner von ihnen am Anfang so recht wollte, die sie auf besondere Weise vereinte, als Kazuya seine Härte in dem schmalen Schoß versenkte, Juns Leib an seine Brust zog und sich unter ihrem leichten Keuchen in einem gemächlichen Rhythmus arbeitete, von dem er ahnte, dass er ihn nicht lange würde halten können. Ihr Duft hing überall, hatte sich in seiner Nase fest gesetzt und betörte ihn auf eine Weise, die der Mishima nicht verstand. Die Kälte in seiner Brust hatte einem, ihm fremden, Gefühl Platz gemacht, das sie mehr beschützen wollte denn je und mit jedem Stoß, unter dem der Körper der Schwarzhaarigen erbebte, verlor er sich mehr in der liebevollen Person aus seiner Kindheit und der Frau, die sich mutig und töricht gleichermaßen in seinen Weg stellte, wo ihn nichts weiter angetrieben hat, wie grenzenloser Hass. Jun flüsterte etwas in sein Ohr, das ihn nicht erreichte, ihre kleinen Finger wieder in seinem Haar, wo sie Halt unter seiner ansteigenden Geschwindigkeit suchten, die ihre Brüste so sehr in Bewegung versetzte, dass sie kontinuierlich die Stelle trafen, die seinem Herzen vorbehalten war und über welche sich die größte Narbe mit der tiefsten Vergangenheit weit über seinen Oberkörper hinab zog, bis sie im Bauchnabel verschwand. Jun stockte jäh in ihrem Liebesspiel, bevor Kazuya den vibrierenden Muskel in seinem Schoß bemerkte, der auch seinen Geduldsfaden zum Reißen brachte und ihn an einen Höhepunkt trieb, von dem er nicht ahnte, wie erlösend er eigentlich war. Für einen Sekundenbruchteil wurde ihm schwarz vor Augen, ein tiefes und atemloses Aufkeuchen in der trockenen Kehle, ehe er zu sich selbst zurück fand und in ein nicht minder verschwitztes und müdes Gesicht blinzelte. Wider seiner Erwartung krümmten sich die Mundwinkel der Polizistin in ein sanftes Lächeln, das sie mit einem Kuss auf seine Stirn besiegelte und dabei wohl auf etwas wartete, eine Bestätigung oder eine Silbe vielleicht - doch alles was dem Hünen in jenem Atemzug über die Zunge drang, war ein haltloses Brummen begleitet von einem leisen: "Ich habe Hunger." Und zum ersten Mal, seit ihrem Aufeinandertreffen auf dem Boot zum Start des Iron Fist Tournaments, schaffte es Kazuya das Lächeln Jun Kazamas so ehrlich zu erwidern, dass es sein dunkles Augenmerk zum Strahlen brachte. ****************************************************************** NOTE: Nein, das war kein leichtes Kapitel für mich! In der Tat war es das Schwerste von allen. Einige kennen ja schon meinen Rage-Sex-Modus-One-Shot "Leave a Scar", der in einer anderen Situation spielt und entsprechend andere Gefühle hervor ruft. So was war hier nicht möglich und ich fürchte fast, dass ich verdammt kitschig geworden bin >.<' Um die rosa Elefanten im Zaum zu halten, habe ich extra aus Kazuyas Sicht geschrieben und ich bin mit dem Schluss eigentlich ganz zufrieden - fand es allerdings besser, nicht zu detailliert auf das kleine Techtelmechtel einzugehen und eher einem groben und sehr reduzierten Beschreibungsstil zu folgen. Für alle explodierten Eierstöcke entschuldige ich mich natürlich! Danke fürs Lesen (-: Fin. Kapitel 17: Macht ----------------- Er setzte einen Fuß langsam, bedächtig gar, vor sich und ging dabei gemächlich und tief in die Knie, holte mit dem angezogenen Arm zu einem festen Schlag zur Seite aus, dass der Stoff seines Gis unter der Wucht des Rhythmusses schnalzte und die versteckte Kraft kundtat, die in jeder seiner Bewegungen steckte. Die Augen geschlossen, folgte der alte Mann einfach dem Fluss seines Körpers und gab sich jedem Schritt so anmutig hin, als befände er sich in einem Tanz mit den Geistern aus längst vergessenen Kämpfen. Heihachi wechselte die Position, die Augen ruhig geschlossen und das Gesicht, obgleich voller Konzentration, ebenso entspannt wie friedvoll. Sein Arm reckte sich nach oben, die Handfläche geöffnet, bevor er das hintere Bein abrupt zu sich heran zog, wodurch sich der Hüne zu seiner vollen Größe aufrichtete und mit der geballten Faust erneut gegen die Luftbarriere schlug. Der Atem des Alten ging stoßweise und angepasst zu seinen Regungen, die er so meditativ auf der kleinen Terasse in dem japanischen Garten vollzog, dass man kaum ahnen konnte was hinter der hohen Stirn für ein Krieg tobte. Ja, in der Tat war es eine Form des Selbstfindung, die Heihachi über sich ergehen ließ weil er sonst voller Wut und Hass den Blick für das Wesentliche verloren hätte. Er war ein Großmeister, kein störrisches Kind das sich etwas in den Kopf setzte und es am Ende doch nicht bekam. Sein Plan musste Hand und Fuß haben und es war wichtig, dass jeder einzelne Punkt - und war er noch so unbedeutend - genauso ausgeführt wurde wie er es wollte. Bereits ein einzelnes, schlechtes Reiskorn konnte den gesamten Reis verderben: eine Weisheit, die man dem Karateka in die Wiege gelegt hat. Und so konnte er nichts weiter tun als warten; darauf warten, dass sich seine Rache von selbst erfüllte und er schlussendlich nichts weiter tun musste, wie seinem Sohn den finalen Stoß und damit einen Denkzettel zu verpassen, den der Bursche so schnell nicht vergessen würde. Nein, es war ganz und gar frech von ihm gewesen, ihn - seinen Vater - beim Turnier der eisernen Faust derart bloß zu stellen und buchstäblich zu verteufeln. Natürlich empfand er auf der anderen Seite auch einen gewissen Stolz, dass der Junge seine erste Lebensprüfung meistern konnte und es tatsächlich schaffte, sich gegen den Graubart aufzulehnen. Doch am Ende war Kazuya eben nichts weiter wie ein verwöhnter, kleiner Bengel ohne Marnieren der ihm auf kurz oder lang gefährlich werden konnte. Und - oh! Um nicht zu vergessen diese Kraft. Diese schier ungebändigte Kraft die zwar von seinem Körper ausging, aber nicht zu ihm gehörte und ihn dennoch stärker machte wie eine Horde Elefanten! Diese Kraft würde sich Heihachi zu eigen machen, Sie und die Mishima Zaibatsu waren sein Preisgeld für den Kampf um Leben und Tod und würde er erst einmal im Besitz ebenjener Kraft sein, so wusste er, dass ihn nicht einmal mehr der stärkste Orkan zu Fall bringen sollte. Es war seine Bestimmung, das war es von Anfang an gewesen; wieso sonst sollte Kazuya zurück gekehrt sein? Ihre Beziehung zueinander war ab der Geburt seines Sohnes zum Scheitern verdammt, weil der Schwarzhaarige von seiner Mutter auf anderes geprägt wurde, wie den Kampf und das Überleben. Kazume hatte ihn verweichlicht und dieses Kazama-Kind tat nun das Selbe; nur, dass sich Heihachi in diesem Fall einen Vorteil daraus erhoffte. Warum auch sonst sollte der ehemalige Firmenchef der Zaibatsu die Assassine auf das Mädchen angesetzt haben? Ein perfektes Ablenkungsmanöver, eines das Kazuyas Hass schüren und die Kraft erwecken würde; es musste einfach so sein! Sein Bart erbebte schwach unter den vor Vorfreude und Haltlosigkeit zitternden Mundwinkeln, als der Karateka in seiner meditativen Auseinandersetzung neuerliche Bewegungsfolgen aneinander reihte und seiner wahnsinnigen Phantasie dabei weiterhin freien Lauf ließ. Jeder einzelne Schlag, jede hart gegen den Luftwiderstand geschlagene Faust standen für seine Vorbereitung auf die letzte Begegnung mit seinem erstgeborenen und einzig wahren Sohn, der ihn seit jeher nichts weiter brachte wie Enttäuschungen. Ob es ein Fluch war? Ob ihre Familie der Verdammnis angehörte, weil sie jedes Mal mehr nach Macht lechzte, wie gut für sie war? Flüchtig dachte Heihachi an seinen eigenen Vater, tat diese Vorstellung jedoch mit einem zischenden Gelächter ab, seufzte und sank in seiner letzten Regung auf die Knie zurück, den Oberkörper andächtig gebäugt und mit den Gedanken tief in seinem wirren Geist versunken. Etwas war im Gange. Etwas, das er nicht greifen, jedoch deutlich spüren konnte. Kazuya entglitt ihm, doch in diesem Fall würde der Graubart dafür sorgen, dass es sein entgültiges Grab werden würde. Nichts anderes als das hatte den alten Mishima in den vergangenen Wochen am Leben erhalten; zuerst entledigte sich der Weise den bedeutungslosen Mitspielern (Lei Wulong war erst der Anfang) und zum Schluss hatte er das gesamte Familien-Imperium wieder unter seiner Kontrolle, keine Verpflichtungen gegenüber irgendwelchen Bastarden, die sich seine Kinder schimpften und allein mit dem Irrsinn, mit dem er die ganze Welt beherrschen konnte. Sein Weg war der richtige, zumindest da war sich Heihachi sicher - hätte er es sonst angeleiert? Zuerst war ihm die Vorstellung, Kazuya wirklich zu verlieren zuwider; aber diesen Knaben mit einer so unvorstellbaren und unmenschlichen Kraft auf Erden wandeln zu lassen glich einer Katastrophe; nein - Heihachi war es, der Mächte wie den Teufel zu beherrschen im Stande war, der damit umzugehen und ihn für sich einzusetzen wusste. Darum ging es, und um nichts weiter. Nie mehr. Der Klang von Hacken auf Stein rief den alten Mishima in die Wirklichkeit zurück, doch er sah nicht auf sondern orientierte sich an der Präsenz, welche sich vor ihm aufbaute, wer ihm gegenüber stand - weil sich die Möglichkeiten in Grenzen hielten, war es keine Herausforderung Lees Besuch spontan richtig zu raten. "Nun?" Es war ein einzelnes Wort, kehlig und tief. Die Silberzunge war los gezogen, Kazuya ausfindig zu machen und wie der Graubart erwartete, war dessen Vorhaben gelungen; denn immerhin war der Jüngere der Brüder noch am Leben, oder nicht? "Es läuft alles nach Plan, Vater", entgegnete der Chinese tonlos, wobei sich Heihachi einbildete, dass er sogar die Schultern zuckte. "Wie erwartet ist Kazuyas momentane Priorität die Sicherheit Kazamas, du wirst ein leichtes Spiel haben an ihn heran zu kommen. Und nachdem Nina von Hong Kong auf dem Weg hier her ist, ist es lediglich eine Frage berechneter Zeit, bis das tierliebe Mädchen kleinbei gibt." "Ausgezeichnet." Dunkles Augenpaar erhob sich unter dem Schatten schwerer Augenlider und fixierte Chaolan eindringlich, dass derselbe nicht umhin kam ein wenig nervös von einem Bein auf das andere zu pendeln. Heihachi hatte die Gabe, den Menschen in seiner Umgebung das Gefühl zu geben sie regelrecht zu durchschauen, brauchte es nicht viel ein guter Kenner seiner eigenen Rasse zu sein, oder? Gegner einschätzen war eine wichtige Taktik in einem Kampf und es war schwer, dem Alten etwas vorzumachen. Das schien auch Lee wieder einzufallen, der verhalten blinzelte. "Nicht mehr lange und Kazuya wird fallen - dann steht uns der Sinn nach allem, was wir wollen, Lee." Der Angesprochene nickte und rang sich zu einem schmallippigen Lächeln durch, das seine Augen nicht erreichte. Ob Heihachi ahnte, dass den Jüngeren ganz andere Dringlichkeiten antrieben, wie ihn selbst? Natürlich, er vertraute Lee nicht einmal bis über seine Hutkrempe, einmal abgesehen davon, dass er allen Grund hätte sich an ihm für das zu rächen, was auf der Insel vorgefallen war. Nur ein Narr hätte sich auf Lee Chaolan verlassen, und wenn Heihachi eines ganz bestimmt nicht war, dann ein Dummkopf. Er würde sich dem Silberhaarigen gegenüber erkenntlich zeigen, sobald der Moment es zuließ; jetzt brauchte er ihn nicht nur für seine Tarnung und seine angebliche Kurzsichtigkeit, sondern auch als Handlanger. "Ja... - Vater, sag' mir, wie lange möchtest du dich hier verstecken?" "Bis Kazuya mich findest." Lee wirkte überrascht. "Dann wirst du nicht ins Dorf hinunter gehen?" Der Graubart lachte humorlos auf. "Nein, wieso sollte ich?" Eine steile Falte furchte die Stirn des Chinesen; er war mit der Reaktion Heihachis sichtlich unzufrieden und machte nicht einmal einen Hehl daraus seinen keimenden Unmut zu überspielen. "Dann lockst du ihn in die Falle." Langsam stellte der Karateka einen Fuß auf, rappelte sich hoch und verschränkte im selben Atemzug die Arme vor der Brust. Heihachi war an und für sich kein unsympathischer Mann; hatte man nichts mit seiner Familie oder den Intrigen zu tun, die jeden Yakuza blass vor Neid gemacht hätte, konnte er tatsächlich eine charmante und zuweilen beschützende Seite annehmen. Er nahm sich das, was er wollte - alles andere interessierte ihn wenig und obgleich ständig bedacht, auf der Hut und vorsichtig, besaß er Herz und Willen genug auch für etwas oder jemanden einzustehen. Gerade fehlte Lee jedoch jegliche Art der Phantasie sich dieses Abbild seines Ziehvaters vorstellen zu können. "Hast du denn ein Problem damit, Junge? Entwickeln wir Gefühle für den so lange verschollenen Bruder?" Chaolan stockte jäh, schüttelte abrupt den Kopf und rang sich ein weiteres Lächeln ab. "Kazuya bedeutet mir nichts, das weißt du." Der Alte seufzte abermals und klopfte dem hoch Gewachsenen beim Vorübergehen auf die Schulter. "Gut", entgegnete er knapp. "Dann steh mir auch nicht im Weg, wenn ich ihm seine Lektion erteile." "Nein, Vater." In der selben Geschwindigkeit, die nicht an einen Kämpfer, sondern einen in die Jahre gekommenen Mann erinnerte der er nun einmal war, machte sich Heihachi auf den Weg ins Innere des kleinen, tempelartigen Anwesens, Lee ein lapidares Winken mit der Hand als Verabschiedung schenkend. Es war ihm einerlei, wer auf wessens Seite stand - und wenn sie sich alle gegen ihn verbündeten. Denn er würde diesen Krieg für sich entscheiden; und das war kein Versprechen, sondern eine Drohung. ************************************************************************ NOTE ihr merkt schon, es wird eng für unsere Turteltauben; was wird wohl aus Anna und Nina? Und kann Kazuya Nina davon abhalten, Jun umzubringen? Auf welcher Seite spielt Lee eigentlich, oder geht es ihm nur um sich selbst? Fragen um Fragen ... ich hoffe, euch gefällt die Story weiterhin. Ohne euch wäre die Geschichte nur halb so fein. (-: Bussi. Fin. Kapitel 18: 9mm --------------- "Ich glaube, er kommt zu sich!", flüsterte die Stimme heiser und die beiden Männer lehnten sich tiefer über das Krankenbett, das umsäumt war von allerlei Kabeln, die wiederum an Geräten angeschlossen waren, welche den Raum nicht nur in ein unheimliches Licht tauchten, sondern auch die aktiven Körperfunktionen das Mannes anzeigten, der bisher regungslos in den Laken gelegen hatte. Als man Lei Wulong am Pier fand, hatte man nicht viel Hoffnung. Eine der Kugeln hatte knapp sein Herz verfehlt und eine weitere seine Lunge durchschlagen; eigentlich hätte er verbluten müssen - doch allem zum Trotz war es dem guten Timing des Hafenmeisters zu verdanken, der die Schüsse gehört hatte und sofort zu dem Polizisten geeilt war. Nachdem binnen weniger Minuten später der Krankenwagen eintraf, konnte man schließlich weitere Maßnahmen ergreifen und den Chinesen immerhin so lange in einer gewissen Stabilität behalten, dass die Ärzte nach seiner Ankunft in einem der unzähligen Krankenhäuser Hong Kongs keine Minute mehr verschwendeten ihn sofort zu operieren. Normalerweise starben Menschen an derlei Verletzungen, weil sich die Lunge mit Blut füllte und man einfach an seinem eigenen Saft erstickte; bei Wulong konnte man durchaus also von mehr als nur unverschämten Glück sprechen, das ihn davor bewahrte Opfer der Assassine zu werden. Und weil der Interpol-Agent keine eingetragenen Verwandten in der Metropole besaß, die über seinen Unfall informiert hätten werden können, meldete man den Überfall ans Presidium selbst, wo seine Freunde keinen Moment zögerten zu ihm zu eilen und sich nach seinem Zustand zu erkundigen. Lei war bereits die gesamte Nacht seinem eigenen Bewusstsein erlegen, umringt von eben jenen Gerätschaften die dafür Sorge trugen, dass er auch unter den Lebenden blieb. Es waren letztendlich die wirren Stimmen, die wie überspulte und längst vergessene Tonbänder alter Kassetten melancholisch an seine Ohren drangen, sowie das Funkeln tanzender Lichter vor seinen geschlossenen Augenlidern, die ihn gemächlich in die Wirklichkeit zurück holten; oh - und um nicht zu vergessen der stechende Schmerz in seiner Brust, dem nicht einmal das Morphium wirklich etwas entgegen zu setzen wusste. Das einzige, woran sich der Chinese erinnern konnte, waren die knallenden Pistolenschüsse, die so laut an den Hafenwänden und der Gasse widerhallten, dass sie ebenso gut Tote hätten auferstehen lassen können. Alles was danach folgte war gähnende Leere, begleitet von einer tiefen und schwarzen Kälte, die ihm Angst machte und gleichzeitig auch so erlösend war, dass ihn jeglicher Funke Realität verließ. In diesem Augenblick sehnte sich etwas unbekanntes in Lei nach dem Tod; überhaupt war der Gedanke zu sterben plötzlich ungemein interessant und von ihm willkommen geheißen. Keine Schmerzen, keine Verpflichtungen - nur dieses Gefühl durch Raum und Zeit zu gleiten, zu schweben umgeben von nichts weiter als endloser Dunkelheit. Wider seiner Frohnatur war es eine wohltuende und einladende Dunkelheit, die sein Geist umschloss wie der sichere Schoß einer Mutter und ihm die Sicherheit versprach, die er wenige Augenblicke zuvor nicht gehabt hat. Das Zurückkehren in sein Bewusstsein, das brennende Licht auf seinen Lidern, das sich unnachgiebig hindurch bohrte und versuchte ihn zu wecken, waren mit einem Mal Eindrücke die der Chinese vertreiben wollte; doch mehr als ein ersticktes Stöhnen drang erst einmal nicht aus seiner Kehle, bis er eine kräftige Hand in seinem Nacken spürte, die ihn anhob und seine rauen und aufgesprungenen Lippen mit Wasser benetzt wurden, nach welchem er wie ein Durstender lechzte. "Ganz ruhig, Kumpel!", hörte er weitere Worte die im ersten Moment keinen Sinn in seinem Kopf ergaben, bis er sie sacken ließ und jeden einzelnen Laut schwerfällig miteinander verknüpfte. "Du wurdest überfallen, alles wird wieder gut! Du musst dich nur ein bisschen ausruhen und wieder zu Kräften kommen, du wirst sehen." Die besorgten und angestrengten Gesichter seiner Kollegen konnte sich Wulong unter der Botschaft nur vorstellen, und auch an der Halbwahrheit, er sei lediglich überfallen worden, war in Wirklichkeit mehr dran, das ahnte er - auch, wenn sich alles in klebriger Schwärze vor seinem Erinnerungsvermögen auflöste und sein Kopf zu dröhnen begann, wenn er versuchte sich zu erinnern. "Hast du eine Ahnung, wer dich angeschossen hat?" Ah, also das war der Grund für das immer wiederkehrende Pochen in seinem Brustbein, das sich anfühlte wie ein zweites, schlagendes Herz. Durch den Spalt seiner halb geöffneten Augen musterte der Inspektor die Konturen der beiden Männer, die sich über ihn gebeugt hatten. Sie hätten ebenso gut seine Feinde sein können, erkannte er keinen von beiden unter dem verschwommenen Anblick, den sie boten. "Dummkopf!", herrschte der andere aufgebracht. "Sieh ihn dir an! Lei hat zu viel durchgemacht; glaubst du, du hättest den Namen deines Angreifers parat, wenn man dir das Hirn weggeblasen hätte? Das möcht' ich mal sehen, Junge!" "Ja, aber ...-" "Ach, halt' deine vorlaute Schnauze und überforder' ihn nicht schon wieder mit deiner hemmungslosen Neugierde!" Der Kleinere der Beiden zog den Kopf schuldbewusst zwischen die Schultern, murmelte etwas, das Lei nicht verstand und wich ein bisschen vor dem Bett zurück, wie um seine Schelte und die damit verbundene Unterwürfigkeit zu demonstrieren. Man hatte ihn also angeschossen. Aber warum? Er war ein Polizist, erklärte er sich ruhig und langsam in Gedanken. Und er arbeitete für Interpol, das war ein schwieriges Unterfangen, wo er sicher einige Leute im Nacken hatte, die ihn gerne in dieser Position, oder am Besten noch, an der Seite des Schnitters sehen wollten - ein begehrtes Ziel also! Wulong stöhnte, ob seiner Wunden, der kleinen Qual oder seiner eigenen Amnesie wegen wusste er nicht. Die beiden Männer zwinkerten voller Verwunderung, dann spürte er eine warme Hand auf seinem Unterarm, die ihn liebevoll tätschelte. "Werd' erstmal wieder gesund, wir finden die Bastarde die dir das angetan haben! Einfach so aus dem Hinterhalt mit Pistolen rumzuballern ist total feige, dafür werden die hängen, Lei, da hast du mein Wort drauf!" Der Chinese versuchte sich an einem schwachen Nicken, bevor ihm die Lider wieder schwer und erschöpft zufielen und sein Körper einmal mehr in die wundersame Welt der Bewusstlosigkeit abtriftete. Vor ihm tauchten wundersame Bilder auf, die Lei in seiner Besinnungslosigkeit kaum verstand. Es waren eigentümliche Dinge, wie Dinosaurier und boxende Kangurus; eine Frau war auch darunter - sie erkannte er! Sie war seine Partnerin gewesen und sie mussten gemeinsam gegen einen korrupten Konzern ermitteln, der mehr Dreck am Stecken hatte wie er selbst auszubaden im Stande gewesen wäre. Wenn er sich die Mühe machte, würde ihm sicher der Name der Schwarzhaarigen wieder einfallen; doch den brauchte er nicht einmal, um zu bemerken, dass er sie mit Gefahr in Verbindung brachte. Ja, so schön dieses Mädchen auch war und ihm gefiel, ging eine ungeheure Gefahr von ihr aus - oder war es, dass sie selbst von der Gefahr angezogen wurde? So ganz konnte sich der Polizist in dieser Entscheidung nicht festlegen. Auf jedenfall war sie sonderbar und anders und er merkte sich vor, dem Rätsel später auf den Grund zu gehen. Vielleicht war es noch nicht zu spät, ja vielleicht konnte er sie retten: wovor auch immer. Wulong seufzte leise und schlief mit Leere in Kopf und Gliedern ein, unbeschwert und ungewöhnlich frei; befreit von seiner eigenen, menschlichen Bürde. "Meinst du, er wird wieder Chef?" Der alte Chinese lachte, strich sich mit Daumen und Zeigefinger über seinen Oberlippenbart und führte den Jüngeren mit sich aus dem Zimmer, das übertönt wurde von dem einseitigen Surren der Geräte. Auf dem Gang herrschte die gewöhnliche Hektik eines Krankenhauses bei Nacht; die Schwester im Bereitschaftsdienst beobachtete sie misstrauisch von ihrem Häuschen aus und schenkte ihnen von Zeit zu Zeit ein aufgesetztes Lächeln, wenn sich ihre Blicke kreuzten. "Ja, ich denke schon. Lei Wulong ist der beste Mann den wir haben, er ist zäh. Normalerweise hätte er diesen Unfall gar nicht überleben dürfen... -" "Da bin ich ganz Ihrer Meinung, Hauptkommissar!" Die beiden Männer sahen sich überrascht um und blinzelten direkt in das besorgte Gesicht des Arztes, der sie vorher bereits zu dem Zimmer geleitet hat, wo Wulong nach der Operation untergebracht worden war. Er wirkte müde, hielt ihnen jedoch eine kleine Plastiktüte entgegen, in der zwei Projektile aufbewahrt wurden; sie standen vor Blut und keiner der Polizisten musste lange überlegen, worum es ging. "Zwar wurde Mr. Wulong lediglich von einer normalen 9mm Feuerwaffe verwundert - das allerdings aus nächster Nähe, die ihn hätte töten müssen. Ich vermute stark, dass er den Transport zum Krankenhaus und die Operation nur deshalb überstehen konnte, weil sein Mörder zu schlampig gezielt hat. Eine der beiden Schüsse verfehlte nur knapp sein Herz. Haben Sie eine Ahnung, womit Sie es zu tun haben, Gentlemen?" Der Hauptkommissar griff nach dem Beutel, hielt ihn sich vor zusammen gekniffene Augen, leckte sich über die Lippen und schüttelte langsam den Kopf. "Noch nicht, aber kein Inspektor Chinas wird ungestraft das Opfer eines Hinterhalts, oder eines Mordanschlags. Wir werden schon heraus finden, zu wessen Waffe diese Patronen gehören - das ist eine Aufgabe für die Kriminalabteilung. Bis Wulong wieder genesen ist, sollten wir ein Paar Antworten haben. Vielleicht kann er uns selbst sagen wer ihn angeschossen hat, wenn er wieder richtig zu sich gekommen ist." Sie ernteten ein Nicken des Arztes, einen nachdenklichen Lidaufschlag, wie ein Kopfschütteln. "Ich verstehe die Menschen nicht. Sie schlagen sich gegenseitig die Köpfe ein, wegen Geld und Macht. Die Bandenkriege hier zu Lande, ach - hier in Hong Kong - brachten so vielen Unschuldigen den Tod. Man fragt sich nur, wozu das alles? Wie dem auch sei, Mr. Wulong hat das Schlimmste überstanden; er ist noch nicht über dem Damm, aber seine Werte sind stabil und durch ein bisschen Fürsorge und Anteilnahme wird er hoffentlich schnell wieder gesund. Nur überfordern sie ihn nicht, er wird seinen Dienst so schnell nicht mehr antreten können, das braucht alles seine Zeit." Damit wandte sich der Veterinär mit einem weiteren Nicken und gemurmelten Worten über den Untergang der Menschheit und des gesunden Menschenverstandes ab und ließ die Beamten mit nichts weiter als den Projektilen irgendeiner Pistole von irgendeinem Menschen, der irgendeinen Grund hatte, ihren Freund und Kollegen beinahe zu töten, zurück.  ************************************************************************ Note: Das hier ist ein klassisches "Was-wurde-eigentlich-aus"-Kapitel, weil ich euch erklären wollte, was mit Lei passierte, nachdem er beschossen wurde. (Wir erinnern uns an das Kapitel "Assassin", wo Heihachi Nina auf Wulong ansetzte, weil er ihnen ein Dorn im Auge war und Jun evtl. sogar zur Hilfe hätte kommen können!) Wie der alte Mishima schon sagte, ist Wulong aus dem Verkehr gezogen; wie Nina wohl reagiert wenn sie erfährt, dass ihr zweiter Schuss sein Ziel verfehlte? (-; Vielen lieben Dank für euer letztes Feedback und das fleißige Mitlesen! Bussi. Fin Kapitel 19: Wahrheit -------------------- Es war ein berauschendes Gefühl, das sie durchflutete - und mit einfachen Worten kaum zu beschreiben. Kazuyas Duft hatte sich in ihrer Nase fest gesetzt und beherrschte nebelgleich ihre Gedanken, dass sich die Schwarzhaarige schwer damit tat, sich auf den kochenden Reis im Topf zu konzentrieren, der sich gemächlich mit Wasser voll sog und gedachte fertig zu werden. Ein Teil von ihr fühlte sich schuldig und sogar missbraucht; aber hatte sie sich nicht selbst auf dieses Spiel eingelassen, um dem Mann, den sie seit Kindheitstagen kannte, die Chance einzuräumen seine gute Seite unter Beweis zu stellen? Es war ein riskanter Schritt, den Jun wagte: nach wie vor. Wenn Kazuya wollte, konnte er sie nach Strich und Faden benutzen und obschon die Tierschützerin eine gewisse Menschenkenntnis besaß, die sie Gut von Böse unterscheiden ließ, so bemerkte sie nicht zum ersten Mal, dass sie in Gegenwart des Hünen leichtsinnig und naiv wurde. Er löste etwas in ihr aus, das sie überforderte und das gleichsam so schön war, dass sie es nie wieder missen wollte. Dabei war es schwer nicht zu vergessen, dass Kazuya eigentlich gefährlich war und sich immer noch auf dem Rachefeldzug gegen seinen Vater befand, der sie früher oder später durch den in der Familie herrschenden Hass entzweien musste. Die Vorstellung war bitter und hätte Jun eine Lösung parat gehabt, hätte sie sich längst daran gemacht, alle Maßnahmen in die Tat umzusetzen, um das Leben des Karatekas, aber auch ihr eigenes Seelenheil zu retten. Kazuya sollte und durfte wegen Heihachi nicht zum Mördern verkommen und der Dunkelheit, die in ihm schlummerte, somit die Überhand überlassen - das war einfach nicht fair. Sie seufzte leise, fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn und schloss für einen Atemzug die Augen, die Erinnerung an die rauen Lippen an ihrem Hals, die ihren Puls zum Rasen animierten und plötzlich eine Frau in ihr weckten, die ihr unglaublich fremd war. Leidenschaft war für die Japanerin nichts neues. Sie empfand Leidenschaft in dem was sie tat, in ihrem Beruf und in ihrer Liebe zur Natur und dem Willen anderen zu helfen; bisher hatte sie allerdings nie eine so alles einnehmende, körperliche Leidenschaft verspürt, die ihr Blut in unbekannte Wallungen versetzte und sie fahrig und blind machte. Ein Schaudern ergriff ihren nackten, in den schwarzen Kimono gehüllten Leib, ein schwaches Lächeln im Mundwinkel, während sie den sich aufplusternden Reis gemächlich im Topf umrührte. Es war nicht gänzlich falsch, was sie getan hat und wenn sie das schlechte Gewissen verdrängte, war die Erfahrung Kazuya buchstäblich erlegen zu sein sogar eine Bereicherung und um nicht zu sagen ein Geschenk. Sie bereute ihre Leichtsinnigkeit nicht, egal wie unbedacht sie sein mochte; in der stillen Hoffnung, dass sich die Schwarzhaarige in dem Mishima-Sohn nicht täuschte. Mit einem vorsichtigen und von Haarsträhnen bedeckten Blick über die Schulter warf Jun ein prüfendes Augenmerk durch die geöffneten Schiebetüren der Hütte auf die großzügige Veranda, wo altes Stuhlwerk einladend darauf wartete, besessen zu werden. Der Hüne lehnte an dem Geländer, den Rücken unter gekrümmten Ellenbogen unbekleidet durchgestreckt, dass sie jede einzelne Faser seiner Muskulatur während seiner angespannten Haltung erkennen konnte. Narben säumten die Haut hie und da und ließen vermuten, durch was für eine leibhaftige Hölle ihr vermeidlicher Freund in den vergangenen Jahren gegangen sein musste. Dass sie ihn überhaupt zu etwas Menschlichkeit besinnen konnte, verwunderte Jun im Nachhinein, die sich indes mit der Zungenspitze über die Lippen fuhr und sich wieder ganz auf das kochende Wasser konzentrierte. Kazuya hatte allen Grund, Heihachi nach dessen Leben zu trachten, auch wenn sie wusste dass es falsch war. Wie würde es nun weiter gehen? Ob sie ihr Leben in dieser Einöde einfach genießen konnten? Die Antwort darauf war so bitter wie eindeutig und drückte die Laune der Tierschützerin abrupt auf Kellerniveau. Ihre Existenzen waren nicht nur miteinander verknüpft, sondern unlängst vorherbestimmt; ebenso wie das unheilvolle Gefühl, das Jun nicht mehr los wurde und das ihr entgegen flüsterte, wie wenig Sinn es machte gegen Kazuyas Natur anzukämpfen. Sie wollte nicht gegen das verlieren, was sie nicht sehen konnte und dennoch sagte ihr irgendetwas in ihrer Vorsicht, dass sie bereits verloren hatte; die Schwarzhaarige knabberte nebensächlich auf ihrer Unterlippe, schüttelte zu sich selbst den Kopf und drehte das brodelnde Gas unter der Herdplatte zurück, als sie im selben Atemzug einen heißen Atem an ihrem Ohr spürte, der ihr nicht nur abrupt die Gänsehaut in den Nacken trieb, sondern sie auch erschrocken umfahren ließ. Der Naturliebhaberin begegnete ein seltens Lächeln, gepaart mit einem feuchten Kuss auf ihre Stirn und einem drängenden Körper an der atemlosen Brust. Jun hatte Kazuya nie als einen Mann gesehen, der aus seinen Gefühlen mehr machte, wie sie lediglich zu bemerken und als eben solche abzustempeln, wenn sie nicht gerade einem tosenden Taifun glichen. Aber gerade jetzt wurde sie eines besseren belehrt, obgleich die Schwarzhaarige vermutete, dass der Hüne die vergangene Zweisamkeit nicht so schnell los lassen wollte, weil sie ihm nicht minder fremd sein konnte wie ihr. Seine Zuneigung würde verfallen und zurück blieb letztlich nicht mehr oder weniger wie der alles zerfressende Hass. Es musste einfach so sein - und die Vorstellung ließ sie frösteln. "Man erntet, was man sät", wiederholte der hoch Gewachsene mit vibrierendem Bariton und dem Anflug von Selbstgefälligkeit auf den glatten Zügen. Jun nahm seine Provokation zum Anreiz, ihm einen tadelnden Schlag auf die Brust zu verpassen. "Als ob du es nicht so wolltest!" Der Mishima lachte auf, wandte sich an die bereit gestellten Reisschalen und angelte nach einer Kelle, um das Essen aus dem Topf in die Schalen zu füllen. "Eigentlich...", begann er besonnen, den Blick auf den Reis gerichtet, den er mit dem zurecht geschnittenen Gemüse bedeckte, "... hatte ich nicht vor mein Versprechen zu brechen. Andererseits," und Kazuyas dunkles Augenmerk bohrte sich mit durchschaubaren Feix in das seiner Gegenüber. "Hatte ich nicht den Anschein, etwas getan zu haben, das du nicht genossen hättest." Wenn er sie in Verlegenheit bringen wollte, war es ihm gelungen, begannen Juns Wangen nämlich zu glühen, was sie einen erschrockenen Schritt zurück weichen und zu einem verhaltenen Schmunzeln animierte. Oh, und wie sie es genossen hat! Wie sich ein Teil von ihr danach sehnte, dass er zumindest für sie zu einem Sünder wurde, wo sie solche Gedankensprünge nicht einmal annähernd von sich kannte. Auch jetzt, die Aufmerksamkeit zaghaft gehoben, musterte sie den Körper Kazuyas intensiver wie zuvor, die Berührungen der kräftigen Hände in ihren Erinnerungen verankert. Sie bereute es nicht, nichts davon. Und je weniger sich Kazuya darüber amüsierte, oder ihr das Gefühl gab sie ausnutzen zu wollen, desto mehr verfiel sie der Wolllust, die nach mehr lechzte. "Es liegt mir fern, dir weh zu tun." Es war ein Wort, das Jun bereits kannte und der Hüne schon einmal an sie gerichtet hat. Kazuya reichte ihr eine der dampfenden Reisschalen, während er sich an seine eigene mehr oder minder zu klammern begann. "Und ich möchte, dass du dir im Klaren darüber bist, dass ich dich sehr respektiere, Kazama Jun. Aber bevor ich mich irgendwo niederlassen kann, muss ich meiner Bestimmung folgen, sonst wird mir nie die Ruhe vergönnt sein, nach der ich mich sehne." Für einen Sekundenbruchteil glaubte die Angesprochene einen flehenden Unterton zu bemerken, einen mit dem er sich von der bittersüßen Last freikaufen wollte, die ihn im goldenen Käfig der Polizistin gefangen hielt. Natürlich, sie konnte ihn schließlich nicht daran hindern, seinem Vater gegenüber zu treten. Sie hatte es vor Kurzem aus purem Glück geschafft und sollte dieses Mal kläglich daran scheitern, oder? Oder etwa nicht? "Ich werde zu dir zurück kommen", Kazuya blinzelte, rückte näher an Jun heran, bis sich ihre Schultern berührten und lächelte so zuversichtlich, dass es schmerzte. "Dann kannst du mir beibringen, ein völlig neues Leben zu leben; das würde ich sehr begrüßen. Du scheinst viel vom Leben zu verstehen." Der Mishima-Sohn hatte nie die Absicht zu bleiben, sich dem Gefühl von Freiheit hinzugeben. Die Japanerin begriff langsam, dass er nach wie vor um jene Freiheit kämpfte, auch wenn sie den Kampf nicht sehen konnte und keine Ahnung hatte, in welcher Runde sich der Karateka inzwischen befand. Doch irgendwie, so gefährlich es war ihn gehen zu lassen, war Jun naiv genug anzunehmen, dass er auch wieder zu ihr zurück kam. Also zwang sie sich zu einem Nicken, überbrückte die aufquellende und hilflose Traurigkeit mit einem freundlichen Zwinkern und beugte sich zu den Essstäbchen, wo sie ein Paar dem Hünen reichte, bevor sie sich mit dem anderen selbst daran machte, ein bisschen von dem Reis zu essen.  "Und ich werde auf dich warten", erklärte sie kompromissbereit, wobei sie sich die Frage nach seiner genauen Abreise verkniff. Wie sie Kazuya einschätzte, war er jemand der Abschieden gerne aus dem Weg ging - nicht zuletzt rang er sich seine Silben derart schwer über die rauen Lippen. "Dieses Mal werde ich zurück kommen, verlass dich darauf. Ich weiß jetzt, worauf es ankommt und ich weiß, wie ich meinen Vater besiegen kann." Das Grinsen hellte seine ernste Mimik ein bisschen auf. "Wie heißt es doch? So stark ein Sturm auch tobt, einen Berg wird er nie in die Knie zwingen." Nun war es an Jun, die lachte. "Weise Worte für jemanden, der sich sonst in tiefes Schweigen hüllt." Kazuyas Augen funkelten voller herausfordernder Häme, den Mund verstopft mit Reis, der ihm das Kontern verwehrte. Hoffentlich irrten sie nicht, hoffentlich konnten sie diesen letzten Kampf wirklich für sich entscheiden. Kapitel 20: Am Horizont ----------------------- Die Umgebung um Yakushima, die als eine der Osumi-Inseln der Nansei-Inseln bekannt ist, wird zuweilen von der Zivilisation in Richtung der Ballungsräume für seine Einfachheit belächelt. Sie gilt unlängst als Naturschutzgebiet, große und geteerte Straßen sind den wenigen Einwohnern, die sich über das Land verstreuen, fern und überhaupt sucht man nach Fortschritt zwischen Wald und Wiesen eher vergeblich. Die Menschen, die hier leben tun das aus Überzeugung und der Liebe zur Natur und dem Natürlichen; manche ziehen sich in die abgelegenen Dörfer zurück, wo sie in kleinen Tempelanlagen auf die Suche nach sich selbst gehen und wieder andere wagen den Aufmarsch Miyanouras - dem höchsten Berg, mit der Hoffnung auf Absolution. Der Blonden wurde bei dem Anblick aus dem Fenster jedenfalls schlecht. Es war noch finster, nur über dem leichten Horizont fernab der Linie, wo sich das Meer und der Himmel berührten, konnte man vom Osten her die Dämmerung vermuten, die den neuen Tag ankündigte. Pünktlich auf die Minute, wie vereinbart - und sie würde mit Sicherheit keinen Moment länger wie notwendig in diesem abgeschiedenen Kaff am buchstäblichen Ende der Welt zubringen, wo sie Angst haben musste eher von einer seltenen Giftschlange oder anderem Getier angefallen zu werden, wie Kazuya Mishima als Gegner zu erwarten, sobald sie seiner Allerliebsten eine Kugel quer durch die Stirn jagte; Nina war nicht wohl bei dem Auftrag. Zum Einen konnte sie nichts in Erfahrung bringen, was den Mord an Jun Kazama gerechtfertigt hätte, zum anderen spürte sie den Anflug von Gefahr der von der Verbindung mit dem Mishima-Sohn ausging. Kazuya zeigte sich bereits auf dem Turnier zu allem bereit und in gewissem Sinne gewalttätig: aber da war noch mehr. Etwas, das man nicht sehen konnte und das sie förmlich in Richtung Abgrund führte. Die Irin hasste das - diese Unsicherheit, mit der sie im Finstern tappte. Nach und nach hatte Nina Angst, dass ihr der absonderliche Auftrag Heihachis entglitt und sie zu einer der vielen Marionetten im Rachespiel des alten Mishimas wurde. Aber das würde sie nicht zulassen; niemals - und nicht für alles Geld der Welt. Sie war ein Profi, kein dummes Mädchen das man herum kommandieren konnte, wie man wollte. Die Propeller des alten Flugzeugs routierten laut unter dem Flugmanöver der Assassine, die den Steuerknauf ein wenig neigte und einen Rundbogen mit Kurs auf die Insel ansteuerte, welche unter ihr im Mondlicht schimmerte. Für einen Sekundenbruchteil erreichte Nina die Vorstellung, die Einwohner Yakushimas könnten unter dem Lärm der Maschine geweckt werden und kam nicht umhin über die Ironie dieser Idee ein schmallippiges Lächeln aufzusetzen. Sie hatte keine Ahnung von dem Flugverkehr über dem Naturschutzgebiet und ja, diese kleine Ankündigung war tatsächlich ungünstig - aber sie bezweifelte, dass irgendjemand annahm, dass der Pilot des Flugzeugs gleichsam eine Auftragsmörderin auf Durchreisen war. Wie das Ganze von Statten gehen sollte war ohnehin nicht geklärt worden: Heihachi sagte, er würde sich melden sobald sie eintraf. Möglich, dass man sie sofort auf die Kazama ansetzte - aber auch denkbar, dass man erst eine Runde Spielchen mit ihr trieb. Nina mochte keine Spielchen, vor allem solche. Wieso sie den Appell in erster Linie angenommen hat, wusste sie inzwischen nicht mehr. Wahrscheinlich hatte es etwas mit ihrer Schwester zu tun - das hatte es immer. Die Blonde befand sich doch seit Jahren auf einem Feldzug und in einem Krieg den sie nicht gewinnen konnte, weil ihr der Mut dazu fehlte ihre Qualitäten auch bei der Brünetten einzusetzen und ihr ein für alle Mal den Garaus zu machen. Eigentlich war das ganz schön jämmerlich; die Irin seufzte. Je tiefer Nina die Propellermaschine brachte und umso näher die Baumwipfel ihrem Rumpf kamen, desto schneller konnte sie den Kurs ausmachen, der sie zu der kleinen Landebahn am Rande der Küste führte. Der Nachthimmel war nun einem schwammigen Grau gewichen und die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne kämpften sich schwerfällig über die Kante des Ostens, dass die Assassine einen Atemzug lang von ihr geblendet wurde und die Augen zusammen kneifen musste. Warum und weshalb sie diese Arbeit machte, war ihr hin und wieder selbst ein Rätsel. Dann und wann tat sie ihn jedoch gerne: nicht nur wegen der Bezahlung: sie wollte als junges Mädchen immer Polizistin werden und die Menschen in ihrer Umgebung schützen. Nun, in gewissem Sinne konnte man sagen, dass sie ihr Ziel erreicht hat: sie beschützte die Menschheit heute nämlich in der Tat - und zwar vor Wahnsinnigen und manchmal auch vor sich selbst. Zumindest gab ihr diese naive Umschreibung ihres Tuns das Gefühl gebraucht zu werden, beruhigte ihr Gewissen und verfestigte den notwendigen Gedanken, dass sie für andere tötete um die Welt ein stückweit besser zu machen. Sie war eine Mörderin und gottlob - dafür sollte sie in der Hölle schmoren. Aber sie tötete aus unmissverständlichen Gründen, wenn es keinen anderen Ausweg mehr gab, als eben jenen. So oder so - am Ende stand jeder auf seiner eigenen Seite, oder nicht? Nina schüttelte leicht den Kopf, umfasste den Steuerknauf ein bisschen fester und drückte ihn gemächlich nach vorn, dass die Maschine weiter in Sinkflug ging. Ihre Finger huschten über das Amaturenbrett, wo sie einen Knopf drückte und sich schließlich leise räusperte: "Hier Omega 17, erbete Landeerlaubnis." Das Funkgerät knirschte, dann ertönte ein kurzes Freizeichen - allerdings keine Antwort. Die Irin runzelte flüchtig die Stirn, ließ den Blick aus dem Fenster schweifen und stellte erneute Funkverbindung zu dem Tower des kleinen Flughafens, den sie in der Ferne schemenhaft erblicken konnte, her. "Hier Omega 17, erbete Landeerlaubnis", wiederholte sie stoisch. Doch mehr wie ein Knistern erreichte sie nicht. Niemand war sich im Klaren darüber, dass sie im Anflug war, dafür hatte Heihachi Sorge getragen; demnach besetzte man den Flughafen zu jener Stunde einfach nicht. Gut - konnte sie per Freifahrtschein landen, sich die Hände schmutzig machen und in wenigen Stunden ebenso unbemerkt wieder abreisen; so oder so war es der Assassine eigentlich einerlei. Und je weniger über ihre Anwesenheit Bescheid wussten, desto besser. Das Propellerflugzeug war alt und hatte die guten Tage hinter sich. Das Blech war an manchen Stellen ausgebeult, der Wind pfiff unnachgiebig kalt zwischen den undichten Fenstern ins spärliche Innere des Flugraumes und erzeugte eine militärische Gelassenheit, die darauf schließen ließ, dass das Flugzeug lange aus seinem eigentlichen Dienst genommen wurde und Nina es für ihre Zwecke lediglich entwendet hatte - dass die Kiste überhaupt noch flog war ein Wunder. Als der schlecht geteerte Boden der Landebahn vor ihrem Augenmerk erschien, drosselte die Irin die Geschwindigkeit der Maschine, bremste ein wenig und betätigte einen schweren Hebel zu ihrer rechten, der mit einem eher weniger vertrauten, metallernen Geräusch die Fahrwerksluken öffnete, damit sich die Räder ächzend aus dem Unterbauch des Flugzeug zwängen konnten. Zugegeben, das beste Modell hatte sie sich nicht ausgesucht - aber was einmal nach oben kam, brachte man bestimmt auch wieder runter! Obschon eine Assassine, war Nina in erster Linie eine leidenschaftliche Abenteurerin; kein beschränktes Weib aus der Vorstadt, das sich einen reichen Mann angelte und ein Dutzend Kinder gebar. Das wollte sie nie; stattdessen zerstörte sie lieber diese idyllischen und falschen Bilder ihres Weltensystems und zeigte der Menschheit ein bisschen Rebellion, ein bisschen Anderssein. "Tower, ich setze jetzt zur Landung an", kommentierte die Blonde ihr Tun nebensächlich und ohne eine Gegenreaktion zu erwarten, ehe sie deutlich steiler in Sinkflug ging und die Brauen konzentriert furchte. Fliegen gehörte nicht unbedingt zu ihren größten Begabungen und gerade die Landung erwies sich ab und zu als kleine Herausforderung - hoffentlich war die Landebahn auch lang genug. Das Flugzeug setzte holprig auf dem schlechten Boden auf, drückte die hoch Gewachsene unwirsch in den quietschenden und alten Sitz zurück, dass sich die Federn desselben schmerzhaft unter dem Kissen in ihre Wirbelsäule drückten. Die Bäume links und rechts der Bahn rauschten wie dunkelgrüne Schatten an ihr vorüber und das einzige, was die Irin etwas nervös im Blick halten konnte, war das Ende der Straße das unaufhörlich näher kam. "Verdammt!" Es war eine Vollbremsung, die den eisernen Vogel in eine routierende neunzig- Grad-Drehung zwang und ihr einen Schub von blanker Panik durch Mark und Bein trieb, weil sie für einen Sekundenbruchteil glaubte die Kontrolle über die alte Maschine zu verlieren. Doch dann war es vorbei. Die Rotoren pumpten immernoch Luft durch die Turbinen in einer Lautstärke, wo die Blonde wettete, dass es mindestens die halbe Insel wecken würde. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, den Kopf schmerzend voller Adrenalin, weil sie sich kurzum selbst unterschätzt hätte - Glück gehabt. Auf wackligen Knien und mit dem nötigsten bemannt, zog Nina die lederne Fliegerjacke enger um ihren Leib, öffnete die kleine Kabinentüre und sprang mit einer ungeahnten Leichtfüßigkeit auf den Grund, der sich nun nach dem langen Flug und ihrer kleinen Panikattacke, schrecklich fest und unnachgiebig unter den Sohlen ihrer Stiefel anfühlte. Nina fuhr sich mit der flachen Hand über die Stirn, tastete nebensächlich nach der Magnum unter ihrer Jacke und sah sich benommen um; die Sonne war nun deutlich über den Horizont geglitten und leutete den neuen Tag ein. Sie war keine Sekunde zu spät und hatte demnach genügend Zeit, sich auf das kleine Attentat vorzubereiten; ob sie etwas an Jun Kazamas Situation geändert hätte? Wohl kaum; die Irin kannte kein Mitleid - weder für sich und schon gar nicht für andere. Jetzt galt es allerdings erstmal Heihachi Mishima ausfindig zu machen und weitere Instruktionen entgegen zu nehmen; also den alten Mann anzurufen und seinen Aufenthaltsort ausmachen. Ein neuerliches Seufzen, das ein bisschen enerviert klang, entrang sich ihrer Mundwinkel, ein halbes Strecken im Schritt, dass die Nackenwirbel vor Anstrengung knackten. Sie konnte es kaum erwarten diese Einöde wieder hinter sich zu lassen und nach New York zurück zu kehren, wo schon der nächste Auftraggeber auf sie wartete: Verbrechen schliefen eben nie, egal aus welcher Perspektive man es betrachten mochte. Und wie sie annahm, konnte Heihachis Forderung nicht schwieriger werden, wie Lei Wulong aus dem Verkehr zu ziehen... oh, wie sehr sie sich gerade irrte. Nina hatte den breitschultrigen Kerl im Schutz der vorherrschenden Nacht nicht auf sich zukommen sehen, bis sie in ihn hinein lief, deshalb irritiert in ihrem Gang zum Innehalten gezwungen war und der Hüne Anstalten machte, ihr den Weg zu versperren. Die Arme vor der Brust verschränkt, konnte sie nur seine Augen erkennen, die wie weiße Bälle aus dem schwarzen Gesicht hervor traten und sie misstrauisch, wie angriffslustig musterten. Er sagte nichts, schien auf etwas zu warten und ein bisschen mit der Geduld der Assassine zu spielen, ehe sich die Irin kurzerhand dazu entschied, die Hand unter die Fliegerjacke gleiten zu lassen, um nach der Waffe zu greifen. "Das würde ich nicht tun, Schwesterherz." Es war eine schneidende Stimme voller falscher Wiedersehensfreude, die Nina in ihrer Bewegung abrupt zum Erstarren brachte. Ein Hauch Irritation fegte über ihre glatten Züge, den sie mit professioneller Gleichgültigkeit zu überspielen versuchte; natürlich - wieso sollte es einmal anders sein, wo sich die Brünette mit der Blonden in einem Teufelskreis befand, der das absehbare Ende hatte einander auszuschalten? "Anna", erwiderte Nina daher einsilbig und erntete ein schiefes Grinsen ihrer Gegenüber. "Ich habe dich schon erwartet, man kann tatsächlich die Uhr nach dir stellen - aber so leid es mir tut, muss ich dich wieder zum Abreisen bewegen. Deine Anwesenheit hier ist überflüssig..." Eine Falte, gepaart mit Ungeduld, kräuselte sich über den Augenbrauen der Blondine. "Was meinst du damit?" - "Oh, das ist ganz einfach, liebste Schwester: ich kann nicht zulassen, dass du Jun Kazama tötest." Diesmal lachte die Ältere. "Und was willst du dagegen tun, Anna? Es ist ein Auftrag, ein Job wie jeder andere. Wer soll mich daran hindern? Du?" Die Brünette wirkte trotz der Provokation ungewöhnlich unbeeindruckt, doch der Hüne bäumte sich ein bisschen auf, spannte die Muskeln an und schnaufte wie ein an der Leine gehaltener, wilder Köter. "Mit allen Mitteln, Nina. Mit allen Mitteln." Annas Hand wanderte gemächlich über den Unterarm ihres Begleiters, den sie sachte tätschelte. "Das hier ist Bruce Irvin: er ist für die Sicherheit Kazuyas zuständig und damit auch für das Überleben seiner kleinen Jungfrau in Nöten. Bruce nimmt seine Arbeit ebenfalls sehr ernst - ist das nicht eine amüsante Gemeinsamkeit?" "Geh mir aus dem Weg, Anna." Die Irin blieb ruhig, taxierte den schwarzen Hünen dabei abschätzend und vorsichtig. Zu ihrer Verwirrung kam ihre Schwester der Forderung nämlich sogar nach, schenkte ihr das übelste Lächeln, das sie je auf deren Lippen gesehen hat und verschmolz so schnell mit dem Rest der Dunkelheit, wie sie daraus aufgetaucht war - und Nina ahnte schon bevor sie es sah, dass Bruce diese Geste als Startschuss nahm, um sich mit erhobener Faust auf sie zu stürzen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)