Lotusblüte von Jaelaki ([Sasuke & Sakura | Kakashi & Yamato]) ================================================================================ Kapitel 10: Hofft eine Knospe im Frühlingstraum. ------------------------------------------------ ________________________________________________   Zwischen unseren Träumen was wir waren steht die Gegenwart. die Erinnerungen umsäumen wie wir waren doch Vergangenes verharrt.   Freiheit flüstert die Zukunft umgarnt unsere Träume wir verlieren uns nichts ist ewig verwahrt. ________________________________________________         Er sah sie an. Die Phiole in ihrer Hand rückte in ihr Bewusstsein. Ihr Blick flog zu Yamato, der wie ein Besessener durch den Gang wütete. Äste peitschten gegen Wände, Menschen schrien. Yamatos Grollen übertönte das Knallen der Zweige gegen Beton und Steine. Es ging nicht darum, was sie wollte oder nicht. Es ging nicht um sie oder Sasuke. Es ging um Yamato. »Hast du einen Plan?«, fragte sie. »Eine Ahnung«, erwiderte er nüchtern und spannte seine Finger um die Phiole. »Sehr gut«, entgegnete sie und goss Ironie über jede Silbe. »Wir standen schon mit weniger vor mehr Feinden«, behauptete er und richtete seinen Blick auf das, was vor ihnen wütete. »Wir stehen aber nicht vor einem Feind, sondern einem Kameraden«, zischte Sakura. Er zuckte die Schultern. »Ein Kamerad versucht nicht, mich zu töten«, flüsterte er. »Ein Kamerad verlässt einen Kameraden nicht«, hielt sie dagegen. Die Anspannung kochte zwischen ihnen – aber das war nicht der Moment für so ein Gespräch. Sie schnaubte, strich sich eine Strähne aus dem Haar und bekämpfte ihre Wut auf Sasuke – die altbekannte, zerstörerische Wut auf ihn – unterdrückte sie für den Augenblick. »Lass uns tun, was nötig ist, um Yamato zu retten«, erklärte sie ohne ihn eines Blick zu würdigen, »dafür brauche ich dir aber nicht zu vertrauen.« Sie glaubte seinen Blick in ihrem Nacken zu spüren, als sie lospreschte. Äste schossen auf sie zu. Wie Schlangen, die danach gierten, sie zu beißen, ihr Genick zu brechen. Mit Sprüngen wich sie ihnen aus. Schläge hämmerten auf knirschendes Holz. Sie spürte Sasuke. Wie er ihr Deckung gab, ihren Rücken freihielt. Wortlos. Es bedarf keiner Zurufe oder Vorbesprechungen zwischen ihnen. Das hatte es im Ernstfall nie gebraucht. Er sprang über die Äste und tauchte unter ihnen hindurch wie in einem Tanz, den er perfektioniert hatte. Es sah so leicht und elegant aus. Als täte er sonst auch nichts anderes, als wäre es eine Routine. »Die Flüssigkeiten«, schnappte Sakura, »wohin damit?« »Nehmen wir an, es wäre Hustensaft«, rief Sasuke sarkastisch. Sie schnaubte. Eine fehlerhafte Einnahme von Medikamenten konnte nicht nur die Gesundheit gefährden, sondern töten. Ein Ast schwang knapp über ihrem Kopf und krachte in die Mauer hinter sie. Verdammt. Was blieb ihr übrig? Es waren keine Zäpfchen oder Kapseln, keine Cremes oder Salben. Es war eine trübe und eine klare Flüssigkeit. Flüssigkeiten waren wie gemacht zum Trinken. Ihre Entscheidung stand fest, als ein Ast auf Sasukes Rücken zuraste. Sakura preschte hervor, stieß ihn zur Seite. Dann spürte sie den Schmerz. Brennend. Schneidend. Blutige Kleidungsfetzen hingen ihren Rücken hinab. Wie Peitschen krachten Äste um sie herum gegen den Boden. Sasuke sprang auf einen Zweig und die Phiole rutschte aus seinen Fingern. Kurz vor Yamatos Gesicht. Kurz vor Sakuras Blick. Yamatos Augen starrten sie an. Leer. Als läge er im Koma. Dann hörte sie einen Schrei. Der Schmerz auf ihrem Rücken war nur durch den Adrenalinrausch erträglich. Sie dachte nicht nach, als sie sprang, die Finger ausgestreckt und mit einem Knacken Sasukes Phiole auffing. Ihre Schulter durch den Schlag eines Astes ausgerenkt. Ihr durch Schweiß getrübter Blick suchte Sasuke, der in seinem Arm einen kleinen Jungen hielt. Sie fragte sich in diesem Augenblick nicht, was geschehen war, sondern sprang auf vom Boden, verdrängte den Schmerz, zwei Phiolen in den Händen. Zwei Phiolen, auf denen ihre Hoffnung lag. Gegen jeden Verstand. Sie entkorkte die zwei Fläschchen und streckte ihre Rechte aus. »Halt mir seine – Dinger vom Leib!«, schrie sie Sasuke zu. Mit ungebremster Kraft rammte sie Yamato gegen die Wand, packte seinen Hals, drückte zu, bis er keuchte, nach Luft gierte und den Mund öffnete. Dann zwang sie ihm die Flüssigkeiten in den Rachen. Wie in Zeitlupe erkannte sie, dass das Peitschen der Zweige erlahmte, sie sich rückbildeten, der Lärm verstummte, bis schließlich nur noch ein blasser Mann in ihren Armen lag. Sie spürte Sasuke hinter ihr stehen, während sie Yamato halb im Arm hielt. Seine Augenlider flirrten, dann öffnete er sie und blickte sie an. Entsetzen drang in seine Mimik, als würde ihm bewusst, was geschehen, dass es kein kranker Traum gewesen war. »Was ist hier passiert?«, donnerte in dem Moment die Stimme der Hokage durch den Flur.     _       Als erstes nahm er den modrigen Geruch wahr und das Gefühl im Mund, das ihm Ekel verursachte, so als hätte er lange geschlafen, ohne die Zähne zu putzen. Dann schlug er die Augen auf und sah auf ein Bett. In diesem Moment wünschte er sich, er hätte seine Augen geschlossen gehalten. Orochimarus Blick glühte. Seine Fratze war entstellt. Hautfetzen hingen von seiner blutunterlaufenen Wange.   Kakashi kniete. Neben ihm Naruto, dessen Augenlider soeben flirrten und sich dann langsam weiteten. »Wo sind wir«, murmelte er verschlafen, dann klärte sich sein Blick und er war im Begriff sich aufzurappeln, als ihn eine grobe Hand auf der Schulter daran hinderte. Narutos Blick verdunkelte sich. Er starrte angeekelt hinauf zu Orochimaru. Dessen plötzliches Husten und Keuchen lenkte auch Kakashis Aufmerksamkeit wieder zu ihm zurück.   »Ihr hattet also Kontakt zu den Körperlichen«, durchschnitt Orochimarus krächzende Stimme die Stille, die zwischen keuchendem Atem und Hustenanfällen waberte. »Ein paar schaffen es dann doch immer mal wieder zu fliehen. Es ist erstaunlich angesichts dessen, dass sie nur instinktiv handeln. Findet ihr nicht? Ihr Körper hat völlige Kontrolle über sie. Ihre Rationalität völlig ausgeschaltet.« »Rationalität? Denen sprießen Pflanzen aus den Augen!«, echauffierte sich Naruto. »Und wer weiß, wo die noch überall rauskommen«, murmelte er. Wäre es nicht in dieser Situation gewesen, hätte Kakashi über Narutos Gedankengang grinsen können. So aber zogen sich seine Muskeln zusammen, als erwartete er jeden Moment einen Angriff. Er versuchte, einen Blick hinter sich zu erhaschen, aber er konnte sich kaum bewegen. Als hätte jemand seine Muskeln oder Nerven vergiftet. Vielleicht ein geheimes Jutsu. Vielleicht tatsächlich nur Gift. »Was willst du von uns?«, fragte Kakashi ruhig, dabei glaubt er, jeden Augenblick zu zerspringen. Orochimaru schien offensichtlich geschwächt, aber das machte ihn kaum weniger gefährlich – Kakashi vermutete gar das Gegenteil. Menschen, die dem Tod in die Augen sahen, waren meist unberechenbar. Und Orochimaru war nicht für seine rücksichtsvolle Art bekannt. »Ich möchte euch – ein Geschenk machen«, höhnte Orochimaru. Sein Atem stockte, er krächzte und schlug die Hand vor den Mund. Sein Husten färbte sie rötlich. »Dieser Lotus«, scharrte Orochimaru heiser, »kann Menschen heilen. Er kann Menschen, die mit einem Bein bereits in das Nirwana eingegangen sind, wieder zurück ins Leben zerren.« »Was willst du sagen?«, fragte Kakashi harsch. Er wusste, dass Orochimaru gerne Spiele spielte und genauso bewusst war er sich darüber, dass er selbst keineswegs ein solches Spiel spielen wollte. Orochimarus Vorgehen war skrupellos, egoistisch und berechnend. Er ging wortwörtlich über Leichen. Doch angesichts der Erfahrungen, die Kakashi bisher im Umgang mit dem abtrünnigen Sannin gemacht hatte, waren Leichen noch sein geringeres Übel. Orochimarus Lippen spannten sich zu einem freudlosen Lächeln, das seiner Fratze nur noch ein bizarreres Aussehen verlieh. Einen Ausdruck von Skrupellosigkeit und Härte. Seine Worte, obwohl er Nachdenklichkeit vorspielte, waren berechnend. Kakashi wusste das. Er war nicht naiv – doch trotzdem rissen sie ihn aus der Contenance. »Das Chakra, das der Lotus in seiner Blüte bildet, kann deinen alten Freund retten. Uchiha Obito auferstanden von den Halbtoten – einmal wieder«, spottete Orochimaru. Kakashi erstarrte. »Und du könntest endlich deine Schuldgefühle ihm bezüglich hinter dir lassen. Wäre das nicht ein angemessener Tausch?« »Ein Tausch wogegen?«, hakte Kakashi alarmiert nach.     _       Eines hatte Sakura gleich zu Beginn ihres Trainings bei Tsunade gelernt: Ihr eigenes Leben war für ihr Team von enormer Bedeutung. Denn ohne Medinin sank die Überlebensrate eines Teams um gute 68 Prozent – bei einer Mission von C-Rank. Bei B-Rank-Missionen drückte der Verlust des Medinins im Team die Überlebensrate um 78 Prozent und handelte es sich um eine A-Rank-Mission, bedeutete es eine Chance von gerade einmal 9 Prozent. Das hieß von hundert Teams, die ihre Medi-Einheit verloren, kamen 9 tatsächlich wieder zurück nach Konoha – lebendig. Verkrüppelt oder mental zerstört. Aber lebendig. Später erkannte sie, dass es bei den meisten Missionen nicht um die Gesundheit und Heimkehr der Teams, sondern den Erfolg der Missionen ging. Vielleicht war es derselbe Moment gewesen, als ihr klar wurde, dass man, um Menschenleben zu retten, manchmal sein eigenes aufs Spiel setzen musste. Tsunade hatte ihr eingebläut, dass sie niemals ihr Leben aufs Spiel setzen sollte, wenn der andere von vornherein keine Chance zum Überleben hatte. Wenn sie ihr Leben schlicht verschwendete. Ihr Blick traf auf Tsunades. Dann schweifte er zu Sasuke. »Hättest du mir nicht vertraut, wärst du nicht einfach los gerannt«, wisperte er ihr zu und ließ sie stehen. Ihr Arm war wahrscheinlich gebrochen, das Gelenk aus der Schulter gesprungen. Er belastete sein rechtes Bein weniger als sein linkes, Schürfwunden bedeckten seine Hände. Sie wollte ihm nicht nachsehen. Aber sie tat es.     _       Kakashis Blick klebte an der Gestalt Orochimarus, der vor ihren Augen näher und näher Richtung Tod schritt. Wenn er ihn einfach sich selbst überließe, dann – Obitos Gesicht blitzte durch seine Gedanken. Oder waren es Erinnerungen? Sein Grinsen, dieses breite, dümmliche Grinsen, das ihn früher innerlich immer zur Raserei gebracht hatte. Heute stand es für eine Vergangenheit, die für immer verloren war. Obitos funkelnde Augen. Die Tränen, die er tatsächlich geglaubt hatte, verbergen zu können. Aber er hatte sie gesehen. Immer. Früher hatte er sie für ein Zeichen der Schwäche gehalten. Irgendwann war ihm klar geworden, dass sie eine Art Stärke bezeugten, die er selbst nie gefunden hatte. Heute wusste er, dass diese für immer verloren war.   »Das Leben von Uchiha Obito gegen das meinige. Oder wirst du deinen Freund wieder sterben lassen?«, röchelte Orochimaru und Kakashi wusste nicht, wie er es schaffte, selbst in diesem Zustand, zu spotten. Er wusste, dass es eine Falle war. Dieser Pakt schrie nach Verrat und Schmerz und Hinterhalt. Narutos Blick brannte sich seitlich in sein Gesicht. Als ob er es nicht selbst wüsste. Ein freudloses Grinsen zuckte um Kakashis Mundwinkel. Hatte er eine Wahl? Ja, die hatte man immer. Er wusste, was seine Pflicht war. Die Pflicht Konoha zu schützen. Wie viele Menschenleben hatte dieser Schutz bereits gekostet? Was war er wert? Was war Obitos Leben wert? Und was wog mehr?   Die Leben vieler, fern bekannter Dorfbewohner. Oder das Leben eines Freundes? Eines einzigen Freundes, den er schon zu oft im Stich gelassen hatte.     _       Als Sakura Yamatos Puls überprüfte – reine Routine – und sein blasses Gesicht betrachtete, ging ihr dieser Gedanke nicht aus dem Kopf. Ebenso wenig der erstaunliche Zufall, zu genau dem richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort, die richtige Medizin gehabt zu haben – ohne eine Ahnung davon. Bei diesem Gedanken kroch ihr Panik den Nacken hoch. Als wüsste ihr Körper etwas, das ihr Bewusstsein ihr verwehrte.   Yamato musterte sie, dann wandte er seinen Blick ab. Sein Atem war ganz ruhig und regelmäßig. Endlich. All die Beruhigungsmittel, die sein Herz durch die Adern pumpte, stellten das sicher. Sakura wandte sich von seinem kränklichen Anblick ab und verließ das Krankenzimmer, doch als sie die Tür hinter sich zugezogen hatte, hielt sie inne. Gegenüber an der Wand lehnte Tsunade und sah sie vielsagend an.     _       Yamato lag in seinem Bett. Seine Gedanken sonderbar klar, doch sein Körper fühlte sich an, wie in Watte gepackt. Müde, seine Muskeln schmerzten. Genervt seufzte er. Das Piepsen um ihn herum teilte die Zeit in regelmäßige Laute. Das Piepsen, das verkündete, dass sein Herz noch schlug. Die Töne, die erklärten, dass er kein Chakra schmiedete. Alle Laute zogen sich zäh in die Länge. Die Stille drückte dazwischen. Doch die Schnallen, die seinen Körper im Bett fixierten – nur zu seiner Sicherheit, hatte Sakura behauptet – zeugten am besten von seiner Lage. Er wusste es besser. Seine Sicherheit war noch nie von Belang gewesen. Das Dorf hatte weitaus höhere Priorität. Er selbst war nie mehr als eine Nummer, der Rest eines Experiments, ein Codename gewesen.       _       Kakashi presste die Lippen aufeinander. Wie könnte er einen Freund für einen anderen austauschen? Das Leben des einen Kameraden für das des anderen. Obito war nicht sein Freund. Nicht mehr. Und doch. Lag es in seiner Verantwortung, zu entscheiden, wessen Leben wertvoller war? Diese Anmaßung stach ihm wie kleine Nadeln in den Magen, wie Glasscherben zwischen den Gedankengängen. Er konnte nicht darüber nachdenken. Alles in ihm brannte. »Was wäre mit Tenzou?«, hakte er nach. Er sah im Augenwinkel, wie Narutos Kopf zu ihm herumfuhr. Sicherlich starrte er ihn entrüstet oder ungläubig an. Vielleicht ballte er seine Faust, wie er es meistens tat, wenn ihm etwas zuwider war. Aber darauf achtete Kakashi in diesem Moment nicht. Seine Aufmerksamkeit gehörte Orochimaru, der ihn lauernd beobachtete. »Ich brauche ihn nicht. Ich brauche nur seine Zellen, die sich mit dem Lotus vermehren ließen. Wenn du mich nett bittest, könnte ich dir also sogar mein kleines Experiment wiedergeben. Ich kann allerdings nicht dafür garantieren, dass du ihn völlig intakt zurückbekommst.« War es verachtenswert, dass Kakashi tatsächlich darüber nachdachte? War es widerwärtig, dass er die Fehler seiner Vergangenheit bereute und versuchen wollte, Gutmachung zu leisten? »Für die Prozedur bräuchte ich allerdings eine Assistenzkraft – eine medizinische Fachkraft«, unterbrach Orochimaru seine Gedanken leise, doch deutlich und in seinen Worten schwang etwas Lauerndes mit. »An wen denkst du?«, forderte Kakashi zu erfahren. Orochimarus kratziges Lachen trug etwas Dunkles in sich, als hätte er bereits gewonnen. »Tsunade wäre fachlich dafür prädestiniert.« Er lachte auf. »Aber unsere Freundschaft erfährt momentan eine schwierige Phase.« Der Sarkasmus in seiner Stimme sprach Bände. »Aber das ist unerheblich. Bring mir die kleine Freundin von Sasuke.« »Kakashi-sensei! Sie denken doch nicht wirklich –« Narutos Stimme überschlug sich, brach ab. »Ich mache dir ein Geschenk«, höhnte Orochimaru. »Koste es aus – ich bin mir sicher, danach wirst du nicht mehr lange überlegen müssen, Kakashi.«     _       »Erkläre es mir«, forderte Tsunade ruhig und verschränkte ihre Arme vor der Brust, die dadurch nur noch mehr betont wurde. Sakura wandte ihren Blick davon ab und murrte. »Was erklären?« »Du sollst mir erklären, seit wann du Patienten Medizin verabreichst, die unbekannten Ursprungs ist.« Sakuras Augen weiteten sich. »Und noch mehr, woher du sie hast.« »Ich –«, flüsterte sie und griff sich an den Kopf. Ein stechender Schmerz hackte sich durch ihre Schläfen. »Ich weiß nicht – ich wusste nur, dass –« Sie sah auf. »Dass es die richtige ist.« Tsunade machte einige Schritte auf sie zu, packte sie an den Schultern und stierte sie an. »Woher?«, fragte sie dunkel.     _     Kakashi stellte nicht die Frage, die im Raum hing. Es war klar, dass das Geschenk Orochimarus etwas Furchtbares sein musste. Warum hatte er das Gefühl, das er sich Zeit seines Lebens nur für das weniger Furchtbare entscheiden konnte? Würde Naruto Sakura für Sasuke opfern? Würde er selbst Tenzou die Gutmachung einer vergangenen Rechnung begleichen lassen? Sollte er nicht die Vergangenheit ruhen lassen, sich damit abfinden, es verdrängen? Wenn er eines in seinem Leben gelernt hatte, dann – die Vergangenheit ruhte nie.     _     »Wo waren wir?«, fragte Sakura leise die Frage, die im Raum stand und schritt fahrig hin und her. Die Furcht vor den Antworten ließ ihr die Bedenken im Hals stecken bleiben. Sasuke verhielt sich ruhig. Er saß auf dem Sofa in seiner Wohnung. Von hier aus konnte er die Mauer zum Uchiha-Viertel sehen. Es war ironisch, oder? Das Viertel war leer und der letzte Uchiha wohnte außerhalb. Wobei – jetzt war er ja nicht mehr der letzte. Es war seltsam vielleicht, aber nicht schlecht. Im Gegenteil, oder? Sakura schüttelte den Kopf, als versuchte sie ihre Gedanken zu ordnen, nicht abzuschweifen. Aber es war so schwer. Als sträubte sich ihr Körper dagegen, sich zu erinnern. »Ich weiß es nicht«, offenbarte Sasuke schließlich nach Minuten des Schweigens. »Diese Medizin – woher hatten wir die?«, hakte Sakura trotzdem nach. Sie stand am Fenster, die Arme in die Seite gestemmt und funkelte ihn an. Als wäre es seine Schuld. In ihren Augen würde wohl immer etwas seine Schuld sein. Alles, was sie sonst nicht erklären konnte. Er schnaubte. »Ich kann mich nicht erinnern. Ich bin dir gefolgt, weil du wieder einmal inkompetent gehandelt hast und –« »Inkompetent gehandelt?« Sakuras Stimme zeugte davon, dass sie kurz davor war zu explodieren. Sasuke zuckte die Schultern. Noch so etwas, mit dem sie ihre Inkompetenz zu kompensieren versuchte, wahrscheinlich. Stoisch erklärte er: »Hätte ich dir nicht folgen müssen, wären wir nicht –« »Wären wir dir nicht dein verdammtes halbes Leben hinterher gerannt, wärst du jetzt tot. Hätte ich dir nicht dein verdammtes Leben gerettet, wärst du jetzt tot! Verdammt! Aber dir ist es schon zu viel, mit mir gemeinsam eine Mission zu erledigen!« Sie atmete schwer, Zornesröte lag auf ihren Wangen und im Dekolletee, ihre Stirn von Falten zerfurcht. Stille. Nichts als ihre Atemzüge und der wütende Blick, der elektrisierte. Er erhob sich vom Sofa. Seine Schritte klangen dumpf in ihrem Schweigen. Dann blieb er stehen, ganz nah vor ihr und sah auf sie hinunter. Wie er es mochte, ihre Körpergröße gegen sie auszuspielen. Sie musste zu ihm hochschauen, was sie mit gerecktem Kinn tat. Er spürte ihre Atemzüge an seiner Kehle, als er sich vorbeugte und ihr Worte ins Ohr flüsterte. »Wenn du es so bereust, Sakura, warum bist du dann trotzdem noch hier bei mir?«     _       Es war, als schaute er sich selbst zu. Als würde sich sein Geist zurückziehen. All seine Gedanken sich verstreuen. Zuerst war es beängstigend. Als löste sich sein Körper los. Was blieb zurück? Seine Erinnerungen verschwammen. Gedanken an Wasser, grün schimmerndes Wasser, ein gehässiges Lachen, weiße Gestalten, die sich aus ihm herauslösten. Nein, das wollte er nicht. Die Szenerie wechselte. Da war eine Wiese, grün, Wald. Ein Junge, der ihm die Hand hinstreckte. Zunächst fragte er sich, was das für eine seltsame Geste war. Ein geschickter Angriff? Dann wurde ihm klar, dass es ein Zeichen war. Er erwiderte. »Freundschaft« zuckte durch seine Gedanken. Der Junge lächelte. Vielleicht, bestimmt. Sehen konnte er es nicht, denn er trug eine Maske vor dem Mund, bis über die Nase. Aber in seinen Augen stand es. Er sah, wie sich sein Körper wandte, Schmerzen durchbohrten ihn, als sich seine Gliedmaßen in raue Äste wandelten. Als wurde sein Körper gezwungen. Er bäumte sich auf, wehrte sich. Schmerz. Qualen. Er war erleichtert, dass er nicht mehr zu seinem Körper gehörte. Denn er spürte nichts mehr. Er war frei. Endlich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)