Wie Sommer in Deinen Augen von Jaelaki ([Sai & Sakura]) ================================================================================ Kapitel 14: Wie Frost in Deinen Augen ------------------------------------- Er erwachte und Erinnerungen drängten sich ihm auf, die er nicht von Träumen unterscheiden konnte. Er war aufgestanden in der Nacht. Das war Realität gewesen, nicht? Er hatte Sakura getroffen. Dann hatte er mit Shin geredet. Sie hatten trainiert. Das war keine Realität gewesen. Er hatte mit Sakura gesprochen. Er hatte sie vor jener Tür bemerkt. Realität. Eine Sackgasse hatte sie verfolgt, die sich plötzlich über ihre Köpfe gestülpt hatte. Realität? Eher nicht. Danzou hatte ihm klar gemacht, dass er versagt hatte. Dass er Versagen nicht duldete. Naruto hatte ihm erklärt, dass Freunde auch ab und zu den anderen küssten und war ihm verdächtig nahe gekommen. Sakura hatte ihn angesehen, doch dann war er nicht mehr er selbst gewesen, sondern Sasuke.   Sai schloss seine Augen und seufzte.   In seinem Kopf trommelte Schmerz, ein Pochen durchwühlte seine Schläfen. Ohne einen weiteren Gedanken entkam er in eine Dunkelheit der Unruhe. Augen, die ihn amüsiert musterten, Augen, die ihn müde anblickten, Augen, in denen Sehnsucht stand. Gefühle, die er nicht verstand, Gefühle, die er kaum erahnen konnte. Grüne Augen.   Umso mehr die Schmerzmittel herunter gesetzt werden konnten, desto weniger zitterten seine Hände. Er starrte aus dem Fenster, betrachtete die Wände und musterte die Gesichter, die sich über ihn beugten, um ihn zu untersuchen. Eines blieb ihm im Gedächtnis.   Manchmal in der Nacht, streifte er durch die dunklen Gänge – in der Zeit, wenn Traum und Wirklichkeit verwischten. Doch durch seine Gedanken waberte Klarheit. Dann beobachtete er sie ab und zu, wie sie dort vorbeiging, die Fingerkuppen die Türklinke entlang streifen ließ und zögerte, als wollte sie die Tür öffnen, aber sie tat es nicht. Sie wirkte so verletzlich in diesen Momenten, in denen sie sich unbeobachtet fühlte, dass er ihr nicht vor Augen führen wollte, dass er sie sah. Denn er war sich sicher, es wäre wie für ihn eine unangekündigte Berührung. Er zog sich wie ein Schatten zurück und ließ sie allein an der Tür zurück. Immer wieder. In seinem Bauch kämpfte Kälte gegen Wärme. Er wollte sie gerne an die Hand nehmen und ihr sagen, dass alles gut werden würde. So wie sie es der Familie versprochen hatte. Aber er wusste, dass das nicht stimmte. Sakura suchte hier etwas, das er ihr nicht versprechen konnte, denn andernfalls wäre sie nicht hier, sondern bei ihm.   Seinen Kopf durchkreuzten Gedanken, die er nicht greifen konnte. Gedanken, wie er überleben konnte, schoben sich zur Seite und übrig blieben Erinnerungen und Wünsche. Jetzt gerade fragte er sich, warum sie nicht nach Hause ging – denn ihre Augenringe sprachen Bände. Er war sich auch nicht im Klaren darüber, warum sie sich offenbar in der Arbeit zu ertränken gedachte, warum sie auf ihn wartete. Er wusste auch nicht, warum er ihr von allen Fragen, die durch seine Gedankenbahnen strömten, ausgerechnet diese stellte.   „Warum wartest du auf ihn, Sakura?“ Sie stellte ein Gerät ein und notierte sich Werte, als er sprach und sie inne hielt. „Was meinst du?“ „Warum gehst du nicht einfach zu ihr hinein?“ „Zu wem?“   Er lag in dem Bett, stemmte sich hoch, um sie besser ansehen zu können. Sie trug geschäftig Werte ein und kontrollierte seinen Blutdruck, aber er hatte gelernt, dass sie solche Dinge auch tat, um seinem Blick auszuweichen.   „Zu dem rothaarigen Mädchen.“ „Achso, du meinst Karin.“ Sie nannte diese Information, als wäre es für sie eine Neuigkeit über die junge Frau nachzudenken. Aber Sai wusste es besser, denn er kannte das Gefühl, wenn eine Person die eigenen Gedanken beherrschte.   „Hast du mit ihr gesprochen?“ „Warum?“ Sakura tastete seine Arme ab. „Hast du sie gefragt, wie sie zu Sasuke steht?“ Sakuras Finger hielten in ihrem Tun inne, ehe sie ihm den Verband am Kopf erneuerte. „Wie kommst du denn darauf?“ Sie lachte auf, nur um dann diesen Ausdruck von Ernst in ihren Augen nicht verbergen zu können. „Wie kannst du nicht darauf kommen?“   Gefühle waren für ihn oft eine Angelegenheit, die mit Unverständnis und Überforderung verbunden war. Er las etwas in Sakuras Mimik, wie sie die Lippen verzog und auf ihrer Stirn Falten entstand, die nicht vom Älterwerden stammten, sondern von – Ärger? Sorge? Sie strich sich eine Strähne ihres Haares hinters Ohr und atmete tief ein, weil sie – genervt war? Ruhe bewahren wollte? Sauerstoff benötigte?   „Er hat dir doch gesagt, dass sie nicht du ist. Das hört sich logisch an.“ Sie hörte seine Lungen ab, notierte sich etwas. Vielleicht tat sie aber auch nur als ob. „Auf was wartest du, Sakura? Sagt dir sein Blick, dass –“ „Sei still, Sai.“   Sie sah plötzlich von ihrem Klemmbrett auf und fixierte ihn, statt seinem Blick auszuweichen griff sie ihn mit ihrem eigenen an, wie ein verwundetes Tier, das man in die Ecke gedrängt hatte. In ihren Augen schoben sich Eisschollen über das Frühlingsgrün ihrer Iris und ließen es erfrieren. „Es geht dich nichts an.“   Er war sich nicht sicher, ob das stimmte. Vielleicht würde er ein Buch dazu finden, aber zunächst einmal akzeptierte er die Prämisse. „Wann kann ich wieder trainieren?“   Sicherlich deutete sie seine Frage als Zustimmung, aber das war nicht seine Intention. Vielleicht war sie auch lediglich überrascht über den Themenwechsel und hatte sich für ein Streitgespräch gewappnet. Jedenfalls musterte sie ihn einen Moment lang, als erwartete sie eine Bombe, die er zünden würde, doch es kam keine und so ließ sie sich auf seine Frage ein.   „Kein Training für die nächsten zwei Monate.“ Ihn überrollte Erschütterung. Was sollte er mit seiner Zeit anfangen? Was bedeutete seine Zeit? Was bedeutete er? Das hieß – er war nutzlos, eingesperrt in einen nutzlosen Körper, ein nutzloser Teil der Gesellschaft, der – „Aber du solltest deine Arme trainieren. Das heißt weiterhin Physiotherapie für dich und morgen darfst du gerne etwas malen“, ordnete sie an und machte sich währenddessen Notizen. „Etwas malen?“, hakte er nach und Unverständnis durchkreuzte seine Gedankenwege. „Kommt das für dich nicht Training am nächsten?“ „Malen wozu? Braucht ihr Unterstützung für –?“ „Nein, kein Training, kein Auftrag. Lediglich – malen. Für dich. Für deine Arme.“ „Ich male nicht für mich. Ich male für den Kampf, für Missionen, für Konoha.“ „Und für nicht im Kampf?“ Er sah sie verständnislos an. „Was meinst du?“ „Hast du denn nie einfach so gemalt?“   Es war so lange her, dass er sich nicht erinnern konnte. Das war sicherlich noch gewesen, als er nicht einmal hatte schreiben können – wenn überhaupt. Also schüttelte er langsam den Kopf und verlangte nach Pinseln und Papier.   „Gut, gut. Bekommst du morgen“, sagte sie ihm zu und wandte sich um. Sie hatte bereits ihre Finger auf der Türklinke, als ihn ein Gedanke durchzuckte. „Sakura“, sprach er sie an und sie hielt sofort inne, als hätte sie darauf gewartet, ihren Namen aus seinem Mund zu hören, schaute ihn über die Schulter hinweg an.   „Wenn er bei dir ist, fühlst du dich dann lebendig?“ Da war er wieder. Der Frost in ihren Augen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)