Was wir sind von Jaelaki (Seto & Joey | Puppyshipping) ================================================================================ Kapitel 12: … ist ein Egoist ---------------------------- __________________________________________ Ein Egoist ist ein Mensch, der sich besser im Singular auskennt als im Plural. © Willy Meurer __________________________________________ Seto Kaiba war ein Egoist. Er teilte nicht, was ihm gehörte und sah es nicht ein, andere in sein Metier einzubeziehen. Wenn er half, dann nicht, weil er freundlich, sondern weil er ein berechnender Arsch war, der etwas im Gegenzug verlangte. Vielleicht traute sich deswegen niemand, ihn um Rat zu fragen. Denn jeder Rat kostete bei ihm unangemessen viel. Von der eigenen Ehre ganz zu schweigen. Kaiba war jemand, der es nicht verschleierte, dass ihm andere am Arsch vorbeigingen – es sei denn, sie konnten ihm etwas beschaffen oder er durch sie etwas erreichen. Die Ausnahme war allein sein kleiner Bruder. »Joey, bist du krank?« Mokuba musterte mich über den Esstisch hinweg und ich schüttelte den Kopf, obwohl mir die Qual wohl ins Gesicht geschrieben stand. Nachdem Kaiba gestern Zeuge meiner Schwäche – die nämlich die Schwäche meines Vaters war – geworden war, er aber bisher kein Wort darüber verloren hatte, pochte in mir das Misstrauen, dass er die dünne Kruste, die sich über dieser Fleischwunde bildete, abreißen würde, wenn ich nicht mehr daran dachte. Das war doch genau die Strategie, die Kaiba sonst an den Tag legte. »Nö, nicht krank. Hab nur keinen großen Hunger.« Das ließ Kaiba – also den älteren – schnauben. Ich stocherte weiter in meiner Pasta herum und warf ihm einen Blick aus zusammengekniffenen Augen zu, der ihn natürlich unbeeindruckt ließ, und zuckte die Schultern, während ich mich wieder Mokuba zuwandte. Manchmal hatte Mokuba Angst einflößende Ähnlichkeit mit seinem großen Bruder. Diesen Blick zu Beispiel, der einen unaufgefordert weiter erklären ließ, weil man hoffte, die Situation zu verbessern. »Übermorgen schreiben wir in Mathe 'ne Klausur und ich hab die Nacht durch gelernt und –« Nur, um es natürlich noch weiter zu verkacken. Am liebsten hätte ich meinen Kopf auf die Tischkante knallen lassen. »Mathe ist nicht so meins«, murmelte ich, um das Thema abzuschließen und grinste ihn verlegen an. Mathe war auch so eine Schwäche von mir – aber eine, die mir sonst gerne am Hintern vorbeiging. Trotzdem. Es war nicht leicht am Tisch mit zwei Genies über die eigenen Unzulänglichkeiten zu plaudern. Mokuba sah das offensichtlich ganz anders. »Warum fragst du nicht einfach Seto?« Mein Blick schnellte hoch und wahrscheinlich erging es Kaiba nicht anders. Jedenfalls trafen sich unsere Blicke und wäre es nicht Kaiba gewesen und ich, ich glaube, wir wären in Lachen ausgebrochen. »Weil – also –« Ich nicht Seto Kaiba um Hilfe fragte? Weil es das ungeschriebene Gesetz gab, dass wir nur dieses Projekt gemeinsam erledigen würde, um den anderen zu beweisen, dass wir konnten, wenn wir wollten, aber einfach normalerweise nicht wollten und deswegen nicht anders konnten? Oder hatte Kaiba dafür schon zu viel mitbekommen? Hatte ich schon zu viel von dem anderen Kaiba gesehen? Konnten wir uns noch in unserer Ignoranz dem anderen gegenüber verstecken? »Ich find' übrigens euer Bild zu dem Projekt richtig schön!« Ich verschluckte mich beinahe an meiner Apfelschorle. »Du hast das gesehen? Wo – ich mein, wieso?« »Seto hat es mir gezeigt. Joeys Bild ist natürlich richtig, richtig schön, nicht Seto?« Mokuba formulierte es als Frage, aber es klang, als wüsste er bereits, dass sein Bruder ihm darauf keine Antwort geben würde. Doch die Tatsache, dass Seto Kaiba das Bild seinem kleinen Bruder gezeigt hatte – Er erhob sich, ohne ein Wort, mit dem er auf Mokubas Behauptung eingegangen wäre, und bedeutete mir, ihm zu folgen. Warum war es so wichtig, den anderen zu beweisen, dass wir konnten und wollten, wenn wir konnten und wollten? Er saß an dem Schreibtisch in seinem Büro zu Hause und ich tigerte durch den Raum, seufzte und schnaubte ab und zu, blieb immer wieder vor unserem Werk stehen, nur um dann wieder durch den Raum zu schreiten. Irgendwann drehte Kaiba sich genervt um und schaute mich an. Mit diesem Blick. Es stimmte. Mokuba hatte Recht. Das Bild, das wir geschaffen hatten – zwei Zeichnungen auf zwei Papieren, die doch so gestaltete waren, dass sie insgesamt ein Bild ergaben – war ausdrucksstark. Es bot alles, was die Aufgabe verlangte und – meiner Meinung nach – noch darüber hinaus, denn es war so intim, dass ich den Gedanken, dass unsere Schulkameraden es sehen würden, unangenehm empfand. Es störte mich. »Es ist nur – ich mein –« Ich verstand nicht, warum es ihn scheinbar nicht störte. »Ich will nicht, dass –« Es jeder sehen konnte. Es war zu privat und die Wunden zu tief. »Stört es dich denn nicht? Ich meine – normalerweise bist du soooo auf deine Privatsphäre bedacht.« »Ich habe es anonymisiert.« »Anony- wo? Was?« »Das bedeutet, dass man charakteristische Gesichtszüge entfernt. Keine privaten Details, anonym.« »Ich weiß, was anonymisieren bedeutet«, brummte ich. »Gut«, sagte er. Es klang wie »Ich weiß, dass du nichts weißt«. »Ich habe bereits digital ein paar Sachen ausprobiert«, fuhr er fort und öffnete das entsprechende Dokument auf seinem Laptop. Ich starrte es mit offenem Mund an und konnte mich nur mit Mühe davon abhalten, auch ihn so anzugaffen. »Du hast es – animiert?« »Mir war langweilig.« »Ich dachte, du hast eine Firma zu leiten?«, zog ich ihn auf. »Es gibt langweilige Besprechungen, Wheeler, und es gibt langweilige Schulstunden. Eigentlich gibt es die sogar häufiger als nicht-langweilige.« »Das heißt, du hast das während des Unterrichts gemacht? Sitzt du deswegen immer in der letzten Reihe? Spielst du da auch Minesweeper? Oder was machst du sonst in den gaaanzen langweiligen Stunden?« »Ich arbeite, Wheeler, immerhin habe ich eine Firma zu leiten.« Ich betrachtete ihn von der Seite. Trotz seines ernsten Tonfalls sah ich, wie seine Mundwinkel zuckten, ehe er sich räusperte und – wie er das gerne tat – die Ergebnisse unserer Zusammenarbeit zusammenfasste. Ich glaubte, dass das eben so etwas wie ein Scherz gewesen war – so eine Art scherzhafte Bemerkung zumindest. Kaibas Humor war unterschwellig. »Wir geben also erstens diese bearbeitete Version ab und zweitens die animierte. Das heißt, –« »Wir brauchen diese da nicht«, schlussfolgerte ich und betrachtete unsere Zeichnungen. »Genau.« »Kann ich – kann ich sie haben?«, fragte ich und deutete auf seine Zeichnung meiner Familie und er folgte meinem Fingerzeig und schwieg einen Moment. »Wenn ich deine Zeichnung haben kann.« Meine Augenbrauen schnellten nach oben. »Mokuba hat danach gefragt.« »Natürlich.« Er fixierte mich einen Moment. Vielleicht war meine Skepsis doch nicht so unterschwellig gewesen, wie sein Humor oder wie ich gedacht hatte. Aber scheinbar besänftigte ihn mein trotteliger Blick. Jedenfalls wäre ich bei seiner nächsten Frage beinahe über meine eigenen Füße gestolpert. »Gut. Nachdem das geklärt ist – welche konkreten Aspekte bereiten deinem Hundegehirn in Mathematik noch Probleme, Hündchen?« Am übernächsten Morgen saß ich auf meinem Platz in der Schule, bevor Yugi und Tristan auf ihren saßen, was mir einige Blicke einbrachte. »Ooookay«, meinte Tristan und betrachtete mich, als wäre ich ein Objekt, das er wissenschaftlich untersuchen sollte, »was genau ist dir im Schlaf auf deine Rübe gefallen, Kumpel?« »Wir schreiben eine Klausur, Tris. Oder haste das vergessen?« Er schnaufte amüsiert. »Das wird schon, Joey«, redete mir Yugi gut zu. Als unser Mathelehrer uns die verdeckten Aufgaben zur Klausur austeilte, wandte ich mich für einen Moment nach hinten und warf Kaiba einen Blick zu. Ihn ohne seinen Laptop dort sitzen zu sehen war seltsam und vielleicht war es dieser Umstand – das Unbeschäftigtsein in den Minuten kurz vor einer Klassenarbeit – der dazu führte, dass er meinen Blick erwiderte. Er nickte mir knapp zu. Und während ich mich wieder nach vorne drehte, zog ein Grinsen an meinen Lippen. Vielleicht konnte ich es doch schaffen. »Uuuund?«, wollte Tristan wissen, nachdem wir aus dem Klassensaal schlenderten, Yugi in unserer Mitte. Ich streckte mich, horchte in mich hinein. Es war bestimmt keine überragende Arbeit, aber – »Ich denke, es war gar nicht so beschissen«, verbalisierte ich mein Bauchgefühl und grinste. Tristan erwiderte es mit einem Schlag gegen meine Schulter. Yugi lächelte. Kaiba schritt hinter uns, als wäre er in Eile. Vielleicht war er das, vielleicht tat er nur so, weil er sich so wichtig fühlte. »Ich hoffe, Köter, dass du meine Zeit nicht vergeudet hast. Immerhin habe ich eine Firma zu leiten und keine Zeit, um mit Flohschleudern zu spielen«, warf er mir an den Kopf und zog an uns vorbei, ohne uns noch eines Blickes zu würdigen. »Was willst du eigen-« Ich hielt Tristan mit einer Handbewegung zurück. »Ist schon okay«, murmelte ich ihm zu und betrachtete Kaibas Rücken, der sich von uns entfernte und hinter der nächsten Ecke verschwand. »Was sollte das denn? Er kommt an, beleidigt dich und du bleibst so ruhig?« Das Erstaunen in Tristans Stimme war unüberhörbar, doch Yugis Augen fixierten mich, als wüsste er, dass das nicht alles war. »Ich glaube nicht, dass das nur eine Beleidigung war«, mutmaßte er und ich zuckte die Schultern. Vielleicht war das wirklich Kaibas Version von »Ich hoffe, die Klausur ist bei dir gut gelaufen«, aber dafür war er eigentlich ein zu großer Egoist. Am selben Tag war ich einige Stunden später im Begriff mich von Mokuba zu verabschieden. Es war das letzte Mal, dass Kaiba und ich uns wegen des Kunstprojektes bei ihm zu Hause hatten zusammensetzen müssen. Jetzt lag unser Werk da und zeugte davon, dass wir konnten, wenn wir wollten, aber meistens eben nicht wollten und deswegen nicht anders konnten. »Wann kommst du mal wieder rüber, Joey?« Mokuba besaß die Fähigkeit, dass es sich anhörte, als läge zwischen unseren Leben keine Welten, als wäre es unkompliziert und als wäre ich jederzeit willkommen. »Ich – ähm – also – weißt du –« Mein Stottern ließ mein Grinsen auch nicht wirklich intelligenter wirken. »Seto, er kann doch einfach mal wieder zum Abendessen kommen, nicht?«, wandte sich Mokuba an seinen Bruder, der sich gerade den Mantel anzog, um mich nach Hause zu fahren. Ich zwang mich ungelenk in meine Jacke, als könnte ich mich so von seiner Erwiderung ablenken. Es war mir natürlich egal, dass er es verneinen würde. Seinen Blick spürte ich trotzdem, als verbrannte er meine Fingerkuppen, als würden sie deswegen so ungeschickt den Reißverschluss schließen. »Wir werden sehen.« Meine Pupille weitete sich, mein Blick schoss zu ihm. Aber er ignorierte mich, öffnete die Tür und bedeutete mir, ihm zu folgen und ihm nicht seine wertvolle Zeit zu stehlen, immerhin hatte er eine Firma zu leiten. Er tat so, als hätte er eben nicht die Möglichkeit zugegeben, dass ich einfach mal wieder zum Abendessen kommen könnte. Kaiba war jemand, der es nicht verschleierte, dass ihm andere am Arsch vorbeigingen – es sei denn, sie konnten ihm etwas beschaffen oder er durch sie etwas erreichen. Er war ein Egoist durch und durch. Sein Ego so groß, dass es mitunter aus ihm herauzuplatzen drohte. Die Ausnahme war allein sein kleiner Bruder. Wenn Mokuba etwas wichtig war, dann war es das auch für Kaiba. Die große Frage war nur, warum es Mokuba wichtig war, dass ich sie ab und zu besuchte. Und die noch größere, warum ich nicht behaupten konnte, dass es mir egal war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)