When Love Tends To Become A Problem (LILEY) von EmiLy_RoHan (Remember, It Still Remains A Gift) ================================================================================ Kapitel 9: Run, Jake, Run ------------------------- WHEN LOVE TENDS TO BECOME A PROBLEM - REMEMBER, IT STILL REMAINS A GIFT LILEY Kapitel 9 Wow, das war krass komisch. Ich lehne an der Tür neben meiner Klasse und warte auf das Klingeln, damit ich jemanden mit schleifen kann und um ihm dann alles zu erzählen. Sicherlich weiß jeder von euch, wen ich meine, nicht wahr? Das treudoofe Hundchen... Aber jetzt mal im Ernst, ich habe keine Ahnung, wieso ich mich überhaupt darauf eingelassen habe... Man, ich bin eben doch noch zu nett. Manchmal sollte man Härte zeigen können. Besonders wenn man mich mit so freundlichen Augen anstarrt, so wie die Davis vor noch ein paar Minuten. Aber ich bin eben weich, dagegen lässt sich leider nichts sagen. Fiesheit ist vielleicht doch nichts für mich. Wahrscheinlich sollte ich von heute an nur noch pink tragen und mich benehmen wie ein dummes, fröhliches Mädchen. Wäre vielleicht mal angenehmer, als ständig so missmutig und schlecht gelaunt zu sein. Psh, wer es denn glaubt... Es schellt und die Tür zur Klasse öffnet sich. Ein paar Schüler strömen heraus, aber nicht der, nach dem ich suche. Dann stiehlt sich unwillkürlich ein Lächeln auf mein Gesicht und ich will ihn herüber winken... Allerdings kommt es anders... Ich gefriere in meiner Bewegung, den Arm halb erhoben. Miley ist bei Jake eingehakt und lacht offensichtlich ausgelassen. Verletzt wende ich meinen Blick ab und schaue zur Seite. Das hätte ich jetzt wirklich nicht auch noch sehen brauchen. Ich schrecke auf, als mir jemand auf die Schulter tippt. Oliver. Perfekt. Ich packe ihn am Arm und ziehe ihn mit mir. Er schaut mich etwas verwirrt an. Wahrscheinlich weil ich seinen Oberarm fast zerquetsche – ich halte ihn fast schraubstockartig fest -, bei meiner gerade wieder wunderbar vergnügten Laune. Man mir geht es so super. NICHT. Langsam geht auch echt wieder was kaputt in meinem Kopf. Ich glaube es ist gerade wieder eine Vase im Oberstübchen zerbrochen... Vielleicht klirrt es ja, wenn ich mit dem Kopf schüttele? Nein, doch nicht... „Ganz ruhig, Lil. Was geht denn jetzt schon wieder bei dir ab? Du bist schon den ganzen Tag so drauf. So komisch, so wie früher. Was hat Miles denn dieses Mal mit dir gemacht? Und wieso bist du aus der Klasse einfach abgehauen? Ich dachte, du wolltest dich bessern!“, ich rolle mit den Augen und schlage ihm hart gegen die Schulter. Er reibt sich die Stelle und blickt vorwurfsvoll. „Ouch! Musst du deinen Frust an mir auslassen?!“ Okay, jetzt stellt er sich an. Das war ein ganz kleiner, winziger Klapps. „Ich würde ja Jake eins verpassen, oder zwei, oder drei. Aber dann kriege ich Ärger von Miles...“, ich knurre beim Gedanken an den Blonden, der mich schon den ganzen Tag nicht los lässt. Er verletzt meine Privatsphäre absichtlich, das weiß ich. Er macht das nur, um mich zu nerven und auf meinen Gefühlen herum zu trampeln. Ich vergesse Ms. Davis für einige Sekunden. Und dann sagt Oliver es. „Lils, euer Krieg dauert jetzt schon fast fünf Jahre. Meinst du nicht, es wird langsam mal Zeit, das Kriegsbeil zu begraben und die ganze Sache einfach auf sich beruhen? Willst du denn nicht endlich einen Schlussstrich ziehen?“, ich bleibe wie angewurzelt stehen, packe Ollie noch fester und starre ihn mit festem Blick in die Augen. Sein Braun ist in Aufruhr. Er hat Angst. Erwartet er allen Ernstes von mir, dass ich diesem Schwein vergebe? Diesem Scheusal, das praktisch mein ganzes Leben zerstört hat? Nein, nicht nur praktisch. Er HAT mein Leben zerstört, hat es mit Füßen getreten. Und diesem niederen, kleinen Mistkerl soll ich verzeihen? Ich bin sehr zufrieden mit unserem Krieg, ich hasse ihn immer noch. Und das wird sich die Jahre wohl auch nicht ändern. Er hat mir viel zu viel genommen, als das ich ihm auch nur noch ein einziges Mal in freundlicher Absicht unter die Augen treten könnte. Oliver weiß nicht, was vor fünf Jahren auf diesem Parkplatz passiert ist... Zuerst war ich einfach geschockt, dann war ich verletzt und dann fühlte ich mich betrogen. Und irgendwann wurde mir klar, dass es nie wieder so werden würde, wie es war. Immerhin war er derjenige der-- ach, nicht so wichtig. Ich mag nicht einmal daran denken. Er hat mein Vertrauen missbraucht, er hat mich fallen lassen. Wie eine heiße Kartoffel. Ich kann sein Gesicht immer noch genau vor mir sehen. Seinen geschockten Blick, seine angewiderte Miene. In dem Moment wusste ich noch nicht, was mich erwarten würde, wenn ich am Montag zur Schule kam. Er hat mich zerbrochen, wie eine Porzellanfigur. Ich bin ein kaputtes Spielzeug. Er hat mir alles genommen, was mich damals zusammen gehalten hat. „Willst du wirklich, dass ich darauf antworte, Ollie?“, meine Stimme zittert leicht und ich setze mich wieder in Bewegung. Ich muss hier raus, ich muss weg von hier. Ich will jetzt nicht daran denken müssen, was er getan hat. Was er und seine Freunde mit MIR gemacht haben. Ich gehe schneller und Oliver rennt mir inzwischen nach. Vermutlich war er überrascht, dass ich ihn so schnell losgelassen habe. Normalerweise tue ich ihm dann noch immer irgendwie sehr weh – körperlich. Aber heute kann ich das nicht. Nicht, wenn ich gleich wieder zusammenbrechen könnte. Wir haben jetzt Sport und als ich Miley an ihrem Spinnt in der Umkleide stehen sehe – direkt neben meinem eigenen - kommt der ganze Frust von vorhin wieder zu mir zurück. Ich war für gut fünf Minuten aus dem Gebäude gerannt und hatte mir eine Zigarette angezündet. Wenn ich emotionalen Stress hab, dann rauche ich automatisch mehr, das ist so eine andere schlechte Angewohnheit von mir. Man, was soll ich denn machen? Es kann so doch nicht weitergehen, ich muss es irgendwie schaffen Jake weh zu tun. Natürlich ganz aus versehen, wenn ich die Gelegenheit nutzen kann. Ich würde ihm am liebsten den aufgeblasenen Kopf weg hauen. Mit einem Baseballschläger. Und selbst das würde nicht reichen. Hoffentlich spielen wir Fußball, dann kann ich ihm einen Ball ins Gesicht knallen. Hockey wäre auch nicht schlecht, dann hätte ich schon einmal einen Holzschläger bereit und wer weiß... beim Ausholen kann ja so einiges passieren. Oh oh. Ich darf ihm ja nicht einmal absichtlich weh tun... Dann würde Miley wohl nicht mehr mit mir sprechen, wenn ich ihn schlagen würde. Also am besten lassen... Zumindest vorerst. Ich hoffe nur mir brennt keine Sicherung durch, Sport hat mich immer schon mehr provoziert als sonst irgendwas. Ich bin äußerst ehrgeizig. Außerdem versuche ich gerade unter größter Anstrengung nicht darauf zu achten, dass sich Miley direkt neben mir umzieht (wir wissen ja noch alle, was das letzte Mal passiert ist, als ich sie ohne Top gesehen habe... Keine sehr schöne Erinnerung) und starre nur meinen eigenen Spinnt an, als ich mir mein T-Shirt über den Kopf ziehe und es schnell zusammenfalte, bevor ich es auf den Rest meiner Klamotten lege. Ich trage schon meine kurze, schwarze Sporthose und greife nach dem Sport-Shirt, das hier alle tragen müssen. Es ist gelb – ich hasse gelb. Aber im Moment hasse ich eigentlich alles, also ist das kein großes Ding... „Wieso bist du einfach abgehauen, Lils? Hat dich irgendetwas verärgert?“, es ist ironisch, nicht? Sie stellt ständig so dumme, einfältige Fragen. Nein Miley, ich sah nur ganz zufällig stinksauer aus und habe die Tür zuknallen lassen. Ich will aber nicht schon wieder mit ihr streiten, also lasse ich mir eine Ausrede einfallen. Mein Leben ist schon abgefuckt genug, da muss ich nicht auch noch sie vergraulen. „Prof. Crown wollte mich in der Aula sehen, keine große Sache. Habe nur vergessen Bescheid zu geben und dann ist mir aufgefallen, dass ich schon ziemlich spät dran bin. Also konnte ich leider nichts mehr erklären.“, ich schlüpfe in mein T-Shirt und schüttele meine Haare einmal kurz, bevor ich sie in einem Zopf zusammen nehme. Im Grunde genommen war das gar keine so gelogene Lüge. Immerhin war ich in der Aula, auch wenn Prof. Crown nicht anwesend gewesen war. Immerhin habe ich mich mit Ms. Davis arrangiert. Miley nickt und dann verschwindet sie aus meinem Blickfeld. „Okay, Lil. Jetzt beeil dich mal ein bisschen! Wir sind schon die letzten!“, sie steht an der Tür und wartet darauf, dass ich mir meine Schuhe zu gebunden habe. Als ich das endlich geschafft habe – Schuhe binden war noch nie mein Ding – renne ich zu ihr und zwinge mich zu einem sehr gequälten und vermutlich ebenso falsch aussehenden Grinsen, bevor wir beide zusammen die Umkleide verlassen. Sobald sie sich abgewandt hat, friert mein Grinsen ein und verschwindet. Meine Augen finden den Boden und ich seufze leise in mich hinein. Wenn sie nur wüsste... Oliver kommt zu uns herüber und Miley entschuldigt sich höflich, bevor sie zu Jake verschwindet. Er gibt ihr einen kleinen Kuss auf den Mund und ich balle meine Hände zu Fäusten. Gott bin ich eifersüchtig. Ich würde ihm am liebsten den Kopf abreißen. Ich lasse meine Augen zuknallen und wende mich um zu meinem Sportlehrer. Einem großen, muskulösen, ehemaligen Jock an dieser Schule. Er war Quarterback und jetzt ist er unser Lehrer. Ich dachte ja immer, Footballspieler seien strohdumm... aber um Sport zu unterrichten, braucht man ja auch nicht so viel – zumindest hier nicht. Eine dicke Ader pulsiert an seinem Hals. Er mochte mich und meinen Bruder schon immer. Ich finde ihn etwas seltsam. Aber er mag Jake nicht, also sind wir auf derselben Seite! •◘○ Lillys komisches Verhalten bedrückte Miley. Sie wusste, dass die Blondine sie vorhin angelogen hatte, auch wenn sie beharrlich geschwiegen hatte. Die Skaterin wollte offensichtlich nicht darüber reden. Sie seufzte leicht und lächelte dann wieder zu Jake, der neben ihr auf dem Boden lehnte. Jake war ein guter Freund. Er war niedlich, kümmerte sich um sie, war witzig und sorgte immer dafür, dass sich Miley wohl fühlte. Nur mit dem Küssen hatte sie so ihre Probleme. Jake war leider ein miserabler Küsser. Er überstürzte immer alles und schien dabei nur auf sein eigenes Vergnügen fixiert. Sie mussten Zirkeltraining machen und obwohl sie von den vielen Work-Out-Sessions von Hannah Montana eigentlich fit sein sollte, hatte sie Schwierigkeiten mitzuhalten. Jake und Lilly waren inzwischen die einzigen, die immer noch Liegestütze absolvierten. Es mussten derweil etwa 100 gewesen sein, irgendwann hatte die Pop-Prinzessin aufgehört zu zählen. Sie war beeindruckt von beiden. Sie wusste, dass Lilly Power hatte, aber gleich so viel davon? Miley war sich schrecklich bewusst, dass sie nicht Lillys Arme beobachten sollte. Aber die Art, wie sich ihr ganzer Körper anzuspannen schien, wenn sie sich hoch drückte, ließ ihr jedes Mal einen Schauer über den Rücken laufen. Jake hingegen schien sich weniger darauf zu konzentrieren die Übung richtig zu machen, als Lilly zu schlagen. Er ging nicht einmal richtig bis ganz nach unten. Gegen ihren Willen enttäuscht drehte sie sich wieder zur Skaterin, die Jake mit einem Blick taxierte, den sie nicht recht deuten konnte. Die beiden warfen sich stetig vernichtende Blicke zu und Jake ließ sein hämisches Grinsen aufblitzen. Das war das einzige, was Miley an seinem Auftreten wirklich nicht mochte. Der Hohn, der Spott, die Häme. Es verunstaltete seine von Natur aus hübschen Züge. Lilly war nicht spöttisch. Ein Gefühl machte sich in Miley Magen breit, dass sie nicht kannte. Es hatte unmittelbar etwas mit der Surferin zu tun... aber war das eine so gute Sache? „Okay, Truscott, Ryan. Genug davon. Ich weiß, was ihr leisten könnt, ihr dürft jetzt aufhören.“, als sie keine Anstalten dazu machten, stampfte er hart mit seinem Fuß auf den Boden und blies in seine Trillerpfeife, was beide für einen Moment zusammen zucken ließ. Lilly war die erste, die sich erhob. Sie schwitzte minimal und es war klar, dass sie ohne Ende dort gelegen haben könnte. Sie massierte ihren Bizeps. Miley schluckte. Jake hingegen war durchgeschwitzt und atmete etwas schwerer und unregelmäßiger. Das gelbe T-Shirt klebte an seinem Körper wie eine zweite Haut und er verzog das Gesicht, so wie die Brünette im nächsten Moment. Lilly grinste Oliver an und die beiden tauschten ein High-Five aus. Miley lächelte kurz angesichts der offen gezeigten Zuneigung, wandte sich zu Jake und ihr Lächeln erstarb. Er wirkte mörderisch. Sie legte eine Hand auf seine Schulter, ignorierte das warme, klebrige Gefühl und flüsterte ihm etwas ins Ohr. „Honey, ganz ruhig. Du hast dich super geschlagen.“, sie gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange, bereute es jedoch fast sofort. Sein Schweiß schmeckte scheußlich. Fast so schlimm wie er roch. Nach einer Runde Sit-Ups und diversen Malen durch die komplette Halle laufen, beendeten sie ihr Training – obwohl der Lehrer nur mit Jake und Lilly zufrieden schien – und sie sattelten auf Fußball um. Nicht gerade Mileys liebster Sport, aber die anderen schienen sich zu freuen. Doch hatte sie sich gekonnt aus der Affäre gezogen. Langsam schlich sie zum Rand und sah aufs Feld zurück. Leise grinste sie. Sie würde diese Runde den Auswechselspieler geben und mit ein bisschen Glück und einem Blick auf die Uhr wusste sie, dass sie nach diesem Spiel nicht mehr rein kommen brauchte. Die Stunde war fast zu Ende und ein Spiel würde etwa 25 Minuten andauern. Und danach mussten sie auch noch duschen und sich für die nächsten Stunden fertig machen. Es war ausgeschlossen, dass sie noch einmal rein kommen musste. Etwas beunruhigte sie jedoch. Jake und Lilly waren in verschiedenen Teams. Das bedeutete, die beiden würden sich höchstwahrscheinlich bis aufs Blut bekämpfen. Zumindest so viel hatte Miley bis jetzt begriffen. Sie versuchten stets einander zu übertrumpfen, wobei Lilly zu Mileys Erstaunen fast jedes Mal gewann. Jake zog ständig den Kürzeren. Sie führten einen ewigen Wettstreit. Miley war sich fast sicher, die Blondine würde Jake sogar beim American Football schlagen können, wenn sie das nicht Geschlechter getrennt spielen würden. Das war allerdings auch besser so, sonst würden die beiden Hitzköpfe sich noch womöglich gegenseitig die Köpfe spalten. Vielleicht war eben das der Grund für die Trennung, überlegte Miley. Eigentlich fand die Brünette es schon unvertretbar, dass die beiden überhaupt gegeneinander spielen – kämpfen – durften. Und das auch noch als die jeweiligen Kapitäne der beiden Mannschaften. Sicher wollte der Coach das Spiel etwas anheizen und die Rivalität zwischen den zwei etwas schüren. Miley schüttelte den Kopf. Männer. Entweder das war der Grund, oder der arme Mann hatte wirklich keine Ahnung davon, wie sehr sich die beiden wirklich hassten. Doch sogar ein Blinder würde die Spannung zwischen den beiden sehen, sie zeigten es ja schließlich ausgiebig. Lillys Mannschaft hatte Anstoß und als der Pfiff ertönte, preschte die Blondine mit einer Geschwindigkeit voran, die Miley nicht erwartet hätte. Der Ball schien an ihr Bein geklebt zu sein, so nah führte sie ihn an ihrem Körper ohne ihn zu verlieren. Jake stand in der Verteidigung, er wartete bereits auf sie. Sie hatte Lilly noch nie Fußball spielen sehen. Es war klar, dass wenigstens diese Frau wusste, was sie tat. Geradewegs auf den Blonden zu stürmend, machte der sich bereit ihr den Ball abzunehmen, doch da hatte er die Rechnung ohne Lilly gemacht. Ein Grinsen stahl sich über ihr Gesicht und etwa fünf Meter weit entfernt von ihm, gab sie den Ball ab. Ein genauer Pass auf ihren Nebenmann, der sich allein weiter durch die Reihen kämpfte. An einem anderen Verteidiger vorbei zum Tor. Es dauerte dennoch etwa zwanzig Minuten, bis das erste Tor fiel, für Lillys Mannschaft. Sie war auf das Tor zugelaufen und hatte kräftig Schwung geholt und einen derartig harten Ball geschossen, dass er Jake gegen sein Gesicht geschlagen hatte. Der war zur Seite gekippt und Oliver hatte den Ball noch gerade so in die Ecke köpfen können. Miley hatte noch nie ein so brutales Spiel gesehen. In ihrem ganzen Leben war ihr so etwas noch nicht unter gekommen. Sie hatte Ellenbogen und Knie fliegen sehen, doch der Coach hatte sich nicht gerührt. Als er abpfiff, lag Jake noch immer am Boden und Lilly hatte eine leicht blutende Lippe von einem früheren Schwinger. Sie wischte sich das Blut mit dem Handrücken weg und grinste zufrieden mit sich. Es erschien fast so, als hätte die Blonde nur darauf gewartet, ihm eins rein würgen zu können. Jake hatte sie immerhin auch einmal auf die Bretter geschickt, mit einer ziemlich gefährlich aussehenden Grätsche. Jake rappelte sich auf und fasste sich an die Nase. Er warf der Skaterin einen vernichtenden Blick zu und ließ sich von einem seiner Freunde hoch helfen. Noch etwas wackelig auf den Beinen stützte er sich ab und atmete tief ein. Er schien jedenfalls größere Schmerzen zu haben, als das Mädchen ihm gegenüber. Miley konnte nicht umhin zu denken, was für eine Memme sie doch als Freund hatte. Sie schüttelte den Gedanken ab. Sie wollte eigentlich zu ihm laufen und sich die ganze Sache näher betrachten, da erregte etwas anderes ihre Aufmerksamkeit. Ein großer, blonder Mann mit dem Ball in der Hand kam auf das Spielfeld zu geschlendert. Anscheinend hatte er den weg gerollten runden Ball aufgehoben. Etwas an ihm war unheimlich. Er trug ein weißes Poloshirt mit schwarzen Rändern und eine völlig schwarze Schwimmshorts. Seine blonden Haare waren vom Wind verweht und er hatte ein kleines Lächeln aufgesetzt. Das Lächeln ließ Mileys Blut in den Adern gefrieren. Dieser Typ konnte nichts Gutes im Schilde führen. Der Coach jedoch rannte mit einem fröhlichen Gesichtsausdruck auf ihn zu, Miley starrte nur etwas perplex. So wie fast alle anderen ebenfalls in der Halle. Alle... außer Lilly. Sie wirkte zwar verwirrt, aber trotzdem irgendwie... Miley konnte es nicht genau einordnen... glücklich? Ja sie schien den jungen Mann zu kennen, denn nun eilte auch sie auf ihn zu und schnappte ihm den Ball spielerisch weg. Sein Lächeln wuchs leicht und sie schlug ihm fröhlich gegen die Schulter. „Was machst du denn hier?“, Miley konnte die Frage der Blondinen über das Geflüster und Getuschel der anderen kaum hören. Der Mann gab Lilly einen Kuss auf die Wange und grinste, antwortete allerdings nicht. Er ließ seinen Blick über die Menge schweifen, als suchte er jemanden ganz bestimmtes. „Ich bin nur auf der Suche nach jemandem, Schwesterherz. Ich habe da noch eine kleine Rechnung offen, die ich gern begleichen würde. Nichts Ernstes, wirklich.“, Schwesterherz? Dann war das also Lillys Bruder Matt? Ja, jetzt wo sie darüber nachdachte, fiel ihr die Ähnlichkeit zwischen beiden auch auf. Sie war sogar etwas verblüffend. Aber von was für einer Rechnung redete er da? Und wenn es wirklich nichts Ernstes war, wieso kam er dann extra an diese Schule um nach diesem Jemand zu suchen? Das war schon alles sehr merkwürdig, befand Miley. 'Was will er hier?' „Eine Rechnung? Mit wem, Matt?“, Lilly wirkte jetzt noch verwirrter als zuvor und starrte ihren Bruder etwas entgeistert an. Der legte eine Hand auf ihren Kopf und wandte sich dann an den Sportlehrer. Neben ihm sah Lilly wie ein kleines Mädchen aus. Wie eben eine kleine Schwester. Nichts war mehr von dem Rowdy zu sehen, den Lilly sonst markierte. „Mr. Bull, es tut gut Sie wiederzusehen. Ich bin auf der Suche nach einem gewissen Jake Ryan. Gibt es einen solchen Jungen in dieser Klasse? Ich würde ihm gern eine Frage stellen, es ist sehr wichtig. Es kann nicht warten.“, Jake trat leicht schwankend vor. Er war von der Wucht des Aufpralls noch leicht benommen und rieb sich immer noch die Nase. Miley zog ihre Augenbrauen zusammen. „Mr. Ryan, kommen Sie bitte kurz her. Einer meiner liebsten Schüler möchte mit Ihnen ein Wörtchen reden. Na los, Zack Zack!“, Matt Truscott winkte leicht ab, als wäre ihm das 'liebster Schüler' etwas peinlich und trat genau vor Jake. Sein Lächeln verließ nie seine Lippen. Dann passierte es. Alles ging so schnell, dass weder der Coach, noch Lilly schnell genug reagieren konnten. Jake lag bereits am Boden und wand sich vor Schmerz, seine Nase blutete stark. Er stöhnte auf und versuchte sich aufzurichten. Miley war erstarrt, ihr Blick auf die beiden blonden Männer gerichtet. •◘○ Was zum Teufel geht hier vor sich? Was zum Henker hat mein Bruder eigentlich genommen? Er verprügelt keine Leute, verdammt nochmal! Mein Matt ist nicht so! Ich meine seht ihn euch... doch nur mal... an... Wer bist du? Und was zum Himmel hast du mit meinem Bruder angestellt? In der 5. Klasse haben sie ihn gehänselt, weil er keinen Vater mehr hatte. Da hat er sich tagelang eingeschlossen und geweint. Er hat damals nicht einmal annähernd versucht sich dagegen zu wehren, geschweige denn Gewalt anzuwenden. Damals haben ich, Ollie und... Jake versucht den Kerlen eins mitzugeben... Und jetzt? Jetzt kommt er hier hin, lächelt, als wäre nichts, und verpasst Jake eine direkt ins Gesicht? Was ist los mit ihm? Ich starre ihn an, starre in seine grauen Augen. Aber sie sind eiskalt, sie sind hohl. Sie sind so hohl wie sonst... aber etwas anderes blitzt aus ihnen hervor. Es ist die erste Emotion, die ich seid Jahren in seinen Augen sehe. Und es ist nicht die, die ich all die Jahre von ihm sehen wollte. Nein. Es ist Wut. Alle stehen geschockt da, Coach Bulls Mund steht offen. Jake ist der einzige, der sich bewegt. Da sehe ich auch schon Matts Bein ausholen und fliegen und in Jakes Bauch treffen. Es sieht für einen Moment lang so aus, als wäre alle Luft aus seinem Körper gesogen worden. Und eben das ist passiert. Sein Gesicht ist schmerzverzerrt. Und genau das ist der Augenblick, in dem mir klar wird, das ich etwas tun muss. „Na, du kleiner Mistkerl? Wie fühlt sich das an?! Tut weh, huh? Denk das nächste Mal darüber nach, bevor du beschließt, meiner kleinen Schwester so weh zu tun!“, Jake krümmt sich vor Schmerz und ich presche vorwärts, packe Matt unter den Armen und versuche ihn von dem sich am Boden windenden Jake weg zu zerren. „Matt, hör auf damit, verdammt! Was ist in dich gefahren?!“, er reißt sich von mir los und versetzt mir einen Schwinger mit seinem Ellbogen. Was zum?! Der Ellbogen trifft meinen Kopf an der Seite und ich stolpere nach hinten und falle fast. In meinem Kopf dreht sich alles. „Lass mich los Lilly! Das tue ich nur für dich! Dieser Dreckskerl hat es nicht besser verdient! Für das, was er dir angetan hat, soll er bluten! Willst du es ihm denn nicht auch heimzahlen?! Ich war vor fünf Jahren nicht für dich da, aber ich bin es jetzt!“, er packt Jake am Kragen und schlägt ihm mitten ins Gesicht. Sein Kiefer knackt bedrohlich und ich rappele mich wieder ganz auf. Mein Blickfeld ist immer noch verschwommen, aber ich zwinge mich hinzusehen. Matt rammt seinen Fuß in Jakes Schritt und es gibt einen markerschütternden Schrei. Oh verdammte scheiße! Wenn Matt damit nicht sofort aufhört, dann wird er mit Sicherheit wegen Körperverletzung angezeigt! Ich packe seinen Arm und ziehe ihn erneut von meinem Erzfeind runter. Mein Matt darf keine Leute verprügeln. Schon gar nicht so, dass sie nicht mehr aufstehen können. Ich lasse nicht zu, dass er wegen mir ins Gefängnis geht. Das hat er nicht verdient! „Matt, nein! Du musst damit aufhören, sonst-“, seine Faust schlägt mir gegen meine Zähne und haut mich von den Füßen. Ich lande mit einem dumpfen Aufschlag auf dem Boden und schmecke Blut. Seid wann ist er bitte so stark?! Ich halte mir den Mund und sehe hoch zu dem Mann, zu dem ich immer aufgeblickt habe. Mein Vorbild. Ich spucke auf den Boden und wische mir Blut von der Lippe. Die Wunde vom Fußball ist neu aufgeplatzt. So, jetzt reicht es mir! Auch wenn er mein verdammter Bruder ist, das lasse ich mir definitiv NICHT bieten! Ich hole aus und schlage zu. Ein, zwei Mal. Meine Faust trifft seine Wange und er stolpert zur Seite, doch ich lege nach. Ich packe ihn am Kragen und hole noch einmal aus. „JETZT REISS DICH MAL ZUSAMMEN, VERDAMMT!“ Ich ramme mein Knie etwas unsanft in seinen Bauch und als er einknickt, lasse ich es gegen sein Kinn fliegen. Er fällt bewusstlos zur Seite und ich atme schwer. Meine Brust bewegt sich einige Sekunden lang sehr schnell hoch und runter, bevor ich mich sammele. Ich gehe in die Hocke und drehe ihn auf den Rücken, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Es scheint alles noch relativ heil geblieben zu sein. Gott sei Dank, ich habe wohl etwas übertrieben. „Tut mir Leid, Bruderherz. Aber das musste sein, du warst außer Kontrolle.“, ich packe ihn um den Bauch und hebe ihn über die Schulter. Meine Lippe blutet heftiger, als ich erwartet hatte und sein Ellbogenschwinger von vorhin pocht noch an meiner linken Schläfe. Heute ist echt nicht mein Tag... Alles geht schrecklich schief. Ich würde ja nur zu gern sagen, Jake hat verdient, was er bekommen hat. Aber er hat meinem Bruder nie etwas getan und Selbstjustiz ist nichts, was man so einfach übergehen kann. Ich werfe einen letzten Blick zurück. Miley kniet neben Jake, so wie alle anderen auch. Sie starrt mich an. Ich bin zu weit weg um genau sehen zu können, was sie denkt. Ich schüttelte sanft den Kopf, schenke ihr ein trauriges Lächeln und verschwinde dann mit meinem Bruder durch die Tür... Mein Gesicht in den Händen vergraben sitze ich da, meine Augen fest geschlossen und verzweifelt. So schlecht habe ich mich nicht gefühlt, seid diesem Freitag vor fünf Jahren. Mein ganzer Körper schreit nach Erlösung und nach der einen Sache, die ich mir selbst verboten habe. Die Dämonen der Vergangenheit leben wieder auf. Und jetzt, wo ich am Bett meines verwundeten, schlafenden Bruder sitze, kommen die Erinnerungen wieder zurück, die ich erfolgreich in meinem Kopf eingesperrt hatte. Mir wird übel und ich renne aus dem Zimmer und ich reiße die Badezimmertür auf. Ich übergebe mich in die Kloschüssel. Wenn ich nur daran denke, was ich an diesem Tag alles schlucken musste... Ich übergebe mich noch einmal. Ich schwitze wie ein Schwein und mein Blickfeld verschwimmt leicht. Ich betätige die Klospülung und sinke auf den kalten Boden. Ich bin nicht so stark, wie ich aussehe. Das war ich nie. Mein Kopf ist gegen die Bodenfliesen gepresst und ich balle meine Hände zu Fäusten. Heiße Tränen steigen in meine Augen und ich stemme mich mit beiden Händen hoch. Mein Blick ist auf meinen Unterarm gerichtet. Und ich weiß genau, was gleich passieren wird. Ich halte es hier einfach nicht mehr aus, ich kann mit den Erinnerungen nicht leben. Ich werde es nie können. Feine, helle, fast verschwundene Narben glitzern auf diesem Arm. Ich erinnere mich noch an jeden einzelnen Schnitt, den ich vor vier Jahren gesetzt habe. Mein Bruder war nicht der einzige, der kaputt war. Er hat es nie heraus bekommen. Ich bin viel kaputter als er es je war. Vielleicht bin ich diejenige, die in diese Psychiatrie gehörte. Ich reiße den Badezimmerschrank auf und wühle durch die Schachtel, die ich jahrelang nicht angerührt habe. Ich habe sie immer gehütet wie einen Augapfel, falls ich sie noch einmal brauchen sollte. Meine Finger schließen sich um etwas Kaltes. Etwas Metallenes. Ich ziehe es heraus und stolpere zurück zur Wand. Langsam, stetig rutsche ich daran hinunter und lege die Rasierklinge an meine Pulsadern. Ich atme schwer und ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich auch wirklich das Richtige tue. Der erste Schnitt lässt einen wohligen Schauer durch meinen ganzen Körper zucken und ich lehne meinen Kopf gegen die kalte Wand. Blut läuft meinen Arm entlang, tropft auf die Fliesen. Kleine, rote Punkte und ich setze die Klinge ein weiteres Mal etwas tiefer an. Ich drücke fester und lasse die Klinge mein Fleisch schneiden. Und noch ein bisschen tiefer. Wenn doch nur alles so einfach gehen könnte... Ich schließe meine Augen in purem Glück und lehne mich weiter zurück- Mein Arm fällt zur Seite und ich rutsche weiter nach unten, mein Blickfeld immer verschwommener. Mein Mund zu einem leichten Lächeln verzogen. Mein Kopf fällt auf den Boden und ich kann nichts mehr sehen, nichts mehr... spüren... Fühlt es sich so an... wenn man stirbt...? Ende Kapitel 9 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)