The Curse von AlastairBlackwell ================================================================================ Kapitel 13: Ein ungewöhnliches Verhör ------------------------------------- Die nächsten Wochen zogen ziemlich ereignislos dahin. Zwar schossen Shawna nach wie vor ihre üblichen Gedanken durch den Kopf, besonders wenn wieder eine Stunde Verteidigung gegen die dunklen Künste anstand, doch konnte man nicht sagen, dass diese ihr mehr Sorgen machten als sonst. In wenigen Tagen würden die Weihnachtsferien beginnen und man hatte noch immer nicht herausgefunden, wer für den Angriff während der Waldprüfung verantwortlich war. Zwar hatte Professor Blackwell den Zauberstab des Angreifers noch immer in Verwahrung, doch da bisher keiner der Schüler oder Lehrer von Hogwarts den Eindruck gemacht hatte, den seinen verloren zu haben, konnte noch nicht ausgemacht werden, wer dahinter gesteckt hatte. In diesem Moment saßen die Siebtklässler der vier Häuser wie jeden Montag nach dem Mittagessen schweigend im Klassenraum und brüteten über dem neuesten Test, den sich ihr Professor für Verteidigung gegen die dunklen Künste ausgedacht hatte. Blackwell hatte es zu einer Gewohnheit gemacht, die Einzelstunde am Montag jedes Mal mit einem Test zu verbringen, da das Wissen seiner Schüler seiner Meinung nach so dringend ein Auffrischen nötig hatte, dass eine Dreiviertelstunde dafür nicht ausreichend war. Und so sehr sich die Jugendlichen auch über seine Art und seine Methoden beschwerten, konnten immer weniger von ihnen leugnen, dass sie nach und nach Erfolg zeigten. Zwar hatte es nichts mehr gegeben, was der Prüfung im Wald geähnelt hatte, doch die Siebtklässler machten sich hin und wieder einen Spaß daraus, im Geheimen kleine Duelle auszufechten, um zu prüfen, wie viel vom Stoff inzwischen hängen geblieben war. Selbstverständlich - da waren sich Shawna und ihre Freunde sicher - wusste der Professor ganz genau über diese Übungsduelle Bescheid, doch offenbar hatte er nichts dagegen einzuwenden, denn wenn Blackwell auch sonst ein Buch mit sieben Siegeln war, konnte er es doch nicht lassen, sein Missfallen über alles was ihn störte offen kundzutun. Womöglich gefiel es ihm ja sogar, dass man nun scheinbar versuchte, sich etwas mehr anzustrengen. Sicher, ein Großteil der Schülerschaft mochte diese etwas ungewöhnliche Lernmethode eher deswegen mitmachen, um nicht in jeder Stunde erneut von dem strengen Lehrer bloßgestellt zu werden, doch höchstwahrscheinlich war es diesem vollkommen egal, aus welchem Grund seine Schüler lernten. Hauptsache, sie taten es. Gerade wollte Shawna ihre Antwort zu Frage acht (Woran erkennen Sie einen Werwolf in Menschengestalt, wenn er vor Ihnen steht?) aufs Pergament schreiben, als sie plötzlich ein äußerst befremdliches Gefühl durchschoss. Zwar war es binnen Sekunden wieder verflogen, doch hätte sie trotzdem nicht behaupten können, dass es sich nicht vollkommen unheimlich angefühlt hatte. Mit einem Mal war ihr ein Schauer über den Rücken gelaufen, weder heiß noch kalt, beinahe wie ein schwacher Blitz, ein Kribbeln im Rückgrat, und urplötzlich war ihre bisherige Konzentration wie weggeblasen gewesen. So unkontrolliert wie noch nie war alles Mögliche durch ihren Kopf gejagt, Gedanken, Bilder, Erinnerungen, auch solche, die sie schon tief in den hintersten Schubladen ihres Gedächtnisses vergraben hatte. Wie von selbst wandte das Mädchen den Blick nach vorne, wo der Professor inzwischen nicht mehr wie üblich an der Kante seines Pultes lehnte, sondern an diesem saß. Natürlich kannte sie ihn auch im Sitzen, immerhin saß jeder Mensch irgendwann einmal, doch die Art wie er dort saß, überraschte die Siebzehnjährige sehr. Der sonst so souveräne und stets unbezwingbar scheinende Blackwell wirkte plötzlich müde, als hätte er soeben irgendetwas furchtbar Anstrengendes getan. Und noch bevor Shawna anfangen konnte, bewusst darüber nachzudenken, was ihm so zusetzte, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Er kann es. Diese Erkenntnis ließ sie nicht mehr los. Er kann es, und er hat es gerade bei mir getan. Mit einem Schlag wurde ihr wieder eiskalt. Nervös schaute sie kurz zu Miranda herüber, welche neben ihr noch immer über den Testfragen brütete und ihre Freundin scheinbar gar nicht mehr wahrnahm, ehe ihr Blick langsam wieder auf ihr eigenes Blatt wanderte. Schon lange war sich die Schwarzhaarige über keine Sache mehr so sicher gewesen wie in diesem Moment, und je öfter sie diese Worte im Stillen aussprach, desto unbehaglicher wurde ihr dabei. Alastair Blackwell hatte soeben ihre Gedanken gelesen. „Geht schonmal vor“, flüsterte Shawna Miranda zu, als die Stunde schließlich vorbei war und die Klasse begann, aus dem Raum zu strömen und Professor Blackwell wie üblich die Testbögen mit einem Wink seines Zauberstabes einsammelte. Er sah inzwischen wieder besser aus, offenbar hatte seine Erschöpfung nicht allzu lange angedauert. Wie schon vor ein paar Wochen im Wald hatte sie ein mulmiges Gefühl dabei, allein zum Professor zu gehen, doch sie musste einfach wissen, was nun die Wahrheit war. „Professor Blackwell...?“, sprach sie ihn vorsichtig an, noch ehe er sich abwenden und gehen konnte, „Ich... ich hätte da eine Frage...“ Sie fragte sich, ob er sie wohl mit in sein Büro nehmen würde, so wie Professor Schwartz es schon ganz selbstverständlich tat, und für einen Moment war sie unglaublich neugierig, wie es dort drinnen wohl aussehen würde, doch offenbar hatte der Mann nicht vor, die Tür für sie zu öffnen, sondern nahm schweigend wieder seinen gewohnten Platz ein, gegen das schwere Lehrerpult gelehnt. „Was gibt es, hatten Sie Schwierigkeiten bei den Testfragen?“ Er blätterte die Bögen kurz durch. „Bisher haben Sie den Stoff doch recht gut beherrscht.“ Das zu hören war ein kleines Hochgefühl für das Mädchen, denn ein Lob von diesem Professor war schon eine Seltenheit. Dennoch wechselte sie nun das Thema, denn es ging ihr nicht um eine Frage die den Unterricht betraf. Ob er sie ihr wohl trotzdem beantworten würde? „Eh... nein, es geht nicht um den Test. Es... es geht eigentlich nicht einmal um den Unterricht.“ Die Miene Blackwells wurde skeptisch. „Ich hatte vorhin so ein seltsames Gefühl“, sprach Shawna weiter, „als ich noch am Schreiben war. Ich kann es nicht richtig beschreiben, aber plötzlich schossen mir die merkwürdigsten Dinge durch den Kopf. Da waren Erinnerungen, an die ich schon lange nicht mehr gedacht habe, und die auch eigentlich nichts mit dem Thema zu tun hatten. Dann habe ich kurz nach vorne gesehen und...“ Es fiel ihr schwer, die nächsten Worte zu formulieren, doch sie wollte sie einfach irgendwie heraus bekommen. „... naja, dann saßen Sie dort am Pult und sahen irgendwie... müde aus. Kann es sein...“ Shawna atmete tief durch. „Kann es sein, dass Sie meine Gedanken gelesen haben?“ Für einen Moment rechnete das Mädchen mit einem Donnerwetter, als sie nun einen Blick in die hellgrünen Augen des anderen riskierte, doch was als nächstes kam, überraschte sie vollkommen. „Sie haben ein feines Gespür, Miss Mallory“, entgegnete er ohne zu zögern, und während er sprach, spielte nunmehr ein beinahe heiteres Grinsen um seine Lippen, „Ja, es stimmt, das habe ich getan. Aber machen Sie sich nur keine Sorgen, ich tue das nicht zu meinem privaten Vergnügen.“ Es überraschte die Siebzehnjährige ziemlich, wie offen der Professor sprach. Er schien gar kein Geheimnis aus seiner Fähigkeit machen zu wollen, oder lag es vielleicht einfach daran, dass Shawna es ohnehin geahnt hatte? „Warum denn dann...?“, hakte sie vorsichtig nach, „... Sir?“ Das letzte Wort hatte sie recht hektisch nachgeschoben, denn irgendwie hatte sie für sich selbst gerade äußerst unhöflich geklungen, doch Blackwell lachte nur leise. „Das tue ich mit jedem einmal. Wie Sie ja sicher wissen, ist mir noch immer nicht bekannt, wer hinter dem Angriff auf Sie und Miss Barker steckt, und durch einen kleinen Blick in die Köpfe meiner Mitmenschen versuche ich, Näheres herauszufinden. Und falls Sie sich nun fragen, warum ich Ihnen das so bereitwillig erzähle: Das liegt daran, dass ich Ihnen trauen kann. Sie werden es nicht verraten...!“ Der Blick in den Augen des Mannes, als er den letzten Satz aussprach, war geradezu hypnotisch. Wieder war es, als bohrte er sich durch die ihren hindurch mitten in ihren Verstand, um diese Aussage wie einen Befehl dort zu verankern. Shawna nickte leicht. Sie würde es nicht verraten, wieso auch? Immerhin lag es doch in ihrem eigenen Interesse, dass der Angreifer gefasst wurde, und warum sollte sie dann irgendjemandem von Blackwells Methode erzählen, ihm auf die Spur zu kommen? „Wie... wie funktioniert das?“, lenkte sie rasch ab. „Wie ich es schaffe, in den Geist meiner Mitmenschen einzudringen? Nun, dafür gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Ich bin sicher, Sie haben schon einmal von Legilimentik gehört, einer Form der Magie, die einen gewisse Dinge aus dem Gedächtnis seines Gegenübers sehen lässt. Nun, was ich tue ist etwas anders. Der Blick, den ich in Ihren Kopf werfen kann, ist zwar kürzer als der, den ich mit normaler Legilimentik hätte, und er ist anstrengender, aber dafür ist er zuverlässig. Es gibt nichts, was man mir in diesem Zustand verheimlichen könnte. Natürlich sehe ich längst nicht alles, aber das wäre ja nur eine Frage mehrerer Versuche...“ Shawna wusste nicht, ob diese Tatsache sie beruhigen oder noch mehr verunsichern sollte. Eine Form des Gedankenlesens, der man nicht, nicht einmal als meisterhafter Okklumentor, entkommen konnte? Das machte ihr Angst. Zwar ahnte sie, dass der Professor wohl noch am ehesten zu den Menschen gehörte, bei denen eine solche Fähigkeit mehr oder minder gut aufgehoben war, doch trotzdem machte es sie nervös. „Wie Sie es lernen, werde ich Ihnen selbstverständlich nicht erklären“, fügte Blackwell nach einer kurzen Pause noch hinzu, woraufhin Shawna wieder nickte. „Das ist schon klar. Ich will es auch glaube ich gar nicht können... Ich kann mir vorstellen, dass so eine Fähigkeit ziemlich an den Nerven zerrt. Natürlich ist es praktisch, die Gedanken seines Gegners zu kennen, aber das ist sicher nichts für Zartbesaitete...“, murmelte das Mädchen mehr in sich hinein. „Sehr gut erkannt.“ Der Ältere schmunzelte inzwischen wieder, und es sah beinahe aus, als fühlte er sich herausgefordert. „Wäre das hier eine Unterrichtsstunde, hätte Ihr Haus sicher schon den einen oder anderen Punkt gutgemacht.“ Obwohl sie noch immer etwas eingeschüchtert von seinem Können war, fühlte sich Shawna durch die Worte ihres Professors nun schon etwas sicherer. Scheinbar hatte er etwas für sie übrig, doch danach wollte sie lieber nicht fragen. Stattdessen kam ihr urplötzlich wieder der erste Tag dieses Schuljahres in den Sinn. „Beim Abendessen am ersten Tag hier, da haben Sie doch auf einmal zu mir herübergesehen... Zugegeben, ich hatte Sie davor eine Weile beobachtet, aber haben Sie...“ „... es gemerkt?“, unterbrach der Mann sie, „Ja, das habe ich. Sie kennen das doch selbst gut genug, so wie ich Sie einschätze. Sie sind ziemlich feinfühlig. Menschen wie Sie und ich haben ein gutes Gespür für ihre Umgebung, aber ich möchte behaupten, dass dies bei Ihnen andere Ursachen hat als bei mir. Habe ich Ihnen alles beantwortet, was Sie wissen wollten?“ Scheinbar hielt Blackwell es nun für angebracht, das Gespräch zu beenden, und obwohl Shawna eigentlich noch eine ganze Menge Fragen gehabt hätte, wagte sie es nicht, noch etwas dazu zu sagen. „Ähm... ja, vielen Dank. Ich hätte nicht damit gerechnet, überhaupt irgendeine Antwort zu bekommen... Ich werde dann wohl langsam gehen.“ Dem hatte der Professor offenbar nichts mehr hinzuzufügen. Schweigend nahm er die Testbögen wieder an sich und wandte sich der Treppe zu, die zu seiner Bürotür führte. Shawna selbst wollte gerade die Tür zum Korridor öffnen, wandte sich dann jedoch noch einmal um und wagte eine zögerliche Frage. „Professor... Angenommen, niemand von dieser Schule hätte Miranda und mich im Wald angegriffen... Wie hätte jemand von außen hierher kommen sollen? Gibt es irgendwelche geheimen Wege von außerhalb direkt in den Wald?“ Blackwell hob eine Augenbraue. „Derjenige hätte unmöglich unbemerkt dorthin kommen können. Es stimmt, man kann von außen den Wald betreten, aber der Teil, in dem die Prüfung stattfand, gehört bereits zum Schulgelände. Wer auch immer von außen dorthin hätte kommen wollen, hätte dies nicht ohne Hilfe geschafft, und zwar Hilfe von hier drinnen.“ Shawna schluckte. Sie nickte noch einmal verstehend und wandte sich dann wirklich ab, doch gerade als sie die Türklinke herunterdrückte, sprach der Professor noch einmal. „Ihre Auffassungsgabe ist bemerkenswert, Miss Mallory. Ich wollte es vorhin nicht sagen, aber die Art wie Sie denken erinnert mich an Ihren Vater.“ Diese Worte schossen der Siebzehnjährigen durch Mark und Bein. Sie wirbelte herum. „Sie kannten meinen Vater?“ Was nun auf dem Gesicht Alastair Blackwells zu sehen war, war kein herausforderndes Schmunzeln mehr, sondern tatsächlich so etwas wie ein leichtes Lächeln. „Wir waren alte Freunde.“ Und mit diesen Worten verließ er nun endgültig den Raum, seine Bürotür hinter sich schließend. _______________ Okay... jetzt gibt's also mal wieder ein neues Kappi. Ich entschuldige mich, dass es so lange gedauert hat, aber diesmal verpreche ich euch lieber nicht, mich zu beeilen xD Es WIRD weitergehen, aber ich selbst habe noch keine Ahnung, wann. Danke für eure Treue x3 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)