The Curse von AlastairBlackwell ================================================================================ Kapitel 10: In der Nacht ------------------------ Miranda wurde mit einem Schlag kreidebleich. „Wie... wie kann...?!“, stammelte sie, sich nun bloß noch fester an Shawna klammernd. Diese verstand natürlich sofort, was in der Jüngeren vor sich ging. Sie war fest überzeugt gewesen, dass Professor Blackwell sie angegriffen hatte, und Shawna selbst glaubte mittlerweile ebenfalls, dass dies das Ziel der Aufgabe gewesen wäre, doch anhand dieser Reaktion war die Möglichkeit gänzlich undenkbar. Noch dazu war er aus einer völlig anderen Richtung gekommen. Ohne zu apparieren hätte er das niemals schaffen können, und mittlerweile wusste wohl jeder in diesem Jahrgang, dass das Apparieren auf dem Schulgelände nicht möglich war. „Es... ist alles in Ordnung“, begann die Schwarzhaarige einen Augenblick später, „Wir wurden angegriffen, aber es ist nichts passiert. Ich hab ihn entwaffnet.“ Man konnte nicht leugnen, dass auf dem Gesicht des Professors ein leichtes Grinsen erschien, während er nun neben den Mädchen in die Hocke ging. Dieses verschwand jedoch so schnell wieder, wie es gekommen war. „Erzählen Sie mir bitte genau, was passiert ist!“, befahl er in einem weniger strengen Ton als sonst, und Shawna hielt sich daran. Sie erklärte ihm in allen Einzelheiten, was in den letzten Minuten geschehen war, und wie sie es nicht anders erwartet hätte, wusste der Mann sofort, was er zu tun hatte. „Sie zwei rühren sich nicht von der Stelle. Miss Mallory, Sie haben gesagt, der Angreifer ist Hals über Kopf weggelaufen, das heißt, er wird seinen Zauberstab hier irgendwo verloren haben. Den suche ich jetzt, vielleicht wird das für Aufschluss sorgen. Es könnte immerhin sein, dass dieser Fremde jemand von dieser Schule war, und wenn das so ist, werde ich es herausfinden!“ Dieser Gedanke durchschoss Shawna wie ein elektrischer Schlag. Bisher hatte sie überhaupt nicht an diese Möglichkeit gedacht, nicht mehr seit sie Blackwell als Täter abgehakt hatte, doch jetzt, wo es ausgesprochen war, setzte es sich in ihrem Kopf fest. Es war möglich. Auch wenn sie sich noch nicht im Klaren war, wer es hätte sein können, war es doch möglich, dass es jemand aus der Schule gewesen war. Es dauerte nicht besonders lange, bis Blackwell schließlich tatsächlich einen Zauberstab aus dem Gebüsch zog und mit diesem zurückkehrte. „Wir brechen die Aufgabe ab. Bleiben Sie hier und rühren Sie sich nicht, ich werde jetzt die anderen Gruppen einsammeln und zum Schloss schicken, danach bin ich sofort wieder bei Ihnen. Verstanden? Keine Bewegung!“ Kaum hatte er ausgesprochen, zog er die schwarze Kapuze wieder über und lief los, tiefer in den Wald hinein oder näher zum Ausgang, keines der beiden Mädchen wusste es, doch nach einer Weile verschluckte die Dunkelheit schließlich auch das kleine Licht an seinem Zauberstab. „Ist der Mann völlig übergeschnappt...? Wie kann er uns hier allein lassen?!“, hauchte Miranda noch immer ziemlich ängstlich, „Was wenn der Kerl zurückkommt?“ „Beruhig dich, selbst wenn er zurückkommt, hat er keinen Zauberstab bei sich. Er kann uns nichts tun. Hey, und der Professor ist doch gleich zurück, er beeilt sich bestimmt!“, versuchte die Ältere, sie zu beruhigen. Ihre Angst war beinahe verflogen, wie sie einen Augenblick später bemerkte. Zwar hatte er noch immer eine unheimliche Ausstrahlung und noch immer spürte sie eine merkwürdige Kälte, wenn er in der Nähe war, doch irgendwie hatte sie sich eben unheimlich sicher gefühlt, als er gekommen war um nach ihnen zu sehen. Und tatsächlich sollten die beiden nicht lange warten. Keine von ihnen fragte nach, wie es dem Professor gelungen war, dieses ganze Waldstück in zehn Minuten zu durchkämmen und sämtliche Schüler einzusammeln, doch schon nach dieser kurzen Zeit erschien er wieder bei ihnen und bedeutete ihnen, aufzustehen und ihm zu folgen, den eigenen Zauberstab noch immer erhoben. Der Regen hatte inzwischen etwas nachgelassen, doch die Kleidung der Schwarzhaarigen war völlig durchnässt. Sie fror, doch sie wollte es sich nicht anmerken lassen. Miranda ging es immerhin noch um einiges schlechter als ihr, vielleicht nicht körperlich, doch man sah ihr an, dass ihr der Schreck noch immer in den Gliedern saß. „Ihr müsst jetzt wirklich gut überlegen. Hat eine von euch irgendwelche Feinde? Gibt es irgendjemanden, der einen Grund hätte, euch anzugreifen?“, durchdrang die Stimme des Professors schließlich die Stille. Das war eine gute Frage. Eigentlich hatten sie keine Feinde, jedenfalls nicht, soweit es Shawna im Moment einfiel. Sicherlich gab es eine Menge Leute, mit denen sie sich nicht gerade gut verstanden, doch wäre sie nicht so weit gegangen, diese als Feinde zu bezeichnen. „Nein, Professor, bitte verzeihen Sie... Im Augenblick fällt mir wirklich niemand ein“, entgegnete das Mädchen nachdenklich, „aber ich werde weiter nachdenken, vielleicht gibt es ja doch jemanden.“ „Shawna! Miranda!“, war Anthonys Stimme bereits von Weitem zu hören, als die beiden Mädchen und der Professor den Wald wieder verließen, und auch Felicity kam auf die zwei zugestürzt, ihre Schwester sofort eng an sich drückend. „Miranda, oh Gott, geht es dir gut? Ich hab dich schreien gehört, wir... wir waren in der Nähe, aber der Professor meinte, wir sollten uns nicht vom Fleck bewegen! Was ist denn nur passiert?!“ „Hey! Farrington, Barker, habe ich Ihnen nicht gesagt, Sie sollen in Ihr Haus verschwinden? Los jetzt, Sie alle, ab ins Schloss mit Ihnen!“ Diesmal gehorchten die drei dem Lehrer und liefen so gut es ging zurück zum Schloss, um ihren Gemeinschaftsraum aufzusuchen, doch Shawna blieb noch zurück, denn jetzt gerade war ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken gelaufen. Einen Moment lang starrte sie mit leichtem Entsetzen auf dem Gesicht Anthony hinterher, ehe sich Blackwell schließlich noch einmal an sie wandte. „Miss Mallory, für Sie gilt dasselbe! Muss ich Ihnen erst Hauspunkte abziehen?“, herrschte er sie an, doch trotzdem blieb sie auf der Stelle stehen. „Nein... Ich hatte nur gerade einen Gedanken...“ Mit ernstem Blick schaute sie zu ihm auf, ehe nur ein Name über ihre Lippen kam. „Victor Farrington!“ Blackwell zog eine Augenbraue hinauf. „Victor Farrington aus dem fünften Jahrgang? Was ist mit ihm?“ Shawna kratzte sich leicht am Kopf. Sie wusste nicht, ob sie diesen Verdacht wirklich äußern sollte, immerhin war er doch sehr hart. Aber was sollte schon passieren, dachte sie sich schließlich, Blackwell würde schon verstehen, dass sie sich nicht sicher war. Sie schaute ihm also wieder in die Augen und fuhr fort. „Victor Farrington könnte sowas wie ein Feind von uns sein. Ich bin mir jetzt natürlich nicht sicher, aber er käme vielleicht infrage. Ich weiß, dass er vor ein paar Tagen noch einen heftigen Streit mit Anthony hatte. Adrienna Farrington, also, die Mutter der beiden, hat eine ziemliche Abneigung gegen Miranda, Felicity und mich, angeblich weil wir Blutsverräter sind oder so. Und Anthony meinte, dass Victor schon immer genauso gedacht hat wie seine Mutter. Er wäre jetzt spontan der einzige, der mir einfallen würde, der etwas gegen uns hat.“ „Ich verstehe“, entgegnete Blackwell, „Ich werde den Jungen ein wenig im Auge behalten. Und jetzt machen Sie, dass Sie in Ihren Schlafsaal kommen, es ist schon spät.“ Darauf hatte Shawna nichts mehr zu sagen. Sie nickte bloß leicht und wandte sich dann von dem Lehrer ab, ehe sie den Weg zum Schloss hinaufstieg. Hinter einer Säule vor dem Eingang warteten Anthony und die Zwillinge bereits auf sie, und es erleichterte die Schwarzhaarige sehr, dass es Miranda anscheinend schon ein wenig besser ging. „Wollte Blackwell noch was von dir?“, hauchte Felicity ihr zu, während die vier sich nun gemeinsam auf den Weg zum Slytherin-Gemeinschaftsraum machten. „Nein“, entgegnete Shawna kopfschüttelnd, „ich von ihm. Er hat Miranda und mich vorhin gefragt, ob wir irgendwelche Feinde hätten, und mir ist da noch jemand eingefallen. Ich hab ihm zwar gesagt, dass ich mir nicht sicher bin, aber irgendwie konnte ich das nicht für mich behalten, wo er schon nachgefragt hat.“ „Also mir wäre da ja sofort jemand eingefallen!“, murrte Anthony in sich hinein, während er sich aus seinem Mantel schälte, „Mein feiner Herr Bruder! Dem würde ich’s echt zutrauen, abends im Wald herumzuschleichen und dreckige Blutsverräter“ - Er sprach diese Worte in einem spöttischen Ton - „anzugreifen! Mann, wäre Mommy vielleicht stolz auf ihr kleines Schätzchen...!“ „Genau an den habe ich gedacht. Ich kenne ihn zwar nicht wirklich, aber bei all dem, was Anthony über ihn erzählt hat, würde ich es ihm irgendwie zutrauen. Meint ihr, ich kann Blackwell nochmal darauf ansprechen?“, fragte die Schwarzhaarige, den Blick ihren Freunden zuwendend, woraufhin die Zwillinge sofort nickten. „Ich finde, das solltest du sogar!“ Es waren die ersten Worte, die Miranda seit vorhin sprach, und noch immer klang ihre Stimme ein wenig brüchig. Jedoch schien sie sich wieder gefangen zu haben, denn ihr Blick war nicht minder entschlossen als der ihrer Schwester. „Wenn du irgendwas weißt oder etwas vermutest, dann musst du zu ihm gehen. Der Kerl ist mir zwar immer noch unheimlich und ich will ihm am liebsten nicht bei Nacht begegnen, aber anscheinend weiß er, was er tut. Oder zumindest glaubt er es zu wissen, also vielleicht kann er etwas tun.“ „Professor Greifenstein hat ihn bestimmt nicht ohne Grund eingestellt.“, pflichtete Felicity ihrer Schwester bei, während die vier gerade den Gemeinschaftsraum betraten. Im Stillen stimmte Shawna den beiden zu, doch irgendwie überkam sie nun eine unglaubliche Müdigkeit, weswegen sie beschloss, schon einmal in den Schlafsaal vorzugehen. Ihr Gutenachtgruß fiel recht flüchtig aus, doch das kannten die blonden Zwillinge bereits von ihr. Manchmal hatte sie solche Momente, in denen sie am liebsten so wenig wie möglich redete. Meist waren es dieselben Momente, in denen sie wieder in irgendwelche Gedanken verstrickt war, und so war es auch diesmal. Nachdem sie in ihren Pyjama geschlüpft war und ein Handtuch um ihr feuchtes Haar gewickelt hatte, krabbelte sie auf ihr Bett, zog die Vorhänge zu und legte sich schließlich hin, die Decke bis zum Kinn hochziehend. Bis sie eingeschlafen war, dauerte es nicht lange. „Lumos...“ Nichts passierte. „Lumos!“ Das Licht an der Spitze des Zauberstabs entzündete sich nicht, so oft das Mädchen es auch versuchte, bis sie es irgendwann aufgab und sich den Weg über den rutschigen Waldboden im Dunklen zu bahnen versuchte. Sie war völlig konzentriert, hatte die Ohren gespitzt, um auch bloß jedes Geräusch aus der Umgebung mitzubekommen. Die Schwarzhaarige war allein, irgendwo im Verbotenen Wald. Die markierte Grenze hatte sie noch nicht erreicht und sie wusste auch nicht, wie weit sie von dieser entfernt war. Sie wusste nicht einmal, aus welcher Richtung sie gekommen war, geschweige denn wie lange sie schon durch das feuchte Laub stapfte. Unter einem erschrockenen Aufkeuchen stolperte sie schließlich über eine herausstehende Baumwurzel und fiel der Länge nach auf den Boden. So ekelhaft dieser Untergrund auch war, er war wenigstens weich, so dass sie sich dabei nicht sehr wehgetan hatte. Blind rappelte sie sich wieder auf und klopfte den gröbsten Dreck von ihrer Kleidung, als sie hinter sich plötzlich ein auffällig lautes Rascheln hörte. Noch bevor sie sich gänzlich umdrehen konnte, hörte sie bereits eine Stimme, die ihr aus irgendeinem Grund bekannt vorkam. „Stupor!“ Der Schockzauber traf sie mitten in die Brust, ihr gesamter Körper verkrampfte sich schmerzhaft und erneut schlug sie auf dem Waldboden auf. Noch immer waren ihre Augen nutzlos, doch es reichte, dass sie die Schritte dieser Person eindeutig näher kommen hörte, bis diese wahrscheinlich genau vor ihr stehen blieb. „Lumos.“, befahl der Angreifer seinem Zauberstab knapp, und anders als bei dem Mädchen zuvor zeigte der Spruch die gewünschte Wirkung. „Anthony!“, presste das Mädchen durch die viel zu fest zusammengepressten Zähne heraus, „Was soll das?!“ Der Junge mit den olivgrünen Augen schmunzelte die am Boden Liegende von oben herab hämisch an, ehe er direkt neben ihr Gesicht hinspuckte und sich seine Miene mit einem Schlag verhärtete, so eiskalt wurde wie die seiner Mutter am Bahnsteig. „Du miese, kleine Blutsverräterin. Du wagst es, meinen Bruder bei deinem Professor anzuschwärzen? Dir werde ich zeigen, was man davon hat, sich mit der Familie Farrington anzulegen! Crucio!“ Wenn das Mädchen zuvor noch keine wirklichen Schmerzen gehabt hatte, hatte sie sie spätestens jetzt. Der Schockzauber hatte ihre Muskeln bereits dazu gezwungen, sich mit einem Schlag zusammenzuziehen, doch lieber hätte sie dieses Gefühl noch stundenlang ertragen als auch nur eine Sekunde länger dem hier ausgesetzt zu sein. Ihr Körper fühlte sich an, als würden glühend heiße Nadeln überall in ihn hineingestoßen werden, als zöge man ihr bei lebendigem Leibe die Haut ab und streute danach noch Salz über das wunde Fleisch darunter. Ihre Schmerzensschreie zerfetzten die Luft, ebenso wie sie sich zerfetzt fühlte, und Anthony schien nicht willens, so bald mit seiner Folter aufzuhören. Die Tränen rannen über ihr Gesicht, fühlten sich unangenehm eiskalt an. Sie würde sterben, jeden Moment würde sie sterben, das wusste sie. Immer näher kam sie diesem Moment. Anthony würde sie zu Tode foltern, und gerade als sie glaubte, es wäre im nächsten Augenblick vorbei, durchschoss ein dunkelvioletter Blitz die Schwärze, nicht wirklich leuchtend, doch dennoch die Umgebung für einen Moment erhellend. Anthony gab eine Art Würgelaut von sich und sackte in sich zusammen. Stille. Die Schwarzhaarige blieb am Boden liegen. Die Folter war vorbei, doch nach wie vor schmerzte ihr Körper grauenvoll. Sie spürte, wie ihr Bewusstsein sich langsam trübte, versuchte aber dennoch, auch nur irgendeine Einzelheit von ihrer Umgebung mitbekommen zu können, und tatsächlich war da etwas. Sie erkannte fast nichts von dem Gesicht, welches nun im schwachen Licht eines Zauberstabs direkt vor dem ihren erschien, hörte auch die dazugehörige Stimme nicht, während sich die Lippen bewegten. Das einzige, was ihre Sinne deutlich ausmachen konnten, war das Paar schmaler, blassgrüner Augen mit dem leichten Bernsteinstich darin, dessen durchdringender Blick ihre eigenen, sich langsam schließenden Augen fixierte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)