The Curse von AlastairBlackwell ================================================================================ Kapitel 12: Vertrauen --------------------- Kräuterkunde, das Mittagessen und Pflege magischer Geschöpfe gingen unheimlich zäh vorüber, und es entging Shawna nicht, dass Professor Westons Verwandlung einen großen Teil des Gesprächsstoffes bildete. So oft hatte sie ihren Namen noch nie gehört, und irgendwie hatte sie das Gefühl, damit nicht umgehen zu können. Zwar war sie seit heute Morgen schon um einiges entspannter, doch so langsam kehrten all die Gedanken zurück, die sie zu überfluten gedroht hatten. Die Doppelstunde Pflege magischer Geschöpfe näherte sich nun dem Ende, und die Klasse war sich darüber einig, dass Madam Crawford es nicht halb so gut auf die Reihe bekam wie Professor Adamantius. Tatsächlich hatte dieser öfter eingreifen müssen als sie eigentlich mit den Tieren - zwei ausgewachsenen Graphorns - umgegangen war. Ein Graphorn konnte man als eine Art übergroße, blau-rötliche Bergziege beschreiben, deren Haut in etwa so undurchlässig war wie die eines Drachen und welche noch dazu zwei lange, scharfe Hörner auf dem Kopf trug. Außerdem waren diese Tierwesen unglaublich stark und aggressiv, weswegen der Professor seine junge Kollegin nach der Stunde erst einmal beiseite nahm und ihr in einem tadelnden Tonfall erklärte, dass es töricht von ihr gewesen sei, gleich in ihrer zweiten Stunde mit solchen Geschöpfen zu hantieren. Shawna hörte sich jedoch nicht seinen gesamten Vortrag an, sondern machte sich lieber auf den Weg ins Schloss, denn in fünfzehn Minuten würde endlich ihre Zauberkunst-Stunde beginnen, und auf diese wartete sie schon den ganzen Tag. Wenn es je eine Viertelstunde gegeben hatte, die ihr länger vorgekommen war als diese, erinnerte sie sich in diesem Moment jedenfalls nicht daran, denn mit jeder Minute, die das Läuten der Glocke näher rückte, schien die Zeit langsamer zu vergehen. Als sie schließlich - beinahe fünf Minuten zu früh - das Klassenzimmer betrat, gefolgt von ihren Freunden, war dieses noch leer. Ungewöhnlich, dachte sie bei sich, denn eigentlich kam der Professor immer ein wenig früher, um noch irgendetwas vorzubereiten, doch hin und wieder passierte es eben, dass auch er sich verspätete. Shawna hatte schon längst aufgehört, sich deswegen Sorgen zu machen, nein, sich überhaupt tiefgründigere Gedanken über ihn zu machen, denn wenn einer ihrer Lehrer die Chance hatte, an Rätselhaftigkeit mit Blackwell mithalten zu können, dann ihr Arithmantik- und Zauberkunstprofessor. Es war fast, als hätte er ihre leisen Schritte gehört, denn schon im nächsten Augenblick betrat genau dieser Mann den Raum. Es war schon fast eine angenehme Abwechslung zu sehen, dass er im Gegensatz zu all den anderen Verrückten in der Reihe ihrer Professoren überhaupt keine außergewöhnlichen Eigenarten zeigte, wenn es darum ging, seine Schüler zu begrüßen. Er warf den vieren ein kurzes Lächeln zu, ehe er sich hinter seinen Tisch stellte, welcher mehr einem Rednerpult ähnelte als einem normalen Schreibtisch - was absolut nicht zu ihm passte. Professor Severianos Schwartz war groß und schlank, und wenn man ihn ansah, glaubte man fast gar nicht, welch eine Kraft zuweilen in ihm steckte. Er hatte glattes, schwarzes Haar, welches wie immer zu einem Pferdeschwanz gebunden bis zu seiner Hüfte fiel, trug einen kleinen Spitzbart und die verträumten, azurblauen Augen rundeten das Bild eines echten Ravenclaws ab. Und dieses Bild war zutreffend, denn er war der Hauslehrer des „blauen Hauses“. Bei dem Zauberkunstprofessor handelte es sich um keinen Mann, der große Reden schwang. Er war überhaupt nicht der Typ, der mehr sprach als notwendig, und noch dazu war seine Stimme so leise, dass es vollkommene Ruhe erforderte, sie überhaupt bis in die letzten Winkel des Klassenzimmers hören zu können, doch wenn er sprach, wusste er ganz genau, wovon, und das machte es leicht, seinem Unterricht zu folgen. Tatsächlich war Zauberkunst das einzige Fach, welches vom vollständigen siebten Jahrgang belegt werden durfte, denn nicht ein Schüler hatte in der ZAG-Prüfung etwas Schlechteres erreicht als ein E, die Note, die Schwartz verlangt hatte, um in den Kurs gelassen zu werden. Dennoch hatten erstaunlich viele das Fach im sechsten Jahr abgewählt, so dass nun, als die Glocke läutete, gerade noch sechzehn andere Jungen und Mädchen eintraten und sich an ihre Plätze setzten, allesamt in den vordersten Reihen des hörsaalartigen Raumes. Schwartz hatte sich nie daran gestört, dass etwa vier Fünftel des Jahrganges sein Fach abgegeben hatten, anders als manch anderer Professor, der sich im vergangenen Jahr regelmäßig darüber beklagt hatte. „Guten Abend und willkommen zur heutigen Zauberkunststunde“, begrüßte er die Klasse, den Blick durch die Reihen schweifen lassend, „Wir werden die ersten sechzig Minuten heute mit praktischen Übungen verbringen und danach haben Sie noch eine halbe Stunde Zeit, um mir Fragen zum Stoff zu stellen. Dieses Jahr wird Sie auf die UTZ-Prüfungen vorbereiten, und ich denke, man kann damit nicht früh genug beginnen.“ Aus dem Augenwinkel bemerkte Shawna, wie die Zwillinge verwunderte Blicke austauschten, und sie konnte ihrem Eindruck nur beipflichten. Es war ungewöhnlich, dass der Professor so viel sprach, wo er doch für gewöhnlich jedes Wort vermied, welches sich vermeiden ließ. Da jedoch niemand irgendwelche Einwände zu haben schien, begann der Mann nun damit, das Klassenzimmer umzudekorieren - wenn man es so ausdrücken wollte. Drei leichte Klopfer mit der Spitze des Zauberstabes auf die hölzerne Platte seines Pultes und der gesamte Raum begann sich abzusenken, bis Tische und Bänke nicht mehr wie in einem Hörsaal angeordnet waren, sondern wie in jeden anderen Klassenraum. Die Schüler kannten dies schon und hatten auch heute noch Spaß daran, und auch als Schwartz seinen Zauberstab schwenkte, um die Möbel an den Wänden aufzutürmen, sprang niemand panisch auf, ganz im Gegenteil, einige blieben sogar absichtlich auf ihren Stühlen sitzen, um sich mit diesen ganz obenauf stapeln zu lassen. Die Übungen, die der Professor seine kleine Klasse heute durchführen ließ, waren vielfältig und der Wissensstand der Jugendlichen befand sich nicht gerade auf einem für alle zutreffenden Niveau, doch was besonders auffiel, war, dass den meisten auch hier die Kenntnisse der Sprüche aus den ersten Schuljahren fehlte. „Wenn Blackwell das hier sehen würde...“, schoss es Shawna durch den Kopf, und sofort hätte sie sich wieder ohrfeigen können. Den ganzen Tag hatte sie nicht an ihn denken müssen, doch jetzt, wegen solch einer Nichtigkeit, war es, als starrten seine kühlen, grünen Augen wieder direkt in die ihren hinein und raubten ihr jegliche Chance darauf, sich auch nur halbwegs auf den Unterricht zu konzentrieren, was dem Professor mit Sicherheit nicht entging. „Geht schonmal vor, ich brauche ein wenig länger“, murmelte die Siebzehnjährige ihren Freunden zu, als die Doppelstunde Zauberkunst schließlich vorüber war. Sie war enttäuscht. Enttäuscht von sich selbst. Eigentlich hatte sie sich erhofft, während des Unterrichts wieder abschalten zu können, doch dem war nicht so. Je mehr sie versucht hatte, sich auf das zu konzentrieren, was gerade wirklich wichtig war (nämlich ein Kissen mittels Zauberkraft auf Miranda zu feuern), desto tiefer war der imaginäre Blick Alastair Blackwells in ihre Gedanken eingedrungen. Aus diesem Grund wollte sie noch bleiben, um Professor Schwartz davon zu erzählen, und dieser schien es zu merken, denn als er den Raum verließ und in sein Büro trat, schloss er die Tür nicht wie üblich hinter sich, sondern ließ sie offen, als wollte er dem Mädchen versichern, dass es ihm ruhig folgen dürfe. „Professor Schwartz...“ „Setz dich, Shawna.“ Schweigend nahm die Schülerin auf einem weichen Sofa Platz, welches sich in diesem Büro befand, während er selbst noch stehen blieb. Sie war lange nicht mehr hier gewesen, ziemlich genau ein Jahr, denn das letzte Mal hatte sie den Professor aufgesucht, als dieses Unglück mit ihren Brüdern geschehen war, welche allesamt ebenfalls seine Schüler gewesen waren - sogar Schüler seines Hauses. Ebenfalls stumm nahm sie die Tasse an, welche der Erwachsene ihr einen Augenblick später reichte und welche, das wusste sie genau, mit frischem Holunderblütentee gefüllt war. Shawna hatte bereits von ihrem ersten Schuljahr an ein großes Vertrauen zu Schwartz aufgebaut und war mit ihren Sorgen und Ängsten stets zu ihm gekommen. „Professor, ich weiß nicht, was ich tun soll. Es gibt da jemanden, der mir einfach nicht aus dem Kopf gehen will, so sehr ich auch versuche, nicht an ihn zu denken.“ Nachdem der Mann sich ebenfalls gesetzt hatte, erschien auf seinem Gesicht ein beruhigendes Lächeln, während er leicht nickte und einen Schluck aus seiner Tasse nahm. „Alastair Blackwell, nicht wahr?“ Shawna fragte nicht nach, woher er das wusste. Schwartz war ein Mensch, dem sie nie viel hatte erklären müssen, damit er sie verstand, denn es kam nicht selten vor, dass die beiden sogar recht ähnliche Gedanken hatten. Im Gegensatz zu dem Gefühl, welches sie hatte, wenn Blackwell in ihre Augen schaute, als wollte er ihre Gedanken lesen, machte es ihr bei Ravenclaws Hauslehrer keine Angst. Sie wusste, dass sie ihm vertrauen konnte, und daher nickte sie nun ihrerseits und schaute den anderen an. Zwar wollte sie ihm in diesem Moment antworten, doch dazu kam sie nicht, denn Schwartz selbst ergriff wieder das Wort. „Mir geht es da genauso, Shawna. Ich habe kein besonders angenehmes Gefühl, wenn ich in Professor Blackwells Nähe bin. Ich halte ihn nicht für gefährlich, aber zugegeben, ich bin ungern allein mit ihm in einem Raum. Es ist, als würde sein Blick einem die Augen durchbohren, nicht wahr, und direkt in den Verstand hineinschauen?“ Shawna wusste nicht, ob dem Professor klar war, wie sehr er sie mit seinen Worten soeben beruhigt hatte. Er hielt ihn nicht für gefährlich, das war ihr das Wichtigste. Zwar bildete sich die Siebzehnjährige meist ihr eigenes Urteil über ihre Mitmenschen, doch in Blackwells Fall wusste sie einfach nicht, woran sie war, und es gab ihr ein sicheres Gefühl, zu wissen, dass sie nicht die einzige war, die den Neuen für ungewöhnlich hielt. Zugleich versetzte sie die Tatsache, dass ein so begabter und erfahrener Mann wie Professor Schwartz seinen neuen Kollegen anscheinend ein wenig fürchtete, selbst auch wieder in Angst. Nicht gefährlich und harmlos waren immerhin zwei verschiedene Dinge, wie es ihr unangenehm durch den Kopf schoss. Im Bezug auf diesen Mann würde sie definitiv eine gewisse Vorsicht bewahren, das war ihr bereits zuvor klar gewesen. Niemand, nicht einmal Schwartz, würde dieses Misstrauen so schnell ausräumen können. „Professor, was mich aber am meisten an ihm beunruhigt, ist... Naja... Ich weiß nicht recht, wie ich es ausdrücken soll. Wenn er in meiner Nähe ist, habe ich zwar ein ziemlich mulmiges Gefühl, und ich würde es auch wirklich nicht als angenehm bezeichnen, aber irgendwas hat er an sich, das mich fast schon magisch anzieht...“ „Ich verstehe genau, was du meinst“, entgegnete der Blauäugige, ehe er einen kleinen Schluck seines Tees nahm, „Er ist ein wandelndes Mysterium, und obgleich ich mich meist sehr um Neutralität bemühe, kann ich den Gedanken nicht verdrängen, dass er etwas zu verbergen hat. Noch dazu bin ich mir sicher, dass er ein hoch begabter schwarzer Magier ist, aber bevor ich ihn mit einem solchen Verdacht konfrontieren kann, brauche ich wirklich Beweise.“ Die Schülerin nickte verstehend. Sie versuchte, einen nicht allzu beunruhigten Eindruck zu machen, doch musste sie sich eingestehen, dass das Gespräch mit Professor Schwartz ihr nicht gerade geholfen hatte, sich im Bezug auf Blackwell sicherer zu fühlen. Dennoch wollte sie sich davon so wenig wie möglich anmerken lassen, obwohl ihr klar war, dass ihr Gegenüber wahrscheinlich ohnehin schon alles wusste, was in ihrem Kopf vorging. „Ich danke Ihnen, Professor, es tut gut, sich ab und zu einmal alles von der Seele reden zu können!“, sprach sie ihn an, sich zu einem Lächeln zwingend, leerte ihre Tasse und stand dann auf. Zu ihrem Glück schien Schwartz es dabei belassen zu wollen, denn er erhob sich ebenfalls und nickte bloß. „Dann wünsche ich dir eine gute Nacht und ich schätze, wir sehen uns das nächste Mal am Dienstag.“ Stumm nickend verließ die Schwarzhaarige daraufhin das Büro. Vor einigen Minuten hatte sie noch einen ziemlichen Appetit gehabt, doch der war ihr mittlerweile vergangen, weswegen sie sich direkt auf den Weg zum Schlafsaal machte. Morgen früh konnte sie ausschlafen, schoss es ihr durch den Kopf, und darauf würde eine Doppelstunde Zaubertränke folgen. Was dem Mädchen jedoch sauer aufstieß war die Tatsache, dass nach dem Mittagessen wieder Verteidigung gegen die dunklen Künste auf dem Stundenplan stand. Dagegen unternehmen konnte sie nun jedoch auch nichts, sie musste es wohl einfach auf sich zukommen lassen. Seufzend ließ sich die Siebzehnjährige einige Minuten später auf ihr Bett fallen und zog dessen Vorhänge zu, und während sie die Augen schloss und versuchte einzuschlafen, hoffte sie inständig, dass die stechenden Augen des unheimlichen Professors sie nicht wieder in ihren Träumen verfolgen würden. ____________________ Hiermit möchte ich mich in aller Form bei meinen Lesern entschuldigen. Ich hatte wirklich nicht vor, euch so lange auf das nächste Kapitel warten zu lassen, und dann ist es auch noch eines, auf das ich nicht besonders stolz bin... xD Naja, ich hoffe, es gefällt euch trotzdem, und in Zukunft werde ich mich ein bisschen mehr beeilen ^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)