Räuberblut von Nanuck ================================================================================ Prolog: Wenn Engel Flügel bekommen ---------------------------------- Wenn Engel Flügel bekommen Stille, Leere, Kälte Verloren, allein, hoffnungslos Niemand ist da, alles ist verloren Die Finsternis keimte tief in meinem Herzen Breitete sich aus, wie ein wuchernder Efeu Verschlang mein Herz Und erstickte das Licht Meine letzte Hoffnung Wurde von undurchdringbarem Nebel überschattet Mein letzter Funken Leben Wurde grausam im Dunkel erstickt Der Weg war schmerzvoll Und niemand war da, um mich zu beschützen Meine kleine Welt brach nach und nach auseinander Mit jedem Riss starb eine Erinnerung Mit jedem Spalt starb ein Teil meines Ichs Ich will nicht, dass alles vorbei ist Doch nirgendwo kann ich mich festhalten Ich falle einfach weiter Ohne halt, ohne Hoffnung auf Rettung Erst wenn die Flamme in meinem Herzen erlischt Höre ich auf ins Nichts zu fallen Höre auf zu existieren Ich fühle nichts mehr, denke nichts mehr Kann mich an nichts mehr erinnern Nichts hören, nichts sehen Dann steige ich auf, sehe ein Licht am Ende des Tunnels Doch nichts regt sich in mir Niemand ist da um mich zu trösten Eine Träne läuft über mein Gesicht Aber ich kann nicht sagen warum Wenn Engel Flügel bekommen Kapitel 1: Das schwarze Schiff ------------------------------ Ich schloss meine Augen und sog den erfrischenden Duft der Seeluft ein. Ich hörte, wie die Wellen sich an der Bordwand brachen und wie das Meer leise vor sich hinrauschte. Ich hörte das Knarren der Segel und die lauten Rufe der Seemänner. Langsam öffnete ich die Augen wieder und beobachtete die Wellen dabei, wie sie die Möwen auf sich schaukeln ließen, so wie auch unser Schiff. Es war später Abend, die Sonne war gerade untergegangen und hatte nur noch einen leichten rötlichen Schimmer am sonst strahlend blauen Himmel zurückgelassen. Schon seit zwei Tagen segelten wir jetzt über den Ozean und noch drei weitere würde ich damit verbringen müssen mich an die Reling zu lehnen und nichts zu tun. Noch drei Tage, dann würden wir endlich in dem anderen Königreich ankommen. Meine Eltern, König und Königin des Reiches an der Küste des Festlands, hatten mich ins weit entfernte Inselreich geschickt, um ein Abkommen mit dem dortigen König zu schließen. Ich freute mich auf das fremde Königreich. Nach jahrelangem Palastaufenthalt würde ich endlich mal wieder etwas anderes sehen als den Schlossgarten oder die überfüllten Wände des riesigen Schlosses. Ich wollte soviel machen, wenn ich endlich da war. Endlich wollte ich mal wieder die Stadt besuchen, unter Menschen sein. In unserem Reich war es inzwischen zu gefährlich geworden. Überall gab es Kidnapper und Attentäter, die es auf die Königsfamilie abgesehen hatten, besonders auf mich, die Kronprinzessin, und meine Eltern. Träge löste ich mich vom Schiffsgeländer und stieg die Treppe zu den Kajüten hinunter. Klickend schloss sich die Tür hinter mir und ich setzte mich gelangweilt auf mein Bett. Lustlos blätterte ich in dem Buch herum, dass zuvor auf dem Boden neben meinem Bett gelegen hatte. Ich legte es wieder weg und legte mich erschöpft auf meine weichen Kissen. Träumerisch blickte ich durch das Bullaugen-Fenster nach draußen in den wolkenverhangenen Himmel. Seeluft machte müde, sehr müde… Lärm vom Deck löste mich aus meinem Dämmerschlaf. Lautes Gerumpel und das Aufeinanderschlagen von Stahl war zu hören. Zwischendurch konnte ich auch einige Gesprächsfetzen aufschnappen, wie zum Bespiel „Schützt die Prinzessin!“ oder „Sie ist unter Deck!“. Panik stieg in mir auf, als ich hörte, wie die Nachbartüren nach und nach eingetreten wurden. Wir wurden überfallen, doch das schlimmste an der ganzen Sache war, dass die Verbrecher es nicht auf Gold oder Edelsteine aus war, sondern auf mich, die Prinzessin! Panisch stapelte ich alles, was schwer genug schien vor die Tür und setzte mich zusätzlich noch davor um gegen zu drücken, falls jemand versuchen sollte hier herein zu gelangen. Schritte kamen den Gang entlang. Mein Herz pochte wild vor Aufregung, dann donnerte der erste Tritt gegen die Tür und ließen die Truhen hinter meinem Rücken erzittern. Ein erneuter Tritt durchzuckte mich wie ein Blitz. Immer und immer wieder krachte der Fuß gegen das Holz, bis es schließlich knackend unter dem Druck barst. Splitter stoben in auseinander und verteilten sich über dem gesamten Fußboden. Erschrocken sprang ich zur Seite. Der nächste Tritt hob die Tür endgültig aus den Angeln. Kisten flogen durch den Raum und der riesige Mann, der sich seinen Weg durch die Trümmer bahnte, warf nun auch das Pult um. Der Riese hatte einen mächtigen, gelockten Bart, der ihm in dreckigen Strähnen über die Brust hing. Er hatte eine Glatze und eine Tätowierung auf dem blanken Hinterkopf, ein eigenartiges Symbol, soweit ich das erkennen konnte. Wie ein Grizzlybär wütete der breitschultrige Mann durch die Kajüte, bis er mich sah. Abrupt stoppte er in seiner Zerstörungswut. Ein hässliches Grinsen zog sich über sein abartiges Gesicht und entblößte verfaulte Zähne. Mit schweren Schritten trottet er auf mich zu- Der Säbel an seinem Gürtel wippte bei jedem Schritt bedrohlich mit. Erschrocken drückte ich mich gegen die Wand, doch kein Ausweg wollte mir einfallen. „Na, wen haben wir denn da?“ grollte die Reibeisenstimme des Kolosses. Entgeistert starrte ich ihn an, immer noch auf der Suche nach einem Fluchtweg. „Wir können das hier gesittet von Statten bringen, oder mit Gewalt“ knurrte er bedrohlich und packte angriffslustig seinen Säbel am Griff. „Es liegt ganz bei dir, Prinzessin!“ „Was wollt ihr von mir?“ krächzte ich, erschrocken von meiner eigenen Stimme, die mir nicht wirklich gehorchen wollte. Ein grollendes Lachen brach über mich herein. „Seid nicht naiv, Prinzessin, aber ihr sei wirklich nicht in der Lage Fragen stellen zu dürfen!“ bellte er mich an. „Wer seid ihr“ fragte ich mit zitternder Stimme, flehend, dass meine Beine nicht doch noch unter der Anspannung nachgeben würden. Wieder ließ ein bebendes Lachen die Wände um mich herum erzittern, während oben an Deck immer noch der Kampf tobte. „Ich bin Komur Braunbart, Mitglied des Kreuzsternordens“ prahlte er mit geschwollener Brust. Der Kreuzsternorden? Schlagartig verfinsterte sich meiner Miene. Der Orden des Kreuzsterns war eine Gruppe von Rebellen auf dem Festland, die in letzter Zeit viele Attentate, Erpressungen und Entführungen verübt hatten, und das waren noch sehr wenige von ihren vielen Verbrechen. Sie scheuten keine Bemühungen um an ihr Ziel zu gelangen, ebenso wenig, wie sie sich um die Frage der Moral kümmerten. Die Phantomritter, wie sie sich insgeheim nannten, waren skrupellos und würden sogar töten, wenn es nur irgendeinem Zwecke diente, der ihnen nützte. „Das sagt dir was, nicht wahr?“ grummelte Komur Braunbart neckisch. Ich nickte kaum merklich und schaute bedrückt auf den Boden, der übersäht von Trümmern war. „Was ist jetzt? Wir haben nicht ewig Zeit!“ Provokant baute er sich vor mir auf. Ich nahm jeden Funken Mut zusammen, der sich noch in den Fasern meine Körpers fand, und stellte mich ebenso provokant vor ihn, doch bei ihm wirkte es vermutlich eindrucksvoller. Dann schrie ich ihm förmlich ins Gesicht: „Mit ihnen würde ich niemals mitgehen, sie Mörder! Da würde ich lieber sterben.! Wütend verengte ich meine Augen zu schlitzen. „Das ließe sich machen“ knurrte Braunbart während er mit dem Säbel spielte. „Doch leider brauchen wir dich noch, also wird es wohl fürs erste so gehen müsse!“ Pfeilschnell stand er neben mir, mit einer Geschwindigkeit, die ich ihm nicht zugetraut hätte. Brutal presste er mir ein muffiges Taschentuch vors Gesicht. Langsam verschwammen die Konturen und Umrisse um mich herum. Das Zimmer verschwand, der Lärm klang nur noch gedämpft an mein Ohr und verstummte dann ganz. Meine Glieder erschlafften und ich fiel in einen schwarzen, endlosen Albtraum... Als ich wieder aufwachte, lag ich auf einem Bett aus feuchtem Stroh. Alles um mich herum schaukelte und es roch nach Meer und altem Holz. Ich musste immer noch auf einem Schiff sein. Überall im Raum war es stockdunkel, einzig und allein eine winzige Kerze spendete ein wenig Licht und machte die Wände um mich herum sichtbar. Morsches Holz begrenzte den winzigen Raum in dem ich mich befand, es gab keine Fenster und nur ein Häufchen Stroh, auf dem ich jetzt saß. Unschlüssig schaute ich mich weiter um. Wo war ich hier bloß? Hatten mich die Phantomritter wirklich entführt, oder war dies auch nur die verschwommene Erinnerung eines Albtraums? So oder so, war dies eindeutig nicht das Schiff, dass mich ins Inselreich bringen sollte, falls das stimmte, und es war auch nicht der Palast. Irgendetwas musste passiert sein, einen anderen Grund konnte es ja schlecht haben, um mich in dieses Loch zu sperren. Plötzlich verlangsamte sich das Schiff und ein merkwürdiges Ruckeln durchfuhr den gesamten Bau. Irgendjemand musste den Anker geworfen haben, das heißt, dass wir wohl das Schiff verlassen werden... Wie zur Bestätigung meines Gedankens, hörte ich nun auch Schritte auf dem Gang , dann das Aufschließen eines Schlosses. Die Tür öffnete sich. Hinter ihr war es ebenso dunkel wie davor. Ein Mann mit langen schwarzen Haaren, die er in einem Zopf trug, trat in das Dämmerlicht der Kerze. Er war sehr groß und kräftig gebaut, fast schon beängstigend. Von seinem Gesicht konnte ich nicht viel erkennen, bis das Flackerlicht es endlich erhelle. Eine lange, dünne Narbe quer über das linke Auge entstellte das hübsche Gesicht des Mannes. „Komm“ raunte er mir nur zu und wandte sich wieder zum gehen. Nach kurzem Überlegen folgte ich der Anweisung etwas eingeschüchtert von seinem Auftreten und verließ den Raum. Weiter links waren noch zwei weitere Türen, rechts war eine morsche Treppe, die uns an Deck führte. Das Schiff, auf dem ich mich befand, war unbeschreiblich schön. Es bestand aus schwarzem Holz, und auf den blutroten Segeln und Flaggen befand sich das mysteriöse Zeichen, dass ich auch schon auf der Glatze von Komur Braunbart bemerkt hatte: ein schwarzer Stern, der von einem silbernen Kreuz durchteilt wurde, das Zeichen der Ordensritter. Nirgendwo an Deck befand sich noch ein einziger Mann. Dann entdeckte ich sie alle in den Beibooten, eine Bande aus Räubern, Mördern und Blutsverrätern. Der Schwarzhaarige schubste mich leicht in Richtung Beiboote weiter. Wir setzten uns in ein fast leeres. Hier befand sich nur eine kleine Anzahl der Rebellen. Behutsam setzte ich mich auf eine der Bänke. Mit einem schiefen Lächeln wandte sich das Narbengesicht jetzt zu mir. „Nur zur Sicherheit“ meinte er und kettete mich mit Handschellen an sich fest. Zwei Männer ließen das Boot langsam in die pechschwarze See. Das Wasser reflektierte das silberne Licht des Mondes und der Sterne, es kam mir vor, als würde das Wasser wie tausende, kleine Diamanten glitzern. Langsam erst realisierte ich eigentlich, in was für einer Situation ich steckte und was für Leute hier vor mir saßen: die zur Zeit meist geführtesten Kämpfer des ganzen Reiches hatten mich entführt! Ich wusste so überhaupt nicht, was jetzt kommen würde und wenn ich ehrlich sein sollte, hatte ich Angst davor. Ich hatte schon viele Geschichten über den Kreuzsternorden gehört, doch nie war eine gut ausgegangen. Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals, als ich jetzt unser Ziel erkennen konnte. Wir steuerten geradewegs auf eine furchteinflößende Insel zu. Das Gestrüpp wucherte dort wie im Dschungel und lange Lianen zogen sich zwischen den Bäumen her. Bunte Blumen und giftigaussehende Dornen ragten zwischen den Bäumen hervor und diese wuchsen so hoch, dass man denken könnte, sie würden bald den Himmel berühren. Einen Strand gab es nicht, nur eine Steilküste, die das betreten ohne Hilfsmittel schier unmöglich machte. Desto näher wir dem Eiland kamen, desto mehr Details konnte ich erkennen. Jetzt konnte ich auch den Höhleneingang sehen, der wie ein schwarzes Loch das Meer einzusaugen schien und bedrohlich in der Felswand klaffte. Unerschrocken steuerten die Bootsmänner die Boote in die Höhle, während ich nur mit mulmigen Gefühl versuchte etwas im schwarz zu erkenne. Vergeblich. Mir kam es so vor, wie eine Ewigkeit, bis der Kiel des Bootes knirschend über den Sand scharte. Überall um mich herum entzündeten sich Laternen. Zuerst konnte ich überhaupt nichts mehr erkennen, doch dann gewöhnte ich mich an das schwache Licht und das, was mich hier erwartete, wurde sichtbar. Rund um die Boote herum standen Frauen und Kinder, aber auch einige Männer, die Windlichter in Richtung Wasser hielten, um erkennen zu können, wer da kam. Die wenigen Männer, die unter der Menschenmasse waren, hielten den Bogen am Anschlag in Richtung unserer Boote. „Wie lautet das Passwort?“ fragte eine junge Frau mit zerlumpter Kleidung und langen braunen Haaren. Ihre helle Stimme durchschnitt die angespannte Stille. Ein ängstliches Kind hatte sich an ihren Rock geklammert. Ein Mann im nebenstehenden Boot erhob sich von der Masse. Er trug einen langen dunklen Umhang, der fast seinen gesamten Körper in ein mysteriöses Schwarz tauchte. Ein Schwert lugte unter dem Stoff hervor und seine braunen, schulterlangen Haare hingen ihm strähnig ins Gesicht. Als er sie sich ein wenig aus dem Gesicht schüttelte wurde eine schwarze Augenklappe auf seinem rechten Auge sichtbar. Stille legte sich wie ein Teppich über die Masse von Menschen, die sich in der Höhle versammelt hatte, als er anfing zu sprechen, mit einer Stimme, wie dem Rauschen eines Wasserfalls, die eigenartiger Weise nicht zu seinem Erscheinungsbild passen wollte: „Prinzessin Taira ist angekommen“ Schlagartig richteten sich die Bögen auf den Boden, die Pfeile wurden wieder in den Köcher verstaut. Erleichterung erhellte die zuvor finsteren Gesichter der Frauen, einige rannten jetzt zu den Booten um die siegreichen Kämpfer zu begrüßen und um die Wunden der Verletzten zu versorgen. „Arashi!“ Der Schwarzmantel kämpfte sich durch die Menschenmasse, zu mir und meinem Bewacher. „Bring die Prinzessin ins Verließ.“ Arashi wollte etwas erwidern, doch der unheimliche Typ unterbrach ihn: „Sofort“ sagte er ruhig, doch mit fester, durchdringender Stimme. Dann drehte er sich wieder um und verschwand. „Komm“ raunzte Arashi und zog mich mit den Handschellen zwischen den Leuten her. Durch einen Torbogen erreichten wir eine weitere Höhle, die sich in viele Tunnel auffächerte. Arashi schien das Felslabyrinth recht gut zu kennen, denn zielsicher zerrte er mich in einen der mittleren Gänge. Nach wenigen Augenblicken traten wir in einen künstlich angelegten Raum. Die Wände waren bearbeitet worden und drei Türen mit aufschiebbaren Klappen waren in den massiven Fels gesetzt worden. Totenstille herrschte hier unten, Gänsehaut prickelte mir unangenehm am Nacken. Quietschend öffnete Arashi die linke Tür. Dahinter war ein kleiner Raum mit zwei Feltbetten, ein paar Kerzenhaltern an der Wand und einem kleinen, alten Tisch. Eine Wasserschüssel fand unter einem dreckigen Wandspiegel Platz. Arashi nahm mir die Fesseln ab und schaute mich fordernd an. Ich trottete in die Zelle und hörte auch schon die Tür hinter mir zuknallen. Vorsichtig schaute ich mich in meinen Gefängnis um. So sah es also auf der anderen Seite des Spiegels aus, dreckig, schlecht und trostlos, nicht so wie das Adelsleben schillernd, leuchtend und gar perfekt. Behutsam ließ ich mich auf einem der Betten nieder. Die Bettdecke war kratzig und wirkte kalt. Alles war anders. Ich wickelte mich in den dünnen Leinenstoff und zog meine Knie an die Brust. Sachte schloss ich meine Augen, versuchte an schöne Dinge zu denken, mir etwas fröhliches in Gedanken zu rufen, doch dunkle Nebelschwaden verwischten die Erinnerungen und vernebelten das Licht. Mama, Papa, holt mich doch bitte hier raus! Entkräftet sank ich in mich zusammen und legte niedergeschlagen meine Stirn auf die Knie. Leise fing ich an zu schluchzen. Die Nacht machte ich kein Auge zu... Mir kam es vor, wie eine Ewigkeit, die ich alleine hier unten im Kerker verbrachte, im Herzen einer unbekannten Insel irgendwo im Ozean. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren und todmüde war ich ebenfalls, schlafen konnte ich jedoch nicht. Die bedrohliche Stille schien mich zu verschlingen, ich nahm nichts mehr um mich herum war. Das einzige, was ich fühlte war die Kälte und Leere, die sich fast vollständig in meinem Körper ausgebreitet hatten. Ich konnte nur noch an eines denken, das Gefühl von vollkommener Verlorenheit. Alles war vorbei, ich würde hier wahrscheinlich nie wieder lebend herauskommen. Ich wusste nicht was ich denken sollte, ich wusste nicht was ich fühlen sollte. Diese Leere in meinem Herzen würde sowieso nicht weichen, nur weiterhin unaufhörlich in meinem Herzen brennen, um mich daran zu erinnern, wie allein ich doch war. Alles sollte vorbei sein, ich wollte, dass ich das hier alles endlich hinter mich bringen konnte. Immer wieder hatte ich mir vorgestellt, wie mir einfach Flügel wachsen würden und ich hinauf in den Himmel fliege, nichts mehr fühle, nichts mehr denke, einfach alles zu vergessen, keine Erinnerungen mehr zu haben, einfach aufhören zu existieren und anfangen Engel zu sein, der Hölle Mensch sein zu entfliehen. Doch eine Frage quälte mich trotzdem noch. Ich hatte zwar Angst vor meinem Ende, doch wollte ich wissen warum? Warum passierte das alles, warum war es mein Schicksal hier zu sterben? Es musste doch irgendeinen Sinn haben... Niemand starb grundlos, jedes Ende war vorbestimmt, warum starb ich dann? Nur weil ich mein Leid nicht mehr ertragen wollte? Ich wusste es nicht und mein sehnlichster Wunsch war es einfach nur noch Flügel zu bekommen. Kapitel 2: Ein Lichtschimmer im schwarzen Ozean des Lebens ---------------------------------------------------------- Es musste inzwischen nächster Abend geworden sein, man hatte mir jetzt zum dritten Mal Essen gebracht, doch nichts hatte ich davon angerührt. Ich hatte nur hier ausgeharrt und auf mein Schicksal gewartet, auf meinen Todesengel, doch nichts passierte. Ich spürte, wie meine allerletzte Hoffnung immer weiter ausgelöscht wurde und in der Finsternis in meinem Herzen verschwand, das einzige, was blieb, war ein winziger funken Licht. Immer wieder dachte ich darüber nach, wie es wäre, wenn ich hier wieder heil herauskommen würde. Doch das ist und bleibt ein Wunschtraum, der sich wohl niemals erfüllen wird. Selbst wenn man für mich ein Lösegeld verlangen würde und meine Eltern würden es zahlen wäre das ein nie endender Teufelskreis. Immer und immer wieder würden sie mehr verlangen und wenn es dann zu gefährlich wurde mich weiter zu verstecken würden sie mich töten. Wiedereinmal hörte ich Schritte den Weg zum Kerker hinunter entlang schallen, die mich unsanft aus meinen Gedanken rissen. Sie wurden lauter und verstummten dann kurz. Es mussten diesmal mehrere sein, schoss es mir als erstes durch den Kopf. Ich hörte, wie der Schlüssel brutal ins Schloss gerammt wurde und sich langsam drehte, dann wie die Tür aufging und jemand grob in den Raum geschubst wurde. „Reagier dich erst einmal ab“ hörte ich die angespannte Stimme Arashis. Dann fiel die Tür donnernd ins Schloss. „ICH KANN KÄMPFEN“ schrie die zweite Person Arashi wutentbrannt hinterher, doch mitbekommen hatte dieser es wahrscheinlich nicht. Die Felswände waren mindestens einen Meter breit... „Scheiße!“ Ein Tritt knallte gegen das Holz der massiven Tür. Die zweite Stimme war ebenfalls die eines Mannes, doch diese klang jünger und noch lange nicht so erfahren wie die Arashis. Nun schaute ich das erste Mal überhaupt auf.. Die Stimme gehörte zu einem jungen Mann nicht älter als 17 Jahre. Ich kannte sein Gesicht mit den dunkelbraunen, fast schwarzen Augen und den braunen Haaren, die es umrahmten. Ich hatte ihn bei den Booten gesehen, er war einer der Kämpfer gewesen und anscheinend auch einer der Verletzten, denn ein dicker Verband war um seine Schulter gewickelt, die weißen Leinen lugten unter seinem Hemd hervor. Den linken Arm hatte er zusätzlich noch in einer Schlinge und Blut schimmerte an einer Stelle des Verbandes. Aufgebracht stapfte der Fremde durch den kleinen Raum und demolierte wie im Wahn seiner Aggressionen den Spiegel. Klirrend fiel er zu Boden, ein langer Riss zerschnitt nun die glatte Oberfläche. Er ließ sich auf dem anderen Bett nieder. Als er aufblickte trafen unserer Blicke sich das erste Mal. Ich hatte das Gefühl, dass seine Augen versuchten Bände zu sprechen, als würden sie mir erzählen wollen, was sie schon alles hatten mit ansehen müssen, von Hass, Schmerz und Trauer, von Enttäuschung, Einsamkeit und Unverständnis. Als er bemerkte, wer in Wahrheit vor ihm saß, verhärteten seine Züge sich von einem Moment auf den anderen. Er wirkte nun gar emotionslos, kalt, wie die Steinmauern rund um uns herum. Dann wandte er sich ab und warf sich rücklings auf das harte Bett. Gedankenverloren starrte er an die schwarze Decke. Die schneidende Stimme meines Gegenübers riss mich brutal aus meinen Gedanken: „Du bist Taira, oder? Die Prinzessin?“ Sein Blick wanderte kurz zu mir herüber. Die Wahrheit schien mir messerscharf ins Fleisch zu schneiden. Sachte nickte ich, woraufhin er sich wieder der Decke zuwandte. Ich blickte auch wieder auf den verdreckten Fußboden, der mir jetzt noch ferner als vorher vorkam. „Leon“ sagte der Fremde. Fragend hob ich meinen Blick in seiner Richtung. „Das ist mein Name“ erklärte er belustigt. Leon hatte mich aus dem Augenwinkel beobachtet. Eine Welle des Schweigens überkam uns. „Kannst du eigentlich auch sprechen, Prinzessin?“ Immer noch grinste er dumm die Decke an. „Warum soll ich sprechen, wenn ich doch nichts zu sagen hab?“ „Da ist wohl was dran...“ grinste Leon mich an. „Wie kannst du noch so glücklich sein? Vor ein paar Minuten noch wolltest du noch die gesamte Einrichtung auseinander nehmen und jetzt sitzt du hier mit einem Strahlelächeln?“ „Ich probiere ganz einfach das Beste aus jeder Situation zu machen.“ „Das sagt sich so leicht...“ „Wieso? Dafür hab ich jetzt die Ehre dich kennen zu lernen, euer Hoheit.“ „Eigentlich wäre ich jetzt lieber alleine.“ „Zum Trübsal blasen? Glaub mir, andere haben es noch sehr viel schlechter als du jetzt. Du hast wenigstens das Glück, dass sie dich wieder freilassen wollen.“ „Wieso bin ich dann hier?“ „Nun ja, da bin ich eher überfragt... die Entführung war ursprünglich nur Teil eines Plans, aber das entgültige Ziel weiß ich nicht.“ „Was passiert mit den anderen Gefangenen?“ Leon machte eine vielsagende Handbewegung. Unwillkürlich fasste ich mir an meinen eigenen Hals. „Kein sehr angenehmer Tod“ lachte Leon nur melancholisch. „Warum haben sie dich hier eingesperrt?“ „Sie wollen nicht, dass ich mit auf die nächste Mission komme, wegen diesem kleinen Kratzer“ erwiderte Leon kühl. „Kratzer“ resigniert hob ich meine Augenbraue. „Okay, vielleicht kein Kratzer, aber kämpfen könnte ich wohl!“ entgegnete er stur. „Wenn du meinst... aber denk dran: immer das Beste aus jeder Situation machen!“ „Du hast es verstanden“ lächelte Leon mich an. Sein Gesichtsausdruck wurde wieder ernster. „Meinst du nicht, du solltest mal etwas essen?“ fragend fiel sein Blick auf die unangerührten Mahlzeiten, die auf dem Tisch standen. Stumm schüttelte ich meinen Kopf. „Dann schlaf doch wenigsten ein bisschen!“ „Warum sorgst du dich so um mich?“ Ich wollte es nicht wie einen Vorwurf klingen lassen, doch irgendwie traf ich trotzdem nicht den richtigen Tonfall. „Irgendwer muss es doch machen, wenn du es schon nicht selber tust! Es nutzt keinem was, wenn du hier unten verhungerst.“ „Das meinst du doch jetzt nicht ernst!?“ „Würde ich das sagen, wenn es nicht so wäre?“ Ein sanftes Lächeln umspielte nun seine Lippen. „Ich pass darauf auf, dass dir nichts passiert.“ Ich nickte stumm und schenkte ihm ein blasses Lächeln. Wie durch jemand anderen geleitet legte ich mich auf das harte Kissen. Mir kam es so vor, als würden Leon und ich uns schon immer kennen. Er schien von meinen Augen ablesen zu können, was ich fühlte und das war das, was mich so an ihm faszinierte, einfach seine offene, fröhliche Art, mit der er direkt in meine tiefste Seele zu sehen schien. Stumm lächelte ich in mein Kissen und lauschte seinem ruhigen Atem, der wegen der Steinwände wie ein Blatt im Wind zu mir herübergetragen wurde. Zwar schien meine Hoffnung auf Befreiung immer noch so fern wie eh und je, doch trotzdem war mir das im Moment ziemlich egal. Neben dem kleinen Lichtschimmer in meinem Herzen war nun ein heller Stern erschienen, der langsam heller wurde und wieder Wärme durch meinen Körper strömen ließ. Die kratzigen Decken kamen mir jetzt nicht mehr so hart vor und die Felswände nicht mehr so kalt. Langsam dämmerte ich weg, hinfort getragen von dem stetigen Licht und der Wärme, die jetzt wieder meinen Körper erstrahlten. Als ich wieder aufwachte lag ich auf etwas erstaunlich weichem. Vorsichtig öffnete ich meine Augen und starrte direkt gegen die Steinmauer. Ich richtete mich auf, überrascht darüber, dass plötzlich ein weißes Hemd um meine Schultern hing. Hoffnungsvoll blickte ich hinüber auf das zweite Bett, doch es war leer. Behutsam setzte ich meine Füße auf den kalten Boden und ging zu dem morschen Tisch. Eigenartigerweise hatte ich wieder Appetit, deswegen aß ich dann auch mein dürftiges Mahl vom Vortag, dass ausschließlich aus Wasser und Brot bestand. Erschrocken wirbelte ich herum, als sich der Schlüssel im Schloss wiedereinmal drehte. Ein Lächeln erstrahlte jedoch mein Gesicht, als ich Leon erkannte, der ein Tablett mit einer Hand balancierte und zum Tisch taumelte. Mit einem lauten Knall setzte er es auf dem Tisch ab und schloss noch schnell die Tür hinter sich. „Ich hab diese Woche Wachdienst“ keuchte er und setzte sich auf das eine Bett. „Ich dachte ich besorg dir heute mal ein etwas gesünderes Frühstück“ sagte er und deutete auf das Tablett auf dem, neben dem üblichen, kärglichen Mahl, jetzt noch ein wenig Obst lag. „Danke“ lächelte ich ihn schüchtern an und griff nach einem der reifen Äpfel. „Wie ich sehe geht es dir wieder besser?“ Ich nickte stumm und knabberte an meinem Apfel. „Kann ich das wiederhaben?“ fragte der Braunhaarige und zeigte auf das Hemd um meinen Schultern. „Sorry, das hab ich ganz vergessen“ stammelte ich verlegen und reichte es ihm. „Danke noch...wegen gestern...“ „Ach das, nicht der Rede wert.“ „Doch, du warst so lieb zu mir!“ „Normalerweise bin ich nicht so zahm, aber bei dir gestern war das eine Ausnahme. Du sahst so zerbrechlich aus, da blieb mir ja nichts anderes übrig als Mitleid zu haben und dich irgendwie wieder aufzubauen.“ „Trotzdem danke.“ „Gern geschehen“ „Leon?“ Schüchtern blickte ich auf den zuvor roten Apfel in meinen Händen und drehte nervös das Gehäuse zwischen meine Fingern. „Hm?“ „Du bist doch auch Mitglied des Kreuzsternordens, oder?“ Er nickte stumm. „Warum?“ hakte ich vorsichtig nach, es schien nicht gerade eines seiner Lieblingsthemen zu sein, sowie er schaute. „Warum was?“ „Warum das! Warum bist du Mitglied des Kreuzsternordens?“ Gelassen legte er seinen Kopf auf seinen gesunden Arm und starrte wiedereinmal an die Decke, bedacht dabei, mir nicht in die Augen zu sehen. „Du stellst vielleicht Fragen“ lachte er ironisch. „Also sag schon, irgendeinen Grund hast du doch bestimmt!“ „Warum sollte ich das gerade dir erzählen, euer Hoheit?“ fragte er spöttisch. „Weil ich danach frage“ erwiderte ich nur. Er stieß einen Seufzer aus, auf den eine kurze Pause folgte, in der er anscheinend überlegte, ob es Grund genug von mir war nur danach zu fragen. Schließlich begann er in einem zögernden Tonfall: „Also, einen richtigen Grund habe ich nicht... solange ich mich erinnern kann bin ich schon hier, aber eine richtige Wahl, was ich will, hatte ich eigentlich nie. Für mich hieß es schon immer nur tu was man dir sagt, oder stirb in der Gosse, also blieb ich...“ „Und deine Eltern? Hast du keine Familie?“ „Arashi war schon immer so etwas wie mein Ziehvater, aber sonst weiß ich nichts von meiner Herkunft. Arashi ist eher wortkarg.“ „Wolltest du nie mehr wissen?“ „Klar wollte ich das, viele Male, aber nie wollte oder konnte mir irgendwer etwas sagen.“ „Hattest du nie etwas, was du alleine machen wolltest, einen Zukunftstraum?“ „Träume sind doch nur Illusionen für Traumtänzer. Eine Zukunftsperspektive hat heute sowieso niemand mehr, außer jene, denen alles in die Wiege gelegt wurde... so wie dir!“ „Eine Perspektive habe ich zwar, doch das ist nie das gewesen, was ich wollte. Nie hatte ich sagen dürfen, was ich eigentlich wollte. Als Prinzessin wird immer von dir erwartet, dass du das tust, was für andere am Wichtigsten ist, aber wer fragt eigentlich mal, wie es mir dabei geht?“ „Das ist dein Problem! Du hast nie richtig gelernt an andere zu denken, weil du dich immer vernachlässigt gefühlt hast, während wir hier draußen krepieren.“ „Seit Jahren bin ich nur noch eine Puppe, die tut, was man ihr sagt! Seit Jahren war ich nur noch im Schloss und habe darauf gewartet, dass mich endlich mein Schicksal einholt und das soll es jetzt gewesen sein? Mein Leben soll hier enden, obwohl ich nie etwas erlebt hab, was ich allein entschieden hatte zu tun?“ „Du hast doch keine Ahnung vom Leben, wie es wirklich ist!“ „Und du ahnst nicht, wie schwierig es ist Prinzessin zu sein, manchmal wünschte ich mir, dass ich nie geboren worden wäre.“ „Du erkennst überhaupt nicht, was du an deinem Leben hast.“ „Und du hast Glück, dass du frei bist.“ „Gefangener der Monarchie trifft es besser.“ „Wir haben vielleicht mehr gemeinsam als du denkst.“ „Das heißt noch lange nicht, dass du mich kennst.“ „Verstehen aber vielleicht doch...“ „Kennst du eigentlich das Gefühl, wenn man niemanden hat... wenn du dir vorkommst, als wärst du ganz alleine auf der Welt und niemand ist da um auf dich aufzupassen?“ „Einsamkeit“ flüsterte ich jetzt leiser, wo wir uns zuvor mit lauter Stimme angeschrieen hatten. „Die kenn ich gut...“ Meine Augen füllten sich mit Tränen, als ich an zu Hause dachte. „Nie war jemand da, als ich meine Eltern brauchte. Mein ganzes Leben war ich allein, und jedes Mal, wenn meine Eltern einen Moment mit mir verbrachten, wollten sie nicht einmal verstehen, dass ich sie brauche... dass ich sie vermisse, wenn sie nicht da sind.“ Entkräftet setzte ich mich auf die Bettkante und wischte meine Tränen weg. „Es tut mir Leid, ich hätte dich nicht so etwas fragen sollen.“ Unbeholfen blickte ich umher. „Ich meine... egal was ich mache... immer ist es falsch... vielleicht ist es besser, wenn du dich von mir fernhältst... in deiner Nähe neige ich dazu Gefühlsausbrüche zu bekommen...“ „Ach was, irgendwann mussten diese Dinge mal gesagt werden, es hilft nichts, alles immer nur in sich hineinzufressen.“ „Trotzdem hätte ich dich so etwas nicht fragen dürfen, ich meine, ich habe eigentlich kein Recht dazu...“ „Letztlich tat es mir aber gut, sich das alles mal von der Seele zu reden. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.“ Mit einem Tränenschleier vor den Augen lächelte ich ihn an. „Ich glaube ich kann dich jetzt besser verstehen, Leon. Deine Einstellung von wegen mach das Beste aus jeder Situation. Du hast Recht damit... Man sollte nach vorne schauen und dankbar sein für das, was man hat.“ Er schüttelte kaum merklich mit dem Kopf. „Du hattest Recht, wir haben wirklich mehr gemeinsam, als man sich denken kann.“ Er lächelte. „Zwei Welten treffen aufeinander, die beide geglaubt haben, sie sind auf immer verdammt im großen Meer der Einsamkeit herumzuirren, und jetzt treffen sie aufeinander. Du hattest Recht, Einsamkeit ist schrecklich, doch ich bin froh, dich getroffen zu haben.“ „Ich bin es auch.“ „Taira, ich glaube ich sollte jetzt besser gehen, sonst glauben die anderen noch, ich würde meinen Dienst schwänzen.“ Aufmunternd zwinkerte er mir zu. Schwerfällig richtete er sich auf und trottete zur Tür, als würde ihn irgendetwas nicht gehen lassen wollten. „Man sieht sich.“ Ein letztes Grinsen und er war weg, und wiedereinmal war ich alleine. Das konnte noch ein langer Tag werden... Es war tiefste Nacht, als Leon auf dem Weg zurück zu den Schlafsälen plötzlich Stimmen hörte. Er wusste zwar nicht genau warum, doch reflexartig blies er seine Kerze aus und verschwand in einen der dunklen Seitengänge. Vorsichtig drückte er sich in den Schatten der Wand, als auch schon die ersten Lichtstrahlen den Fußboden entlang schlichen. Es waren mehrere Leute die den Gang hinunter kamen, aber nur zwei Stimmen, die sich angeregt miteinander unterhielten. Die eine gehörte eindeutig Arashi und die andere musste die Ileans sein, dachte Leon. Ilean, das war das höchste Mitglied und der Kopf des Kreuzsternordens. Arashi war einer seiner besten und treusten Kämpfer und mit Leons Ausbildung hatte Arashi dem Orden noch ein genauso starken Kämpfer geliefert, wie er selbst auch war. Ilean redete nicht oft, doch wenn er etwas sagte, dann sagte er es mit einer Festigkeit und Bestimmtheit, dass keiner es wagte ihm zu wiedersprechen. Durch sein Antlitz schien er immer eher unauffällig, da er immer einen schwarzen Mantel trug, der bis zum Boden reichte und ihn fast vollständig in der Dunkelheit verschwinden ließ. Viele Leute nahmen ihn wegen seiner schlichten Art häufig nicht ernst und unterschätzten ihn, doch wenn er erst einmal einen richtigen Grund hatte sich seine eigenen Hände schmutzig zu machen, statt einen seiner Untergebenen vorzuschicken, so wurde er zu einem wilden Tier, dass durch die Reihen des Feindes tobte. Die Stimmen gewannen mit jedem Schritt an Lautstärke, sodass sie nach nicht allzu langer Zeit deutlich zu verstehen waren: „Wie weit seid ihr mir den Vorbereitungen der Mission Taira?“ fragte Ilean. „Den Brief haben wir ins Schloss gebracht und sobald Lord Saylon mit der Taira-Kopie angekommen ist, kann unser Plan in die nächste Stufe übergehen.“ „Ausgezeichnet...“ „Dürfte ich eine Frage stellen, Herr?“ erkundigte sich Arashi in einem unterwürfigen Tonfall. „Fragt“ kommandierte Ilean nur wortkarg. „Was habt ihr vor, wenn das Double im Schloss ist?“ Ein wahnsinniges Lächeln entstellte das vernarbte Gesicht Ileans nun noch mehr. „Nun, wir werden das Schloss Stück für Stück auseinander nehmen. Der Sünder müssen für ihren Frevel bestraft werden und das zahlen sie mit dem Thron und mit ihrem Leben.“ „Was werdet ihr für das Leben dieses Görs beim König einfordern?“ „Nun, er wird gezwungenermaßen alle seine Gefangenen freilassen müssen, und die sind bekanntlich nicht gut auf die Königsfamilie zu sprechen. Und wem werden sie dann zum Sieg verhelfen?“ Wieder lächelte Ilean diabolisch. „Das ist die Art, die ich so an ihnen bewundere.“ „Was bleibt dir schon anderes übrig? Wer nicht gehorcht wird bestraft, und ich garantiere für nichts...“ „Was musstet ihr dem Lord für seine Hilfe versprechen?“ „Die Prinzessin ist das Einzige, was er wollte... sonst hat er ja auch schon alles, was man braucht: Geld, Ansehen, Land...Macht. Nur eine echte Prinzessin fehlte ihm noch in seiner Sammlung...“ „Geschieht dem frechen Gör ganz Recht!“ lachte Arashi. „Für etwas anderes ist sie wohl kaum gut.“ Geschockt hörte Leon all das mit an. Nie im Leben hätte er geahnt, dass der Grund der Entführung so etwas war, obwohl sich die Ordenritter eigentlich nie um solche Lappalien gekümmert hatten, wie die simple Entführung einer Prinzessin. Deswegen hatte Leon auch eine ganz banale Forderung erwartet, aber das? Und ausgerechnet auch noch ein Geschäft mit Lord Saylon. Obwohl Arashi und Ilean längst verschwunden waren, stand Leon immer noch überlegend im Dunkeln. Lange stand er regungslos dort, bis er sich endlich entschloss. Er rannte los in die Dunkelheit... Kapitel 3: Der Entschluss ------------------------- Das laute Krachen der Tür riss mich aus meinem Schlaf. Verwirrt richtete ich mich auf und schaute in das mir bekannte Gesicht. Es war Leon, der außer Atem und mit vor Aufregung errötetem Gesicht vor mir stand. Er schloss die Tür und ließ sich geschafft gegen die Steinwand neben meinem Bett fallen. Er atmete ein paar Mal schwer ein und aus, bis er sich wieder etwas beruhigt hatte. Mit einem ernsten Blick fixierte er mich mit seinen schwarzen Augen. „Ich weiß was sie vorhaben...“ Seine Worte ließen augenblicklich jegliche Müdigkeit von mir abfallen. Ich wusste jetzt, was Leons eindringlicher Blick zu bedeuten hatte und jetzt fiel mir noch etwas anderes auf, was in seinem Blick lag: Mitleid und Traurigkeit, und auch eine gewisse Spur von Entschlossenheit. Sein Erscheinen hatte wohl nichts gutes zu bedeuten. Ich hatte das Gefühl, dass noch etwas viel schrecklicheres auf mich zukam, als das Versauern hier unten im Kerker. „Es wird etwas Schlimmes passieren, habe ich Recht?“ fragte ich Leon, der betroffen auf den Boden starrte. „Ilean hat einen Pakt mit Lord Saylon geschlossen...“ „Der Herrscher des Abendrotlandes?“ Leon nickte. „Er hilft Ilean dabei an den Thron zu kommen... dafür gehörst du jedoch ihm!“ Ein ersticktes Keuchen drang über meine Lippen. Ich ließ mich gegen die Mauer fallen und starrte mit leerem Blick zu Leon, der mich aufmerksam beobachtete. „Was haben sie genau vor?“ „Ilean will einen Tauschhandel mit deinen Eltern machen, dein Leben gegen die euer Gefangenen. Heute Nacht ist der Geiselaustausch, doch statt dir wird ein Spion geschickt, eine Taira-Fälschung, die uns Saylon geschickt hat. Für seine Hilfe wirst du, die echte Taira, Teil seines Harems. Ilean plant einen Hinterhalt, die die Macht des Königs nach und nach zerschlagen soll, und das, ohne das irgendjemand Verdacht schöpft. Wenn niemand etwas unternimmt, wird das Königreich verloren sein...“ „Und wer soll jetzt noch etwas ausrichten?“ „Na wir!“ entschlossen schenkte Leon mir ein aufmunterndes Lächeln. „Wem vertraut das Volk mehr, als ihrer Prinzessin? Sie vergöttern dich. Wir müssen dich hier nur heraus schaffen und den Komplott verhindern. Dabei gibt es nur ein Problem...“ „Und das wäre?“ „Wenn Lord Saylon nicht bekommt was er will, wird er zu anderen Mitteln greifen, um es zu bekommen...“ „Was meinst du damit?“ „Er wird euer Königreich angreifen, wenn er dich nicht bekommt...“ „Dann haben wir sowieso schon keine Chance mehr...“ Leon grinste, er war da wohl anderer Meinung. „Was hast du vor?“ fragte ich misstrauisch, wohlwissend, dass es bestimmt ein wahnwitziger Plan war, den Leon ausgeheckt hatte. „Von hier bis in sein Königreich braucht man mindestens drei Tage. Wie ich ihn einschätzte wird er dich auf der Stelle vernaschen wollen sobald er ankommt. Das musst du verhindern...indem du ihn selbst um den Finger wickelst! Überrede ihn dazu es erst auf seinem Schloss zu tun!“ „Und wie soll ich das bitte anstellen? Was soll das überhaupt bringen?“ Leon beugte sich zu mir vor und gab mir einen sanften Kuss auf den Hals. Ein angenehmes Kribbeln durchzuckte meinen Körper von der Stelle aus, die von seinen Lippen berührt wurde. Leise hauchte er mir ein „So vielleicht“ ins Ohr und ließ dann wieder von mir ab. Ich merkte, wie meine Wangen sich leicht rot färbten. Ich ignorierte seinen Kuss und wandte mich ab. „Was hast du denn vor?“ „Er wird hoffentlich auf den Wunsch seiner „Zukünftigen“ eingehen und dich ins Abendrotland schicken. Saylon wird wahrscheinlich noch solange hier bleiben, um die Situation zu beobachten, allzu lange Zeit werden wir jedoch trotzdem nicht haben...“ „Ich verstehe immer noch überhaupt nichts!“ „Glaubst du etwa ich lass zu, dass du das Abendrotland überhaupt erreichst? Ich werde dich vorher daraus holen und dann ist es hoffentlich nur noch eine Tagesreise bis wir in die Hauptstadt kommen.“ „Wird denn niemand Verdacht schöpfen, wenn du plötzlich verschwunden bist?“ „Ich lass mich oft einige Wochen nicht sehen, dann wird es für niemanden einen Schock sein, wenn ich weg bin.“ „Warum hilfst du mir überhaupt?“ fragte ich argwöhnisch. „Irgendeinen Vorteil muss das doch für dich haben, warum solltest du dich sonst so um mich bemühen und dein Leben riskieren?“ „Vielleicht weil du es in meinen Augen wert bist um dich zu kämpfen. Du hast eine Chance verdient... Außerdem habe ich keine Lust auf eine Herrschaft unter Ilean...“ „Du weißt überhaupt nicht, wie froh ich bin, dass du so etwas sagst...“ Fragend blickte er mich an und ließ sich neben mir aufs Bett fallen. „Du bist der erste Mensch, dem ich überhaupt etwas Wert bin“ erklärte ich schüchtern. „Du bist die einzige, die mir überhaupt etwas wert ist...“ Schüchtern lehnte ich meinen Kopf gegen seine Schulter. Verlegen lächelte ich, schaute ihn aber nicht an. „Ich bin froh, dass du da bist, Leon...“ „Taira, ich...“ er verstummte. Irritiert schaute er zur Tür. „Was hast du?“ Ich richtete mich wieder auf und blickte ihn verwundert an. „Da kommt wer, ich höre Schritte...“ Leon sprang auf und rollte sich kurzerhand unter das Feltbett. „Leg die Decke so, dass man mich nicht sieht.“ Hastig ließ ich den Leinenstoff über die Bettkante fallen, als sich auch schon die Tür öffnete und ein großer, edelgekleideter Mann eintrat, mit Haut gebräunt von der Sonne und Augen, die funkelten wie die tausend Sterne des Orients... Es war Lord Saylon, der den dunklen Kerker betrat und ihn schon durch sein reines Auftreten in ein helleres Licht tauchte. Für viele schien er durchweg perfekt, doch wer ihn kannte wusste, dass er tief in seinem Innersten genauso verdorben war, wie ein fauliger Apfel. Manche würden wohl denken, wer so eine Ausstrahlung hat, muss einfach ein guter Herrscher sein, aber Lord Saylon ist alles andere als Weise und Gütig. Viele würden ihn wohl als böse, gierig, grausam oder oberflächlich bezeichnen, doch sein größter Makel ist wohl sein Streben nach Macht und Perfektion, dass ihn in ein gefühlskaltes Monstrum verwandelt hatte. Früher hätte man ihn als guten Herrscher bezeichnen können, als er noch mit dem zufrieden gewesen war, dass er hatte. Doch der Durst nach noch mehr Macht trieb ihn zu kriminellen Handlungen, die sich immer weiter in seiner Art festigten und ihn zu das gemacht hatten, was er heute ist... allmächtig. Langsam, mit erhobenem Haupt und würdevollem Gesichtsausdruck, stolzierte Lord Saylon auf Taira zu. Erst wirkte sie etwas verwirrt, doch dann schien sie zu realisieren, was Leon ihr aufgetragen hatte zu tun. Sie stützte ihre Hand auf die Hüften und raffte das lange Kleid so hoch, das man die nackte Haut ihres Beines sehen konnte. Die langen, blonden Haare warf sie sich nach vorne über die linke Schulter, ein verführerisches Lächeln zierte jetzt ihre Lippen und mit den strahlend blauen Augen schaute sie ihn mit einem Ausdruck an, dem kein Mann wiederstehen konnte. Der Lord schenkte ihr ebenfalls ein Lächeln und man konnte förmlich spüren, was in ihm vorging. Überwältigt blieb er stehen. Er hatte wohl nicht erwartet, das ihn so etwas hier erwarten würde. Er hatte wahrscheinlich gedacht, er würde eine innerlich gebrochene Prinzessin vorfinden, die schwach war und alles mit sich machen ließ. Doch jetzt war hier diese selbstbewusste, junge Frau, die ihn mit ihrer Schönheit schlichtweg überwältigt hatte. Keine Spur war noch von der Schüchternheit zu erkennen, die Taira eben noch in Leons Gegenwart verspürt hatte. Mit gekreuzten Schritten stöckelte Taira auf den Lord zu und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Ich habe dich schon erwartet“ hauchte sie ihm ins Ohr. „Ich konnte es auch kaum erwarten, dich kennen zulernen...“ Grob drückte er sie gegen die Wand und übersäte ihren Hals mit Küssen. Mit gierigen Fingern fummelte er an dem Verschluss des Kleides herum. Mit einem belustigten Lächeln stieß Taira sanft seine Hände beiseite und setzte sich mit einem verführerischen Beinübereinanderschlagen auf das Bett. Lord Saylon kniete sich breitbeinig über die Prinzessin und schubste sie unsanft hintenüber auf das harte Bett. Angewidert schaute Taira in Richtung des anderen Bettes, unter dem immer noch Leon lag und nun unfreiwillig das Szenario beobachten musste. Ihm fiel es schwer nicht einzuschreiten, genauso schwer wie bei dem Geschehnis zuzugucken. Saylon hingegen bemerkte Leons Anwesenheit überhaupt nicht, sondern vergnügte sich nur damit Knutschflecke auf Tairas Decolleté zu verteilen. Unbeholfen rappelte sich Taira wieder auf und kniete nun gegenüber von Saylon. Ihr Gesicht war leicht gerötet und ein Unschuldsblick zierte ihr schmales Gesicht, der sie engelsgleich scheinen ließ. „Meinst du nicht, wir sollten das woanders machen. Hier ist es so unbequem...“ hauchte Taira mit einer unwiderstehlichen, zuckersüßen Stimme. „Ist doch egal...“ erwiderte Saylon stumpfsinnig und fing wieder an Küsse in ihrem Ausschnitt zu verteilen. Sanft schubste sie ihn weg. „Lass uns warten... bis wir auf deinem Schloss sind... unser erstes Mal soll etwas ganz besonderes werden“ flüsterte sie und zwinkerte ihm zu. Ungläubig schaute Saylon Taira erst einen Moment an, dann schenkte er ihr ein Lächeln und hauchte ihr noch einen Kuss auf die Lippen. „Wenn das dein Wunsch ist...“ flüsterte er in ihr Ohr und verschwand mit wehendem Umhang. Als sich die Tür schloss, sackte Taira in sich zusammen. Leon kam aus seinem Versteck und setzte sich neben das eingeschüchterte Mädchen. Kurzerhand zog er sie in eine Umarmung. Sanft kuschelte sie sich an seine Schulter. „Du warst großartig“ flüsterte Leon einfühlsam in Tairas Ohr. „Ich hatte so eine Angst...“ wisperte sie. „Ich dachte schon es würde nicht klappen...“ „Jetzt ist es ja vorbei... bald ist alles vorbei... Kapitel 4: Die Flucht im Abendrotland ------------------------------------- Nach Leons lieben Worten war ich in seinem Arm eingeschlafen. Später war er wohl gegangen, denn als ich aufwachte, war er fort. Ich wurde von einem wunderlichen Kerl geweckt, der mich frühmorgens, als noch alle schliefen, auf das Schiff des Lords brachte. Es war noch dunkel an Deck, als ich es betrat. Hier wurde ich zwar besser behandelt, eine Gefangene war ich aber immer noch, denn ich hatte zwar eine riesige, wunderschöne Kajüte für mich allein, jedoch wurde ich dort eingesperrt, wie ein Gegenstand, der gerade nicht gebraucht wurde. Geschmeichelt schaute ich mich um. Überall standen wunderschöne tropische Blumen von der Insel, die mir der Lord geschenkt hatte. Auf einem kleinen Kärtchen in einem wunderschönen Strauß Orchideen auf dem Schreibpult stand eine kleine Nachricht, die an mich gerichtet war: Guten Morgen, mein Augenstern, ich hoffe du hast wunderschön geschlafen! Ich habe probiert dir den Aufenthalt auf dem Schiff so bequem wie möglich zu gestalten, die Bediensteten werden alles für dich machen, was du willst. Schau mal in die Kommode, ich habe ein bisschen für dich eingekauft. Entspann dich, nach den ganzen Strapazen, ich freue mich schon darauf dich Zuhause wiederzusehen... XXX Verwundert trat ich zur Kommode und zog die massiven Schubladen auf. Kleider aus teuren Stoffen und mit kunstvoll verzierten Accessoires lagen darin. Auf einem weiteren Zettel, der auf einem wunderschönen, weinroten Kleid lag, stand die Botschaft „Einer Prinzessin würdig“. Ich genoss es endlich wieder ein bisschen meines alten Lebensstandards zurückgewonnen zu haben. Zuerst entspannte ich mich in der Badewanne mit kostbaren Ölen und wunderbar duftenden Rosenblättern. Dann zog ich mir das rote Kleid, mit dem Korsagenoberteil an, dass mit einer großen goldenen Schleife hinten zugeschnürt wurde und in einen langen, weiten Rock auslief. Es war ein wundervolles Gefühl endlich mal wieder richtig entspannt zu sein, trotzdem war immer noch eine leichte Anspannung tief in meinem inneren verankert. Ich wusste zwar, dass ich mich auf Leons Rettung verlassen konnte, doch zweifelte ich daran, dass sein Plan klappen würde. Selbst wenn wir die Eroberung durch Ilean abwenden konnten, würde doch immer noch das Problem mit Lord Saylon vorhanden sein. Irgendwann würde er begreifen, dass ich geflüchtet war, und dann würde er doch unser Reich angreifen. Es war ausweglos. Doch im Moment hatte es sowieso keinen Sinn sich über das Gedanken zu machen, was hoffentlich noch in weiter ferne lag. Ich schaute nun nach draußen und sah der Sonne dabei zu, wie sie langsam aufging. Wie sehr ich mir doch wünschte, dass alles war wie früher, als ich noch ganz klein war. Ich war so glücklich gewesen, alles war perfekt. Jeden Sonntag war ich mit meinen Eltern hinunter ins kleine Dorf gegangen und wir hatten dort den Tag verbracht. Es hatte keinen Streit mit dem Nachbarkönigreich gegeben und so konnte ich unbeschwert hingehen, wo ich wollte und ohne vor irgendetwas Angst zu haben am Springbrunnen auf dem kleinen Dorfplatz spielen. Rundherum war früher ein Kopfsteinpflaster gewesen und viele Häuser mit Geschäften und Gaststädten drin. Doch das schönste an diesem Ort war immer noch der Wein gewesen, der an den Wänden der Häuser gewuchert hatte und mal rote und mal grüne Blätter hatte. Wenn dann am Abend die Sonne untergegangen war, hatte die Fontäne des Brunnens immer im goldenen Licht geglitzert und hatte eine romantische Atmosphäre über den gesamten Platz gelegt. Eine Straße hatte hinunter zum Strand geführt, deswegen waren um diese Zeit immer viele Leute auf dem Platz um hinunter zu gehen und der Sonne beim Untergehen zuzugucken, doch ich hatte es immer bevorzugt mit meinen Eltern am Brunnen zu bleiben, weil ich sie dort einmal in der Woche endlich für mich hatte und lieber mit ihnen allein war, statt wie alle anderen im Sand zu stehen und die Sonne dabei zu beobachten, wie sie im Meer versank... Doch das alles war schon lange vorbei. Damals war ich fünf oder sechs gewesen, doch als die Aufstände angefangen hatten, hatten meine Eltern immer mehr zu tun und wir gingen nur noch selten gemeinsam an den Brunnen. Die Jahre vergingen, und unser Ritual zerbrach ganz, als es dann irgendwann zu gefährlich wurde überhaupt als Adeliger ins Dorf zu gehen. Ich bedauerte jeden Sonntag aufs neue die erdrückenden Mauern des Schlosses nicht zu verlassen und hoffte jedes Mal wieder, dass meine Eltern wie früher in mein Zimmer gekommen waren und mich mit Frühstück ans Bett geweckt hatten. Wie sehr ich diese Zeit doch zurücksehnte. An manchen Tagen hatte ich immer nur herumgesessen und an Vergangenes gedacht, gefangen in den schönen Erinnerungen. Ich hatte in einer Traumwelt gelebt, hatte mich von allem außerhalb abgeschirmt und nur noch mein Utopia als Realität gesehen. Doch jetzt, wo ich mitten drin war, in der wirklichen Realität, da fühlte ich mich noch verlassener wie vorher. Meine Traumwelt war immer klein gewesen, da gab es nur mich und das um mich herum, doch in der Wirklichkeit war die Welt unglaublich groß und erschreckend grausam. Ich hatte bisher nur wenig gesehen und gehört, doch schon die pure Vorstellung an all das, was wirklich um mich herum passierte, machte mir eine Gänsehaut. Doch egal, wie ich es drehte und wendete, nichts änderte sich. Meine kleine, heile Welt hatte sich in ein dunkles Loch verwandelt. Doch eigenartiger Weise verspürte ich in Leons nähe nicht die sonstige Leere und Kälte, sondern eine wohlige Wärme, die von dem Lichtschimmer tief im inneren meines Herzens ausging, den er dort entfacht hatte. Es war das erste Mal seit langem, dass ich so etwas wie Geborgenheit und Zuneigung gespürt hatte, wenn ich mit jemanden zusammen war. Das war vermutlich auch der Grund, warum ich ihm so sehr vertraute. Ich folgte einfach nur dem Gefühl meines Herzens. Es war kompliziert all das in Worte zu fassen, doch irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich es Leon erzählen sollte, auch wenn ich nicht wusste, was genau in mir vorging oder wie er überhaupt reagieren würde. Ich hatte ihn bis jetzt als einfühlsamen Tröster, als vernachlässigte Seele und als bestialischen Räuber kennen gelernt, doch alle drei würden anders reagieren, deswegen war es für mich so schwer ihn einzuschätzen. All das machte die Situation nur noch viel verwirrender für mich. Mein plötzlicher Weltenzusammenbruch war ja schon schwer zu begreifen, aber dazu kam noch diese eigenartige Beziehung zu Leon. Einerseits gehörte er ja schließlich zu meiner Entführergruppe, doch andererseits war er doch jetzt auch der einzige, der mir half und mich beschützte. Ich fand das alles einfach nur verwirrend. Leons plötzliche Sinneswandel regten mich echt auf. Mal war er zärtlich und einfühlsam, dann wieder aufbrausend und gereizt und dann spielt er den Unnahbaren. Soll doch irgendjemand anders aus ihm schlau werden, ich wurde es nicht. Da ich sowieso nichts zu tun hatte, dachte ich mir, könnte ich mich auch ein wenig umschauen, auf dem Teil des Schiffes, der frei zugänglich für mich war. Hinter der einen Tür war das Bad, das wusste ich ja schon, und in dem Raum, in dem ich mich befand, befanden sich nur die Kommode, ein Frisiertisch, das Schreibpult und diverse Truhen und Schränkchen mit Blumen darauf stehend. Eine weitere Tür führte hinaus auf den Flur, doch diese war ja verschlossen. Eine Tür blieb noch übrig: sie führte mich in ein Lichtdurchflutetes Zimmer. Eine Fensterfront direkt gegenüber der Tür eröffnete mir einen atemberaubenden Ausblick auf das azurblaue Meer. Ein riesiges Bett stand an der Stirnseite, mit einem Berg von Kissen und einer großen, flauschigen Decke. Auf den Nachtschränkchen standen wieder Vasen mit Tropenblumen darin, und an den beiden anderen Wänden, an denen kein Fenster und keine Tür waren, hing je ein riesiges Bild von einem romantischen Sonnenuntergang. Aufgeregt sprang ich in das weich federnde Bett und kuschelte mich unter die warme Decke. Die Sicherheit, die mir das Vertrauen Saylons bot, ließ mich für einen Moment meine Sorgen vergessen und einfach nur entspannen. Ich spürte die Sonnenstrahlen, die auf meiner Haut kitzelten und merkte wie ich immer weiter im Traumland verschwand... Eine kleine Stadt im trockenen Wüstenland war das Ziel von Saylons Männern. Hier in den Straßen des kleinen Fischerdorfs war alles wie ausgestorben, keine Menschenseele, bis auf einen jungen Mann, der gemeinsam mit einem Pferd im Schutz einer dunklen Gasse darauf wartete, dass endlich die Insassen des Schiffes von Bord kamen, dass schon am Mittag in der Bucht geankert hatte. Es war Leon, der mit seinem dunklen Mantel und den braunen Haaren fast vollständig mit dem Schatten der Gasse verschmolz und darauf wartete, das Taira nun endlich vom Schiff gebracht wurde. Leon trug den langen Mantel aus zweierlei Gründen, zum Einen, um unerkannt zu bleiben und außerdem als Schutz vor dem trügerischen Wind, der einem immer dann den Sand der Dünen ins Gesicht blies, wenn man nicht gut genug aufpasste. Die abgedunkelte Schutzbrille trug ebenfalls dazu bei ihn unkenntlich zu machen. Außerdem trug in diesem Land sowieso jeder so eine Verkleidung und so würde keiner Verdacht schöpfen bei seiner zwielichtigen Gestalt. Das erste Mal, als Leon das Wüstenland besucht hatte, hatte er gedacht, dass ihn der Schein eines verwahrlosten Reiches trüge, doch jetzt wusste er, dass das gesamte Land nur von Räubern, Banditen und anderen Gesetzlosen bevölkert wurde. Zuerst hatte Leon sich gewundert, was so ein Reich mit einem König wollte, doch Saylon war vielmehr der Anführer einer Verbrecherbande, der gemeinsam mit seinen Anhängern ein zuvor stolzes und reiches Land besetzte und sich hinter der Fassade eines Königreiches versteckte, um jegliches Aufsehen zu vermeiden. Es gab hier nur wenige ehrliche Menschen, doch diese wurden von den Besetzern in Gewisser Weise versklavt und gegen geringe Entlohnung dazu gezwungen die niedrigen Arbeiten wie Landschaftsbau und Fischerei zu betreiben. Wer sich weigerte, wurde umgehend umgebracht, doch trotzdem hatten sie noch nicht die Hoffnung aufgegeben und warteten immer noch darauf, dass irgendwer ihr Land erlöste und die glorreichen Zeiten zurückkehrten. Warum Leon Taira nicht die Wahrheit über Lord Saylon erzählt hatte, wusste er auch nicht genau... Er hatte sie wohl schützen wollen, aber auch in gewissem Maße beruhigen, denn wenn sie gewusst hätte, dass ein skrupelloser Killer vor ihr Stand, hätte sie es wahrscheinlich noch schwieriger gehabt sich zu beherrschen. Das ewige Warten machte Leon langsam echt verrückt. Hier lebte doch sowieso keine Menschenseele, warum mussten sie dann warten, bis es dunkel war um endlich das Schiff zu verlassen? Das stapfen von Pferdehufen im Sand wurde immer Lauter, ebenso wie das Knattern einer Kutsche. Schnell drückte sich Leon wieder an die Wand, und lauschte so gut er konnte. Sein Herz fing immer schneller an zu klopfen, als dann auch noch die Kutsche auf der Hafenstraße direkt vorm Gasseneingang hielt, war die Anspannung auf ihrem Höhepunkt. Nach ein paar Minuten konnte er dann ein kleines Boot sehen, das sich mit kräftigen Paddelschüben in Richtung Ufer bewegte. Es dauerte nicht lange, bis es an dem kleinen Steg anlegte und Taira, begleitet von einem großen, breitschultrigen Mann, das kleine Boot verließ. Als sie die Kutsche bestieg, erhaschte Leon einen Blick auf sie. Sie wirkte entspannter und ausgeruhter, schlecht ergangen war es ihr also zum Glück nicht. Trotzdem wurde ihm das Herz schwer, als er die Kutsche von dannen ziehen lassen musste. Er musste den passenden Zeitpunkt abwarten, um die Kutsche zu überfallen, dann, wenn niemand in der Nähe war und der Kutscher niemanden warnen konnte. Der Schiffsmann schipperte wieder zu seinem Schiff und binnen weniger Momente schwang sich Leon auf das Pferd und ritt der Kutsche hinterher. Sie war auf dem Weg nach Sarbi, der Hauptstadt des Wüstenreiches und Regierungssitz Lord Saylons. Dort stand auch sein Palast Sonnenhauch. Leon schien es, als das die Zeit überhaupt nicht verstreichen würde, denn immer nur durchstreiften sie die Dünenlandschaft der Wüste, wo jeder kleinste Ort dem anderen aufs Sandkorn glich. Erst bei Dämmerung, als Leon sich sicher war, dass kein Dorf in der Nähe war und der Kutscher so keine Hilfe holen konnte, fing Leon an, sich der Kutsche zu nähern. Zuerst schoss er aus dem Hintergrund einen Pfeil ab, der auch sogleich sein Ziel, die linke Schulter des Mannes, traf. Da der Kutscher erhöht saß und so über dem Innenraum der Kutsche saß, war freie Schussbahn auf den nichts ahnenden Mann. Der Lehnsmann des Lords stieß einen markerschütternden Schrei aus, doch das schreckte Leon nicht von seinem Plan ab. Er wusste, dass ein Schuss in die Schulter zwar schmerzhaft war, doch trotzdem nicht zwangsläufig lebensbedrohlich, auch wenn er dem fremden Mann den Tod gönnen würde, denn Mitleid hatte Leon keinesfalls. Unbeirrt sprang er von seinem Pferd auf den Kutschbock, wo sich immer noch der Kutscher vor schmerzen hin und her warf und die Kontrolle über die Pferde verlor. Augenrollend schupste Leon den Fremden einfach nur stumpf vom Kutschbock, woraufhin abermals ein lauter schrei ertönte und ein dumpfer Aufschlag. Dann ergriff er die langen Zügel der Pferde und stoppte die Kutsche, als die beiden Rappen sich wieder beruhigt hatten. Der merkwürdige Mann, den Leon eher als verweichlicht als mutig bezeichnen würde, lag im Sand und krümmte sich vor schmerzen. Leon dachte nur, dass DER mal wirkliche Schmerzen aushalten sollte. Leon sprang vom Kutschbock und öffnete die Tür der Kabine im hinteren Teil der Kutsche. Eine verwirrte Taira schaute ihn erst verdutzt an, setzte sie dann aber doch eine verängstigte Miene auf, was auch verständlich war, da sie ja nicht wusste, wer unter der Maske versteckt war. „Was wollen sie?“ fragte sie mit kalter, abweisender Stimme und wich weiter zur Wand zurück. Vorsichtig schloss er die Tür hinter sich und wollte sich gerade zu erkennen geben, als er schon sofort eine geknallt bekam. Taira hielt ihn wohl für einen notgeilen Perversen. „Lass mich in Ruhe“ sagte sie mit lauter fester Stimme und schaute ihn mit verabscheuenden Blicken an. „Stop, ich bin’s doch nur.“ Leon nahm die Brille ab und lächelte Taira unbeholfen an. „Willst du mich jetzt immer noch zusammenschlagen?“ Erschrocken schlug sie sich die Hände vor den Mund. „Leon! Tut mir Leid... das wollte ich nicht... ich wusste ja nicht, dass du das bist...“ „Schon okay“ antwortete er und winkte nur ab. „Bin ich froh, dass du da bist!“ Ungestüm fiel sie ihm um den Hals, wobei Leon von dem Schwung mitgerissen wurde und nach hinten gegen die Tür krachte. „Ist ja schon gut, du brauchst mich deswegen nicht gleich zerquetschen!“ lachte er. Sie ließ ein bisschen lockerer, ließ ihn aber noch nicht gänzlich los. Breit lächelnd schaute sie ihm tief in die Augen. „Ich bin nur so froh, dass du da bist“ lachte sie und ließ ihn dann doch ganz los. „Tut es noch weh?“ fragte sie und deutete dabei auf seine Wange. „Ich bin einiges gewohnt“ schmunzelte Leon, dann wurde er wieder ernster. Er schlug den langen Umhang zurück, um an die Tasche darunter zu kommen. Er kramte einige alte Jungenkleider heraus, so wie eine verschlissene Ballonmütze und ebenfalls eine Sandbrille und ein Schutzmantel und hielt es der skeptischen Prinzessin hin. „Zieh das mal an!“ „Warum?“ fragte sie. „Weil dein Kleid, doch etwas sehr auffällt und uns behindert, darum!“ erklärte der Braunhaarige und legte die Klamotten auf eine der Sitzbänke der Kutsche. „Dreh dich um!“ befahl Taira. „Warum?“ fragte Leon nur perplex. Empört schaute sie ihn mit großen Augen an. „Willst du mich beim Umziehen bespannen?!“ Leon wurde plötzlich feuerrot im Gesicht und drehte sich sofort um. Schüchtern flüsterte er noch ein „Sorry“. Irgendetwas an diesem schüchternen Leon wollte nicht zu dem Bild passen, was Taira von Leon hatte. Sie fand diese Schüchternheit einfach nicht in der Entschlossenheit wieder, die der ruhige und bestimmte Leon immer ausstrahlte. Taira machte sich nichts daraus und drehte sich um. Sie warf noch einen Blick über ihre Schulter, doch Leon blinzelte wirklich nicht mehr zu ihr hinüber. Dann öffnete sie vorsichtig die Häkchen der Korsage und schlüpfte aus dem weiten Kleid. Den Unterrock zog sie ebenfalls aus, bis sie nur noch in Korsett und Unterwäsche dastand. Sie schlüpfte in die weiten Jungenklamotten, die, wie Taira fand, unendlich gut rochen, nämlich nach Leon. „Kannst dich wieder umdrehen“ sagte die Prinzessin mit lauter Stimme, während sie ihren Kopf durch die Mantelöffnung zwängte und mit zerstrubbelten Haaren wieder darunter hervorkam. Die Haare band sie hinten zusammen und versteckte sie unter der Mütze. „Und was sagst du? Gehe ich als Junge durch?“ lachte das Mädchen und wandte sich an den Braunhaarigen. Er lächelte sie nur zufrieden an. „Setzt die Brille auf, wir gehen...“ Nun versteckte er sich auch wieder hinter den getönten Gläsern und öffnete die Tür nach draußen. Er drehte sich noch mal um. „Kannst du reiten?“ Die Blonde nickte eifrig und kam aus der Kutsche gesprungen. Früher war sie oft geritten, jetzt nur noch seltener, da die Ausritte durch den Schlossgarten eher einseitig waren. „Gut“ erwiderte Leon nur kommentarlos und schnitt die beiden Pferde der Kutsche los. „Lauf los, Dicker!“ schrie er dem einem Pferd hinterher, dass er mit einem kräftigen Schlag auf das Hinterteil zum Loslaufen brachte. Den Zügel des anderen reichte er Taira, während er sich auf das Pferd von vorhin setzte. Die beiden ritten los, in die Richtung, aus der sie zuvor auch kamen. „Wo reiten wir hin“ schrie Taira gegen den Wind Leon zu. „Na zu dir, wir müssen doch noch einen Hinterhalt aufdecken!“ schrie Leon zurück, der ausgelassen lachte und mit Begeisterung auf dem Rappen vorbeipreschte. Ihm war wohl wohler dabei, draußen zu sein, fast frei, statt drinnen eingesperrt zu sein und ruhig sitzen bleiben zu müssen. Schmunzelnd setzte Taira ihm nach, glücklich darüber endlich nach Hause zu kommen. Eine Ewigkeit verging, bis langsam die Sonne am Horizont schimmerte und den beiden eine schreckliche Botschaft Kundtat: Über ein Dutzend schwer bewaffneter Männer wartete oben auf einer der großen Dünen. Als sie erkannten, das die Beiden endlich eingetroffen waren, die sie suchten, galoppierten sie den Hügel hinunter. Sandkörner flogen in alle Richtungen, und durch die Staubwolke, die rund um die Hufe der Pferde wirbelte, schien es, als würden sie über dem Boden schweben. Taira bekam große Augen, als ihr die Situation klar wurde. Eine Übermacht an Kriegern kam ihnen entgegen und sie zwei waren allein. Sie zügelten ihre Pferde. „Hast du nicht gesagt, sie werden meine Flucht nicht bemerken?“ fragte Taira mit hysterischer Stimme und schaute sich unruhig um. Ihr Pferd begann nervös herumzutänzeln. „Das habe ich auch gedacht“ antwortete Leon, der ebenfalls sichtlich geschockt war, sich aber schnell wieder fing. „Ok, sie wissen jetzt, dass du weg bist, aber einen Ausweg haben wir trotzdem noch. Folg mir!“ Er galoppierte los, Taira ihm hinterher. Jetzt ritten sie wieder in Richtung Festland, die Männer Saylons folgten ihnen mit wildem Geschrei. „Woher wussten sie, wer wir sind?“ „Ich habe keine Ahnung, aber viele gibt es wahrscheinlich nicht, die zu zweit auf geklauten Pferden durch die Wüste reiten!“ erwiderte Leon nur mit einem sarkastischen Unterton und schaute sich Aufmerksam die Umgebung rund herum an. „Nicht mehr lange, dann sind wir in Putiq!“ rief er ihr zu und konzentrierte sich weiterhin auf den Verlauf der Wüste, was auch immer er darin erkennen konnte. „Was wollen wir denn in Putiq?“ keuchte Taira, die sich daran erinnerte, dass Putiq eine etwas größere Stadt nahe der Küste war, die hauptsächlich aus Spielkasinos und anderen Wetthäusern bestand. „Dort lebt jemand, der uns bestimmt helfen kann zu flüchten... Jetzt müssen wir nur noch versuchen soviel Abstand wie möglich zu gewinnen.“ Nach ein paar Minuten erkannte Taira schon die Silhouette Putiqs am Horizont, hohe heruntergekommene Häuser, die trotzdem etwas prachtvoller und nobler als die übrigen Häuser am Rande der Stadt wirkten. Dort lebten vermutlich die ärmeren Leute, versklavte Bauern, die dafür zuständig waren die Reicheren mit Brot, Gemüse und Fleisch zu versorgen. Die großen Plattenbauten, die aus dem Sand ragten, wie übergroßes Unkraut zwischen welken Blüten, waren vermutlich die Spielhäuser, mit denen die Leute in Putiq ihr Geld machten. Viele reisten hier her um ihr Geld zu verprassen, entweder, weil sie einfach zu viel davon hatten und Spaß dabei hatten, oder aber weil sie kurz vorm Bankrott waren und das ganze restliche Geld mit der Hoffnung des Gewinnens auf eine einzige Karte setzten. „Taira, reit näher an mich heran.“ Das Mädchen wusste nicht wozu sie das machen sollte, aber jetzt war eindeutig nicht die Zeit dazu, um irgendetwas nachzufragen. Sie ritt an ihn heran, während Leon sich auf seinen Sattel kniete, und hinter Taira auf das Pferd sprang. „So kommen wir besser durch die Menschenmengen und verlieren uns nicht.“ Taira wunderte sich, dass so früh schon „Menschenmassen“ auf den Straßen der Stadt sein sollten, doch Leon hatte Recht. Als sie die Stadt erreichten liefen überall Leute herum, auf der Suche nach einer Kneipe, aus der sie noch nicht rausgeflogen waren oder einem Casino, wo sie noch keine Schulden hatten. Ein buntes Treiben herrschte in den Kneipen, aber auch davor, denn an allen Ecken standen leichtbekleidete Frauen, die die Männer mit ihrem Charme verführten und weglockten, um ihnen dann auch noch das letzte Geld aus der Tasche zu ziehen. Für Taira und Leon war es einfach sich zwischen den Betrunken und den Weibern herzuschlängeln, für die streitende Meute hinter ihnen war es jedoch eine Tortur. Dadurch, dass sie ihre Formation auflösen mussten und sich nacheinander im Schritttempo durch die Masse schmuggeln mussten, verloren sie viel Zeit, in der die beiden Flüchtenden weiter ihren Abstand ausbauen konnten und schon um die nächsten zwei Ecken gebogen waren, ehe ihre Verfolger auch nur weiterreiten konnten. Nach drei weitere Gassen hatten sie die Verfolger dann abgehängt, zumindest vermuteten sie das. Leon hielt das Pferd an und deutete auf die schäbige Eingangstür eines Hinterhofhauses. Sie stieg ab und schaute die geschlossene Tür resigniert an. Leon verscheuchte das Pferd und trat neben sie. „Hier ist es“ lächelte er. „Hier wohnt Mako.“ Wieder schaute Taira den Jungen fragend an und wieder gab er ihr zu verstehen, dass jetzt nicht die Zeit für Fragen war. Er trat an die Tür und klopfte. Nach kurzer Zeit wurde sie von einem jungen Mann geöffnet, vielleicht 2 Jahre älter als Leon, mit schwarzen Haaren, die ihm in wilden Strähnen ins Gesicht hingen. Eine kleine silberne Kugel zierte die Haut unter seiner Lippe, die sich jetzt zu einem stummen Grinsen verzogen. „Kommt rein“ sagte er mit ruhiger Stimme und öffnete die Tür soweit, dass Taira und Leon an ihm vorbei ins Haus schlüpfen konnten. Drinnen sah es genauso kläglich aus wie außen: abgenutzte Möbel und eine ärmliche Einrichtung. Mako schloss die Tür und wandte sich seinen Besuchern zu, seinem alten Freund Leon und der Prinzessin Taira, die sich, immer noch verkleidet, ziemlich unbehaglich in der Situation fühlte und sich in Leons Nähe drückte. „Lang nicht mehr gesehen, Leon!“ Freundschaftlich klopfte er dem Braunhaarigen auf den Rücken und musterte die als Jungen verkleidete Taira mit fragenden Blicken. „Ein Freund?“ fragte Mako und bot den beiden an, sich zu setzten. Leon wandte sich an Taira, die versuchte sich im Schatten ihrer Mütze zu verstecken. „Du kannst die Mütze jetzt abnehmen...“ Unsicher zog Taira sich die Mütze vom Kopf und gab damit ihre Tarnung preis. Die goldblonden Haare fielen ihr jetzt wieder bis über die Schultern, und jetzt war auch ihr Gesicht das erste Mal für Mako deutlich zu erkennen. Unbeholfen lächelte sie den jungen Mann an, der ihr gegenübersaß und sie verdutzt anschaute. Mit einem breiten Grinsen wandte sich der Schwarzhaarige jetzt an Leon. „Wer ist denn die Süße, Casanova? Neuerdings ne feste Freundin?“ Leon schüttelte mit dem Kopf. „Das ist Taira.“ „Prinzessin...?!“ Mako machte große Augen. „Deine Ansprüche werden echt immer höher“ lachte er. „Ich hab Taira nicht abgeschleppt!“ erwiderte Leon sauer und wurde rot, genauso wie Taira. „Schon gut, schon gut...“ grinste Mako, dessen Lachanfall ein jähes Ende genommen hatte. „Also, wie kann ich helfen?“ „Wir müssen ne Weile bei dir untertauchen...“ „Darf ich auch fragen warum?“ „Weil wir verfolgt werden...“ „Ich hätte gerne die ganze Geschichte, Einzelheiten wären auch nicht schlecht.“ Leon stieß einen Seufzer aus. Dann begann er zu erzählen, davon, dass Taira entführt wurde, von dem Plan Ileans und die Rolle die Lord Saylon bei alle dem spielte. Und natürlich, warum sie hier waren und was sie nun vorhatten: ins Reich der Mitte reisen und den ganzen Schwindel aufdecken. Mako hatte aufmerksam zugehört, ab und zu hatte er genickt. „Und wo komme ich dann jetzt bei dem ganzen ins Spiel?“ „Als erstes brauchen wir ein Versteck, bis Saylons Männer weitergezogen sind. Dann müssen wir wie gesagt ins Reich der Mitte Reisen um die ganze Eroberungssache zu verhindern. Und da du dich wohl eindeutig besser hier in der Gegend auskennst, wie jeder andere, wirst du uns doch sicher den schnellsten Weg nennen können.“ „Also warum das alles auf dich nimmst, ist mir ja immer noch schleierhaft. Du kennst mich, nenn mir nur einen guten Grund und ich bin sofort dabei.“ „Wenn wir nichts unternehmen, wird bald der ganze Kontinent entweder von Ilean regiert, oder aber von Lord Saylon plattgemacht.“ Mako überlegte nicht lange, bevor er auf Leons Grund antwortete. „Schlagfertig wie eh und je“ grinste er. „Ich helfe euch! Ich weiß zwar nicht, was hier plötzlich alles abgeht, aber wenn das die Folgen sind, bin ich klar dagegen!“ Lautes Raunen und Getuschel stieg durch die Massen, die sich vorm Palast im Reich der Mitte versammelt hatten. Am Nachmittag hatte es eine große Aufruhe im Schloss gegeben, und keiner wusste genau worum es ging. Ein Sprecher wollte gegen Abend eine Rede an die aufgewühlte Menge halten, die aufgeregt auf die Ansprache des Vertrauten wartete und schon seit Stunden sehnsüchtig zu dem Podest starrte. Mit der Dämmerung entzündeten sich die ersten Fackeln auf dem Platz und wenige Zeit später trat endlich der recht kleine, eher runde Mann auf die Empore. Ein lautes Räuspern tanzte über die Reihen hinweg, wonach sich das Getuschel langsam einstellte. Der Mann ließ ein weiteres Räuspern vernehmen, ehe er anfing zu sprechen. „In den letzten Tagen hat sich so einiges eigenartiges im Königshause abgespielt, wovon wir euch, dem treuen Volke, gerne berichten wollen. Wie ihr alle schon wisst, wurde unsere allseits geliebte Prinzessin vor fünf Tagen entführt, woraufhin sie nach langen Verhandlungen gegen Austausch der gesamten Gefangen freigelassen wurde. Doch jetzt mussten wir einen erneuten Schicksalsschlag vernehmen. Das Fräulein Prinzessin ist nicht das, was es vorgibt zu sein. In Wahrheit ist das Mädchen, was wir vor drei Tagen mit allgemeinem Jubel willkommengeheißen haben, nicht unsere Taira. Sie ist eine Hochstaplerin, eine Marionette in einem makaberen Spiel. Wir können ihr keine Schuld geben, denn sie hat nur das getan, was man ihr sagte. Eine Verschwörung steht kurz bevor, eine Verschwörung des Königshauses gegen das Volk, das Volk, das schamlos ausgenutzt wurde, hinters Licht geführt wurde und jetzt auch nach verraten werden soll! Die Schuldigen von alle dem sind der König und die Königin. Sie tragen ganz alleine Schuld. Wir kennen ihren Plan nicht, aber das die Prinzessin entführt wurde, musste ihnen wohl gerade nur Recht sein. Und damit wir alle nichts merken, wurden wir hinters Licht geführt. Ein Double haben sie sich geholt, um uns alle zu täuschen. Doch glücklicher Weise flog der Schwindel auf, durch die Hilfe einer treuen Magd, die den Unterschied zwischen einer unechten und einer echten Prinzessin erkannte und treu zu unserer echten Herrscherin gehalten hat, unserer hochwohlgeboren Taira. Inzwischen konnten wir auch unsere echte Taira wieder aus den Fängen der Kopfgeldjäger befreien. Momentan ist sie auf eigenem Wunsche ins Reich ihres Retters unterwegs, Lord Saylon. Dort soll sie sich zunächst ausruhen von all den Strapazen. Es geht nicht an, dass wir all diese Beleidigungen über uns ergehen lassen. Es ist jetzt Zeit zu handeln! Wir müssen endlich gegen das Königspaar vorgehen, das von Anfang an kein Interesse an ihrem eigenen Volk hatte. Bewohner des Reichs der Mitte! Die Zeit ist gekommen, dass wir zurückschlagen. Stimmt ihr mir da nicht alle zu, dass wir endlich etwas unternehmen sollten, um endlich wieder in Frieden leben zu können, ohne hier draußen auf dem Land zu verrecken? Ich sage, wir kämpfen gegen die Monarchen. Das Reich der Mitte wird neu erblühen, und mit Hilfe unseres allseits geschätzten Ileans wird eine neue Ära anbrechen!“ Allgemeiner Jubel schallte über den Platz. Zustimmung spiegelte sich im Gesicht des Volkes wider. Ein Bürgerkrieg bahnte sich an, ohne das das Volk bemerkte, das es selbst nur eine unbedeutenden Rolle in einer düsteren Auflehnung spielte, während König und Königin, um die verschollen geglaubte Tochter trauerten und sich traurig in ihrem Schloss verschanzten... „Morgen, meine lieben Bürger, morgen schon, sollen sich alle im Rekrutenlager melden, denen ihr Recht es wert ist, um es zu kämpfen. Und wenn dann am nächsten Tage die Sonne untergeht, werden wir uns bereitmachen zu kämpfen!“ Kapitel 5: Das Reich der Mitte ------------------------------ Aufgebracht lief ich in dem kleinen Raum auf und ab, den Mako sein zu Hause nannte. Immer wieder blickte ich hinüber zu Leon, der ein Flugblatt in der Hand hielt, von dem Ileans verabscheuungswürdiges Gesicht mir entgegenlächelte. „Das ist doch alles vollkommener Schwachsinn!“ sagte ich mit gereizter Stimme und deutete abermals auf das Blatt. Es handelte sich dabei um eine Aufzeichnung einer Rede, die gestern auf dem Schlosshof stattgefunden haben soll. „Warum sollte ich bei jemandem wie Saylon Ruhe suchen? Bei so einem ... einem ... einem notgeilen Arsch!?“ Leon zuckte nur mit den Schultern, Mako stand am Herd und kochte Tee. Ich hielt inne, als Leon das Wort erhob. „Haben sich aber wirklich geschickt gerettet“ bemerkte Leon bitter. „Das die Kopie aufgeflogen ist, hätte für den Kreuzsternorden auch das aus ihres Plans heißen können. Schließlich wollten sie vorher das Schloss von innen heraus erobern, aber jetzt, wo die Leute vom Land auf ihrer Seite sind, ist es für Ilean noch einfacher König zu werden. Durch Manipulation und Überredungskunst...“ „Das kann doch alles nicht wahr sein!“ Liebend gerne hätte ich mich irgendwie abreagiert, doch mir fiel einfach nichts ein, was meine Wut eindämmen hätte können, die ich in diesem Augenblick für Ilean verspürte. Leon studierte währenddessen abermals das Pergament. „Dem Text nach zu urteilen bist du jetzt nur noch die einzige, die die Leute davon abhalten kann das Schloss zu stürmen. Auf dich würden sie hören, wenn du ihnen die Wahrheit erzählst...“ Mit einem Seufzer wandte ich mich von ihm ab. „Da hast du wohl Recht... Ich hätte nie gedacht, das so etwas wirklich passieren würde, das die Lage wirklich so schlimm ist! Ich meine, es steht ein Bürgeraufstand bevor und ich kann nichts tun, weil ich hier irgendwo im nirgendwo festsitze.“ „Also ganz so abgeschieden bist du hier doch auch wieder nicht!“ erwiderte Mako beiläufig und servierte die drei Tassen Tee. Er bot mir den Stuhl neben sich an, ich lief jedoch weiter im Raum hin und her. „Was meinst du?“ fragte Leon verwirrt, dem auch schon aufgefallen war, das Makos Aussage unlogisch war. „Wir sind mitten in der Wüste! Was ist denn dann bitte abgeschieden wenn nicht hier?!“ „Ja das stimmt schon, wir sind irgendwo in der Wüste, aber warum nehmt ihr nicht einfach den Tunnel hinterm Haus? So braucht ihr noch nicht einmal mehr einen ganzen Tag.“ Verdutzt wandten Leon und ich unsere Blicke zu Mako, der entspannt an seinem Tee nippte. „Was!?“ fragte er verständnislos. „Warum hast du das nicht früher gesagt?!“ blafften Leon und ich Mako gleichzeitig an. „Ihr habt ja nicht gefragt“ lächelte Mako und widmete sich dann wieder seiner Tasse. Entnervt ließ ich mich dann doch auf dem Stuhl nieder und regte mich insgeheim darüber auf, wie verpeilt man eigentlich sein konnte?! Leon schien es genauso zu gehen, denn er starrt nur finster auf den Tisch vor sich. „Du bist echt ein Vollidiot, Mako!“ „Danke für das Kompliment“ lachte er eigenartig überzeugend, ganz ohne irgendwelche Ironie. Ein blasses Lächeln zierte jetzt meine Lippen. Mako war schon ein komischer Kerl und irgendwie auch ein bisschen speziell. Ein paar Stunden später brachen wir dann auf, die Taschen vollgepackt mit Wasserflaschen und Essen und ich nun wieder verkleidet als gewöhnlicher Straßenjungen Putiqs. Der Tunnel befand sich in einem kleinen Hof hinter den Häusern. Früher einmal war durch die schmalen Gänge Wasser geflossen, doch heute war der alte Brunnen ausgetrocknet, der uns in eine unterirdische Grotte in der Nähe des kleinen Dorfes Zumiyo führen sollte, von der es wiederum nur eine kurze Distanz bis zur Hauptstadt war. Nami, die wundervolle Stadt des ewigen Meeres. Wir verabschiedeten uns von Mako, doch es war eher ein „Auf Wiedersehen“ als ein „Lebewohl“. Denn Wiedersehen wollte ich Mako auf jeden Fall, so wie ich vieles Wiedersehen wollte, was ich gesehen hatte. Aber besonders wollte ich den armen Menschen im Abendrotland helfen, die schon so viel Leid unter Saylon erfahren mussten. Meiner Meinung nach musste endlich jemand aufstehen und gegen den sogenannten „Lord“ vorgehen, und wenn es jetzt an der Zeit war, würde ich auch diese Person sein. Mit gemischten Gefühlen stieg ich dann den alten Brunnen hinunter, Leon immer nah an meiner Seite. In den wenigen Tagen hatte ich das Gefühl gewonnen, in Leon einen Seelenverbundenen gefunden zu haben, einen Leidensgenossen, und einen Mensch, dem ich grenzenloses Vertrauen schenkte, obwohl ich so wenig über ihn wusste. Vieles von ihm lag für mich immer noch im Schatten seiner selbst, denn über seine Vergangenheit erzählte er nichts, wo er sowieso kaum redete, und warum er mir jetzt eigentlich half, wusste ich auch immer noch nicht. Ob es einfach nur sein Abenteuerdrang war, irgendein Grund für eine Flucht aus dem Orden oder was auch immer, ich wusste es nicht, und ihn noch einmal offen fragen wollte ich nicht. Beim letzten Mal hatte er ja nur geantwortet, dass ich es in seinen Augen wert war, noch eine Chance zu bekommen, aber das war für mich kein plausibler Grund. Er kannte mich kaum und dann wollte er schon behaupten, dass ich die ganzen Anstrengungen wert war. Manchmal zweifelte ich selbst an unserem Vorhaben. Lange grübelte ich herum, und wir wechselten den ganzen Weg kein Wort. Es war ein langer Fußmarsch durch den engen Gang, der gerade mal so hoch war, dass ich gerade so hindurch passte und Leon mit gebücktem Kopf seinen Weg durch den dunklen Tunnel suchte. Eine Lampe oder eine andere Lichtquelle hatten wir nicht, da Mako uns versichert hatte, dass der alte Brunnenschacht immer nur geradeaus führte und es keine Abzweigungen gab. Außerdem kursierte das Gerücht, dass an einigen Stellen Erdgas austreten sollte, das zwar für Menschen ungiftig war, jedoch bei der kleinsten Flamme die ganze Höhle sprengen sollte. Durch die bedrohliche Stille drangen ganz allein unsere leisen Schritte, die wie ein Echo immer wieder von Wand zu Wand geworfen wurden. Mit jedem Schritt wurde mir die Grabesstille immer bewusster. Desto weiter wir gingen, desto bedrückender wurde die Stimmung, bis ich die Stummheit nicht mehr aushielt und schließlich versuchte ein Gespräch anzufangen. Mir viel nicht sonderlich viel ein, was ich Leon fragen wollte, auf Fragen zu seiner Vergangenheit würde er nur ausweichend antworten und Dinge wie Lieblingsbeschäftigung oder was er hasste zu fragen, war mir irgendwie peinlich. Das einzige was noch blieb war das, was noch auf uns zukommen mag. „Was meinst du Leon?“ fing ich an. „Was erwartet uns in Nami?“ „Zwei geschlossene Barrikaden, in denen die beiden Fronten nur darauf warten, endlich zum Angriff überzugehen“ erwiderte Leon wiedereinmal nur knapp und lief unbekümmert weiter. „Und was sollen wir dann machen, wenn wir da sind?“ „Als erstes müssen wir so nahe ans Geschehen herankommen, wie es geht, also wäre es das beste, wenn wir uns im Rekrutenlager melden und uns als Freiheitskämpfer ausgeben, dann sehen wir weiter...“ Leon legte anscheinend nicht viel wert darauf, ein Gespräch mit mir zu führen. Mir machte die unberechenbare Ruhe rund um uns herum jedoch Angst, deswegen fragte ich doch noch weiter. „Was hast du vor, wenn das alles hier vorbei ist?“ fragte ich vorsichtig, da ich mir nicht sicher war, ob dies nicht wieder eine dieser Fragen war, die Leon zu privat waren. Nach anfänglichem Zögern begann er dann aber doch noch seine Antwort zu formulieren. „Ganz genau weiß ich das auch noch nicht, ich weiß nur sicher, dass ich nicht zurück zum Orden gehe. Dieser ganze Königsplan von Ilean hat mir entgültig gezeigt, dass ich nicht zu denen gehöre...“ Ich hatte das Gefühl, dass das nicht die gesamte Wahrheit war, aber wenn ich jetzt noch weiter nachhaken würde, wäre Leon sicher sauer auf mich. Außerdem machte es mich glücklich, das Leon jetzt endgültig nicht mehr zum Kreuzsternorden gehörte. Ehrlich gesagt machte ich mir auch Hoffnungen, dass wir uns vielleicht irgendwann wiedersehen würden, aber nicht als Feinde sondern als Vertraute. Ich schwieg. „Was machst du denn?“ fragte Leons bemüht gleichgültige Stimme. „Ganz sicher werde ich mich nicht im Schloss verstecken! Ich will helfen, dass die Reiche wieder in Frieden miteinander leben können. Ohne Lord Saylons Machtherrschaft oder verarmte Leute.“ „Die bist echt eine typische Prinzessin, immer am Wohl des Volkes interessiert“ lachte Leon. „Mach dich nicht immer über mich lustig!“ gab ich kühl zurück. „Mach ich doch gar nicht, das war ein Kompliment! Das mag ich ja so an dir, dass du dich mehr um andere kümmerst, als um dich. Dir sind andere nicht gleichgültig...“ Mir schoss die Röte ins Gesicht. Glücklicherweise war das in dieser Dunkelheit nicht für ihn sichtbar, aber durch mein Schweigen hatte er sich wahrscheinlich sowieso schon gedacht, dass er mich mit seinen Worten verlegen gemacht hatte. Er ging auch nicht weiter darauf ein, und wir gingen stumm hintereinander weiter... Sanftes Lichtschimmern war jetzt am Ende des Tunnels zu entdecken. Wir traten in den schwachen Mondschein, der durch ein Loch in der Decke in die unterirdische Grotte fiel. Es war nur ein schmaler Spalt in der Decke, doch das wenige Licht, das durch ihn hindurch drang war schon so stark, dass man fast alles in der Höhle erkennen konnte. Nur die hinterste Höhlenwand blieb unerkannt. Dort konnte man nur ein scheinbar bodenloses Gewässer sehen, das sich bis ins unendliche fortsetzte und dessen Horizont im Dunkeln verschwand. Die anderen Felswände waren durch das schwache Licht vollkommen aus der endlosen Schwärze gerissen worden, die wohl sonst hier unten herrschen würde. Rund um uns herum erstreckten sich kantige Steinklüfte, die sich über fünf Meter nach oben empor streckten. Links von uns entdeckten wir einen weiteren Tunnel, dieser führte jedoch nach oben an die Erdoberfläche, demnach war er also auch ziemlich steil und wir mussten an manchen Stellen schon senkrecht hinauf klettern. Als wir endlich aus dem schmalen Schacht steigen konnten, erblickte ich nach langer Zeit endlich wieder den klaren Nachthimmel meines geliebten Königreiches. Ich sog die frische Luft in tiefen Zügen ein und schmeckte den leicht salzigen Geschmack der See heraus. Wir waren also wirklich endlich wieder zu Hause, zurück an meinem geliebten Meer und nur wenige Augenblicke vom Schloss entfernt. Ich wandte meinen Blick von den zahlreichen Sternen ab, die dieser Nacht irgendwie einen irrwitzigen Sinn von Romantik verliehen, obwohl mir im Moment überhaupt nicht nach Romantik zu Mute war. Ich schaute mich zu aller erst um und entdeckte, dass in einer Art Oase am Rande des Sandstrandes waren, die, wie ich jetzt wieder erkannte, wirklich ganz in der Nähe von Nami war. Ich konnte von hier immer noch das leise Wellenrauschen hören, das heute trotzdem irgendwie aufgeregter als sonst klang, als ob selbst das Meer die schreckliche Situation schon erkannt hatte. Um uns herum waren schmale Kokospalmen und viele andere Gewächse, denen die raue Seeluft nichts ausmachte. Ich trat einige Schritte zwischen den Bäumen hervor und spürte jetzt den trockenen Sand, der leise unter meinen Schuhen knirschte. Das Meer war nur wage zu erkennen, durch blasse Spiegelungen der Sterne die auf den stetigen Wellen tanzten machten das Wasser dennoch sichtbar. In der Ferne konnte ich die Umrisse Zumiyos erkennen, das kleine Dorf in dem der Brunnen gestanden hatte, auf dem Platz voll mit prächtigem Wein. Blitzartig drehte ich mich um. Es war zwar toll, endlich wieder da zu sein, aber wir hatten nicht allzu lange Zeit die Schönheit der Natur zu genießen. Wir mussten jetzt nach Nami und uns als Rekruten melden. Ich schritt zielsicher in entgegengesetzte Richtung, weg vom Meer. Leon schaute sich noch einmal um, ehe er mir folgte. In meinem Königreich herrschten viel mildere Luftverhältnisse, deswegen war es hier auch wesentlich wärmer. Die langen, warmen Mäntel waren jetzt eher unnütz und die Sandbrillen ebenso, also verstauten wir beides wieder in den Taschen. Es dauerte nicht lange, bis ich die ersten zerfallenen Häuser sah. Das war also Nami heute, eine alte, dem Zerfall nahe Stadt, die früher einmal so schön ausgesehen hatte und das Leben förmlich in ihr erblühte. Mir tat es im Herzen weh meine einst so wunderschöne Stadt jetzt so zerstört vorzufinden, zerstört von der Zeit und der Verarmung, die die Leute nicht mehr dazu bemächtigte ihre Häuser zu reparieren. Das war es also, mein Königreich. Verletzt, vernachlässigt und verarmt. Der Schock saß immer noch tief, doch ich konnte jetzt nicht trauern, ich musste handeln, stark sein. Beim Weitergehen konnte man schon die Barrikade vorm Schloss erkennen, die zum Schutz errichtet worden war, und ebenso das Rekrutenlager, dass sich hinter einem Schutzwall am anderen Ende der Stadt angesiedelt hatte. Es war kein langer weg, bis wir die ersten Zelte erreichten, dann immer mehr Leute um uns herum erschienen, bis wir im Herzen des Lagers waren. Hier war alles noch genauso belebt wie am Tag, wo früher die aufgeregten Menschen ihrem täglichem, glücklichen Leben nachgegangen waren. Doch hier waren überall nur Menschen, die schweres Leid erfahren hatten und nun bewaffnet und in notdürftigen Rüstungen beim nächsten Sonnenuntergang Vergeltung suchen wollten. Ich fühlte mich wieder unwohl in meiner Verkleidung, so als wenn man mich jeden Augenblick entdecken könnte. Wir schrieben uns ein und erhielten Kettenhemden und Waffen. Leon ein Schwert und ich Pfeil und Bogen, weil ich so grazil und eher schwächlich für einen Mann wirkte. Ein Zelt wurde uns zugewiesen und schon halb am Schlafen warf ich mich auf das Strohbett. Ich musste das ganze erst einmal verarbeiten, alles war so anders, wie ich es zuletzt gesehen hatte. Leon war die ganze Zeit eher ruhig gewesen, hatte kaum gesprochen und wirkte abwesend, so wie in genau diesem Moment auch, wo er stumm auf seinem Bett saß und auf den Boden starrte. Irgendwas beschäftigte ihn, bloß wusste ich nicht was. Und selbst wenn war ich wohl kaum die, der er sein Geheimnis anvertrauen würde, schließlich erzählte er von sich aus sowieso kaum. Ich machte mir nicht mehr die Mühe meine ganzen Sachen abzulegen wie die Mütze oder meinem Wams, ich blieb einfach im Bett liegen und war schon kurz vorm Schlafen. „Schlaf gut, Leon“ gähnte ich und drehte mich auf die Seite um ihn dann doch noch verschlafen anzusehen. „Du auch, Taira“ erwiderte er mit sanfter Stimme und legte sich dann auch hin. Gedanken schwirrten mir die ganze Zeit im Kopf herum. Kämpfende Soldaten, sowie meine Eltern und noch so viele andere Bilder. Sie alle vereinten sich zu einem konfusen Traum, der mir einen unruhigen und nicht sehr erholsamen Schlaf bescherten. Am frühen Morgen wachte ich gemeinsam mit der Sonne auf, geweckt von dem bunten Treiben, das sich vor den Zelten abspielte. Die Waffen wurden geschliffen, Strategien geplant und die letzten Vorbereitungen wurden getroffen. Mit steifen Gliedern und schmerzendem Rücken schälte ich mich aus dem unbequemen Bett und entdeckte Leon der im Zelteingang saß und abwesend nach draußen starrte. Irgendetwas stimmt nicht mit ihm, ich hatte ihn noch nie so bedrückt und nachdenklich gesehen. Ich wollte mir erst einmal meine Sorge nicht ansehen lassen und trat verschlafen und mit schief hängender Mütze neben ihn ins orange Licht der aufgehenden Sonne. „Morgen!“ grummelte ich verschlafen und stopfte mir die Haare wieder unter die Mütze. Leon blickte nur kurz auf, starrte dann aber weiter vor sich hin, ohne mich wirklich zu beachten. Seufzend trat ich zu den zwei Taschen, die neben dem Eingang im Zelt lagen. „Hast du schon gefrühstückt?“ fragte ich und wühlte sogleich in den Taschen nach irgendetwas essbarem. „Hab keinen Hunger“ gab Leon nur kurz zurück. Ich setzte mich ihm gegenüber hin und schaute ebenfalls nach draußen, wo die Soldaten ihre Techniken übten. Nebenbei aß ich mein karges Frühstück. Immer wieder wanderten meine Blicke zu Leon, doch er schaute nur ununterbrochen nach draußen, er beobachtete jedoch nicht so wie ich die Kämpfenden, sondern schien starr ins Leere zu schauen, ganz in Gedanken versunken. Ich fragte mich wirklich, was er heute morgen hatte. Lange träumte ich dann vor mir hin, versunken in den wirren Gedanken, die sich in den letzten Tagen angesammelt hatten. Etwas riss mich aus meinem Tagtraum, doch es war nicht plötzliches Kampfesgeschrei oder der Donnern einer Kanone, es war eher die jähe Stille, die denn zuvor belebten Platz ergriffen hatte. Auch der Braunhaarige mir gegenüber schien die Ruhe vor dem Sturm zu verwirren. Er stand auf und wies mich an, ihm zu folgen. Auf dem Hauptplatz des Rebellenstützpunkts hatten sich viele Soldaten versammelt, ein mit Rüstung bekleideter Mann stand auf einem erhöhtem Punkt und stach so auf der Menge heraus. Wahrscheinlich war es der Anführer der Freiheitskämpfer , ich vermutete auf jeden Fall, das er nichts weiter tat als eine Kampfesrede zu halten, um den Mut und den Kampfeswillen zu steigern. Mich interessierte Recht wenig, was er zu sagen hatte, ich war eher damit beschäftigt Leon in der Masse nicht zu verlieren, der es wohl anstrebte weiter nach vorne zu kommen, um den Redner besser zu erkennen. Der Hauptmann redete irgendetwas über den Angriff heute Abend erläuterte. Als er das Wort erwähnte horchte ich auf. „Auf dem Schlossplatz haben wir die heilige Friedensglocke errichtet, so, wie es uns unsere Vorfahren gelehrt hatten dies zu tun, wenn ein Kampf bevorsteht. Einzig und allein der tosende Donner der Glocke soll und noch vom Kämpfen abhalten, wenn jemand würdiges sie läutet.“ Ich ließ mir diese Worte immer wieder durch den Kopf gehen. Einzig allein der Donner der Glocke... Jetzt wusste ich, was meine Aufgabe hier war, ich musste die Glocke läuten, um den Kämpf zu beenden. In unserem Land war die Glocke schon fast eine Tradition, ohne dieses Symbol des Friedens war ein Kampf schon fast unehrenhaft, wenn ein Kampf überhaupt ehrenhaft sein konnte, wie ich skeptisch feststellte. Die Friedensglocke war ein heiliges Symbol unserer Dynastie und die Bedeutung dieses Sinnbildes konnte man wohl schlicht und einfach mit der einer weißen Fahne im Krieg vergleichen. Der Rest der Rede ging nur wie ein dumpfes Grollen an mir vorüber. Wir standen nun fast ganz vorne, trotzdem hatten wir jetzt freien Blick auf die Person auf der Holzkiste und die kleine Gruppe, die sich hinter ihm platzierte. Leon deutete mit finsterer Miene auf die Männer. „Arashi“ zischte er abwertend und warf ihm verächtliche Blicke zu. Ich wartete den Schluss der Rede nicht mehr ab, sondern drehte mich um und ging zurück. Verwundert drehte Leon sich zu mir um, schaute dann noch einmal zu Arashi und drängte sich hinter mir her durch die Menge. Zielstrebig ging ich zu unserem Zelt und schnappte mir den Köcher und den Bogen. Entschlossen drehte ich mich zu Leon, um der mich mit verwunderten Blicken musterte. Er wollte wohl fragen, was ich damit vorhatte, doch ich kam ihm zuvor. „Bring mir bei, wie ich damit umgehe!“ forderte ich, entschieden mein Schicksal endlich selbst in die Hand zu nehmen. Leon stutze erst, doch dann stahl sich ein stolzes Lächeln auf seine Lippen. „Es hätte keinen Sinn dir das Auszureden, oder?“ schmunzelte er. Ich schüttelte den Kopf. „Komm!“ sagte ich und zerrte ihn belustigt mit mir mit... Zum tausendsten Mal verfehlte mein kläglicher Versuch das Ziel zu treffen jetzt fehl. Leon beobachtete mich aufmerksam, bedacht darauf sein Lachen zu verkneifen. „Jetzt zeig mir doch endlich, wie ich es richtig mache!“ bettelte ich genervt. „Okay, wenn...“ „Wenn was?“ „Wenn du mir versprichst, das du damit keine Dummheiten anstellst!“ „Was meinst du?“ „Keine Alleingänge, und du schießt nicht einfach so um dich herum! Du benutzt den Bogen nur, wenn es nötig ist!“ „Versprochen... und jetzt zeig mir endlich wie dieses Ding funktioniert!“ Mit der linken Hand umfasste Leon jetzt ebenfalls das glatte Holz des Bogens. Er stellte sich so nah an mich heran, dass seine Brust schon fast meinen Rücken berührte, fasste dann meine rechte Hand und zog mit ihr Pfeilschaft und Sehne nach hinten. „Und jetzt loslassen“ flüsterte mir Leon ins Ohr und ließ sogleich meine Hand und den Bogen los. Die Sehne sprang zurück und der Pfeil flog in gerader Richtung direkt in die Mitte des Strohkreises. Begeistert strahlte ich ihn an. „Und jetzt versuch es alleine“ grinste er und deutete auf die drei anderen Zielscheiben auf dem kleinen Trainingsplatz. Zielstrebig spannte ich die Sehne und nacheinander trafen die Pfeile alle in ihr Ziel, zwar nicht genau ins Schwarze, aber ich traf. Ich drehte mich freudestrahlend zu Leon um, aber wieder schaute er abwesend auf den Boden. „Gehen wir zurück?“ fragte ich vorsichtig und schaute gen Himmel. Die Sonne stand schon ziemlich tief und bald würde sie wohl dann auch untergehen. Die Stunde des Unglücks. Schweigend drehte sich der Braunhaarige um und ging ohne ein einziges Wort zurück zum Zelt. Auf dem Platz sammelten sich schon die ersten Soldaten zum Kampf. Mit vorsichtigen Schritten trat ich hinter ihm ins Zelt und beobachtete ihn dabei, wie er Kettenhemd anzog und sich sein Schwert schnappte. Er wollte schon hinausgehen, aber ich hielt ihn am Arm zurück und schaute schüchtern auf seine Schulter. „Du hast doch irgendwas! Was ist los?“ fragte ich unsicher. Ich musste wissen was er hatte, bevor wir uns in den Kampf stürzten. Ich konnte nicht einfach so zuschauen wie er so zerrissen vor mir stand. „Nichts ist... ich bin nur ein wenig... angespannt...“ erklärte Leon nicht gerade überzeugend. „Du starrst immer so leer vor dich hin, irgendwas hast du doch! Sag mir die Wahrheit... wenn du jetzt gehst, gehst du für immer, oder?“ Meine Stimme zitterte. „Wenn das alles hier vorbei ist wird der Orden alles darum geben um mich zu finden... sie werden sich an ihrem Verräter rächen wollen und wenn es soweit ist, werde ich wohl eine der meist gesuchtesten Person des ganzen Reiches sein...“ „Ich will aber nicht, dass du mich wieder alleine lässt! Du kannst doch nicht einfach gehen und mich wieder einsam zurücklassen... Wenn du gehst, dann bleibt bei mir wieder nur die ewige Leere...“ Meine Augen füllten sich mit Tränen, verzweifelt kämpfte ich dagegen an, meine Stimme zu verlieren. „Wer sagt denn, dass ich gehen will? Ich muss vielmehr...“ Er machte eine kurze Pause, dann sprach er mit schwerer Stimme weiter. „...um dich zu schützen... Würde dir etwas passieren würde ich mir das niemals verzeihen...“ Irritiert hielt ich mir seine Worte immer und immer wieder vor Augen. „Sag mir die Wahrheit, was ist los?“ „Ich kann es dir nicht sagen...“ seine Stimme brach ab. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals runter, und merkte wie sich eine Hand um mein Herz zu schließen schien und es nur noch schwerer machte. „Du musst mir auch etwas versprechen...“ „Was denn?“ „Komm zu mir zurück, wenn du kannst...“ Dann ließ ich seinen Arm los, hielt die Tränen zurück. Ich wollte jetzt nicht weinen, ich konnte nicht verhindern, dass Leon ging, also wollte ich lieber auf den Tag hinausblicken, wenn ich ihn endlich wiedersah. „Versprochen“ flüsterte Leon und verließ das Zelt nach kurzem Zögern mit schnellen Schritten. Ich würde ihn wiedersehen, er hatte es versprochen... Kapitel 6: Der finale Kampf: Trennung für immer? ------------------------------------------------ Emotionslose Gesichter starrten allesamt in Richtung Schloss, Soldaten mit scharfen Waffen und schweren Kettenhemden. Mutlos und mit einem flauen Gefühl im Magen stand ich neben Leon. Die Reiter drapierten sich jetzt mit ihren Pferden vor der Armee, darunter auch der Hauptmann und die Ordensmitglieder. Sie führten die Menschen an, die sich vor wenigen Stunden noch heldenhaft gefühlt hatten, die jetzt aber jeglicher Mut und Zuversicht verlassen hatte. Die Anführer ritten los, und die Soldaten folgten. Jetzt war also der Zeitpunkt gekommen, der Kampf begann. Der Marsch bis zum Schlachtfeld kam mir ewig lang vor, wie der letzte Weg zum Galgen wollte er nicht zu Ende gehen, in der Gewissheit, dass am Ende etwas schlimmes lauern würde. Die uniformierten Soldaten des Königshauses standen mit unsicheren Gesichtern vor dem prachtvollen Palast in dem ich bis vor kurzem noch gelebt hatte und in dem ich aufgewachsen war. Viele Erinnerungen stiegen mir jetzt in den Kopf, doch wo ich das Schloss jetzt genauer betrachtete, kam es mir vor wie mein Gefängnis. Gut fünfzig Fuß lagen noch zwischen den zwei Fronten aus Kämpfern, ehe die Pferde der Rebellen anhielten. Die zwei Streitmächte schienen gleichgestellt, doch die Rebellen würden wahrscheinlich durch ihre Kampfeslust im Vorteil sein, da die Soldaten eher zögerlich auf den Kampf gegen das Volk hinausschauten. „Das ist eure letzte Chance, einen Kampf zu vermeiden!“ rief der Hauptmann der Rebellen hinüber zum Schloss, mit einer Stimme, die so laut grollte, wie der Knall eines Donners. „Übergebt uns König und Königin, dann wird euch nichts geschehen!“ „Wenn das so ist, bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als unser und euer unschuldig Blut zu vergießen“ donnerte es von der anderen Seite zurück. Die Rappen der Rebellenarmee scharrten ungeduldig mit den Hufen, dann galoppierten sie los. Mit lautem Geschrei rannten die beiden Seiten aufeinander zu, lautes Schwertkreuzen eröffnete den Kampf. Ohne auch nur nachzudenken rannte ich instinktiv mitten ins Geschehen, Leon mir hinterher, um die Schwertschläge zu parieren, die auf mich niederprasselten. Ich spürte die vereinzelten Schnitte auf meiner Haut nicht, die vorüberfliegende Pfeile und die Spitzen der Schwerter in Gesicht und an den Armen hinterließen, denn für mich gab es jetzt einzig und allein nur noch einen Gedanken: die Glocke erreichen und endlich diesen ganzen Irrsinn beenden, der mir mein ganzes kaputtes Leben klar vor Augen geführt hatte und mir so viel Leid zugefügt hatte. Überall um mich herum sanken Verwundete beider Seiten zu Boden, blut beschmutze die Erde unseres Reiches, unschuldiges Blut... Tränen stiegen in meine Augen, siedend heiß berührten sie meine Haut. Es war schwer sich unbemerkt durch das Gedränge der Kämpfenden zu zwängen. Die einstig von einem Bischof gesegnete Glocke prangte unangerührt wie ein Mahnmal über den Köpfen aller Anwesenden. Sie war riesengroß, ich hatte sie vorher erst einmal als kleines Mädchen gesehen. Majestätisches Gold schimmerte im letzten Glanz der Sonne, mochte dies der Untergang des Reiches sein? Lange dauerte es, bis ich und Leon den Platz unbeschadet überquert hatten und am Fuße des Schlosses endlich die rettende Glocke fanden. Alte Inschriften waren ins Gold der Glocke geschrieben worden, Friedenssprüche, die meine Vorfahren eigenhändig hineingeritzt hatten, so wie auch ich es tun werde, wenn ich mein Erbe als Kronprinzessin antreten werde. Ich stieg die drei Stufen des Podestes hinauf, schaute noch einmal auf die Tausenden von Menschen zurück, die für ihre Überzeugung ihr Leben gaben, schaute hinunter auf den Boden, wo blutüberströmte Leichen lagen und wo Verletzte im Blute des Feindes und des Verbündeten badeten, und ich sah zurück zu Leon, die im Hintergrund der Glocke stand und mir Mut zulächelte. Dann packte ich die goldene Kordel und stemmte mich mit meinem gesamten Gewicht nach hinten. Der helle Ton zeriss die Nacht. Irritierte Blicke wanderten zur Friedensglocke, doch Schwerter und Bögen blieben weiterhin kampfbereit in den Händen der Krieger. Ich atmete noch einmal tief ein, um mich zu beruhigen, und nahm dann die Mütze ab. Goldblondes Haar fiel mir über die Schultern, enttarnte mich als Prinzessin. Erschrockenes Raunen ging durch die Reihen der Kämpfer, die jetzt friedlich nebeneinander standen und keinen Unterschied zwischen Rebell, Bürger oder Soldat machten. Ganz allein mir galt nun die voll Aufmerksamkeit. „Vergiss den Kampf, braves Volk! Legt die Waffen nieder und hört mir zu, eurer Prinzessin!“ Leises Murmeln spekulierte über meinen Ausruf, dann legte der erste das Schwert nieder. Es war einer der Gardisten, der treue Romé. Nach seinem Vorbild legte die gesamte Garde ihre Waffen nieder, dann auch die ersten Rebellen. Zögernd legten auch die letzten die Schwerter auf den Boden, bis auf die vereinzelten Mitglieder des Ordens, die sich in der Masse versteckten. „Es tut mir Leid, dass ihr in den letzten Tagen soviel Leid erfahren musstet, doch auch mir erging es nicht anders... Ihr habt wahrscheinlich viel gehört, doch nur die Hälfte dürfte der Wahrheit entsprechen. Und genau diese werde ich euch jetzt erzählen, sofern ihr mir glaubt...“ Hoffnungsvoll blickte ich in vereinzelte Gesichter, viele schauten jetzt wieder voller Zuversicht zu mir hinauf, manche jedoch blieben noch skeptisch. Ich fuhr fort. „Wie ihr wahrscheinlich schon gehört habt, wurde unser Schiff auf dem Weg ins Inselreich überfallen, doch es waren keine simplen Kopfgeldjäger und schon gar nicht welche, die meine Eltern geschickt hatten. Es war der Kreuzsternorden, eine Rebellengruppe die euch allen bekannt sein sollte. Ihr eigentlicher Plan war es das Königshaus von innen heraus zu zerschlagen und selbst die Herrschaft zu übernehmen. Durch Lord Saylon bekamen sie die passenden Mittel um ihren Plan in die Tat um zu setzten, und das einzige, was er wollte, war mein Leben. Doch ich konnte fliehen und kam zurück ins Reich der Mitte, um das alles hier zu verhindern. Als dann jedoch ihr Trumpf, meine Doppelgängerin, aufflog, änderten sie ihren Plan und wollten mit Hilfe eurer Kraft an ihr Ziel gelangen, um dann doch noch das gesamte Reich zu unterwerfen. Ahnungslos wie ihr wart habt ihr keine Schuld am Geschehenen, doch ich bitte euch inständig diesen sinnlosen Kampf für immer zu beenden. Auf meiner Flucht habe ich viel gesehen, besonders, wie es hier draußen wirklich aussieht. Die letzten Jahre waren sicher schwer, und es tut mir Leid, dass ich mich in dieser Zeit nicht sehr großzügig gezeigt habe und mich in meiner Traumwelt versteckte. Ich weiß nun wie ihr wirklich lebt und auch wie die Situation im Abendrotland aussieht. Es war ja bislang ein großes Geheimnis, wie es in Saylons reich zugeht, doch ich habe jetzt gesehen, dass sein Reich eine einzige Räuberspelunke ist, in der die einzigen ehrlichen Leute die versklavten Bauern sind, die für geringen Lohn das gesamte schmutzige Pack versorgen. Ich möchte nicht, dass es meinem geliebten Reich genauso ergeht, dass ihr noch weiteres Leid erfahren müsst und in der Verwahrlosung zu Grunde geht. Deswegen bitte ich euch mit dem Kämpfe aufzuhören und dem, was Ilean sagt, nicht mehr zu vertrauen. Denn Ilean ist ebenfalls ein Kreuzritter, er ist der Anführer der ganzen Räuberbande...“ Ein Schuss zerschnitt das einheitliche Schweigen. Das große Portal des Palastes hatte sich geöffnet. „Man sollte wissen, wann man genug gesagt hat, Prinzessin!“ Bedrohlich schallte die ruhige Stimme Ileans über den Platz. Er, und abertausend Vasallen des Kreuzsternordens traten aus dem Schloss, doch mein Blick fesselten vielmehr die zwei Personen, die von ihnen hinausgezerrt wurden. Mit vor Entsetzen aufgerissenen Augen starrte ich auf den Mann und die Frau, die wie vom Leid gequält, in tiefster Seele zerrissen zwischen den Räubern standen. „Mama! Papa!“ schrie ich den beiden Trauergestalten verzweifelt zu. Die Hände auf den Rücken gefesselt und mit dreckigen, zerrissenen Kleidern, wurden sie von den Kreuzrittern gedemütigt. Scharfe Klingen lagen drohend an ihren Halsschlagadern. Meine Eltern schauten verwirrt auf, doch gewaltsam wurden die Köpfe wieder nach unten gedrückt. Meine Mutter schrie meinen Namen und versuchte gegen den harten Griff des Mannes anzukämpfen, der sie festhielt. Mein Vater versuchte sich loszureißen und trat nach hinten aus um das Schienenbein des Mannes hinter ihm zu treffen. Plötzliche Hoffnung schien meine Eltern jetzt wieder erfüllt zu haben. Sie mussten wohl geglaubt haben ich wäre tot, und jetzt stand ich vor ihn, lebendig. Ich wollte auf sie zurennen und ihnen helfen, sie in die Arme nehmen und ihnen zeigen, wie sehr ich sie vermisst hatte, dass ich noch lebte und das es mir gut ging. Einfach, dass ich auch noch da bin, aber ich konnte nicht, denn jemand legte von hinten seinen Arm um meine Brust und zog mich zu sich heran. „Lass mich los“ schrie ich Leon an und zerrte an seinem Arm, der sich fest um meinen Brustkorb schloss. „Ich will zu meinen Eltern.“ Geschockt beobachten alle das Szenario, hin und hergerissen zwischen der Entscheidung, was zu tun war. Würde das Volk angreifen, würde man das Königspaar töten, würden wir warten, wären wir wahrscheinlich die Menschen, die durch die Waffen niedergestreckt wurden. Immer noch hielt Leon seinen Arm um mich, und flüsterte mir etwas ins Ohr, sodass nur ich allein hören konnte, was er sagte: „Wenn du jetzt zu ihnen herüber rennst, werden sie dich auch gefangen nehmen!“ „Dann muss ich mich eben wehren“ zischte ich ihn an, schüttelte seinen Arm dann doch noch ab und riss meinen Bogen hoch und zielte mit dem spitzen Pfeil in Ileans Richtung. Ich wusste nicht wie, aber Leon überwältigte mich von hinten, der Pfeil fiel auf den Boden und die Sehne sprang zurück. Er zog mich nach hinten, hatte dabei aber einige Not mich zu bändigen. „Denk an dein Versprechen!“ mahnte er mich. „Ich will nicht mit ansehen müssen, wie du zur Mörderin wirst.“ „Lass mich... ich muss ihnen helfen!“ murmelte ich hoffnungslos und kämpfte nur noch halbherzig gegen Leon an. „Taira!“ rief nun wieder meine Mutter. „Rette dich, du kannst uns nicht mehr helfen! Gib auf und rette di...“ Ilean stand jetzt neben ihr, er hatte seine Pistole an ihre Schläfe gepresst und abgedrückt. Die Königin sank langsam zu Boden. Ich hörte nur noch, wie mein Vater ihren Namen rief, dann noch ein Schuss die Stille durchbrach und auch mein Vater blutüberströmt auf dem Boden lag. Alles um mich herum schien jetzt nur noch in Zeitlupe zu passieren, jedes einzelne Detail ging an mir vorbei, egal, wie langsam die Szene mir vor Augen ablief. Realisieren tat ich erst langsam, dann schrie. Laut, immer wieder die Namen meiner Eltern. Es konnte nicht war sein, es durfte nicht wahr sein. Dumpf drang Ileans Stimme an mein Ohr. „Ich habe sie von ihrem Leiden erlöst.“ Tränen strömten über meine Wangen. Verstört sank ich auf den Boden, konnte einerseits nicht fassen, was passiert war, andererseits wusste ich aber auch, dass ich nichts mehr für meine Eltern tun konnte. Sie waren tot. Dann flog der erste Pfeil. Es war Leon, der meinen Bogen gegriffen hatte und Ileans Herz durchbohrte. Beflügelt von Hass und Wut, stürmten die Mittelländer auf den Orden zu, schlugen wild mit den Waffen um sich, um ihren König und ihre Königin zu rächen. Ilean lag nun ebenfalls auf dem Boden. Das hatte Leon also gemeint. Deswegen würde er bald gesucht werden. Er hatte Ilean ermordet, er hatte den Orden seines Anführers beraubt. Deswegen konnte er nicht bei mir bleiben, er war selbst zum Mörder geworden. Er hatte sich für mich geopfert und mich dieser schweren Bürde entledigt. Leon hatte von Anfang an gewusst, was passieren würde. Er hatte gewusst, dass es so ausgehen würde, hatte es verschwiegen um mir Mut zu machen. Bitter weinte ich vor mich hin, während der Orden in die Knie gezwungen wurde. Jedes einzelne Mitglied bekam, was es verdiente, jeder einzelne fuhr in die Hölle. Nur ich starrt auf den Boden, konnte nicht begreifen, was passiert war. Die Tränen brannten auf meiner Haut, doch ich konnte nichts gegen diesen Schmerz machen. Hoffnungslosigkeit ergriff mich abermals. Warum hatte allein ich so ein Pech? Warum wurde ich allem beraubt, was ich liebte? Warum? Der Orden hatte alles verloren. Einen Großteil seiner Männer, seinen Kampf, seinen Anführer, alles... Nur wenige Hundert hatten die Lage vorher erkannt und waren unter Komur Braunbarts und Arashis Kommando geflohen. Der Orden war stark verletzt worden, doch die Wunden würden heilen. Für wenige Stunden war Leon noch sicher, doch schon bald würden sie ihn Suchen um Rache zu üben, für all das, was sie verloren hatten. Ein See aus Blut und Leichen übersäte den Vorplatz des riesigen Palastes. Die Leichen wurden von den Kämpfern weggetragen. Leon und Taira standen auf der obersten Portalstufe, Taira an Leons Schulter gelehnt und herzzerreißend schluchzend, Leon mit finsterem, bedauerndem Blick, stierte vor sich hin. Er hatte seine Arme um die junge Prinzessin gelegt, als schwachen Trost für all das Leid, das sie ertragen musste. Bald schon musste er gehen, und würde sie allein lassen. Allein mit all ihrem Kummer. Er wollte nicht, aber er musste. Egal, wie schwer es ihm fiel. Aber ihm war es allemal lieber sie kaputt und voller Leid zu sehen, statt blutüberströmt ermordet durch eine winzige Kugel. Bevor er ging musste er noch etwas erledigen. Schauen, dass sie sicher war. „Halt dich fest“ flüsterte er ihr zu. Sie schlang ihre schlanken Arme um seinen Hals, dann hob er sie hoch und trug sie durch das Portal. „Wo ist dein Zimmer?“ fragte er. Kraftlos wisperte sie es ihm zu, mit stockender, belegter Stimme. Er musste mit ihr reden, bevor er sie verließ. Behutsam setzte Leon sie auf dem weichen Bett ab. Zitternd zog Taira die Beine vor die Brust. Fürsorglich legte er ihr die Decke um ihre Schultern. „Wie fühlst du dich?“ „Schrecklich“ murmelte die Prinzessin. Mit geschwollenen Augen starrte sie nieder auf den Boden, immer wieder rann eine einzelne Träne über die gerötete Haut. „Tai, hör mir zu. Ich kann nicht mehr lange bleiben.“ Schüchtern setzte er sich neben sie auf die Bettkante. Sanft schlang sie ihre Arme um seine Brust. „Ich will aber nicht, dass du gehst“ sagte sie matt. „Das hatten wir doch schon einmal...“ „Tut mir Leid...“ Sie ließ ihn los und setzte sich nun nah neben ihn, eingekuschelt in das warme Daunenbett. „Saylon wird immer noch versuchen Vergeltung zu üben...“ murmelte Leon traurig. Taira nickte nur stumm. „Du musst gemeinsam mit den anderen Königreichen so schnell es geht versuchen gegen das Abendrotland vorzugehen. Ich weiß, dass du es schaffen kannst, Saylon zu stoppen...“ „Eigentlich will ich es gar nicht schaffen... Lieber wäre mir, wenn endlich alles vorbei wäre... Obwohl... wenn ich nichts tue werde ich dich nie wiedersehen, hab ich recht?“ Stumm nickte er und wich ihren traurigen Blicken aus. Er konnte es nicht sehen, wenn sie ihn so anschaute. „Ich werde kämpfen...“ murmelte Taira. „Damit du zu mir zurückkommen kannst.“ Ein stolzes Lächeln stahl sich auf Leons Lippen. „Warum hast du mir nicht gesagt, dass du wusstest, wie das hier alles ausgeht? Warum hast du mir nicht gesagt, was du vorhast?“ Ertappt schaute der Braunhaarige aus dem Fenster. „Ich konnte es dir nicht sagen. Ich wollte nicht, dass du mich davon abhältst...“ „Wovon? Ein Mörder zu werden?“ Sie ließ es nicht so wie ein Vorwurf klingen, eher wie eine Sorge. „Du kennst meine Vergangenheit nicht, und glaubst trotzdem daran, dass ich vorher nie gemordet hätte?“ „Das sage ich auch gar nicht, du hast vielleicht schon mal gemordet... Aber der Leon, den ich kenne, ist ein anderer... Du hast noch nicht gemordet, nur der Räuber, der in dir schlummert...“ „Woher willst du wissen, wer ich wirklich bin?“ „Mein Herz sagte mir, dass ich dir vertrauen kann... Und deswegen werde ich das auch tun. Geh ruhig, ich weiß, dass du zurückkommst, denn dein Herz sagt dir das Gleiche wie das meine... Ich werde dich mit Sehnsucht erwarten.“ „Ich komme zurück, versprochen...“ Er stand auf, und wollte über den Balkon hinaus verschwinden. Doch Taira hielt ihn zurück. „Komm bald wieder...“ Sie wollte ihm einen Kuss auf die Wange hauchen, doch Leon hielt seinen Handrücken vor ihre Lippen. Fragend schaute sie Leon mit ihren strahlendblauen Augen an. „Du musst mir auch etwas versprechen... Wenn ich wieder komme, schenkst du mir einen echten Kuss. So kannst du ganz sicher sein, dass ich wirklich wiederkomme...“ Taira schenkte ihm eines ihrer schönsten Lächeln. „Versprochen...“ Dann drehte er sich um und öffnete die gläserne Balkontür. Er warf einen letzten Blick zurück zu Taira, dann kletterte er über das Geländer hinaus in den Schlossgarten. „Pass auf dich auf“ flüsterte sie. Kapitel 7: Schmerzlicher Abschied --------------------------------- Wolkenverhangen war der Himmel von einem grauen Schleier bedeckt. Vereinzelt traten noch die letzten Sonnenstrahlen des Tages durch die Wolkendecke. Träge Wellen schleppten sich an den Strand, schwappten über den Sand und ließen Muscheln zurück. Eine schwarze Menschenmasse suchte ihren Weg hinunter ans Meer, trauernde Menschen, die das verstorbene Königspaar auf ihrem letzten Weg begleiteten. Als Asche verstreut über den gesamten Ozean, so hätten Tairas Eltern sich ihre Beerdigung vorgestellt. Ein ewiges Leben als Teil des geliebten Meers. Die beiden Urnen aus teurem mit Gold und Edelsteinen verziertem Porzellan standen auf einer Art Tablett und wurden von zwei Männern getragen. Taira war die Erste, die voranging. Tränen schimmerten in ihren Augen. Der Abschied von ihren Eltern fiel ihr schwer, ihr Herz fühlte sich an, als wäre es aus Stein. Doch das schlimmste für Taira war es, dass niemand da war, der sie hätte trösten können. Niemand würde ihren Schmerz so verstehen, wie jemand den sie liebte. Ihre Eltern waren tot, und Leon war auf der Flucht, um sie zu schützen. Einerseits hasste sie ihn dafür, dass er jetzt nicht hier war, doch wirklich hassen konnte sie ihn nicht. Vielmehr liebte sie ihn dafür, dass er seine Sehnsucht in den Schatten stellte und sich von ihr fernhielt, um sie in Sicherheit zu wiegen und den Kreuzsternorden von ihr fern zu halten. Es war schwer für Taira zu begreifen, was sie momentan fühlte. Trauer, Hass, Sehnsucht und auch Liebe. Irgendwo zwischen all den verrückten Dingen, die sich abgespielt hatten, den Kämpfen, den schönen Momenten mit Leon und auch den schlechten, irgendwo dazwischen hatte sie sich in ihn verliebt. Eine bittere Liebe, die von schrecklichem geprägt war. Sie hatten jetzt den Strand überquert und die ersten Wellen durchnässten schon den Saum von Tairas Kleid. Leiser Chorgesang vermischte sich mit dem Rauschen der Wellen. Tränen rannen den ersten schon über die Wangen, so wie Taira jetzt auch. Mit verschwommenem Blick nahm sie war, dass die Bürger nun die Augen geschlossen hatten und mit von Trauer verzerrtem Blick beteten. Taira hingegen nahm die erste Urne und streute die staubige Asche in den seichten Meereswind. Jedes einzelne Korn stand für einen schönen Moment, eine Erinnerung mit ihren Eltern. Ihre Überreste flogen nun hinaus auf den Ozean, tänzelten über die Brisen und sahen nun die ganze Welt. Vielleicht, dachte Taira, vielleicht kommen sie irgendwann auch wieder zu mir zurück. Dann streute sie die letzten Reste aus der zweiten Urne in den Wind, sagte auf Wiedersehen, schloss die Augen und wünschte ihnen Frieden. Sie starrte noch lange hinaus aufs Meer, dachte über all das nach, was sie ihren Eltern nie hatte sagen können, und bemerkte nun, dass durch die Sonne, die nun im Meer versank, ihre Eltern auf ewig diese Welt verlassen würden. Von nun an würde die junge Prinzessin regieren, Königin Taira. Die Krönung sollte direkt nach der Beerdigung abgehalten werden. Taira hatte gewollte, dass dies im Dorf passierte, nicht am Schloss. Sie wollte dort sein, wo sie sich am Meisten mit ihren Eltern verbunden fühlte, und das war schon immer am Brunnen gewesen, auf dem kleinen Dorfplatz mit den efeubewachsenen Mauern. Die Menschenmasse bewegte sich jetzt langsam zum Krönungsort, mit geröteten Augen aus Tränen der Trauer. Ratsmitglieder hatten den Platz schon am Morgen herrichten lassen, so wie sie auch die Friedensglocke hinunterbringen hatten lassen, in die Taira nun ihren ganz persönlichen Friedensspruch gravieren würde. Sie hatte lange überlegt, was für sie Frieden bedeutete, doch letztendlich war ihr doch noch eingefallen, was für sie allein Frieden war. Mit schweren Schritten stapfte Taira jetzt hinter der Masse her durch den Sand. Staubig wirbelte er unter den Füßen der vielen Leute auf. Immer noch hatte Taira einen Kloß im Hals, aus Trauer, aber jetzt auch, weil sie aufgeregt war. Sie wollte nicht Königin sein, sie hatte es noch nie gewollt, doch Taira wusste, dass es der letzte Wunsch ihrer Eltern gewesen war Taira als gütige Königin auf dem Thron vom Mittelland zu sehen und sie als Stolz des Familienerbes betrachten zu können Schon immer hatte Taira so wie alle anderen sein wollen, doch ihre Eltern hatten sie immer als etwas besonderes behandelt, nicht wie ihre Tochter, sondern eher wie eine zerbrechliche Porzellanpuppe. Tairas Eltern hatten immer gedacht, sie hätten ihrer Tochter alles gegeben, was sie sich gewünscht hatte, doch das einzige, was diese je gewollt hatte waren Respekt und Liebe ihrer Eltern. Die Blonde spürte nun wieder das Kopfsteinpflaster unter ihren Füßen. Sie hatten den Platz erreicht und vor ihr erstrahlte die Friedensglocke in ihrem majestätischen Glanze. Das Kirchenoberhaupt des Landes, ein alter Mann mit langen weißen Haaren und schlohweißem Bart, stand schon ihn seinem Zeremoniengewand neben der prachtvollen goldenen Glocke. Taira trat neben ihn, nahm den kleinen Meißel in die Hand und begann in ihrer schnörkeligen Schrift zu schreiben. Als sie fertig war, segnete der Bischof sie mit einem langen Gebet, bei dem er die ganze Zeit ihre Hand in seinen kalten, faltigen Händen hielt. Dann öffnete er eine Schatulle, in der die schwere, goldene Krone lag, die mit Verzierungen aus Platin geschmückt war, ebenso wie mit purpurnen Rubinen. Feierlich setzte er ihr die Krone auf das blonde Haupt, sprach ihren Krönungsspruch und zeichnete ihr mit Asche ein Kreuz auf die Stirn. Frieden bedeutet, das niemand mehr Leid ertragen muss, egal wer es ist. Das hatte Taira in die Glocke graviert. Doch für sie gab es lange noch keinen Frieden, denn solange die Menschen in Saylons Reich noch litten war auch kein Frieden, genauso wenig, wie wenn sie von Leon getrennt war, denn jede Minute ohne ihn war mit Leid erfüllt, und solange er nicht zu ihr zurückkehrte war ihr Leiden unendlich. Epilog: Das Schloss am Meer --------------------------- Ein Jahr war nun vergangen... Gedankenverloren starrte ich von meinem Balkon aus hinüber zum Meer. Ich hatte mich nicht viel verändert, die Haare waren ein bisschen länger, und ich war ein kleines Stück gewachsen. Eine feine, weiße Narbe zog sich jetzt über meine Wange, ein Überbleibsel des Krieges, genauso wie die Leere, die stetig in meinem Herzen zu wachsen schien. Nach Leons Flucht hatte ich mich mit ganzem Herzen dafür gewidmet, dass endlich Frieden zwischen den Reichen herrschte, und letztendlich hatte ich es gemeinsam mit allen anderen Königreichen geschafft das Abendrotland zu befreien. Nun wollte ich nur noch dem Reich helfen, sich wieder in das Weltgeschehen zu integrieren und natürlich die vereinzelten Kreuzritter fassen um ihnen, dass zu geben, was sie verdient hatten. Als ich die königliche Armee zur Tropeninsel geschickt hatte, unter der das geheime Versteck des Ordens gewesen war, hatte man nur noch die Frauen und Kinder dort gefunden. Der Orden hatte sie kläglich im Stich gelassen. Ich hatte eine Truppe auf die Mitglieder des Ordens ansetzten lassen, die fortan nach den Schurken suchen sollten, um den Kreuzsternorden endgültig zu zerschlagen, doch jede Spur hatte uns bis jetzt ins nichts geführt. Ich lächelte. Leon wäre sicher stolz gewesen, wüsste er, was ich alles erreicht hatte. Ich war mir nicht sicher, ob er mitbekam, was in letzter Zeit alles passiert war, genauso wenig, wie ich wusste, wo er war. Er würde mich für verrückt halten, wenn er wüsste, was ich alles anstellte, nur um ihn wiederzusehen. Eine Windbrise zog vom Meer herüber. Ich fröstelte. Mit einem Seufzer stieß ich mich vom Geländer ab und ging wieder hinein. Vorsichtig schloss ich die Glastür und trat herüber zur Kommode. Heute Abend fand ein Maskenball statt, um zu feiern, dass endlich alle Reiche vereinigt waren. Viele Leute würden kommen, die Könige der Reiche, so wie auch die tapferen Menschen, die mich bei meinem Vorhaben unterstützt hatten. Laute Schritte hallten auf einmal auf dem Flur vor der Tür wieder, dann klopfte jemand hektisch gegen meine Tür. Nach meinem „Herein“-Ruf öffnete sie sich, und ein aufgeregter Soldat trat ein, der sich sogleich verbeugte und anfing zu erzählen: „Wir haben sie gefunden, Mylady!“ sagte er freudestrahlend und wirkte stolz. „Wen?“ fragte ich irritiert und trat herüber zu ihm. „Den Kreuzsternorden! Alle Mitglieder sind tot, wir haben sie alle in einem Lager nahe der Katagara-Wasserfälle gefunden.“ Auf einmal wurde mein Herz leicht, langsam realisierte ich den Ausmaß dieser Information. Den Orden gab es nicht mehr, das hieß, Leon würde endlich zurückkehren! Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen. „Als wir ankamen, lagen bereits alle Kreuzritter tot vor unseren Füßen, die einzige Person, die noch aufrecht dort stand, war ein junger Mann mit schwarzem Kapuzenmantel, der ein blutverschmiertes Schwert in den Händen hielt. Wir vermuten, dass er für den Tod der Ordensmitglieder verantwortlich ist...“ Ein junger Mann im schwarzem Kapuzenmantel? Vor Aufregung wurde mir plötzlich ganz heiß... Das musste Leon gewesen sein! Nach langer Zeit war meine Freude nun so groß, dass ich mein Glück gar nicht fassen konnte. Am liebsten wäre ich dem Soldaten um den Hals gefallen! „Danke, dass Sie mir so eine wundervolle Nachricht bringen!“ strahlte ich überglücklich. Überrumpelt fing der Soldat an zu stammeln. „Aber der Maskierte ist geflohen, was ist, wenn er ein neuer Attentäter ist, oder einer unserer Feinde?“ „Das ist er nicht“ lachte ich. „Er ist ein guter Freund.“ Als ich Spätnachmittags nach dem Baden wieder in mein Zimmer kam, war die Balkontür weit geöffnet und der Vorhang flatterte im Meereswind. Verwirrt ging ich nach draußen und schaute mich um, entdeckte aber nichts, dann ging ich wieder rein und schloss die Tür. Mein Blick fiel auf die Kommode neben dem Fenster. Eine rote Rose lag auf ihr und ich war mir ganz sicher, dass sie vorhin noch nicht dort gelegen hatte. Vorsichtig nahm ich sie in die Hand und merkte sogleich, wie mir der sanfte Duft der Rose in die Nase stieg. Sanft schmunzelte ich. Ich konnte mir schon ganz genau vorstellen, von wem die war... Langsamenschrittes schwebte Taira die lange geschwungene Treppe hinunter in den prachtvoll geschmückten Saal. Ehrfürchtig verfolgten sie die Blicke der Gäste. Mit stolzem Lächeln begrüßte die Prinzessin sie, verkleidet als Waldelfe, mit flatterndem, blassgrünem Kleid, kunstvoll hochgesteckten Haaren und riesigen, rosa glänzenden Flügeln. Eine rote Rose hatte sie in ihre Haare eingeflochten. Nach einer kurzen Willkommensrede, erklang die Musik von neuem und die Leute fingen an zu tanzen und zu feiern. Nur Taira stand betrübt am Rand, schaute sich hoffnungsvoll um, sah ihn aber nirgendwo. Enttäuscht wäre sie am Liebsten wieder in ihrem Zimmer verschwunden, jedoch wäre dies ihren Gästen gegenüber unhöflich gewesen. In Gedanken versunken setzte sie sich an einen Tisch. Eine tiefe, merkwürdig klingende Männerstimme riss sie aus ihren Gedanken. „Darf ich um diesen Tanz bitten?“ Ein vollkommen schwarz gekleideter Mann trat nun vor sie. Er trug eine schwarze Hose, genauso wie ein schwarzes Hemd und einen langen Umhang. Eine schwarze Maske verdeckte die Augenpartien, genauso wie seine Nase und ein Teil seiner rechten Wange. Er hielt eine rote Rose in der Hand, die ein Stück unter dem schwarzen Mantelstoff herlugte, genauso wie ein eisernes Schwert. Schwach nickte sie und sogleich wurde sie von dem Unbekanntem vom Stuhl hoch gezogen und sanft auf die Tanzfläche gezerrt. Der Fremde zog einen Duft hinter sich her, der Taira irgendwie bekannt vorkam. Sowieso kam der Blonden vieles an diesem jungen Mann bekannt vor, sie wusste bloß nicht genau was. Er kam ihr nur irgendwie vertraut vor. Dann zog er die Prinzessin nah an sich heran und legte vorsichtig seine Hand auf ihre Hüfte. In langsamem Walzer tanzten sie zur leisen Musik. „Eine sternenklare Nacht heute“ sagte er in seiner tiefen Stimme, die eigenartig verstellt wirkte, und er deutete hoch zur Glaskuppel des Saals, durch die man die funkelnden Sterne und den Mond sehen konnte. Wieder kam er ihr vor, wie jemand, den sie kannte. Wie er mit ihr umging, mit ihr sprach, das alles kam ihr so bekannt vor. Und plötzlich ging Taira ein Licht auf. Ein verliebtes Lächeln erhellte ihr Gesicht. „Einzigartig“ schwärmte Taira und rückte ein Stück näher an den Schwarzen heran, als ein ruhigeres Lied anfing zu erklingen. Nachdem die letzte Note des Liedes gespielt war, führte Taira den Unbekannten von der Tanzfläche, weg von den ganzen Menschen. In einem unbeachteten Augenblick zog Taira ihren Begleiter hinter einen der meterhohen Vorhänge der Fenster. Sanft drückte sie ihn gegen die Wand, schob die schwarze Maske hoch und küsste ihn. Nach einer Weile, die Taira wie eine nie endende Ewigkeit der Unbeschwertheit vorkam, lösten sich ihre Lippen langsam wieder und sie schaute direkt in die wunderschönen dunklen Augen Leons. Verträumt verlor sie sich in seinen Augen, in dem dunklen Braun, das sie so lange nicht mehr gesehen hatte. Ein sanftes Lächeln zog sich über Leons Lippen, dann schloss er seine Taira in die Arme und drückte sie zärtlich an sich. „Du hast dein Versprechen gehalten“ wisperte er in ihr Ohr, jetzt wieder mit seiner normalen Stimme. „Du hast deines ja auch gehalten“ erwiderte Taira überglücklich und schlang ihre Arme nun um seinen Nacken. Stolz schaute Leon auf seine Taira hinunter. „Du bist noch hübscher geworden!“ „Ich bin so froh, dass du endlich wieder da bist“ murmelte Taira mit Tränen in den Augen und kuschelte sich an seine Brust. „Können wir irgendwo hingehen, wo wir allein sind?“ Sie nickte leicht, löste sich aus seiner Umarmung und zog ihn an der Hand hinter sich her. In Tairas Gemach legte er zuerst seinen Mantel ab. „Ich habe meine Vergangenheit endlich besiegt“ flüsterte er und zog nun auch sein Hemd aus. Dann deutete er auf seine Schulter. Das Symbol der Kreuzritter war auf sie tätowiert. „Das ist die letzte Erinnerung an mein Leben als Kreuzritter.“ Wieder legte Taira ihre Arme um Leons Nacken und schaute ihm zärtlich in die schokobraunen Augen. „Egal was in deiner Vergangenheit auch passieren sein mag, mir ist es egal. Ich liebe dich so wie du bist...“ Sie hauchte ihm einen zarten Kuss auf die Lippen. „Nie wieder lasse ich dich alleine, nie wieder gehe ich fort“ flüsterte er atemlos. „Nie wieder wird uns jemand trennen können...“ Unbewusst ließen sich beide auf der weichen Matratze nieder.„Ich liebe dich auf ewig“ hauchte er ihr zu, beugte sich über ihr Gesicht, bis sich ihre Lippen zu einem sanften Kuss vereinten... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)