Wie Sommer in Deinen Augen von Jaelaki ([Sai & Sakura]) ================================================================================ Kapitel 2: Wie Nebel in Deinen Augen ------------------------------------ „Wieso wütend, Sai?“, hakte sie ruhig nach – was so gar nicht zu ihren Augen passen wollte – und sprach zu ihm wie zu einem Kind. „Wenn jemand stirbt, dann ist man gewöhnlich traurig.“ Sie sagte es tatsächlich so, als war sie unsicher, ob er das bereits wusste oder eben nicht. Er hingegen winkte ab. „Das weiß ich“, erwiderte er und irgendwie wusste er nicht, ob er darauf stolz sein sollte – denn Trauer und Tod waren Themen, mit denen die wenigsten Menschen Stolz assoziierten. Natürlich kannte er hier durchaus Gegenbeispiele. „Bevor du stirbst, werden wir aber noch viel zu tun haben“, entgegnete sie forsch und zog ihn kurzerhand mit sich zurück zum Lazarett. In ihren Augen war der Schatten ihrer einstigen Entschlossenheit zurück. Wenn Sakura früher über die Zukunft gesprochen hatte, dann hatten ihre Augen geleuchtet. Mitreißende Entschlossenheit hatte darin gelegen, Mut und Hoffnung ihre Gesichtszüge gezeichnet. Das Grün ihrer Augen war ein Wald im Sommer gewesen. Kräftiges, leuchtendes Grün. Ein Rauschen in den apfelgrünen Blätter. Ein Zittern in den ahorngrünen Zweigen. Wie Blattgrün von der Sonne geküsst. Wenn sie ihn angesehen hatte. Früher. Sai hatte es gesehen: Damals als sie nach jahrelangem Suchen Sasuke gefunden hatten. Im Krieg aber gab es keine Zukunft. Es gab nur die Gegenwart und die naive Hoffnung, irgendwann wieder eine Zukunft zu haben. Für etwas zu kämpfen, das sich lohnte, und wenn es nur so etwas wie Freundschaft war, einen verlorenen Teamkameraden oder Liebe, die hätte sein können. Irgendwann verschwamm dieses Etwas. Verschüttet unter dem Drang zu überleben. Jetzt standen sie davor. Vor den Kriegsfolgen und konnten allmählich die Ausmaße erahnen. Vor den Trümmern ihrer Zukunft und sahen die Vergangenheit. Es würde nie wieder so sein, wie es einmal gewesen war. Das hatte er in Sakuras Blick gesehen. Sie verließen das Lazarett und ließen viele Tote zurück. Die Verletzten und Kranken wurden in ihre Heimatländer gebracht, soweit das möglich war; Schwerstverletzte in die nächstgelegenen Versteckten Dörfer und dort versorgt, bis ein Transport in die Heimat medizinisch verantwortet werden konnte. Das Krankenhaus in Konoha war die nächsten Wochen hilflos überfüllt. Es gab zu viele Verletzte, zu wenige Ärzte, zu wenig Zeit und zu wenige Räume. Und da Sai nicht heilen konnte oder die Zeit beeinflussen, malte er ununterbrochen Vögel und Tiger, mit deren Hilfe Baumaterial geliefert wurde, um provisorische Krankenzimmer zu errichten oder Kranke zu transportieren, medizinische Ausrüstung und Medikamente. Seine Kopfwunde war längst zu einer feinen Narbe verblichen, die kaum sichtbar war. Doch von Tag zu Tag nahm er die dunklen Ringe unter Sakuras Augen deutlicher wahr. Ihr Teint wirkte ungesund blass, kränklich. Ihr Blick flog unruhig umher, als wäre sie ständig auf der Suche nach etwas. Er wusste nicht, was das hätte sein können, bis – „Sakura“, hörte er Sasukes dunkles Timbre und Sais Blick schwenkte zu Sakura, die müde immer wieder neue Patienten am Eingang aufnahm. Es hatte lange gedauert, bis er herausgefunden hatte, dass Worte auch in Blicken stehen konnten, dass Emotionen manchmal unausgesprochen blieben, obwohl sie für andere greifbar in der Luft sirrten. Das war für ihn bis heute schwer zu verstehen. Aber als er ihr in die Augen sah, bekam er eine Ahnung davon. Sakura und Sasuke standen einen Moment einfach nur da. Zwischen ihnen schien die Luft zu sirren, doch Sai wusste nicht, warum. In Sasukes Armen eine junge Frau, offensichtlich hatte sie starke Schmerzen. Ihre roten Haare erinnerten Sai daran, dass er sie schon einmal gesehen hatte – auf dem Kriegsschauplatz, in Sasukes Armen. Sakura schenkte diesem einen Blick. In ihren grünen Augen hingen Gefühle, die Sai nicht benennen konnte. Vielleicht stand dort alles, was sie hatte sagen wollen. Doch sie sagte nichts. Dann riss sie sich von Sasukes Blick los und beugte sich über die junge Frau mit den roten Haaren. Sakuras Chakra pulsierte um ihre Fingerspitzen, schloss klaffende Wunden, aus denen helles Blut quoll. Es war vielleicht dieser Moment, der die Zukunft zwischen ihnen beschloss. Sakura zog die Handschuhe fester, als die junge Frau aufgehört hatte zu röcheln und ihr Atem gleichmäßig ging. Ihren Puls kontrollierend, winkte sie Sai heran, um die junge Frau auf dem Rücken einer seiner Vögel in ein Zimmer zu geleiten. „Was ist passiert?“, fragte Sakura an Sasuke gewandt, als sie schnellen Schrittes folgten. Es klang nüchtern, professionell, als leitete sie nur die medizinische Fürsorge, doch in ihren Augen glitzerte noch etwas anderes. „Das ist nicht von Bedeutung“, wies Sasuke distanziert ab. „Sasuke, du bringst eine verblutende Frau her – eine Frau, die während des Krieges nicht auf unserer Seite stand und erwartest –“ „Sie war Teil meines Teams“, schnitt er ihr das Wort ab und ging ungerührt an ihr und Sai vorbei. „Sasuke, du kannst nicht hier – das ist der Intensivbereich!“, empörte sie sich, als er durch die Tür schritt und an das Krankenbett trat. Mit ausdrucksloser Miene beobachtete Sai die Szene. Krankenschwestern schoben sich an ihr vorbei zu der Patientin. Sakura war im Begriff zu folgen, doch dann verharrte sie, die Hand auf der Klinke. Sie sah durch die Glasfront, wie Sasukes Blick die blasse Gestalt in dem Bett streifte. Wie er diese junge Frau anblickte, wenn er dachte, keiner sah es – es sagte alles. Und Sakura wandte sich um. Das Grün ihrer Augen wurde blass, wie ein Wald im Nebel. Als hätte sich ein graues Band über ihren Blick gelegt. Mühsam wandte sie sich ab. Ihre Augen unleserlich, um ihren Mund hing ein harter Zug. Sai konnte nicht sagen, was es war, was ihre Augen durchwob. Ohne ein Wort und ohne ein Blick zurück fixierte sie ihn plötzlich, als wäre sie sich eben erst bewusst geworden, dass er da mit ihr auf dem Gang stand, und packte sein Handgelenk. Stur eilte sie voraus, ohne ihn loszulassen. Vielleicht war es Zufall gewesen an jenem Tag. „Wir haben noch viel zu tun“, raunte sie ihm zu, als würde es alles erklären „sie wird von den Schwestern versorgt.“ Es war spät in der Nacht. Obwohl es dunkel war, hing die Hitze des Tages noch in den Gängen und Räumen. Sakura strich sich eine Strähne aus dem verschwitzten Gesicht und wies die Krankenschwestern für den nächsten Tag ein. Ihr Schreibtisch war überfüllt mit Krankenakten, Notizen und Schriftrollen, auf denen komplizierte Heil-Jutsus erläutert waren. Wie sie den Überblick über das bürokratische Chaos behalten konnte, war Sai ein ungelöstes Rätsel. Er stand in einer Ecke und lauschte ihren Anordnungen, bis die Belegschaft endlich das voll gestellte Zimmer verlassen durfte. Die stickige Luft lag auf seiner Haut und ließ seine Aufmerksamkeit abdriften. „Wie machst du das?“, beförderte Sakuras Stimme seine Konzentration wieder in die Schwüle des Raumes. „Wie mache ich was?“, hakte er ausdruckslos nach. Warum sie daraufhin lächelte, war ihm nicht klar. „Es ist so schwül hier und den ganzen Tag verbrauchst du eine Unmenge an Chakra für die Unterstützung hier im Krankenhaus und – trotzdem. Du siehst so – frisch aus.“ Er musterte ihre Mimik und suchte nach Anzeichen von Ironie – manchmal erkannte er diese sogar. Manchmal. Momentan lag es bei sieben zu zehn. „Ironie?“, fragte er vage und sie gluckste, schüttelte freundlich den Kopf. Sieben zu elf. „Ich weiß es nicht“, antwortete er dann höflich, „wie machst du es?“ „Ich denke kaum, dass ich frisch aussehe.“ Sai schüttelte zustimmend den Kopf. „Nein, überhaupt nicht. Eine Dusche wäre auch angebracht.“ Er beobachtete, wie sich ihre Augenbrauen zusammenzogen und erkannte, dass es Unmut sein musste. „Du magst keine Duschen?“, riet er mit gerunzelter Stirn und ihre Mimik bewegte sich zwischen Ärger und Amüsement. „Das ist eine seltsame Kombination“, urteilte er und sie sah ihn fragend an. „Du scheinst verärgert zu sein und doch irgendwie belustigt. Oder ist das so eine Frauensache, wie Naruto letztens meinte?“ „Jeden anderen hätte ich für so einen blöden Kommentar eine gegeben“, nuschelte sie, doch dann seufzte sie resigniert, schob ihn aus dem Büro und schloss hinter sich zu. „Gute Nacht, Sai“, wünschte sie ihm und lächelte ihn müde an, er nickte ihr zu und verschwand mit einem dezenten Pfuff. Als Sai in seinem Apartment ankam und die Tür hinter ihm ins Schloss glitt, ließ er sich einfach ins Bett fallen. Seine Glieder zitterten vor Erschöpfung, sein Blick verschwamm immer mal wieder vor seinen Augen. Das war die kontinuierliche Chakrareizung. Er ignorierte seit Tagen sein Limit. In seinem Kopf trommelte ein stetiger Schmerz, ein Pochen durchwühlte seine Schläfen. Ohne einen weiteren Gedanken schloss er die Augen und entkam in eine unruhige Dunkelheit. Augen, die ihn amüsiert musterten, Augen, die ihn müde anblickten, Augen, in denen Sehnsucht stand. Gefühle, die er nicht verstand, Gefühle, die er kaum erahnen konnte. 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