Was wir sind von Jaelaki (Seto & Joey | Puppyshipping) ================================================================================ Kapitel 30: ... ist ein Kämpfer -------------------------------     __________________________________________   Im Krieg sucht der siegreiche Stratege den Kampf nur, wenn der Sieg ihm schon sicher ist. Wohingegen der Kämpfer nur die ersten Schlachtgewinne sucht, und dann erst den Sieg. Aus China   __________________________________________           Seto Kaiba lag mit vielen seiner Meinungen falsch. Er erwartete zu viel von sich und meistens auch von seinen Mitmenschen (wenn er sie nicht ignorierte). Wenn er eine Ansicht vertrat, dann zog er die Konsequenzen mit durch. Er beugte sich nicht der Mehrheit, wenn er anders dachte und er zog sich nicht zurück, wenn er glaubte, kämpfen zu müssen. Er schreckte nicht davor zurück, Menschen fertig zu machen, sie bloß zu stellen und zu erniedrigen. Aber er verfolgte die Prämisse, wenn er auf sein Tun zurückschaute, nicht aufzugeben, nur weil ihn Hindernisse zurückwarfen. Und vor allem strebte er danach, nichts zu bereuen.   »Kaiba!« Er stieg gerade in das Auto, dessen Tür Roland aufhielt. »Kaiba! Verdammt!« Ich rannte, rief und verfluchte seine Ignoranz. Meine Füße beschleunigten die Schritte. Meine Wut wuchs im Bauch. Dieser Penner. Ich hatte Probleme. Ich durfte down sein. Es war mein gutes Recht! »Ich bade nicht im Selbstmitleid, du verdammter Geldsack!« Er schloss die Tür. Ich kam am Wagen an und klopfte gegen die Scheibe. Zorn schoss in meine Finger. »Kaiba, verdammt nochmal!« Das Auto fuhr an und er ließ mich stehen. Schon wieder. Ich verfluchte ihn und seine bescheuerte Art, seine Besserwisserei und seine Arroganz. Und seine Worte. Das Flüstern, das in meinem Kopf steckte und mich daran erinnerte, wie sanft seine Stimme klang, wenn sie nicht vom Spott durchzogen wurde. Der Duft seines Mantels und sein Blick. Meine Hände krallten sich in meine Haare, ich riss mein Gesicht nach oben und verfluchte seine Stimme, seinen Mantel und seinen Blick. Das Auto fuhr rechts ran und hielt. Ich starrte den Wagen an, wartete auf – etwas, was ich nicht vorhersagen konnte. Kaiba stieß die Tür auf und ich machte ein paar Schritte daraufhin zu, zögerte, hielt inne und schlenderte weiter, bis ich neben ihm stand. Er saß ihm Auto. Die Beine übereinander geschlagen, der Laptop auf dem Schoß. »Du hast einige Arbeit vor dir, Wheeler«, sagte er, schaute nicht vom Laptop auf und ich schnaubte. »Was machst du hier?« Ich lehnte an der geöffneten Tür, »Ich beantworte Emails.« Ich verdrehte meine Augen. »Ich meine, was machst du hier?« Er schaute auf, massierte mit seinen Fingern die Nasenwurzel und betrachtete mich genervt. »Steig endlich ein.«   Wir saßen im Auto. Wohnblöcke zogen am Fenster vorbei, gepflegte Gärten verschwanden gegen Parkplätze, dann Hochhäuser. Ich saß mit verkreuzten Armen hinten im Auto – neben Kaiba, der ungerührt auf dem Laptop herumtippte. Natürlich war er ein Arsch und mein Zorn konnte nur er so auf sich ziehen, wie er es eben tat. Er konnte mit ein paar Worten meine Sturheit entfachen und mich mit einem Blick vom Boden hochziehen. Seine Kommentare trafen ins Schwarze und er traf wunde Punkte, aber nicht so, dass die Wunden aufplatzten. Nicht, dass er es nicht gekonnt hätte, wenn gewollt. Wäre es nicht Kaiba und wäre es nicht ich – man könnte es fast als – »Hör zu, Kaiba, wegen vorhin – ich –« Er ließ mich den Satz nicht einmal beenden. »Wheeler, es ist mir völlig gleichgültig, was gerade in deinem Hundehirn vor sich geht. Mir geht es ums Geschäft. Deine Freunde wollen dich vor den Ausmaßen schützen. Das ist sicherlich ein«, er überlegte hier, »ehrenhafter Gedanke.« Es gab keinen Zweifel, dass er das bezweifelte. »Aber wer die Ausmaße nicht kennt, der kann sie nicht verarbeiten. Deine Erlebnisse können sich destruktiv oder produktiv verarbeiten, Wheeler. Natürlich weißt du nicht, was destruktiv oder produktiv bedeutet. Also lass es mich kurz machen.« Ich öffnete den Mund, doch er fuhr fort, bedeute mir, meinen Mund zu halten. Kaibas Smartphone vibrierte, doch er ignorierte es. »Destruktiv wäre es, wenn du wie ein lebensmüder Streuner in dein abgesperrtes und unbewohnbares Zimmer rennst und dort verschüttet wirst, weil dein Hundehirn zu spät die Gefahr registriert. Produktiv wäre es, wenn du deine Emotionen und Gedanken in deine Arbeit investierst.« Ich kaute auf meiner Lippe, knubbelte an meinen Jeanstaschen herum. War das, wie Kaiba mit Emotionen und Gedanken umging? Er investierte es in seine Arbeit? Während ich aufs Klo rannte? »Glaubst du, du kannst das, Flohschleuder?« Ich rutschte in dem Autositz hin und her, warf Blicke hinaus, wo der Verkehr der Innenstadt unsere Geschwindigkeit drosselte. Jemand hupte. Die Ampel sprang auf rot. Fußgänger zogen an uns vorbei, ich beobachtete sie durch die getönte Scheibe. Ich antwortete nicht. Ich wusste es nicht. Ich hing fest zwischen Kaibas Worten und meinen Gedanken. »Ich hatte gestern eine Unterhaltung mit deinem Freund«, erzählte er, überging, dass ich ihm die Antwort schuldig blieb. Wir fuhren weiter. Kaibas Smartphone vibrierte, aber er ging wieder nicht dran. »Mit wem? Tristan?« »Ich vergaß deine schiere Anzahl an Freunden. Ich meinte den anderen«, spottete er. Die Vorstellung, wie Kaiba und Yugi miteinander eine Unterhaltung führten, war fast so bizarr wie der Gedanke daran, dass Kaiba in Lachen ausbrach – oder in Tränen. »Er meinte, du bräuchtest Zeit.« Vielleicht brauchte ich das. Der Gedanke daran, was an diesem Wochenende passiert war – der Gedanke an mein Zimmer – mir wurde übel. »Zeit ist das, was wir nicht haben, Wheeler. Es ist das, was du nicht hast. Zeit heilt keine Wunden, es macht es nur schwerer, die Wunde zu finden.« Mein Blick hüpfte zu ihm und ich schaute ihn an. Schwieg. Warum schwerer? Das machte doch keinen Sinn. Oder? Er schnaubte, atmete tief ein, schaute auf das Smartphone, das erneut vibrierte, und legte es wieder weg. »Es ist destruktiv, vor seinem Vater davon zu rennen«, fasste er zusammen und ich erstarrte, riss den Mund auf, bekam aber keinen Ton heraus. Woher nahm er den Gedanken? Woher glaubte er zu wissen, dass ich vor etwas davonrannte? Woher hatte er de Eindruck, ich würde vor meinem Vater – »Woher willst du das wissen?«, brummte ich. »Du kennt weder meinen Vater, noch laufe ich davon. Du hast doch keine –« »Ich weiß das ganz genau, Wheeler.« Sein Blick fing mich ein. Da war kein Spott. »Und wenn du dich ihm nicht stellst, wirst du es eines Tages bereuen.« Die Frage lag mir auf der Zunge. Wahrscheinlich stand sie in meiner Mimik, in meinen Augen, doch er sagte nichts weiter. Und ich schluckte die Frage hinunter. Stattdessen wich ich seinem Blick aus und schaute wieder nach draußen.   Der Eingang der Kaiba Corporation verströmte die Atmosphäre von Betriebsamkeit und Wichtigkeit – das bedeutete, dass Leute wie ich das Gefühl bekamen, unwichtig zu sein. Die Frau an der Anmeldung, die Blicke im Rücken, Mitarbeiter, die Kaiba zunickten und mich übersahen, Mitarbeiter, die Kaiba zunickten und mich neugierig anstarrten. Als wir im Lift nach oben fuhren, seufzte ich. »Ist das echt immer so?«, fragte ich und fuhr mir über die Augen. »Mh?« Kaiba schaute auf sein Smartphone, beantwortete aber nicht den Anruf. »Ich meine – die Blicke und so?« Er schaute auf, seine Augenbrauen gehoben. »Die Blicke gelten dir. Immerhin bist du das Hündchen, das sich zum falschen Herrchen verirrt hat.« Das Smartphone vibrierte schon wieder und diesmal nahm er ab und sprach auf irgendeiner Sprache, die ich nicht erkannte. Spanisch? Portugiesisch? Ich schaute aus dem Glaslift über die Köpfe der Menschen und lauschte dem melodischen Klang der Wörter, bis ich meine Augenbrauen zusammenzog. »Hey!«, traf mich eine Erkenntnis und ich wandte mich zu ihm um. »Du bist nicht mein Herrchen! Blöder Geldsack!« Kaiba hatte den Nerv, seine Mundwinkel zucken zu lassen. »Und ich auch kein Hündchen«, brummte ich, doch er sprach in dieser fremden Sprache, die mir nichts sagte, außer: Halt deinen Mund, Wheeler, ich spreche gerade über superwichtige Geschäftssachen mit einem superwichtigen Typ, der so wichtig ist, dass ich sogar diese superschöne Sprache spreche, die du nicht kannst. Also drückte ich mein Gesicht näher an die Scheibe des Lifts, um einen besseren Blick nach unten zu bekommen.   In Kaibas Büro hatte man einen der besten Ausblicke über Domino-City. Ein paar Hochhäuser verstellten den Blick über den Stadtpark und den Horizont. Aber die Stadt breitete sich vor mir aus mit all den Spielzeugfiguren und Spielzeugautos auf den Straßen – zumindest sah es so von hier aus. Das Einzige, was einem diesen Blick vermieste, war – »Setz dich endlich, Hündchen«, befahl Kaiba, ohne mir einen Blick zu gewähren, während er die Tür hinter sich schloss und sich selbst an den Schreibtisch setzte. Ich zuckte die Schultern und trottete zu ihm, weil ich keine Kraft für eine Streiterei hatte, keine Motivation. »Hier.« Er deutete auf den Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtischs. Es klang nicht wie ein Vorschlag, es klang wie eine Anordnung. Ich seufzte, als ich mich ihm gegenüber setzte. Kaiba lehnte sich in dem Stuhl zurück und schaute mich an, als erwartete er etwas von mir. »Schön«, sagte ich also und er schnaubte, als ich ihn immer noch planlos anschaute. Kaiba machte es einem wirklich nicht leicht. Seine Mimik verschlossen, seine Worte kryptisch – außer manchmal, da – »Wheeler, fang endlich an!« »Womit?« »Erinnerst du dich an unseren Vertrag? An unser Gespräch?« Ich nickte langsam. Natürlich erinnerte ich mich an – »Oh«, erwiderte ich gedehnt und endlich schlich sich etwas wie Zufriedenheit in seine Mimik, als ich begriff, worauf er hinauswollte. Er begann auf den Tastaturen herumzutippen, warf einen Blick auf die Bildschirme, dann zog er irgendwelche Akten hervor, die er vor sich auf dem Tisch ausbreitete. Doch ich schaute ihn nur an, dann meine Hände, dann wieder ihn, rutschte auf dem Stuhl hin und her. »Verdammt, Wheeler. Was ist jetzt noch?«, fragte er genervt. »Ich bräuchte Papier und Stifte«, nuschelte ich.   Ich lag mit einem Arm über dem Papier, in meinem Mund hing ein Bleistift, in meinen Gedanken zogen Szenen vorbei, in denen wir etwas gespielt hatten oder gechillt, gelacht, geredet. Wie oft hatte ich gegen Yugi bei einem Duell verloren? Und trotzdem hatte ich Spaß dran. Jedes Spiel war, als gäbe es keinen Verlierer. Weil das Spiel zählte und nicht die Lebenspunkte. Ich kritzelte weiter auf dem Papier. Dieser Tag ein Gewinn – egal, mit wie vielen Punkten, schrieb ich unter eine Skizze von dem Rotäugigen und dem Weißen Drachen. Weil das Spiel zählte. Weil meine Freunde zählten. Mein Blick wanderte. Ich drehte mich auf den Rücken und starrte an die Decke. Kaibas gleichtöniges Tippen versicherte mir, dass es keine Illusion war – ich lag tatsächlich auf dem Boden von Seto Kaibas Büro, Arme und Beine ausgestreckt und zeichnete, kritzelte, schrieb an einer Vorlage, die im besten Fall abertausende Kids und Jugendliche anlocken sollte. Wie viele von ihnen kämpften mit solchen verkackten Probleme, wie ich? Wie viele kamen aus Familien, die sich einen Scheiß um sie scherten? Was suchten sie auf dem Turnier und Festival? Mein Blick wanderte zu Kaiba, der in Akten kramte und Dokumente las. Was erwartete Kaiba von dem Ganzen? Geld? Prestige? Kunden? Bestimmt. Aber war das alles? Produktiv wäre es, wenn du deine Emotionen und Gedanken in deine Arbeit investierst. Welche Gefühle und Gedanken investierte Kaiba in seine Arbeit? Er stand gerade an einem Aktenschrank, zog die Türen auf und – da sah ich sie. Die Schachspiele, die Kaiba vor ein paar Wochen im Laden von Yugis Großvater gekauft hatte. »Yugi wollte es mir mal beibringen«, stolperte über meine Lippen und ich biss mir drauf, weil ich es eigentlich gar nicht hatte laut sagen wollen. Aber seit wann sagte ich nicht die Dinge, die mir durch den Kopf gingen? Kaiba schaute nicht auf, blätterte stattdessen in einem Ordner, doch er durchbrach die Stille erneut. »Was? Wie man Stöckchen apportiert?«, spöttelte er. »Ich apportiere nichts.« »Du weißt doch nicht, was es bedeutet«, warf er mir an den Kopf. »Doch«, behauptete ich grimmig. »Also – ich meinte das.« Ich deutete auf die Schachspiele in dem Schrank und Kaiba hob tatsächlich seinen Blick, folgte meinem Fingerzeig und starrte die Spiele an, als hätte er vergessen, dass sie dort standen. »Schach«, sagte ich. »Er wollte es mir zeigen. Aber – hey, du kannst es mir zeigen!« Kaibas Lippen quetschten sich zu einem Strich. »Warum sollte ich mit dir Schach spielen, Hündchen?« »Wenn du es nicht kannst, dann sag's halt«, provozierte ich und grinste, obwohl er eine Mimik trug, die wohl bedeutete, dass ich nahe am Abgrund balancierte. »Ich spiele kein Schach mehr«, fuhr er nüchtern fort, »und jetzt bring mir einen Kaffee.« Ich runzelte die Stirn, legte meinen Kopf schief und ignorierte seine Aufforderung natürlich. »Warum?« »Weil Kaffee die Effizienz steigert, Hündchen.« »Das andere Warum. Und bin nicht dein Praktikant, Kaiba. Ich bin dein Geschäftspartner.« Ich setzte mich auf und streckte mich. Der Boden war nicht wirklich bequem. »Eigentlich bist du mein Angestellter.« »Sozusagen dasselbe«, behauptete ich kühn und reckte das Kinn und er fuhr sich mit seiner Hand übers Gesicht. Vielleicht eine Geste der Verzweiflung und des Unglaubens. Aber sein Mundwinkel zuckte. Oder? »Andere würden ihren Schatten verkaufen, um mir Kaffee bringen zu dürfen«, erwiderte er ernst und ich schnaufte. »Das sind die, die einen so großen Schatten haben, dass sie gar nicht alles davon loswerden können. Angebot und Nachfrage und so.« »Ich bitte dich. Seit wann weißt du etwas über Angebot und Nachfrage. Hündchen?« »Das ist doch easy, Kaiba. Viel wichtiger – seit wann hast du ein Problem mit Schach?« Er runzelte seine Stirn. Seine Mimik verfinsterte sich wieder. Stoisch schloss er den Aktenschrank. Aber es hatte etwas von Ruhe vor dem Sturm. »Ich habe kein Problem damit, Wheeler. Ich spiele es nur nicht mehr.« »Seit wann?«, hakte ich nach. »Seit ein paar Jahren«, wiegelte er ab und rief seine Sekretärin an, bestellte Kaffee und – mit einem Blick auf mich – Saft. Mein Blick verdunkelte sich. Ich war doch kein Kind, verdammt! Doch dann rastete bei mir etwas ein. Bilder von Bildschirmen von vor vielen Jahren. Meine Nase, die ich mir an der Scheibe des Ladens platt drückte. Schnee und Süßigkeiten. Er musste von Gozaburo sprechen. Das Schachspiel des Jahrhunderts. Doch machte das Sinn? »Aber du hast doch gegen ihn gewonnen, nicht? Ich habe es damals im Fernsehen gesehen, dass du – als er euch adoptiert hat. Also ein bisschen hab ich gesehen. Dadurch hattest du doch die Chance, reich zu werden und –« Er starrte mich an, als hätte ich etwas in ihm getroffen, von dem er nicht erwartet hatte, dass es noch zu treffen war. »Ich habe an dem Tag auch viel verloren. Im Leben hat alles seinen Preis. Fang endlich wieder an, zu arbeiten, Hündchen!«, hängte er an und die Ungeduld spann sich über seine Worte. Mir war klar, dass es nichts damit zu tun hatte, dass ich gerade nicht an dem Entwurf arbeitete. »Wenn du kein Problem damit hast, warum spielst du es nicht mehr?« »Mokuba.« Ich verstand nicht. Beobachtete, wie er sich auf seinem Schreibtischstuhl niederließ und meine Aufmerksamkeit ignorierte. Jenes Spiel hatte ihm die Chance auf Reichtum und Macht eröffnet, wahrscheinlich hatte seinen Weg nichts so sehr beeinflusst wie der Sieg. Er hatte Mokuba und sich damit gerettet. Oder nicht? Schweigen stand zwischen uns, schob uns voneinander, rückte Kaibas Blick von meinem. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich gedacht, dass er mir auswich.   »Stimmt es, dass du betrogen hattest?« Ich beobachtete ihn unbewegt und sah, wie er seine Augen verdrehte, doch dann fing er sich, schaute auf den Bildschirm, langte nach seiner Tasse und wollte daran nippen, verzog dann seinen Mund. Natürlich war sie noch immer leer. Was würde Seto Kaiba davon abbringen, ein Spiel, das er offensichtlich geliebt hatte, aufzugeben? Was hatte den kleinen brünetten Jungen mit den blauen Augen zu dem gemacht, der heute vor mir saß? Ich fixierte ihn und dann rauschte ein Gedanke durch meinen Kopf, den ich abschütteln wollte, aber nicht konnte, weil er so lächerlich und gleichzeitig so beängstigend war. Denn die Antwort barg die Macht, meine Weltsicht auseinander zu reißen. Warum ließ Seto Kaiba, der Seto Kaiba mich nicht einfach auf dem Boden liegen? Warum flüsterte er mir zu, dass dieses Gefühl vergehen würde? Das Gefühl, das dir jemand den Boden wegzog – immer und immer wieder.   »Hat er dich – geschlagen?«   Seto Kaiba lag mit vielen seiner Meinungen falsch. Er erwartete zu viel von sich und meistens auch von seinen Mitmenschen (wenn er sie nicht ignorierte). Wenn er eine Ansicht vertrat, dann zog er die Konsequenzen mit durch. Er beugte sich nicht der Mehrheit, wenn er anders dachte und er zog sich nicht zurück, wenn er glaubte, kämpfen zu müssen. Er schreckte nicht davor zurück, Menschen fertig zu machen, sie bloß zu stellen und zu erniedrigen. Aber er verfolgte die Prämisse, wenn er auf sein Tun zurückschaute, nicht aufzugeben, nur weil ihn Hindernisse zurückwarfen. Und vor allem strebte er danach, nichts zu bereuen. Aber manchmal hatte auch er aufgeben wollen. Manchmal bereute auch er.   Kaiba fuhr sich über seine Augen, senkte die Akte in seinen Händen und starrte in den Bildschirm. Seine nächsten Worte hätte ich fast nicht gehört, so leise sprach er sie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)