Was wir sind von Jaelaki (Seto & Joey | Puppyshipping) ================================================================================ Kapitel 8: … ist nicht dressiert -------------------------------- __________________________________________ Gut dressierte Hunde gibt es viele, gut erzogene Hunde gibt es leider wenige. © Oliver Jobes __________________________________________ Seto Kaiba war es gewohnt, dass er bekam, was er wollte. Genauso wie, dass man sich nicht traute, ihm in die Augen zu sehen, sondern dass man in seinen Arsch kroch, um etwas von ihm zu bekommen. Ich schlurfte durch den Gang seines Büros und blieb vor der Tür stehen. Statt zu klopfen, zog ich die Tür auf und polterte mit einem »Maaaann, was für ein Weg!« hinein. Seto Kaiba war gewohnt, dass sich Menschen zu ihm ins Büro schlichen, sich verbeugten und sagten »Ja, Herr Kaiba! Auf jeden Fall, Herr Kaiba!« Wenn es aber zu mir kam, dann gewöhnte er sich das alles schnell ab. Statt also ein Wort darüber zu verlieren, dass man gewöhnlich anklopfte oder dass er der mächtigste Geschäftsmann hier war und sich niemand getrauen sollte, einfach in sein Büro zu stolzieren, schaute er gelangweilt auf und nippte an seinem Kaffee. »Hast du dich zwischendurch verlaufen oder warum hast du so lange gebraucht?« Er saß in seinem Bürosessel mit dem Rücken zu dem Panorama, das die City von Domino so weit oben zu bieten hatte. Die Sonne ging gerade unter und malte Rotorange zwischen die Wolken. »Hey, ich – wow.« Seine Überheblichkeit verblasste, als ich einfach an ihm vorbeiging und meine Nase gegen die Fensterfront drückte. »Das ist echt cool.« Kaibas Blick folgte mir und schnaubte. »Das ist das Bürogebäude von Devlin.« Ich wandte meinen Blick zu Kaiba, der die Büros gegenüber betrachtete, als wären es Insekten, die er loswerden wollte. »Was? Achso, nee, ich meine das hier!« Und breitete meine Arme aus, um dann auf den Himmel zu deuten und das Licht und die Reflexionen der gläsernen Gebäude und die rotgelben Bäuche der Wolken und – »Ich sehe da lediglich, wie die Sonne untergeht, was heißt, dass ich wertvolle Zeit verschwende, während ich hier am Fenster stehe.« Die Begeisterung, die ich eben noch empfunden hatte, verpuffte mit seinen Worten. »Ich möchte das Ganze möglichst schnell hinter mir haben. Also setzen wir uns jetzt, besprechen unser Vorgehen und danach kannst du wieder gehen. Setz dich.« Er schritt an mir vorbei und mir stieg sein Geruch in die Nase, dieses komische Parfum, das er benutzt und dann der Duft des Kaffees, den er in einer Tasse mit sich trug, um sich auf dem Sessel niederzulassen. Diese Sitzecke fiel erst ins Auge, wenn man sich in Kaibas Büro umsah. Zuerst blickte man auf seinen Schreibtisch und den Bürostuhl, der inmitten des Raumes und vor der Fensterfront thronte. Danach erst rückten die Regale und Ordner ins Bewusstsein. Und eben diese Ecke, in der eine Couch und ein Sessel standen, rings um einen niedrigen Tisch herum, auf den Kaiba gerade seine Tasse abstellte. »Platz, Wheeler!« »Hä? Ich gebe dir gleich Platz!« »Nicht gleich, sondern sofort.« Er war es gewohnt, dass man seine Anweisungen ohne Widerworte ausführte. Ich verschränkte die Arme, stand neben dem Sofa und Kaiba, der seine Beine im Sessel überschlug und hörbar ausatmete. »Ich will auch nen Kaffee«, forderte ich und reckte mein Kinn. Kaiba fasste sich an seine Nasenwurzel und massierte sie, als spürte er, Kopfschmerzen aufblitzen. »Was genau hast du nicht an möglichst schnell hinter mir haben verstanden, Wheeler?« Doch statt auf meine Erwiderung zu warten, die mir schon auf der Zunge lag, griff er in seine Hosentasche, zog sein Smartphone heraus und drückte eine Schnellwahltaste. »Einmal Kaffee«, beorderte er an der anderen Seite der Leitung, während sein Blick mich fixierte. »Milch? Zucker?«, fragte er und ich reagierte nicht, weil ich erst zu spät begriff, dass er mir mir sprach, was mich ganz schön verdattert aus der Wäsche schauen ließ. »Bringen Sie es mit.« Er beendete das Gespräch und lehnte sich zurück, schaute mich an, als wartete er darauf, dass ich etwas von mir gab, was mich etwas irritierte. Ich wusste nicht, worauf das hinaus laufen sollte. »Du weißt, um was in dem Projekt geht?«, fragte ich ihn, weil mich diese Stille nervös machte, und ließ mich dann doch auf der Couch nieder. Es wäre nicht nur anstrengend, sondern auch ziemlich lächerlich gewesen, die ganze Zeit daneben zu stehen, wie bestellt und nicht abgeholt. »Ich nehme an, um etwas Künstlerisches, da es sich um ein Projekt in dem Schulfach Kunst handelt«, entgegnete er trocken, was mich meine Augen verdrehen ließ. »Es geht darum, was Vergängliches irgendwie – festzuhalten.« Ich erinnerte mich an das Thema und wie es unser Lehrer an die Tafel geschrieben hat. Kaiba nahm einen Schluck Kaffee, stellte die Tasse zurück auf den Tisch und schnaubte. »Abstrus. Paradox.« »Also wir sollen etwas malen oder herstellen oder wie auch immer, was irgendwie was mit Vergänglichem zu tun hat.« Er schnaubte schon wieder und ich geriet ins Stottern, was mich die Faust ballen ließ, weil es mich unendlich nervte. Ich fühlte mich, als wäre ich in einer Prüfung. »Also etwas Vergängliches. Das Leben. Ein Sonnenuntergang. Jahreszeiten. Die Zeit. Altern. Die Kindheit. Irgend so etwas. Das waren Beispiele, die Herr –« »Lächerlich.« Als wäre ich in einer Prüfung mit Kaiba als Prüfer. Ich hasste Prüfungen und ich hasste – »Was hast du dir vorgestellt, Wheeler? Mich als Kind im Sonnenuntergang? Im Frühling?«, höhnte er. »Gut, das war's«, erwiderte ich und erhob mich, was ihn seine Augenbrauen ebenfalls heben ließ. »Unser Zeug wird sowieso getrennt benotet. Ich tu mir das hier nicht an. Ich bin nicht hier, weil ich n Geschäft oder so mit dir machen will. Ich bin nur hierher gekommen, weil es sonst keiner aus der Klasse macht, Kaiba, und ich keine Angst vor dir hab. Aber du gehst mir jetzt schon so aufn Sack! Das wird nichts, also geh ich. Dann verschwende ich deine Zeit nicht und – mir viel wichtiger – meine auch net. Tschüss.« Kaiba war es gewohnt, dass man sich nicht traute, ihm in die Augen zu sehen, nicht wie ich, der ihm gerade entgegen funkelte. Dass man in seinen Arsch kroch, nicht wie ich, der ihn gerade den Buckel runter rutschen ließ. Er war gewohnt, dass sich Menschen zu ihm ins Büro schlichen, sich verbeugten und sagten »Ja, Herr Kaiba! Auf jeden Fall, Herr Kaiba!« Und nicht wie ich, der ihm sagte, wenn er ihn verdammt anpisste. In diesem Moment öffnete seine Sekretärin die Tür, um den bestellten Kaffee zu bringen. »Lassen Sie nur die Milch da, den Zucker können Sie wieder mitnehmen. Es ist ja schon Abend«, teilte ich ihr mit, zog meinen Rucksack über eine Schulter und schritt an ihr vorbei, raus aus Kaibas Büro, ohne zu ihm zurück zu sehen. Nicht, weil ich den Anblick gefürchtete hätte, sondern um ihm nicht noch eine bei seinem Gesichtsausdruck reinzuhauen. »Und er hat dich einfach gehen lassen?«, hakte Tristan nach und ich murrte. »Was hätte er denn sonst machen sollen? Mich von hinten erschießen?« »Dich verhaften lassen wegen – irgendetwas oder anzuklagen. Hat er dir das nicht einmal angedroht?« Wir saßen in der Mensa und verdrückten Unmengen an Pommes. Yugi schlurfte an einem Eistee und Tristan ließ einfach nicht locker, was die Sache mit dem Projekt betraf – oder besser: was die Sache mit Kaiba betraf. Ich schüttelte den Kopf. »Nö, bin ja dann einfach gegangen.« »Na, wenn er gewollt hätte, dann hätte er dich von seinen Bodyguards zurückschleifen lassen und hätte dich verprügelt oder so.« Ein Grinsen stahl sich auf Tristans Lippen, das so gar nicht zu seinen Worten passen wollte. Yugi schaute von dem einen zum anderen. »Was gibt es da denn zu lachen, hä?« »Nichts, nur – kannst du dir denn Kaiba vorstellen, wie er etwas bastelt oder –« Jetzt brach Tristan beinahe in Tränen aus, während er vergeblich versuchte, nicht zu lachen. »Oder mit dir zusammen malt?« »Ich weiß echt nicht, was daran so lustig sein soll«, entgegnete ich verstimmt. »Tristan hat das sicherlich nicht so gemeint«, warf Yugi ein, »es klingt nur amüsant, euch beide –« »Also gebt ihr Kaiba recht? Dass es abstrus ist? Lächerlich?« Ich war aufgestanden, blitzte sie an, fuchtelte mit der Gabel in der Hand, während ich sprach. »Hey, Kumpel. Langsam. Du stichst uns noch'n Auge aus – oder dir selbst.« Eigentlich hatten sie ja recht – also nicht das mit den Augen in erster Linie – mit dem, dass die Vorstellung, dass Kaiba und ich zusammen arbeiteten, ohne sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen, mehr als abstrus und lächerlich war. Aber es nervte mich. Es nervte mich so dermaßen, obwohl es doch schon jahrelang, schon immer so gewesen war. Es hatte mich doch nie gestört. Ich legte die Gabel hin und verschränkte die Arme vor meiner Brust. Es nervte mich, wenn Leute mich in Schubladen steckten – auch, wenn sie gar nicht so falsch liegen mochten. Wenn man erst einmal in so eine Schublade verfrachtet worden war, kam man kaum mehr raus. Dabei war man doch mehr als nur – ein Chaot, Faulpelz, Klassenclown, Verlierer. Aber so ganz aus seiner eigenen Haut konnte man auch nicht. Wenn das einer wusste, dann ich – und Kaiba. Vielleicht war ich zu früh gegangen. Kurz vor Beginn des Kunstunterrichts grummelte ich an meinem Platz vor mich her. Yugi und Tristan saßen rechts von mir und laberten etwas übers letzte Wochenende. Hinten in der letzten Reihe saß Kaiba – wie immer allein – und tippte auf seinem Laptop herum. Mit einem Blick auf meine Freunde, fällte ich meine Entscheidung. Ich packte mein Zeug ein, nahm meinen Ranzen, warf einen Träger über meine Schulter und schlenderte an den Platz neben Kaiba. Die Stille in der Klasse beherrschte plötzlich in den Raum. Yugi warf wir einen Blick zu und ein Lächeln, während Tristan ungläubig schaute. Kaiba schaute nicht auf, schenkte mir nicht einmal einen Blick, doch nach einer Weile begann wieder die allgemeine Betriebsamkeit in der Klasse. Es wurde gequasselt und gekichert und vom Wochenende und von Tests und von was weiß ich erzählt. »Was willst du hier, Wheeler?«, verlangte Kaiba zu wissen und schaute erst nach einigen Minuten von seinem Bildschirm auf. Also doch ein Blick – immerhin. »Am Ende wird das Zeug ausgestellt. Ich hab keine Lust drauf, der Außenseiter zu sein, der ohne Partner da rumhängt.« »Und das erzählst du mir, weil?« »Weil wir zusammen arbeiten sollen für das Projekt.« Ich kibbelte auf dem Stuhl, lehnte mich soweit nach hinten, dass ich kurz davor war, zu fallen. Kaiba stieß mich mit einem Ruck nach vorne, so dass ich wieder gerade auf dem Stuhl saß. »Hey – was –« Mit einer Geste mahnte er mich, die Klappe zu halten. »Lass es mich anders formulieren – warum sollte mich das Ganze interessieren?« Er schaute bereits wieder auf seinen Laptop und tippte etwas, als ihn meine Worte innehalten ließen. »Die anderen glauben alle, dass wir dran scheitern, zusammen zu arbeiten. Selbst Tris und Yugi.« Er warf mir einen abwägenden Blick zu, dann einen in die Klasse, all die Rücken, die sich vor uns in den Reihen auftaten und wir, die wir in der letzten Reihe das Schauspiel beobachten konnten, als wären wir kein Teil davon. Vielleicht setzte sich Kaiba deswegen grundsätzlich in die letzte Reihe, hier konnte er leichter so tun, als wäre er kein Schüler dieser Klasse. »Und du möchtest ihnen zeigen, dass sie sich irren? Warum?«, höhnte er. »Weil ich's kann«, entgegnete ich schlicht und erwiderte seinen Blick. Seine Brauen hoben sich und ich erwartete Spott, irgendeine Beleidigung, doch stattdessen überraschte er mich. Seto Kaiba schloss seinen Laptop und packte ihn zu Beginn des Unterrichts in seinen Aktenkoffer. Ich starrte ihn an. Seto Kaiba war es gewohnt, dass er bekam, was er wollte. Ich war das nicht. Aber ich ließ mich davon nicht beirren. Was uns verband war, dass wir uns beide nicht so einfach in Schubladen stecken, von anderen durchschauen und dressieren ließen. Wir waren immerhin keine Pferde – oder Hunde. Als Herr Nagato den Saal betrat, betrachtete er uns in der letzten Reihe mit einer gewissen Überraschung. Aber er forderte uns wie gewohnt auf, unser Material zu holen und wir begannen, an unseren Werken zu arbeiten – mehr oder weniger. »Zuerst macht man eine Skizze, Wheeler.« »Ich mach nie Skizzen.« »Das gehört zu transparenter Arbeit dazu.« »Na, und?« »Ohne Skizze – was machst du da?« Ich sah, wie unser Kunstlehrer vorne seufzte und Tris grinste oder Yugi mir zunickte, andere die Augen verdrehten oder stöhnten, aber das war mir egal. »Improvisieren.« »Du weiß nicht einmal, wie man das schreibt, Köter!« »Muss es auch nicht schreiben, Geldsack!« Kaiba war es gewohnt, dass man seine Anweisungen ausführte ohne Widerworte und schwieg, wenn es ihm nicht passte, dass man sprach. Aber es kam mir so vor, als zielte er nicht darauf ab, dass ich schwieg, sondern dass ich kläffte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)