Räuberblut von Nanuck ================================================================================ Kapitel 7: Schmerzlicher Abschied --------------------------------- Wolkenverhangen war der Himmel von einem grauen Schleier bedeckt. Vereinzelt traten noch die letzten Sonnenstrahlen des Tages durch die Wolkendecke. Träge Wellen schleppten sich an den Strand, schwappten über den Sand und ließen Muscheln zurück. Eine schwarze Menschenmasse suchte ihren Weg hinunter ans Meer, trauernde Menschen, die das verstorbene Königspaar auf ihrem letzten Weg begleiteten. Als Asche verstreut über den gesamten Ozean, so hätten Tairas Eltern sich ihre Beerdigung vorgestellt. Ein ewiges Leben als Teil des geliebten Meers. Die beiden Urnen aus teurem mit Gold und Edelsteinen verziertem Porzellan standen auf einer Art Tablett und wurden von zwei Männern getragen. Taira war die Erste, die voranging. Tränen schimmerten in ihren Augen. Der Abschied von ihren Eltern fiel ihr schwer, ihr Herz fühlte sich an, als wäre es aus Stein. Doch das schlimmste für Taira war es, dass niemand da war, der sie hätte trösten können. Niemand würde ihren Schmerz so verstehen, wie jemand den sie liebte. Ihre Eltern waren tot, und Leon war auf der Flucht, um sie zu schützen. Einerseits hasste sie ihn dafür, dass er jetzt nicht hier war, doch wirklich hassen konnte sie ihn nicht. Vielmehr liebte sie ihn dafür, dass er seine Sehnsucht in den Schatten stellte und sich von ihr fernhielt, um sie in Sicherheit zu wiegen und den Kreuzsternorden von ihr fern zu halten. Es war schwer für Taira zu begreifen, was sie momentan fühlte. Trauer, Hass, Sehnsucht und auch Liebe. Irgendwo zwischen all den verrückten Dingen, die sich abgespielt hatten, den Kämpfen, den schönen Momenten mit Leon und auch den schlechten, irgendwo dazwischen hatte sie sich in ihn verliebt. Eine bittere Liebe, die von schrecklichem geprägt war. Sie hatten jetzt den Strand überquert und die ersten Wellen durchnässten schon den Saum von Tairas Kleid. Leiser Chorgesang vermischte sich mit dem Rauschen der Wellen. Tränen rannen den ersten schon über die Wangen, so wie Taira jetzt auch. Mit verschwommenem Blick nahm sie war, dass die Bürger nun die Augen geschlossen hatten und mit von Trauer verzerrtem Blick beteten. Taira hingegen nahm die erste Urne und streute die staubige Asche in den seichten Meereswind. Jedes einzelne Korn stand für einen schönen Moment, eine Erinnerung mit ihren Eltern. Ihre Überreste flogen nun hinaus auf den Ozean, tänzelten über die Brisen und sahen nun die ganze Welt. Vielleicht, dachte Taira, vielleicht kommen sie irgendwann auch wieder zu mir zurück. Dann streute sie die letzten Reste aus der zweiten Urne in den Wind, sagte auf Wiedersehen, schloss die Augen und wünschte ihnen Frieden. Sie starrte noch lange hinaus aufs Meer, dachte über all das nach, was sie ihren Eltern nie hatte sagen können, und bemerkte nun, dass durch die Sonne, die nun im Meer versank, ihre Eltern auf ewig diese Welt verlassen würden. Von nun an würde die junge Prinzessin regieren, Königin Taira. Die Krönung sollte direkt nach der Beerdigung abgehalten werden. Taira hatte gewollte, dass dies im Dorf passierte, nicht am Schloss. Sie wollte dort sein, wo sie sich am Meisten mit ihren Eltern verbunden fühlte, und das war schon immer am Brunnen gewesen, auf dem kleinen Dorfplatz mit den efeubewachsenen Mauern. Die Menschenmasse bewegte sich jetzt langsam zum Krönungsort, mit geröteten Augen aus Tränen der Trauer. Ratsmitglieder hatten den Platz schon am Morgen herrichten lassen, so wie sie auch die Friedensglocke hinunterbringen hatten lassen, in die Taira nun ihren ganz persönlichen Friedensspruch gravieren würde. Sie hatte lange überlegt, was für sie Frieden bedeutete, doch letztendlich war ihr doch noch eingefallen, was für sie allein Frieden war. Mit schweren Schritten stapfte Taira jetzt hinter der Masse her durch den Sand. Staubig wirbelte er unter den Füßen der vielen Leute auf. Immer noch hatte Taira einen Kloß im Hals, aus Trauer, aber jetzt auch, weil sie aufgeregt war. Sie wollte nicht Königin sein, sie hatte es noch nie gewollt, doch Taira wusste, dass es der letzte Wunsch ihrer Eltern gewesen war Taira als gütige Königin auf dem Thron vom Mittelland zu sehen und sie als Stolz des Familienerbes betrachten zu können Schon immer hatte Taira so wie alle anderen sein wollen, doch ihre Eltern hatten sie immer als etwas besonderes behandelt, nicht wie ihre Tochter, sondern eher wie eine zerbrechliche Porzellanpuppe. Tairas Eltern hatten immer gedacht, sie hätten ihrer Tochter alles gegeben, was sie sich gewünscht hatte, doch das einzige, was diese je gewollt hatte waren Respekt und Liebe ihrer Eltern. Die Blonde spürte nun wieder das Kopfsteinpflaster unter ihren Füßen. Sie hatten den Platz erreicht und vor ihr erstrahlte die Friedensglocke in ihrem majestätischen Glanze. Das Kirchenoberhaupt des Landes, ein alter Mann mit langen weißen Haaren und schlohweißem Bart, stand schon ihn seinem Zeremoniengewand neben der prachtvollen goldenen Glocke. Taira trat neben ihn, nahm den kleinen Meißel in die Hand und begann in ihrer schnörkeligen Schrift zu schreiben. Als sie fertig war, segnete der Bischof sie mit einem langen Gebet, bei dem er die ganze Zeit ihre Hand in seinen kalten, faltigen Händen hielt. Dann öffnete er eine Schatulle, in der die schwere, goldene Krone lag, die mit Verzierungen aus Platin geschmückt war, ebenso wie mit purpurnen Rubinen. Feierlich setzte er ihr die Krone auf das blonde Haupt, sprach ihren Krönungsspruch und zeichnete ihr mit Asche ein Kreuz auf die Stirn. Frieden bedeutet, das niemand mehr Leid ertragen muss, egal wer es ist. Das hatte Taira in die Glocke graviert. Doch für sie gab es lange noch keinen Frieden, denn solange die Menschen in Saylons Reich noch litten war auch kein Frieden, genauso wenig, wie wenn sie von Leon getrennt war, denn jede Minute ohne ihn war mit Leid erfüllt, und solange er nicht zu ihr zurückkehrte war ihr Leiden unendlich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)