Stille Nacht? Eher nicht! - Kekse, Plumpudding und Kabbeleien von rea_seraph (Türchen Nr. 14 des Fanfic-Adventskalenders 2014) ================================================================================ Kapitel 1: Mein geliebter Erzfeind ---------------------------------- ~~*~~ Wir kannten uns schon ewig. Ehrlich. In der ersten Klasse war ich neben Daniel gesetzt worden und wir haben über unsere Liebe zu Comics sofort Freundschaft geschlossen. Diese wuchs immer mehr, bis wir irgendwann unzertrennlich waren. Er war der Bruder, den ich nie hatte und über alle Maßen liebte. Es dauerte auch nicht lange, bis ich ihm auf sein Geheimnis kam. Der erste Besuch bei Daniel zu Hause war irre lustig. Alle waren ultravorsichtig was sie sagten und wie sie es sagten. Keiner wollte mich so recht anfassen, weil sie fürchteten, dass mich der etwas härtere Griff eines Wolfs abschrecken könnte. Dabei hing ich oft Tag und Nacht mit Daniel zusammen. Der hatte noch nie sehr aufgepasst, wie er mich anfasste, wenn wir miteinander fangen spielten. Außerdem war ich nicht so zerbrechlich, wie ich aussah. Wenn ich bei den Nachbarn meiner Pflegeeltern im Stall mit anpackte, um gratis eine Reitstunde zu bekommen, waren viele erstaunt was ich alles körperlich leisten konnte. Ganz zu Schweigen von meiner Kopfarbeit. Wir saßen an jenem denkwürdigen Abend im Hause Hollister bei Brot, Wurst und Käse zusammen, als ich in eine kurze Stille hinein sagte "Und? Was seid Ihr so? Menschen sicher keine." Die entsetzten Blicke waren zu köstlich. Daniel hatte sich an seiner Milch verschluckt und sie kam ihm in Strömen aus der Nase. Während ich lachte, reichte ich ihm eine Serviette rüber. "Du meine Güte! Keine Angst. Ich erzähle sicher nichts. Ihr könnt Euch mir ruhig anvertrauen." Alle begannen nach und nach zu grinsen. Daniels Mam Claudia, ihr Mann Martin, seine großen Schwestern Cora und Denise. Nur ein Gesicht blieb kritisch. Emils. Der große Bruder von Daniel. Der schien mich von Anfang an überhaupt nicht leiden zu können. Ich hörte ganz genau, wie er in der Küche auf seinen Vater einredete mir bloß nichts zu sagen. Doch Martin war anderer Meinung. Er meinte, wenn man wirkliche Freunde haben wollte, dann musste man auch mal einem Menschen vertrauen. Und ich hatte dieses Vertrauen auch ein Jahrzehnt später niemals missbraucht. Aber wie jedes Jahr, wenn ich über die Festtage zu den Hollisters eingeladen wurde, war es das Gleiche. Ich reiste mit Daniel gemeinsam an - wir arbeiteten mittlerweile in derselben Firma für Landwirtschafliche Zugmaschinen; ich im Büro, er in der Elektronikabteilung und wir teilten uns eine Wohnung in der Stadt - und wurde empfangen wie eine Tochter. Alle herzten und umarmten sich gegenseitig. Nur Emil hielt einen Meter Abstand zu mir und nickte nur mit stoischem Gesichtsausdruck. Als alle beschäftigt waren, streckte ich ihm - trotz meiner 22 Jahre - die Zunge raus. Und genoss seinen schockierten Blick, während ich mit Daniel nach oben ging und meine Sachen in den Schränken meines gewohnten Gästezimmers verstaute. Wir halfen bei den Essenvorbereitungen. Martin spielte in seinem Lieblingssessel leise "Stille Nacht" auf seiner Geige. Denise saß auf dem Schoß Ihres Mannes Jeff und flocht Ihrer Schwester Cora einen französischen Zopf. Später spielten Daniel und ich mit Coras Zwillingen Jessy und James Monopoly und freuten uns dann auf den festlich gedeckten Tisch. Davor sollten wir aber noch schnell für das alljährliche Weihnachts-Foto posieren. Claudia stellte uns auf: Hinter der Couch von links nach rechts versammelten sich Cora, Ihr Mann Peter mit jeweils Jessy und James auf den Armen, Denise und Ihr Mann Jeff, Martin mit seiner Geige und Platz für Claudia an seiner Seite. Auf der Couch saßen Emil, ich und Daniel. Warum nur landete ich immer zwischen den Beiden?! Daniel hat seinen Arm um meine Schultern gelegt und ich grinse in die Kamera, während ich Emils Blick auf mir spüre. »CLICK« Claudia war nach Betätigung des Zeitschalters schnell neben Ihren Mann Martin gehuscht und das Foto war wenige Sekunden später ausgelöst und im Kasten. Als wir uns am Tisch versammelten, lief mir schon das Wasser im Mund zusammen. Es gab meine Lieblingsspeise zum Nachtisch: Plumpudding. Das Essen ging mit viel Scherzen und Erzählungen über die Bühne. Daniel erzählte gerade eine Anekdote über unseren dementen Seniorchef, der beinah jeden Tag seine Meinung änderte und uns damit gehörig auf Trab hielt, als etwas Unsägliches vor meinen Augen geschah. Schockiert blieb mir der Mund offen stehen. Die Hand, die mir soeben meinen Plumpudding entwendet hatte, gehörte natürlich zu Emil. "Spinnst Du?!" entfährt es mir. Emil grinst nur. "Ich war sicher, dass Du Deinen Nachtisch eh nicht mehr schaffst..." "Ja, bist du noch zu retten?!" Keuche ich, während ich versuche ihm meinen Pudding wieder wegzunehmen. "Den hab ich mir extra zum Schluss aufgehoben!" Werde ich jetzt schon etwas lauter. Aber es ist zu spät. Mit unglaublicher Schnelligkeit schlingt er MEINEN Plumpudding herunter. "Emil!" Ruft seine Mutter Claudia aus. Alle anderen schütteln nur konsterniert den Kopf. Mir steigen Zornestränen in die Augen. Nein. Ich würde jetzt nicht bei Tisch, wegen einem Pudding anfangen zu heulen. Tief durchatmend wandte ich mich von Emil ab und ignorierte ihn komplett für den Rest des Abends. Ich scherzte mit Daniel, spielte mit den Kindern, half beim Abräumen des Tisches und ehe ich mich versah, war es Zeit ins Bett zu gehen. Bescherung würde es wie üblich erst morgen Früh geben. Daniel war schon nach oben gegangen. Als ich auch die Treppen hochsteigen wollte, hielt mich eine Hand an der Schulter auf. "Hey, Nathalie. Warte mal." Erbost drehte ich mich zu Emil um und starrte dann erstaunt auf den Plumpudding in seinen Händen. "Soll das ein Friedensangebot sein? Weißt du was? Vergiss es. Kompensier deinen Ärger darüber, dass Daniel größer ist als du und ich dir einfach ein Dorn im Auge bin lieber anders. Ich hör dir ab heute nicht mehr zu." Dieser Seitenhieb musste einfach sein. "Mir ist egal, dass Daniel größer ist. Ich beneide nur, dass er jemanden hat mit dem er so offen und er selbst sein kann, wie mit dir!" Entfährt es Emil und ich drehe mich doch wieder zu ihm um. "Hör Mal. Meine Freundschaft hättest du schon lange haben können. Aber du führst dich immer so unmöglich auf, dass ich denken muss, dass Du mich einfach nicht leiden kannst." Kopfschüttelnd sagte Emil leise "Ich stell mich nur so an, weil mir deine Freundschaft nicht reichen würde. Aber du gehörst zu Daniel. Also muss ich das wohl akzeptieren. Aber in Zukunft versuch ich dir weniger auf die Nerven zu gehen." Mit großen Augen blicke ich Emil an. "Dir ist aber schon klar, dass ich mit Daniel nicht zusammen bin, oder? Er ist mein bester Freund, mein Bruder im Geiste. Wir sind kein Paar." Nun blickt er mich wie vom Donner gerührt an... "Was?" "Du hast schon richtig verstanden. Ich bin Single. Nicht vergeben. Alleinstehend. Solo." Langsam nickt Emil. Ich schüttele entnervt den Kopf. "Also sobald Du weißt, ob du mich nun leiden kannst, oder nicht, kannst du dich ja nochmal melden. Ich geh jetzt schlafen. Morgen bei der Bescherung klaust du mir hoffentlich nicht auch noch meine Geschenke vor der Nase weg und... Der Rest der Litanei, die aus meiner frechen Klappe entfliehen wollte, ging in dem sanften Kuss unter, den er mir auf die Lippen drückte. Sanft streichen seine Hände durch mein Haar. Seine Nase fährt, als er seine Lippen von meinen löst, an meinem Haaransatz entlang und er atmet tief meinen Geruch ein. Als Emil einen Schritt zurück geht, legt er seinen Kopf ein wenig schief, als würde er auf etwas lauschen. Das wäre dann wohl mein davongaloppierender Herzschlag. "Es tut mir Leid, dass ich mich die ganze Zeit wie ein Vierjähriger aufgeführt habe, der diejenige ärgert, die er mag. Aber ich wollte mir nicht eingestehen, dass Daniel genau die Person gefunden hat, die ich eigentlich ganz allein für mich haben will." Ich schließe meine Augen und atme tief durch, während ich die Geschehnisse der letzten Minuten versuchte zu verarbeiten. Da wurde mir schlagartig klar, dass ich Emil auch liebte. Deshalb schmerzte jede sarkastische Bemerkung, jedes Misstrauen, jeder böse Blick so sehr. So sehr, dass mir fast die Tränen kamen, als er mir meinen Plumpudding geklaut hat, nur um mich zu verletzen. Ich gehe auf ihn zu, lege meine Arme um seine Taille und drücke mein linkes Ohr gegen seine Brust. Auch sein Herz schlägt wie wild. Wegen mir. "Ich liebe Dich." Sagt er leise, wähend er sein Kinn auf meinem Kopf ablegt. "Ich Dich auch." Und ich wusste, ich meinte es so. Er hörte es an meinem ruhigen steten Herzschlag und seine Umarmung wurde noch einen Tick inniger. Es würde gut werden. Richtig. Wir zwei. Denn Werwölfe banden sich nur einmal im Leben. Und ich war wohl vom Kopf her auch einer. Was für ein Paar - mein geliebter Erzfeind und ich. ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)