Was wir sind von Jaelaki (Seto & Joey | Puppyshipping) ================================================================================ Kapitel 21: … ist kundenorientiert ---------------------------------- __________________________________________     Ein gut beratener Kunde hat einen großen Bekanntenkreis – ein schlecht beratener kennt die halbe Stadt! © Marc Borlinghaus   __________________________________________           Seto Kaiba war ein Stratege, der die Entwicklung des Marktes im Auge behielt und prognostizieren konnte, seitdem er elf Jahre war. Sein Führungsstil zeichnete sich durch Strenge und Klarheit aus. Trotz anders lautender Gerüchte trat er seinen Mitarbeitern gegenüber fair auf, denn er wusste, dass der Erfolg eines Unternehmens mit treuen Beschäftigten stieg und fiel. Er arbeitete zudem kundenorientiert. Was in seinem konkreten Fall bedeutete, dass er sich so wenig wie möglich persönlich um deren Belange kümmerte. Dafür hatte er ja Mitarbeiter, auf die er zählte.   »Ein Turnier?«, hakte Yugi nach. »Ja, Mokuba meinte, Kaiba hätte dir schon die Einladung zusenden lassen, aber Mokuba wollte dich auch persönlich fragen, deswegen war er hier.« Yugi nickte, während wir hinten im Garten saßen und Wassereis verschlangen. Neben uns plätscherte der Teich, irgendwo hupte ein Auto, aber ansonsten herrschte Ruhe. »Achja, wie sieht's aus, Joey? Wir wollten doch mal wieder einen Spielabend machen, nicht?« Ich nickte, schlürfte abwesend mein Eis und lehnte mich mit dem Rücken an den Baum. »Warum hört es sich so an, als gäbe es gleich noch den Haken?«, murmelte ich, was Yugi dazu veranlasste, mir in die Seite zu pieksen. »Es gibt keinen Haken«, behauptete er. Nach einem Moment der Stille, erhob ich mich, reichte Yugi meine Hand, die er ergriff, um sich hochziehen zu lassen. »Ich mach mich wieder Richtung Krankenhaus auf«, verabschiedete sich Yugi und ich nahm meine Position bei der Ladentheke ein. Als er an der Tür war, das Schild auf geöffnet umdrehte, teilte er mir mit einem Lächeln mit:»Tristan kommt natürlich auch.« Und verschwand. Mit einem Grummeln ließ ich die Verpackung des Wassereises in den Mülleimer segeln. Ich wusste nicht mehr, was schlimmer war: Kaiba als Praktikant oder Tristan als Mitspieler. Und warf den Fangirls und -boys vor dem Laden einen düsteren Blick zu.   Am späten Nachmittag – Kaiba hatte sich seit ein paar Stunden mit Herrn Muto in dessen Büro verzogen – stieß er plötzlich die Bürotür auf, was mich hochschrecken ließ. »Ich nehme an, du kannst – deinem Niveau entsprechend – mit Technik umgehen.« Kaiba stellte keine Fragen (oder leitete ein Gespräch durch eine höfliche Floskel ein), er befahl, als könnte er seine Forderungen einfach so mit diesem Ton zur Realität werden lassen. »Ähm – joar«, erwiderte ich irritiert, seine subtile Beleidigung durchaus registrierend, und warf Yugis Großvater einen Blick zu, in dem eindeutig stand:»Was zur Hölle?« Doch Kaiba zwang mich, ihm sofort wieder Aufmerksamkeit zu zollen, indem er mir ein Tablet in die Hände drückte, was mich ziemlich dumm schauen ließ. »Du wirst den Bestand dort in das Programm eintragen. Danach wirst du festhalten, welche Produkte in den letzten vier Wochen gut verkauft wurden, Herr Muto geht die Finanzen durch und anschließend –« »Hey! Moment!«, unterbrach ich seine Befehle, was mir einen genervten Blick von ihm einbrachte. »Was hat dich vom Praktikanten zum Chef mutieren lassen, hä?« »Herr Muto stimmte mit mir darin überein, dass die Finanzen des Ladens – sagen wir – schon einmal bessere Tage erlebt haben. Eine Umstrukturierung wird –« »Warte!«, knurrte ich verstimmt. »Wir sind hier nicht in deiner ach-so-tollen Firma!« »Genau das ist das Problem«, erwiderte Kaiba süffisant. »Joey, ein bisschen Hilfe sollten wir nicht ausschlagen«, schlug Herr Muto einen versöhnlichen Ton an und nahm mich zur Seite. »Du weißt, dass dieser kleine Laden einen schweren Stand hat und –« »Und deswegen tanzen wir nach seiner Pfeife? Wir schaffen das schon! Auch ohne den!«, fragte ich aufgebracht und schaute griesgrämig über die Schulter des älteren Mannes zu Kaiba, der dastand, mit Hemd und Krawatte, als würde er gleich zu einem Geschäftsessen gehen. Herr Muto lächelte mich an und es war wahrscheinlich die Tatsache, dass mich sein Blick so sehr an Yugis erinnerte, den er mir zuwarf, wenn ich etwas Offensichtliches übersah, etwas Naheliegendes noch nicht begriff, dass ich innehielt und seinen nächsten Worten trotz des Ärgers in meinem Bauch lauschte. »Es wäre ziemlich dumm, seine Hilfe aus falschem Stolz heraus auszuschlagen. Überhaupt sollte uns Stolz nicht im Wege stehen, wenn es um wichtige Dinge geht. Findest du nicht?« Ich hatte das Gefühl, dass er nicht nur von dieser Sache sprach.   »Nein! Letzten Satz löschen – nein, verdammt, letzte zwei Sätze lö- ach, oh, Mann, ich schreib's einfach«, verzweifelte ich an der Spracherkennung und tippte die Produktnamen einfach selbst ein. Wir standen im Lagerraum und während ich den Bestand in das Tablet übertrug, verzeichnete Kaiba eine neu eingetroffene Ladung von Spielen. Ein Großteil stammte direkt aus der Kaiba Corporation. »Bei deiner Aussprache ist es ein Wunder, dass der Computer überhaupt die Sprache erkannt hat«, klatschte mir Kaiba um die Ohren, was mich knurrend aufschauen ließ. »Du könntest auch helfen«, erwiderte ich grimmig. »Es ist meine Idee, die hilft, diesen Laden aus der Versenkung zu hieven.« »Schön«, schnaufte ich, hörte die Klingel aus dem Verkaufsraum und grinste ihn gehässig an, »dann übernimmst du aber die Kunden.« Vielleicht wollte er sich eine Diskussion sparen oder aber er dachte wirklich, dass letzteres die günstigere Option für ihn war, jedenfalls verschwand er durch die Tür Richtung Verkaufsraum und ließ mich erst überrascht, dann genervt zurück. Das aber auch nur für knapp zehn Minuten, denn dann hörte ich, wie ein Schluchzen vom Verkaufsraum zu mir drang. Ich spitzte die Ohren. Eindeutig. Da war es wieder. Also legte ich den Karton zur Seite und verließ den Lagerraum zügig (und mit einer gewissen Neugier).   Als erstes sah ich ein Mädchen, das mich neben seiner aufgebrachten Mutter mit verquollenen Augen anblinzelte, dann schwenkte mein Blick zu Kaiba, der mit versteinerter Mimik der Situation nur beizuwohnen schien. »Was ist denn passiert?«, raunte ich ihm zu, schenkte dem Kind ein breites Lächeln und beschwor, dass alles wieder gut werden würde. Was auch immer alles war. »Ich erklärte ihr, dass wir beschädigte Ware nur zurücknehmen, wenn es sich um einen Produktionsfehler handelt – und das ist eindeutig keiner.« Das Mädchen hielt eine Sammelfigur in der Rechten, deren Flügel abgebrochen war. In der anderen Hand hielt sie ein Stück Flügel. »Aber –«, wimmerte das Mädchen und sah mich an, »jetzt kann die Fee nicht mehr fliegen, Joey.« »Abgesehen davon, dass die Figur rein physikalisch auch davor nicht in der Lage dazu war«, begann Kaiba kühl, doch ich unterbrach seine Belehrung, in dem ich einen Sekundenkleber aus der Schublade kramte, dem Mädchen die Figur aus den Fingen nahm und den kleinen Flügel an den Körper der Fee klebte. Die Augen des Mädchen weiteten sich, dann glänzten sie, als ich ihr noch eine Verpackung mit einer weiteren Feenfigur entgegenhielt. »Pass gut auf die beiden auf, Yuna.« Sie nickte eifrig und ihre Mutter bedankte sich mehrmals, während sie ihre monatliche Bestellung an Puzzles, Kreide und Ersatzfiguren für bekannte Gesellschaftsspiele aufgab. Als die beiden gegangen waren, blitzte ich Kaiba an. »Sie ist die Leiterin der Kindertagesstätte ein paar Straßen weiter. Hast du eigentlich –« »Es war kein Produktionsfehler. Das Mädchen hat die Figur eindeutig fallen lassen«, warf er ungerührt ein und ließ mich stehen. Wahrscheinlich war es wirklich besser, Kaiba von Kunden fernzuhalten.   »Ihr seid ja immer noch hier«, begrüßte uns Yugi am frühen Abend, steckte seinen Kopf durch die Tür zum Lager und ich schaute auf die Uhr. »Oha, ja, ich – hab irgendwie die Zeit vergessen«, murmelte ich und senkte meine Hand mit dem Tablet, während Kaiba von irgendwelchen Unterlagen aufsah, die er mit den Spielen verglich. »Wo ist Großvater?«, fragte Yugi und ich schaute verwirrt zu Kaiba, der meinen Blick wortlos erwiderte. Eine Antwort seinerseits war wohl wirklich der Höflichkeit zu viel. »Ähm –« Oder auch nicht. »Er ist sicherlich noch in der KC«, entgegnete Kaiba, als wäre das ganz normal. Meine Augenbrauen schossen nahe an meinen Haaransatz. Yugi überspielte sein Erstaunen eleganter und fragte lediglich:»Wirklich? Was wollte er denn da?« »Ich habe eine hervorragende Finanzabteilung«, erklärte Kaiba kurzangebunden. Yugi und ich tauschten einen Blick. »Ahja, also – Joey, wie war das eigentlich? Wie wäre es dieses Wochenende mit unserem Spieleabend?« Der Themenwechsel brachte mich dazu, über meine eigenen Worte zu stolpern. »Ja, also – mh – joar, warum nicht? Dann hauen wir uns Eis ohne Ende rein und zocken.« Yugi stimmte zu und wandte sich an Kaiba. »Wie sieht es aus? Hast du Lust –« Mit jedem seiner Silben weiteten sich meine Pupillen, während sich Kaibas Augen verengten. Doch bevor Yugi die Katastrophe durch seine Frage provozieren konnte, klingelte Kaibas Smartphone. Er zog es aus seiner Hosentasche und antwortete ohne eine Begrüßung. »Ja, ich bin unterwegs. Entschuldige. Ja, es ist alles okay. Bis gleich.« Mit einem Blick, der sagte, dass diese Frage besser unbeendet blieb, schnappte er sich seinen Aktenkoffer und rauschte aus dem Laden. Meine Augen klebten an der Tür des Lagerraums, schnellten dann zurück zu Yugi, ehe ich ihn fragte, als würde ich mit einem psychisch labilen Patienten reden:»Wolltest du gerade echt Seto ich-bin-ein-arroganter-Großkotz Kaiba zu unserem genialen Spieleabend einladen? Bist du noch ganz – hast du – bist du verrückt?« Yugi hatte die Nerven, mir ohne Schuldbewusstsein entgegen zu blinzeln. »Ich glaube, Joey, dass das eine gute Idee gewesen wäre.« »Da müssen wir aber nochmal diskutieren, was gute Idee überhaupt heißt«, schnaufte ich.   Wochenende hieß eine Pause vom Alltag. All die Menschen, die mich sonst nervten (insbesondere Kaiba und achtzig Prozent der Lehrer) wusste ich weit weg von mir. Stattdessen durfte ich meine Zeit mit wirklich wichtigen Menschen verbringen. Normalerweise war das eine Garantie für ein paar super gute Stunden. Stattdessen schritt ich in meinem Zimmer auf und ab und rang meine Finger. Der Gedanke, Tristan gegenüberzutreten war alles andere als super. Mich durchbohrten zwei Gefühle. Da war Ärger – und Scham.   Ich klingelte an der Hintertür, dort, wo man über eine Wendeltreppe gleich in die Wohnung der Mutos gelangte, die über den Geschäftsräumen lag. Yugi begrüßte mich mit einem traurigen Lächeln. »Tristan hat abgesagt.«   Wir saßen in Yugis Zimmer und ich konnte nicht anders als ein schlechtes Gewissen zu haben. Irgendwie war es meine Schuld. Das hieß natürlich nicht, dass Tristan keine traf. Statt eines lustigen Abends saßen wir stumm nebeneinander und schauten fern. »Ich mein – so schlecht ist es doch nicht. Haben wir halt einen entspannten Abend zu zweit«, versuchte ich Yugi aufzumuntern. Er schaute mich an und ich fragte mich, wann ich zu dem Optimisten unseres Gespanns mutiert war. »Vielleicht hast du Recht«, seufzte Yugi, doch sein Ton erzählte etwas Anderes und bei seinen gesenkten Schultern und den hängenden Mundwinkeln, nahm ich mir fest vor, die Sache mit Tristan zu klären. Sachlich und erwachsen.   Das Praktikum mit Kaiba entwickelte eine Routine, die ich niemals von uns erwartet hätte. Während er das ganze Zeug übernahm, das ich sonst gerne bis zuletzt aufschob (vorzüglich das, was mit Rechnungen und Verträgen zu tun hatte), überließ er mir alles, was mit direktem Kundenkontakt zu tun hatte. Als ich von der Theke aufsah, wo ich gerade das Formular für Werbematerial bei der KC ausfüllte, schob sich ein wohlbekanntes Gesicht vor meine Nase.   »Was machst denn du hier?«, fuhr ich ihn an. Tristan zuckte die Schultern. »Ich treff mich mit Yugi. Ist er schon da?« Diesmal zuckte ich die Schultern. »Er müsste gleich kommen. Arbeitet normalerweise immer ein bisschen länger im Krankenhaus.« Wir sprachen miteinander, als würden wir uns nur oberflächlich kennen, wie Nachbarn, die sich nur grüßten oder mit dem Apotheker, dessen Name man nicht einmal wusste. »Sonst noch was?«, fragte ich. Er schüttelte den Kopf und drehte sich um, schlenderte durch den Laden. Ich rieb mir über die inneren Augenwinkel, als könnte ich so eine klare Sicht auf die Situation bekommen. Jetzt wäre die Möglichkeit. Sachlich und erwachsen. Keine Eskalation.   »Hör zu«, wollte ich sagen, »die ganze Sache ist doch blöd. Sorry, Alter, lass uns –« Irgend so etwas. Ein paar Worte, die diese Distanz durchbrachen. Stattdessen kritzelte ich in dem Formular herum und schwieg. Yugi tauchte auf, begrüßte mich und Tristan, ließ seinen Blick zwischen uns hin und her wandern, sagte aber nichts dazu und verabschiedete sich wieder, Tristan folgte ihm, murmelte ein »Jo, dann« und ließ mich in dem Geschäft zurück, ohne mich nochmals anzusehen.   »Bist du langsam fertig damit?« Ich fuhr zusammen, als Kaibas Stimme hinter mir erklang, mein Blick huschte zu ihm. Er stand da, lehnte am Türrahmen, die Arme vor der Brust verschränkt, dann wanderten meine Pupillen wieder zu dem Dokument. Ich schob meine Lippen vor, kratzte mich mit dem Ende des Stifts in meiner Hand an der Schläfe. »Ja, hab's ausgefüllt.« »Ich meinte, mit dem infantilen Gehabe«, stellte er klar. »Was weißt du schon«, grummelte ich. »Infantil bedeutet übrigens kindisch, Wheeler. Was dein Verhalten gegenüber Taylor auf den Punkt bringt.« »Seit wann bist du der Experte für Freunde, hä?«, höhnte ich, schnaubte und schaute dann auf die Uhr. »Ist schon spät, solltest deinen Bruder nicht schon wieder warten lassen.« »Und seit wann bist du der Experte für Brüder?«, fragte er trocken. Ich blieb ihm eine Antwort schuldig, warf ihm nur einen düsteren Blick zu. Vielleicht war das auch Antwort genug. Mir kam es jedoch so vor, als amüsierte er sich lediglich darüber. Er nahm seinen Mantel von der Garderobe im Zwischenzimmer – den er trotz hochsommerlicher Temperaturen immer mitnahm – zog ihn sich drüber und hielt mir dann seine Hand auffordernd entgegen. Ich starrte sie an, dann seine Mimik. Seine Augenbrauen wanderten Richtung Haaransatz. »Das Formular«, verbalisierte er seine Geste und ich verstand endlich, was er wollte. Mit einem genervten Seufzen drückte ich ihm das Papier in die Finger. Als gäbe es nichts Wichtigeres. »Mokuba lädt dich diesen Samstag zum Essen ein. 18 Uhr. Sei pünktlich, Wheeler.« Mit diesen Worten ließ er mich in dem kleinen Laden stehen.   »Was meinst du mit ich bin auch eingeladen?«, fragte ich ungläubig. Yugi streckte sich und ließ seinen Blick in die Äste des Baumes wandern, unter dem wir saßen. Es war Mittag und die Sonne brannte auf das Gras. Wir hatten uns in den Schatten geflüchtet und sahen den Fischen beim Schwimmen zu. »Samstag, 18 Uhr. Ich bin eingeladen zum Essen wegen – diesem Turnier.« Ich warf ihm einen Blick zu. »Und was soll ich dann da?«, verlangte ich zu wissen, als ob Yugi mehr wüsste als ich. Er schaute mich mit seinen großen Augen an und zuckte die Achseln. »Vielleicht weil du mitmachen willst?« »Will ich nicht«, grummelte ich. »Und überhaupt. Kaiba hat diesen Befehlston drauf, bei dem ich kotzen könnte. Am besten ich sag einfach ab. Soll er gucken, was er bekommt, wenn er mich so behandelt.« Yugi seufzte, vielleicht, weil er nichts dagegen einwenden konnte. Kaiba hatte nun einmal diese Art an sich. »Mit einem hat er aber recht«, behauptete er und ich horchte auf. »Du könntest die Sache mit Tristan langsam mal klären.« »Hä? Das hat er doch gar nicht gesagt«, erwiderte ich und obwohl es wie eine Tatsache klingen sollte, hörte es sich eher wie eine Frage an.   Am nächsten Tag fixierte ich Kaiba, während er den Aktenkoffer im Zwischenraum abstellte, seinen Mantel an die Garderobe hing und den Laptop aus seiner Tasche zog. »Ich komm nicht«, warf ich ihm einfach an die Stirn, ohne Begrüßung, ohne Floskel, ganz so, wie er es auch selbst gerne machte, »ich meine wegen Samstag.« Und konnte förmlich sehen, wie er sich aufrichtete, seinen Laptop in den Fingern, um mich dann mit seinem Blick in den Boden zu stampfen. »Wheeler«, knurrte er und für einen Moment befürchtete ich, dass er mich mit dem Gerät in den Händen verprügeln würde. Ich straffte meine Schultern. »Wirklich mal«, unterbrach ich ihn, ehe er hätte anfangen können, »was soll ich da überhaupt. Es geht doch um dieses Turnier, nicht?« Ich wappnete mich für den Sturm, der gleich über mich hinweg fege würde. Ich sah es schon in Kaibas Augen. Das Eis und die Zerstörungswut. Wie ein Blizzard. »So sehr ich es auch begrüße, dass du deine fehlende Kompetenz angemessen einzuschätzen weißt«, scharrte er, »hat sich Mokuba in dem Irrglauben verloren, dass deine Anwesenheit sich positiv auf die Gespräche auswirken könnte. Du repräsentierst einen Faktor, den absolut durchschnittlichen Kunden, den das Turnier darauf aufmerksam machen soll, das Spiel zu erwerben.« Durchschnittlich klang wie eine Beleidigung aus Kaibas Mund. Ich verschränkte meine Hände vor der Brust, reckte mein Kinn, ehe ich mich umwandte. »Du kannst mich mal. Such dir doch einen anderen durchschnittlichen Faktor.«   Die nächsten Tage zogen an mir vorbei. Ich zählte sie, als erwartete mich eine Prüfung, für die ich keine Zeit hatte zu lernen. Ich versuchte es zu ignorieren, aber das Treffen Samstag war in mein Hirn eingebrannt. Obwohl ich Kaiba schon abgesagt hatte, erinnerte ich mich immer wieder, warum ich nicht kommen würde, diskutierte mit mir, ertappte mich dabei, wie ich aus dem Fenster starrte und mir vorstellte, was bei diesem Essen herumkommen würde. Umso zerknirschter schaute ich auf, als freitags ein Wuschelkopf in das Geschäft marschierte und mich mit der ganzen Sache konfrontierte. »Hey, Joey!“, begrüßte mich Mokuba und ich teilte ihm sofort mit, dass sein Bruder gleich fertig sein müsste, gerade noch kurz im Lager verschwunden war. »Ich wollte sowieso mit dir reden.« Ich betrachtete ihn neugierig, während ich eine Zeitschrift über die Neuerscheinungen auf dem Games-Markt in meinen Händen senkte. »Was gibt’s?« »Hat Seto dich für morgen wirklich eingeladen?«, wollte Mokuba wissen. Ich nickte langsam. »Also – er meinte eigentlich, dass du mich einladen wolltest. Aber wie auch immer – ich habe schon abgesagt.« Er zuckte die Schultern. »Reine Formsache«, erklärte er und ich runzelte meine Stirn, was er aber nicht weiter kommentierte. »Also – ich hab vorgeschlagen, dass wir grillen. Diese Treffen werden total schnell langweilige Geschäftsessen. Und – ich hab gehofft, wenn du dabei bist – also – dass wir grillen und so – weißt du, so als wären wir alle – befreundet.« Nach einem Moment Stille, seufzte ich. »Und hast du das Kaiba auch so gesagt?« Mokuba hob seine Augenbraue. »Hast du ihn schon einmal mit Kunden erlebt?«, fragte er statt zu antworten. Ich schnaubte, meine Mundwinkel zuckten. Mokuba nahm es als Bejahung. »Ich habe ihm gesagt, dass es sich positiv auf die Kundenorientierung auswirken könnte. Ich glaube einfach, dass er das einfacher schlucken kann, als die Tatsache, dass er dich mag und ein Abendessen mit dir einfach so viel besser wird, als ein blödes Geschäftsessen mit langweiligen Geschäftsleuten.« Mein Kiefer klappte auf und ich war dabei lautstark zu protestieren, als mich Mokuba mit einfachen Worten verstummen ließ. »Ah! Großer Bruder, da bist du ja!«   Ich drehte mich zu den beiden um. Mokuba drängte sein Gesicht an Kaibas Oberkörper, lächelte, während Kaiba ihn mit einer Hand an sich drückte, in der anderen seinen Aktenkoffer. Ich schob meine Lippen vor, wusste schon jetzt, dass ich es wahrscheinlich bereuen würde. »Dann bis morgen«, seufzte ich. Kaibas Blick fing meinen auf. Seine Lippen kräuselten sich. Mokuba strahlte. Ich nickte den beiden zu und verzog mich hinter die Theke, hob das Magazin in meinen Fingern wieder vor meine Nase.   Kaibas Kundenorientierung zeichnete sich durch ein Ausweichen an persönlichem Kundenkontakt aus. Dafür hatte er ja seine Mitarbeiter. Die Sache war, dass er nicht mit seinem Bruder gerechnet hatte. Oder mit mir.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)