Wie Sommer in Deinen Augen von Jaelaki ([Sai & Sakura]) ================================================================================ Kapitel 9: Wie Gewitter in Deinen Augen --------------------------------------- „Wir sollten – wir sollten“, keuchte Sakura und sah sich fahrig um. Er fragte sich, was sie sollten. Dann griff sie nach seiner Hand und zog ihn mit sich. „Zu dir“, ordnete sie an. Er fragte sich, wozu. Aber er wollte nicht, dass Sakura aus seiner Nähe entschwand. Etwas schien noch immer über seine Lippen zu kribbeln. Seine Finger schlossen sich fester um die ihrigen. Seine Wohnung war nicht weit weg vom Krankenhaus. Eine Straße geradeaus, links abgebogen und dann quer über die Straße, das rechte Haus. Er wollte das Licht anmachen, doch er kam nicht dazu. Sie stolperten durch den dämmrigen Gang, sie drückte die Klinke zum Schlafzimmer hinunter. „Bist du müde?“, fragte er. Unverständnis zuckte über ihre Mimik. „Warum willst du in mein Schlafzimmer?“, hakte er nach. Sie keuchte schwer. Das Mondlicht malte silbernes Licht in ihre Gesichtszüge und schwammige Schatten. Ihre Augen funkelten. Grüne Silberstreifen. Er spürte ihre Wärme. Eine Hand lag noch immer in seiner eigenen. Ihr Atem strich ihm über die Wange und ihr Blick senkte sich brennend in den seinigen. „Hast du schon mal – ich meine – du weißt, was – das hier bedeutet, oder?“ Er sah sie verständnislos an. Ehrlich gesagt, wusste er kaum, was wann bedeutete. Wenn es nicht gerade eine Strategie in einer Mission, ein Befehl oder ein Jutsu war. „Du weißt, was Sex ist, oder?“ Ihre Stimme klang vorsichtig. „Natürlich. Ich bin nicht dumm, Sakura.“, erwiderte er entrüstet. Wie konnte sie annehmen, er wüsste nicht, was das ist? Sie atmete durch, anscheinend erleichtert. „Sechs ist eine Zahl“, fuhr er nüchtern fort und fragte sich im selben Moment, warum Sakura ihn so anstarrte. „Nein, ja. Nein, ich meine“, stammelte sie und fuhr sich übers Gesicht. „Sex – das – wenn eine Frau und ein Mann – wenn sie ein Kind zeugen.“ „Du willst ein Kind?“, fragte er verwirrt. „Nein! Um der Hokage Willen“, preschte sie dazwischen. Dann überkam ihn die Erkenntnis. „Oh“, entgegnete er. Sie gluckste auf. Und er fühlte sich plötzlich ganz dumm und überrumpelt. „Entschuldige, Sai – ich wollte nicht.“ Sie vollendete ihren Satz nicht, sondern drückte leicht seine Hand und zog ihn mit ins Wohnzimmer, setzte sich auf das Sofa und sah zu ihm herauf. Wortlos ließ er sich neben sie gleiten. Schweigen. Stille. Die Uhr tickte. Etwas raschelte draußen auf dem Dach. Sie saßen da und sagten nichts. „Warum?“, durchbrach er die Mauer des Schweigens und sie zuckte kurz zusammen, ihr Blick fuhr zu ihm und floh wieder davon. „Es war egoistisch und dumm. Ich hätte nicht –“ „Warum stehst du vor ihrer Tür und wartest?“, präzisierte er stoisch. Er spürte ihre Nähe neben sich. Das Sofa, das sich unter ihrem Gewicht sanft eindrückte. Ihre verlegenen Blicke und die gemurmelten Worte. Ihre Wimpern waren dunkel und lang. Ihre Sätze dunkel und kurz. „Ich habe mich gefragt, ob er sie liebt. Ob er sie wirklich liebt. Oder – ob er sich nur aus Pflichtgefühl um sie kümmert.“ Er antwortete nichts. Diese Themen waren wirklich nicht seine Stärke. „Es ist offensichtlich, dass sie ihn liebt. Sie wäre für ihn gestorben.“ Sie verstummte. Schweigen. Stille. Die Uhr tickte. „Wärst du für ihn gestorben?“, hakte er nach. „Er wollte mich umbringen“, murrte sie düster. „Das ist keine Antwort“, entgegnete er und sie schnaubte. „Es gab eine Zeit, da hätte ich alles in meiner Macht stehende getan, um von ihm einen Blick zu bekommen. Aber –“ Er schaute auf, als sie zögerte. „Das ist keine Liebe. Liebe heißt nicht, dem anderen alles von sich hinzuwerfen – vor die Füße, in den Matsch – dich völlig auszubrennen, bis du dich leer fühlst und nur hoffen kannst, dass es gut genug war. Liebe bedeutet, dass man sich lebendig fühlt. Dass man weiß, dass es gut ist, weil es dir der Blick des anderen versichert.“ Zum ersten Mal in seinem Leben verstand er, warum Menschen ihre Gefühle verschleierten, über sie logen und verleugneten. Manche Gefühle waren so stark, dass sie einem Angst machten. Manche Gefühle ließen einen sich klein und bloß vorkommen. Andere Gefühle waren so aussichtslos, dass es besser schien, sie zu verschweigen. Er fühlte sich lebendig mit Sakura. So lebendig in seinem Leben wie noch nie. Aber sie wich seinem Blick aus. „Und trotzdem wartest du auf ihn“, schloss Sai. „Ich sollte gehen.“ Sakura fuhr hoch und floh aus seiner unmittelbaren Nähe. „Wir hätten nicht – ich hätte nicht – gute Nacht, Sai“, stammelte sie durcheinander. Sai verstand es nicht. Er verstand Sakuras Worte, aber ihre Gefühle waren ein undurchdringlicher Dschungel. Eine Welt für ihn völlig unnahbar, abgeschottet, verschlossen. Hinter ihren Augen, die ihn so durchleuchteten, so grün, so funkelten, so grün. Ein Wald, in dem Gefühle lauerten, die er nicht verstand. Wie wilde, verängstigte Tiere. Gefühle, die wie Blitze durch ihren Blick zuckten. Grüne Blitze. Ein Donner nahend. Gewitter in ihren Augen. „Warum fliehst du so oft?“, fragte er. Sie sah ihn an und lächelte traurig. „Weil es kompliziert ist. Weißt du? Es gibt im Leben nicht nur – eine Richtung. Und manchmal verirrt man sich und dann weiß man nicht wie man dahin kommt, wo man hin wollte und manchmal vergisst man sogar, wo das war.“ „Aber vielleicht solltest du genau hier ankommen“, wandte Sai ein und er sah, wie sie schluckte. Er stand durch einen inneren Impuls auf und näherte sich ihr. Ohne zu wissen, was er eigentlich tun sollte oder sagen. Mit ruhigen Schritten. Ihren Blick keinen Moment aus den Augen lassend. In ihnen schimmerte etwas. Unsicherheit vielleicht und Verlegenheit. Aber auch Neugier und – Hoffnung. „Wenn du gehen willst, dann geh“, sagte er dann und sie runzelte ihre Stirn. „Aber lauf nicht mehr weg. Ich verstehe es nicht. Ich weiß nicht, was man in solchen Momenten –“ Plötzlich machte sie einen Schritt auf ihn zu, überbrückte die letzten Zentimeter und legte ihren Finger behutsam auf seine Lippen. „Ich auch nicht“, erwiderte sie leise. „Aber ich sollte jetzt gehen.“ Damit ließ sie ihn stehen und er blieb dort. Er und namenlose Gefühle. In diesem Moment durchfuhr ihn der Gedanke, dass vielleicht auch für andere manche Gefühle namenlos waren. Weil man sie noch nie zuvor empfunden hatte. Er suchte unter N. Tage später saß er in der Bibliothek und blätterte in den Seiten vergilbter Bücher. Unter N fand er auch nichts. Namenlose Gefühle waren in dem Lexikon nicht aufgelistet. Er hatte ja eigentlich schon damit gerechnet, aber die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt. Das hatte man ihm zumindest gesagt, ob es auch wirklich stimmte – nun, er hatte es noch nicht überprüft. Dagegen hatte er gefühlt alle möglichen Bücher mit dem Stichwort Gefühl überflogen. Neben dem Ninja-Grundlagen-Band Wie man Gefühle versteckt, stand Wie man Gefühle ergründet. Das Buch Wie man das Gefühl los wird, während einer Mission urinieren zu müssen hatte er dabei ausgeklammert. Stattdessen saß er hier und starrte inzwischen auf Buchstaben, ohne sie zu lesen. Sakuras Augen funkelten vor seinem Geiste. Kopfschüttelnd ließ er sich tiefer in den Stuhl sinken. Fast ein Jahr war inzwischen vergangen. Ein Jahr ohne Krieg, aber mit vielen Dingen, mit denen er sich vor dem Krieg nicht hatte auseinander setzen müssen. Zunächst waren da die verletzten Kinder. Schwer verletzte Kinder anfangs, dann mit den Wochen waren es vor allem die hungernden Kinder. Es war wirklich nicht einfach. Vor allem, weil er nie genau verstand, warum sie weinten. Es zu ignorieren war allerdings auch nicht korrekt, hatte man ihm erklärt. Am liebsten waren ihm die Kinder, die gar nicht weinten. Die waren aber auch die schwersten Fälle, hatte man ihm erklärt. Er wusste nicht warum, denn er weinte selbst nie. Irgendwann war ihm klar geworden, dass er auch so einer der schwersten Fälle war oder besser: es damals gewesen wäre, hätte man ihn nicht nach seiner Ausbildung auch als Ninja benutzt. Was ihn damals von den Kindern heute unterschied, wurde ihm nicht ganz klar. Er war sogar jünger als die meisten heute, er hatte selbst gekämpft und getötet und war nicht nur Opfer gewesen. Nein, er war Opfer und Täter. Im Laufe der Zeit hatten sich beide Rollen miteinander vermischt und es war unwichtig geworden, wer er gewesen war oder was. Irgendwann hatte nur noch die Mission gezählt. Er war niemand mehr gewesen. Sein Leben die Aneinanderreihung von Missionen. Es hatte kein Unterschied existiert, ob er gelebt hatte oder tot gewesen wäre. Niemand hätte ihn vermisst, ein anderer hätte die Mission erledigt, er war ein namenloser Schatten gewesen. Bis jemand seinen Namen gerufen hatte. Seine Freunde. Nicht er selbst. „Oh, Sai. Hier bist du. Was suchstn du hier?“, zog ihn Narutos Stimme in die Gegenwart zurück. Er starrte ihn an, fuhr hoch, so dass der Stuhl auf den Boden schepperte. Er spürte den entgeisterten Blick des Blondschopfes, doch nicht weniger hätte er sich dafür interessieren können. „Weißt du, ich muss im Krankenhaus helfen und –“ Er war falsch an die Sache herangegangen. Er hatte krampfhaft versucht seinen Gefühlen einen Namen zu geben. Dabei war das gar nicht nötig. Er selbst hatte es doch erlebt. Seine Freunde mussten das tun. Entschlossen sah er auf. Zumindest dachte er, dass er entschlossen schaute, Naruto hingegen sollte es in späteren Erzählungen als unheimlich, echt jetzt bezeichnen. „Naruto, hilf mir meine Gefühle zu ergründen.“ Für den Blick, den dieser ihm daraufhin zuwarf, sollte Sai auch in späteren Erzählungen keine passende Beschreibung finden, doch Naruto würde darauf beharren, dass panisch keine entsprechende Option war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)