Lotusblüte von Jaelaki ([Sasuke & Sakura | Kakashi & Yamato]) ================================================================================ Kapitel 1: Jede Knospe nährt die Hoffnung. ------------------------------------------ ________________________________________________ Wir stehen uns gegenüber, planlos, haltlos, zukunftslos. Und die Fragen sind verhallt, die Antworten bedeutungslos hinüber. Schmerzlich wirklich. ________________________________________________ »Wir befinden uns fast an Zielort f«, flüsterte sie in das Mikrophon des Head-Sets. Das Funkgerät knisterte. »Verstanden«, raunte ihr die Stimme ihres ehemaligen Senseis zu, »wir –«. Das Klicken und ein Rauschen zeugte vom Verbindungsabbruch. Erschöpft fuhr sie sich über das verschwitzte Gesicht, ihre Glieder kämpften gegen die Müdigkeit und mit dem steilen Abgang. Doch sie hastete weiter. Immer weiter in die unterirdischen Gänge. Ein Labyrinth, das ihr zuflüsterte, niemals wieder Sonnenlicht auf der Haut zu spüren. Ihre Lungen vollgepumpt mit sauerstoffarmer Luft. Stickig und eng und dunkel war es. Die Wände aus Erde nah. Ihre Schritte hetzten tiefer. Daneben jagte ihr Teammitglied, warf ihr einen vagen Blick zu. Sie nickte. Das Gefühl der Unsicherheit grub sich weiter in ihre Beine, was sie ignorierte. Keine Blöße. Keine Schwäche. Sie war keine Zwölfjährige mehr. Und diese Mission war wichtig. Wichtiger als ihre schmerzenden Muskeln, wichtiger als ihre aufkeimende Furcht in der Enge. Dann erlahmten ihre Schritte und sie standen in einer Sackgasse. »Wie sollen wir – diese Wand. Hier müsste sich eine Tür befinden«, beharrte sie ungläubig. Uchiha Sasuke erwiderte ihren Blick stoisch, dann färbten sich seine Augen blutrot, als er sich ruhig von ihr abwandte und einige Schritte auf die erdige Wand zu machte. Seine schwarzen Pupillen verdrehten sich, feine, schwarzen Linien gruben sich in seine Iris. »Sasuke, was –« Steine bildeten sich vor ihren Augen, hoben sich ab von der dunklen Erde und formten eine Tür, die über den Boden dröhnte, als sie sich plötzlich schwerfällig in Bewegung setzte. Sakura erstarrte, beobachtete die Szene gebannt. Mit einer herablassenden Geste wandte sich Sasuke ihr halb entgegen. »Es gibt Dinge, auf die man sich nicht verlassen kann«, raunte er, zuckte die Achseln, »und Dinge, auf die immer Verlass ist.« Hohn ummantelte seine Worte. »Und die Arroganz meines Clans bezüglich des Sharingans gehört wohl zu letzterem.« Er war im Begriff durch die Tür zu schreiten, als Sakura ihn unwirsch am Ärmel packte. »Da kann ich dir nur zustimmen«, zischte sie, »andernfalls könnte ich es mir nicht erklären, warum du da jetzt so blind hineingehen wolltest. Abwehrmechanismen könnten noch intakt sein.« Sasuke fixierte sie und sie ließ ihn instinktiv los. Innerlich zählte sie bis fünf, um die beißende Wut auf seine kühne Vorgehensweise wieder in den Griff zu bekommen, doch die Arroganz in seinem Blick provozierte sie. »Obwohl er sicherlich nicht damit gerechnet hat, dass –«, bemerkte sie voller Missachtung, sparte sich jedoch weitere Worte, als Sasuke über die hohe Schwelle stieg. »Arroganter Arsch«, murmelte sie, riskierte einen Blick, wartete wenigstens auf seine Schreie, doch – nichts. Also seufzte sie genervt und folgte ihm, alles in ihr vor Anspannung zum Zerreisen. _ Das Rauschen waberte zwischen seinen Gedanken und machte sie zäh. Mit einer Bewegung zog er sich das Head-Set vom Kopf und atmete tief ein. Er musste klar denken. Diese Mission – Kakashi Hatake blickte ausdruckslos auf und sah direkt in die Augen seines Teammitglieds. Dunkle Augen fingen seinen Blick wachsam auf und warteten auf eine Regung. Er nickte. Seine Nin-Ken stoben auseinander und Sai schwenkte den Pinsel in einer einzigen Bewegung. Wiederholte sie ohne ein Zögern. Etliche pergamentfarbene Mäuse sprangen auf die feuchte Walderde hinab und verschwanden in Ritzen, Löchern, unter faulendem Gehölz, in frischer Erde und zwischen Gebüsch, das raschelte. Irgendwo hier. Hier musste es sein. Irgendwo hier. Das hier war die andere Möglichkeit. Entweder hier oder – er hoffte in jedem Falle, Sakura und Sasuke würden keine unbedachte Aktion wagen. Er seufzte. Sais Mäuse kehrten zurück. Ergebnislos. »Hier ist es nicht«, brummte Pakkun plötzlich neben ihm. Kakashi lehnte sich gegen einen Stamm, sah zu ihm hinab, zog sich sein Stirnband zurecht und fragte ruhig: »Bist du dir sicher? Es handelt sich immerhin um ein gut geschütztes Versteck.« Pakkun erwiderte seinen Blick unverdrossen. »Ich bin mir sicher. Hier ist kein Eingang, den ein Uchiha die letzten Tage verwendet hat.« »Was macht dich so sicher?« Diese Mission – er hatte sich daran gewohnt, zu spät zu kommen. Auch seine Kameraden. Aber nicht, wenn es um Freunde ging. Er hatte sich daran gewohnt, Befehle auszuführen. Befehle, die Leid und Tod brachten. Aber nicht, wenn es um Freunde ging. Mit einem Grummeln stierte Pakkun zu ihm hoch. »Uchiha und ihre Arroganz. Das stinkt bis zum Himmel.« _ Es war dunkel, ein grünliches Licht waberte durch den Spalt einer weiteren Tür. Und obwohl Uchiha Sasuke für seine stoische Art berühmt und berüchtigt war, spürte Sakura, wie sich sein Körper neben ihr anspannte. Das Brennen ihrer Muskeln überdeckt durch das Adrenalin in ihren Adern. Er schenkte ihr einen knappen Blick und sie fixierte die Holztür, die Sasuke wie auf Kommando mit einer Bewegung aufstieß. Er verharrte, suchte etwas mit den Augen, schien es zu finden – oder eben auch nicht und trat hindurch. Mit bis zum Reißen gespannte Nerven folgte auch sie in die grün schimmernde Höhle. Unglaube, Faszination – diese Art Faszination, die eine Gänsehaut über die Haut jagte – und Atemlosigkeit kämpften in ihrem Körper. Sasuke stand zwei Schritte vor ihr. Sie folgte seinem Blick hinab auf den Grund der Höhle, deren Boden geflutet war. Das grüne Licht strahlte von einer riesigen Pflanze, die sich durch das unterirdische Versteck grub. Es spiegelte sich in dem Wasser, in dem die Wurzeln mündeten. »Was –«, murmelte sie sprachlos. An einzelnen Ästen hingen verkrüppelte Zetsu. Die grünen Stiele strebten der Höhlendecke zu, die sicherlich fünfzig Meter über dem Grund ragte. Eine Blüte, deren weiße Blätter rosa zuliefen. »Ein Lotus«, stellte Sasuke fest. Sakura schenkte ihm einen ungläubigen Blick. »Und das ist wirklich das erste, was dir hier auffällt?«, entgegnete sie trocken. Er zuckte die Schultern, wägte etwas mit seinem Blick ab und sprang mit einem kräftigen Satz den Felsenvorsprung hinab. »Ein Lotus«, echote Sakura verstimmt und setzte ihm nach. Ihre Augen gewöhnten sich an das Licht, sie tastete die Pflanze mit ihrem Blick ab. Irgendwo. Irgendwo hier. Sie atmete tief ein, bemerkte erst jetzt, dass sie den Atem angehalten hatte. Es war hier. Und sie wusste, dass er hier sein musste. Irgendwo. »Sakura!«, hörte sie plötzlich Sasuke scharf rufen. Ihr Magen zog sich zusammen. Bitte. Sie jagte über die breiten Äste, balancierte die dünneren Stängel entlang und landete neben Sasuke knapp über der Wasseroberfläche. Ein schlaffer Körper ragte aus dem Stamm der Pflanze. Eiseskälte breitete sich in ihren Lungen aus, als sie ihre Hand nach ihm ausstreckte. _ Kakashis Mundwinkel zuckten in unterdrücktem Amüsement, als er durch das Dickicht stob. Sai knapp hinter ihm. Pakkun jagte vor ihnen her, führte sie ohne Umwege von Zielort e zu Zielort f. Sein schwaches Flüstern. Sein Röcheln. Seine vom Fieber matten Augen. Kakashi schüttelte vage den Kopf – wie, um diese Bilder abzuschütteln. Die Angaben waren nachvollziehbar, aber nicht eindeutig gewesen. Es gab diesen Prozentsatz, der Fehlkalkulationen nahe legte. So wie diesen. Wieder einmal. Es musste Zielort f sein. Es musste. Sie mussten ihn finden. _ Der Körper. Wie tot aus dem verholzten Stamm. Bleich und unbeweglich hingen seine Arme dem Boden entgegen. Das Gesicht wie versteinert. Es schien nicht, als schliefe er. Es schien, als wäre er plötzlich aus dem Leben gerissen worden. Knöchern und mager war sein Gesicht dem Boden entgegen gewandt. Die Arme ausgemergelt. »Yamato-sensei«, hauchte Sakura, räusperte sich und konzentrierte sich krampfhaft auf das Wesentliche. Ihre Hände strichen über seinen Körper, sirrendes, blaues Chakra in den Fingerspitzen, als sie nach irgendeinem Anzeichen suchte, dass – »Er lebt«, verkündete sie nüchtern, doch den überraschten Ton nicht restlos verbergend, „gerade so.“ »Diese Pflanze«, konstatierte Sasuke, der den Körper mit blutroten Augen fixierte, »wir benötigen mehr Informationen, um das weitere Vorgehen –« Sakura blinzelte. »Was?«, zischte sie. »Was gibt es da für eine Frage? Wir müssen ihn befreien! Das ist die Mission! Was, wenn diese Pflanze ihm das Chakra entzieht?« Sasuke lehnte sich zurück an eine breite Astgabelung. Sein Blick bohrte sich in den ihrigen. Stur hatte sie ihre Hände in die Hüften gestemmt. »Falsch. Die Mission ist, ihn zu bergen. Möglichst lebend.« Tief einatmend versuchte sie sich zu beruhigen, legte kühle Professionalität über ihre Mimik, um ihm nicht einfach in den Magen zu schlagen. »Dieser Teil der Mission ist mein Spezialgebiet. Ich bin für seine gesundheitliche Versorgung verantwortlich«, bemerkte sie kühl. Sie sah den dicken Stamm entlang, hinauf, legte ihren Kopf in den Nacken. Dann schwenkte ihr Blick zurück zu Sasuke, der sich lässig vom Ast abstieß, den verholzten Stamm entlang strich und mit karminroten Augen Yamato fixierte. Sein Oberkörper ragte aus der Pflanze heraus, doch die Hüfte schien mit den Grenzen des Stammes zu verfließen. Sakura wollte sich kaum vorstellen, in welchem Ausmaße seine Zellen mit denen der Pflanze verflochten waren. »Sollte die noch nötig sein, nachdem er sich von der Pflanze getrennt hat«, spöttelte Sasuke. »In dieser Situation wäre das Byakugan hilfreich – leider haben wir für diese Mission nur das Sharingan übrig gehabt«, erwiderte Sakura nicht minder spöttisch, verschränkte ihre Arme provokant vor der Brust. Sasuke schnaubte. »Ich leite dieses Team und ich betone, dass Kakashi diese Mission leitet. Er wird entscheiden«, erinnerte Sasuke sie. »In dieser Angelegenheit seid ihr mir nicht vorgesetzt. Du vergisst meine Ausbildung. Es geht hier um medizinische –« »Und du vergisst meine. Ich hab schon viel – Bizarres gesehen. Das hier ist keine einfache Frage medizinischer Aspekte.« »Du meinst wohl Menschenverachtendes und Widerwärtiges«, höhnte Sakura dunkel und funkelte ihn an. »Einfach ist hier übrigens wohl gar nichts.« »Es übersteigt deine Kompetenz, Sakura. Es geht hier nicht nur um seine Gesundheit. Die Geheimnisse seines Körpers gehören Konoha. Wir warten auf die Verstärkung.« Zorn loderte in ihr auf. »Du hast keine Ahnung von meinen Kompetenzen.« Er ignorierte den Widerspruch und wandte ihr den Rücken zu. Widerspenstige Worte blieben auf ihrer Zunge kleben, als sie – Sasukes Blick folgend – mit breiten Schwingen weiter hinten einen pergamentfarbenen Vogel den steilen Vorhang hinunter segeln sah. _ Zwischen den engen Wänden aus Erde waberte das grünliche Licht entlang und führte sie in die nächste Kammer. Es erweckte eine morbide Neugierde in Kakashi. Wie die eines Kindes, dem verboten worden war, auf die Herdplatte zu langen. Er erwartete geradezu sich bald zu verbrennen. Eine zweite Tür. Der Raum, in dem das Licht seinen Ursprung zu finden schien. Er stieß die Tür auf. All seine Sinne angespannt. Als erwartete er Schmerz. Doch – nichts dergleichen. Vor ihnen breitete sich eine überraschend gewaltige Höhle aus. Eine imposante Pflanze wand sich inmitten des Raumes gen Decke und mochte mit ihrer weitläufigen Blüte an die vierzig Meter messen. Dieser unerwartete Anblick bannte Kakashis Blick für einen Moment. Er spürte, wie auch Sai neben ihm verharrte. Dann regte der sich und zeigte auf zwei Gestalten, die sich knapp über dem Wurzelwerk der Pflanze, gegenüber standen. In ihm nagte ein ungute Gefühl. Als stünde der Herd noch in ausreichender Entfernung, doch seine Hand ausgestreckt, nur eine Frage der Zeit, bis er den Schmerz spüren sollte. »Sai«, meinte er ruhig und schon erwuchs ein ansehnlicher Vogel, die Schwingen kräftig und breit, aus der Pergamentrolle. Mit einem Sprung landeten sie auf dem gefiederten Rücken und segelten die steile Klippe hinab. _ Der Körper des Vogels landete mit einem Windstoß neben ihnen. Noch bevor er mit seinen Krallen den Boden berührte, sprangen zwei Schatten auf die feuchten Wurzeln und richteten sich auf. Das grünlich schimmernde Licht reflektierte in ihren Mienen, über die professionelle Distanz gestülpt worden war. Sakura glaubte trotzdem, etwas über Kakashis Gesicht zucken zu sehen – danach war sie sich aber nicht mehr sicher und schob ihren Eindruck auf das Ambiente. Sasuke berichtete knapp die bisherige Situation, während Kakashi mit betont gelangweiltem Blick an den Lotusstamms schlenderte, geradezu behutsam das Holz entlang strich, sein Blick auf die bewegungslose Gestalt Yamatos gerichtet und tief einatmete. »Das heißt, er lebt«, resümierte Kakashi und musterte Sakura, um die Fakten bestätigt zu sehen. Mit der Frage wurde sich Sakura sofort der Aufmerksamkeit dreier Blicke bewusst. Sie nickte langsam. »Dann müssen wir ihn ja lediglich bergen«, stellte Sai fest. Seine gewohnt unsentimentale Art hätte Sakura auflachen lassen, wäre die Situation nicht so ernst gewesen. »Und was schlägst du vor? Die ganze Pflanze mitzuschleppen?«, fragte Sasuke trocken, als er sich von einem der Äste abstieß und auf sie zuschlenderte. Sai überlege offensichtlich und war im Begriff zu antworten als er ihn genervt abwürgte. »Ja, Sarkasmus.« Ausdruckslos wandte sich Sai wieder der abgemagerten Gestalt Yamatos zu, betrachtete die Verschmelzung von Pflanze und Mensch, als studierte er Insekten. »Gibt es denn eine Möglichkeit, ihn von dieser Pflanze zu trennen, ohne seinen Körper in zwei Hälften separieren zu müssen?«, fragte er nüchtern. Eine Welle spülte über Sakura hinweg, die das Gefühl des Ekels mit sich brachte, des Unglaubens, der Hilflosigkeit. Aber auch heißes Adrenalin, das ihre Gedanken zum Rasen anfeuerte. »Wir können ihn jedenfalls nicht hier zurücklassen.« Sasukes Stimme trug etwas Endgültiges in sich. Etwas, das nichts mit Empathie oder Kameradschaft zu tun hatte. Mit einem plötzlichen Verständnis, schaute Sakura entsetzt auf. Die Geheimnisse seines Körpers gehören Konoha. Der Körper eines Ninjas war voller Geheimnisse. Das war die Mission. Konohas Geheimnisse zu wahren. Es war keine Rettungsmission. Und obwohl es ihr niemand sagte, wussten es offensichtlich alle. Sakuras Mimik verdunkelte sich. Sollten sie keine Möglichkeit finden, Yamatos Zellen von denen der Pflanze zu entflechten, ihn somit lebendig zu bergen, dann – Ihr Blick wanderte zu ihrem ehemaligen Sensei. Kakashi schwieg. Sein Blick auf den ausgemergelten Körper gerichtet, strich sich durch sein chaotisches Haar, ehe er sich an Sakura wandte. »Deine Einschätzung als medizinisch spezialisierte Einheit in dieser Mission?« Ein unpassendes Gefühl des Triumphs durchströmte sie, als sie Sasuke einen knappen Blick zuwerfend, tief einatmete. »Unter der Prämisse, dass sich die Pflanze gewaltsam mit seinem Körper vereint hat, sehe ich keine Möglichkeit, seine Zellen von denen der Pflanze loszulösen, ohne seinen Körper, der offensichtlich ja bereits erheblich geschwächt ist, endgültig zu zerstören.« »Das heißt, wir müssen ihn insoweit bergen, dass er keine Gefahr für Konoha darstellen kann«, resümierte Sai teilnahmslos, schritt ungerührt auf Yamato zu und bestätigte Sakuras Ahnung. Sie stellte sich dazwischen. »Was, wenn sich sein Körper mit ihr auf natürliche Weise verbunden hat?«, zischte sie und schaute auf. Kakashis Blick fuhr zu ihr, bedachte sie nachdenklich. Seine Augen leicht zusammengezogen. Sie erwiderte ihn mit dem bizarren Gefühl von Hoffnung und Unsicherheit. »Auf natürliche Weise?«, hakte Sasuke nach. Seinem Tonfall war anzuhören, dass er sich eine derartige Verschmelzung auf natürliche Weise nicht vorstellen konnte. Ihr Blick schwankte von Kakashis ausdrucksloser Mimik zu Sasuke, der sie kritisch musterte. Sie schnaubte, strich den Pflanzenstamm entlang, die Holzfasern, berührte die Übergangslinie von Pflanze zu Mensch. Sie hatte sich nie wirklich viel Gedanken über Yamatos Fähigkeiten gemacht. Er hatte Naruto beim Training geholfen, ihn durch komplexe Phasen mit dem Fuchsungeheuer gebracht. Er hatte sie beschützt, als sie in einem Team Missionen verfolgt hatten. Seine Fähigkeiten waren Legende und Erbe. Segen und Fluch. Status und Macht. Provokation und – sie hatte nicht wirklich daran gedacht. Sie hatte keine Ahnung gehabt, welche Ausmaße diese Mission würde annehmen können. Offensichtlich ging es ihrem Gegenüber keineswegs so. Offensichtlich hatten sie damit gerechnet. Offensichtlich gab es noch eine andere Seite der Medaille. Eine, die ihr nicht vor die Nase gehalten wurde. Aber hier stand sie nun und hatte es begriffen. Rettung, wo möglich. Beseitigung, wo nötig. Wut sammelte sich in ihrem Bauch. Dieser Anblick. Die Verflechtung von Mensch und Pflanze. Diese Symbiose. Es konnte kein Zufall sein, dass ausgerechnet Yamato, der Letzte, der diese Fähigkeit in sich trug, hier vor ihnen mit diesem gigantischen Lotus verschmolzen war. Provokation und Hoffnung. Es konnte kein Zufall sein, dass Tsunade sie mit auf diese Mission geschickt hatte. Ihre Gedanken rasten. Es musste eine Möglichkeit geben. Diese Mission überschritt nicht ihre Kompetenzen. Nur weil sie nicht tatenlos zusehen würde, wie sie die Geheimnisse dieses Körpers, einen Menschen beseitigen würden. Sie zog ihre Augen zusammen. Und sie würde es Sasuke beweisen. »So wie bei der Anwendung des Mokutons«, schloss sie so überzeugt wie möglich mit diesem Gefühl im Magen und blickte mit geballten Fäusten in die Runde. Sie würde einen Kameraden nicht aufgeben. _ Kakashi sah, wie seine ehemalige Schülerin geradezu bedächtig den Stamm entlang strich und ihre Finger dort verharrten, wo sich die verholzten Pflanzenfasern um menschliche Zellen wandten. Ihre Worte berührten etwas in ihm, das ihn etwas Unvertrautes spüren ließ. Hoffnung. Das Gefühl, sich zu verbrennen, lastete noch immer auf seinen Schultern. Der Ofen brannte heiß. Nur wenige Meter entfernt. Tenzous Gesicht hing leblos hinab. Aber er spürte auch, wie er langsam seine Finger in der Luft verharren ließ. Für einen Moment. Vielleicht musste er es doch nicht tun. Der Befehl war klar und deutlich. Er hing über ihm, brannte zwischen seinen Fingern. »Wir müssten ihn zu Bewusstsein bekommen. Dann wäre es theoretisch möglich, dass er sich von der Pflanze mithilfe des Mokutons trennt«, behauptete Sakura und über Kakashis Lippen unter seiner schwarzen Gesichtsmaske zuckten ein Lächeln. Das Funkeln in ihren Augen kam ihm so bekannt vor. »Wenn er nicht zu Bewusstsein kommt, werden wir einen anderen Weg einschlagen müssen«, hielt Sai stoisch dagegen. »So lautet der Befehl.« Kakashi beobachtete Sakuras Mienenspiel. Schnaubend hielt sie inne. »Bevor wir an einen anderen Weg denken, sollten wir zunächst den gegebenen gehen«, feuerte sie Sai entgegen und krempelte die Ärmel hoch. Es war Befehl. Er war es gewohnt, Befehlen zu folgen. Aber er hatte vor langer Zeit einmal zu jemandem gesagt, dass der Befehl, einen Freund zu töten, kein valider Befehl sein konnte. Kakashi betrachtete den bleichen Mann vor sich. Er stand zwischen Pflicht und Freundschaft. Es brachte ihn zu einem gequälten Lächeln. Dann schenkte er Sakura einen Blick, in dem seine Entscheidung geschrieben stand. Er zwinkerte ihr zu. »Bring ihn zurück, Sakura.« _ Pulsierendes Chakra schlängelte sich um ihre Hände. Langsam pumpte sie es in Yamatos Brust. Sie spürte seine Rippen. Mit jedem Chakrastoß befürchtete sie, ihm die Lungen zu zerquetschen. Er wirkte so fragil. Dem Tod näher als dem Leben. Sein Schlüsselbein zeichnete sich viel zu stark ab. Schweiß rann ihr die Schläfen hinunter. Nicht zu viel, ermahnte sie sich, nicht zu wenig. Sie kontrollierte das Chakra, versuchte es möglichst ruhig in seinen Körper einzuschleußen. Die Angst stand direkt hinter ihr, atmete ihr ins Ohr. Doch da war auch Hoffnung, die ihr zuflüsterte. Dieses Gefühl. Die Möglichkeit. Sie würde nicht dabei zusehen, wie ihre eigenen Kameraden einen anderen Kameraden umbrachten. Ihm das letzte Chakra aus den Adern pressen, das Blut zum Stillstand, die Hoffnung zerschmettern würden. Nur wegen Geheimnissen. Vagen Geheimnissen, die ihren Schatten über ein Menschenleben warfen. Ihr Atem ging keuchend. Die Anstrengung ließ bunte Punkte vor ihren Augen flimmern. Es war nicht die Menge an Chakra, die sie keuchen ließ. Es war die Kontrolle. Dann spürte sie plötzlich, wie sie nachgaben. Zwei Rippen bohrten sich unter ihren Fingern in sein Fleisch. Ihre Augen weiteten sich entsetzt. Die Hoffnung verstummte. Die Angst schrie ihr ins Ohr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)