Jumays Kinder von -Izumi- (Part 5: Kinder des Wassers - Verloren im Sand) ================================================================================ Kapitel 10: Der Fluch des Sehens -------------------------------- „Wie, nichts?“ Mayora schaute überrascht zu seiner Tante, die sich zu ihm ans Bett gesetzt hatte und ihm nun eine Schüssel Suppe in die Hand drückte, die er stumm dankend annahm. „Es ist nichts geschehen, alles in Ordnung.“, wiederholte er ruhig und pustete auf sein Essen. In ihm war es heiß genug, auch wenn er fror, da musste er sich nicht auch noch die Zunge verbrennen... „Lüge nicht, ich kenne dich, Neffe.“, machte die Frau seufzend und sah ihn streng an, „Was hat sie schon wieder zu dir gesagt?“ Für Chatgaia war der Junge durchsichtig wie Luft. Sie kannte ihn in und auswendig. Und sie hatte ihn unter Kontrolle, das war besonders wichtig, er war ihr engster Vertrauter. Sie wollte nicht daran denken, was geschehen würde, wenn sie diese Kontrolle irgendwann einmal verlieren würde... „Bloß die Wahrheit.“, antwortete er ihr da und begann, die Suppe vorsichtig zu löffeln. Sie schnaubte. „Die Wahrheit? So wahr, wie die Dinge, die dein Vater dir gesagt hat?“ Anfangs hatte sie es für eine glückliche Fügung des Himmels gehalten, dass dem Wüstendorf eine neue Seele geschenkt worden war, aber mittlerweile war sie der Meinung, dieses Mädchen, so lieb es auch schien, sei pures Gift für die schwache Seele ihres Neffen. Sie sollte ihn nicht noch mehr zerstören. Sollte sie sich doch ein anderes Opfer suchen. „Aber wenn so viele Menschen es sagen, muss es doch stimmen, oder?“, machte der Junge bloß mit gesenktem Haupt, „Hand aufs Herz, wir kämpfen einen Kampf, den wir nicht gewinnen können, oder?“ Sie sah ihn bitter an. „Wenn du so denkst, dann tut es mir sehr Leid für dich.“, flüsterte sie und erhob sich, schritt zur Tür, ohne ihn noch einmal anzusehen, „Du solltest stolz auf das sein, was du bist.“ Stolz... Er grinste verzerrt in die Schüssel hinein. „Nein... ich hasse es mehr als alles andere.“ -- Auch Choraly aß Suppe. Sie wusste zwar nicht genau, was darin war, aber es schmeckte nicht schlecht, das war die Hauptsache. Dabei hatte sie gar keinen besonderen Appetit. Wegen der Missgeburt war er ihr vergangen. Wie konnte man bloß so charakterlos sein? Jetzt wusste sie, was Imera meinte; das war wirklich eklig... In dem Moment, in dem sie an ihren Freund dachte, klopfte es plötzlich an der Tür und überrascht sprang sie auf und hastete zum Öffnen. Vielleicht war er es ja? Er war es nicht. „Was willst du denn hier?“, fragte sie etwas überrumpelt und ihr Gegenüber grinste verzerrt und knackte demonstrativ mit den Fingern. „Choraly...“, sagte es nur, „WAS ZUM GEIER ERLAUBST DU DIR, MEINE COUSINE VOLLLAUFEN ZU LASSEN?!“ Sie blinzelte. Wie konnte dieses Horror-Weib es wagen...? „WAS ZUM GEIER ERLAUBST DU DIR, MICH DANACH ZU FRAGEN?!“ „Und was erlaubt ihr beiden euch, um diese Uhrzeit so herumzuschreien?!“ Sie sahen nach oben, wo Chatgaia sich aus dem Badezimmerfenster lehnte. Allem Anschein nach trug sie bloß eine Art Badetuch um den Körper und ihr unheimlich langes, hell-grünes Haar viel ihr frisch gewaschen und gekämmt über die Schultern. Sie war eine schöne Frau. Pinita schnaubte bloß. „Können Sie sich vorstellen, Frau Setari, was wir heute Morgen für Probleme hatten? Dafi ist einfach nicht zur Arbeit erschienen! Und als ich nach ihr gesehen habe, hat sie halbtot in ihrem Bett gehangen und ist nicht aufgekommen! Wundert mich, dass sie heute früh überhaupt den Weg gefunden hat...“ Sie wandte sich wieder an Choraly. „Hast du dir meine Cousine einmal angesehen? Die hat den Körper eines ganz kleinen Mädchens, nach einem Glas ist die voll bis oben! Sie hat einen totalen Filmriss!“, sie fuhr sich durch ihr kurzes blondes Haar. Ihr war heiß... „Und ich habe es dem Chef erklären können, dabei übernimmt sie doch eigentlich einen so wichtigen Posten bei uns... das war nicht sehr schön, ich sag es euch.“ Sie seufzte. Das hatte gut getan. Hätte sie ihrer Wut nicht freien Lauf gelassen, dann wäre sie heute Abend geplatzt. An Dafi wollte sie es nicht auslassen, die war mit ihrem Kater schon gestraft genug... „Tut mir sehr Leid.“, rief Chatgaia da und strich sich ein paar Haarsträhnen hinter die Ohren, „Aber das hat sich unglücklicher Weise so ergeben. Sie hat uns nicht gesagt, dass sie heute hätte arbeiten müssen.“ Choraly runzelte die Stirn. Und sie hatte jetzt bloß den Weg hierher gemacht, um ihnen das an den Kopf zu werfen? Moment, ihr fiel etwas ein. „Gehört ihr beiden zur IzVü?“ Die Ältere nickte. „Ja. Da weißt du, wie das ist. Die sind schon ein bisschen strenger als die Wachmänner, auch zu ihren Mitarbeitern... aber gut.“, sie verneigte sich vor dem Dorfoberhaupt (oder zumindest vor dem Badezimmerfenster), „Jetzt geht’s mir wieder besser. Wiedersehen!“ Quietsch-vergnügt drehte sie sich um und ging zurück. Dabei pfiff sie irgendein fröhliches Lied. Das Stadtmädchen starrte ihr mit offenem Mund nach. „Was... sollte das denn?“, stammelte es und die Magierin im oberen Stockwerk gluckste. „Das kommt öfters vor. So ist Pinita nun einmal.“ -- Pinita war doch krank. So krank, dass sie nach der Meinung der Brünetten gut zu Mayora gepasst hätte. Der Gedanke lies sie kichern, während die junge Frau sich bettfertig machte. Obwohl, das wäre doch nicht so gut. Pinita wäre sicherlich die totale Domina gewesen... Pinita, Domina, das war doch ein unreiner Reim, oder so etwas? Ach, wen scherte es schon... Sicherlich hätte sie den Grünhaarigen dann wirklich an der Leine geführt... Das Mädchen grinste. Sie sollte versuchen, die Beiden zu verkuppeln, klang interessant. Im Verkuppeln war sie nämlich gut. Sie hatte Atti damals mit ihrem Mann zusammengebracht. Und das war sehr schwierig gewesen, wo die beiden doch so schüchtern waren. Sie musste an die kleine Familie denken und seufzte resigniert. Der junge Mann verdiente nicht viel und jetzt war er ganz allein mit seinem kleinen Jungen... das war schmerzhaft. Es tat ihr so Leid... Bevor sie vor lauter Schuldgefühlen wieder Alpträume bekam, beschloss die 16-jährige dann aber doch lieber schnell schlafen zu gehen. -- Während Thilia unter dem sanften Licht des Windmondes ruhte, war in einem Haus, besser einem Zimmer eines Hauses, noch Leben. Der Raum war düster, geschmückt mit vielen traditionellen Gegenständen des Himmelsblutes und verschiedenen dunklen Tüchern. In mitten dieser befremdlichen Umgebung saß auf einem ebenfalls dunklen Himmelbett eine junge Frau, Shakki Kaera, die einen großen Kristall in den Händen hielt und gebannt hinein starrte. Sie war ein Kind des Windes und normalerweise fühlten sich Himmelsblüter in dem Jahresviertel ihres Geburtsmondes sehr wohl; sie bildete die Ausnahme. Sie war eine Seherin. Dazu auserkoren, alles zu erfahren, ohne Grenzen. Wie alle ihre Blutbrüder und -Schwestern empfing sie im Moment eine besonders starke Magie, die ihre Kräfte wachsen lies und das machte sie fast wahnsinnig. Zu viele Stimmen redeten Tag und Nacht gleichzeitig auf sie ein, erzählten ihr dies und das und sie versuchte das Richtige, eine wichtige Information über die Zukunft ihres Dorfes, herauszufiltern. Schon seit Tagen, erfolglos. Mittlerweile verließ sie ihr Zimmer schon fast überhaupt nicht mehr, bloß um sich frisch zu machen und etwas zu trinken manchmal. Essen konnte sie nicht, würde sie es in so einer Situation tun, würde sie sich sofort wieder übergeben. Ihre Nerven waren am Ende. Sie war die einzige Seherin im Ort, es gab niemanden, der sie verstand, ihr Leiden. Es hatte mal eine zweite gegeben, Liase, sie war bildhübsch gewesen und hatte einen langen, weiß-blonden Zopf gehabt. Die junge Frau dachte seufzend an an sie zurück, versuchend, die tausend Stimmen und das Pochen in ihrem Kopf für einen Moment zu ignorieren. Liase war schon gestorben, als Shakki ein ganz kleines Mädchen gewesen war. Sie erinnerte sich, dass sie ihr manchmal Tipps gegeben hatte, wie sie die Stimmen besser unter Kontrolle halten konnte, aber das war sehr lange her. Und genutzt hatte es allem Anschein nicht. Liase war irgendwann wahnsinnig geworden und hatte sich von den Klippen gestürzt. Und Shakki hatte es gesehen, obwohl sie nicht dabei gewesen war. Sie hatte schon so viele sterben sehen... Einen Moment flackerte vor ihrem inneren Auge das Bild von Naputi Magafi auf, Choralys hübscher Mutter. Der armen Frau, die in einer Welt, fernab von Thilia oder Wakawariwa oder dem Eisland war und um ihr Sein fürchten musste... Die Schwarzhaarige legte den Kristall aus der Hand und massierte ihre Schläfen. Wenn es nicht so verdammt schmerzen würde... „Warum quält ihr mich so...?“, flüsterte sie leise in die Stille, aber darauf antwortete ihr niemand. -- „Bist du noch sauer?“ Pinita atmete laut aus und drehte sich zu ihrer Cousine um, die auf dem Rücken lag und stur zur Decke blickte. Auf stumme Bitten der Kleineren übernachtete die 18-jährige bei ihr, das war immer noch so gewesen, wenn Dafi sich schlecht gefühlt hatte. Und das war sie ihr aus schuldig. „Nein, ich hab mich an Choraly abreagiert.“, antwortete sie dann dumpf und die Kleine sah zu der Älteren. „Choraly ist ein armes Mädchen, sei lieb zu ihr.“, bat sie, „Versetze dich einmal in ihre Lage, sie ist ganz allein hier.“ „Ja.“, machte die Andere, „Ich mag sie trotzdem nicht. Aber wenn du sie magst, verbiete ich dir nicht, dich mit ihr abzugeben. Tu oder sag bloß nichts unüberlegtes, ja?“ Die Jüngere seufzte. „Ja...“ -- Am nächsten Morgen war dann wieder alles beim Alten. Chatgaia verließ früh das Haus und als das Stadtmädchen aufgestanden war und sich fertig gemacht hatte, fand sie in der Küche einen liebevoll gedeckten Frühstückstisch vor, aber jemand fehlte. „Missgeburt?“, fragte sie überrascht in den scheinbar leeren Raum, „Kräuterheini?“ „Ein neuer Name für mich?“ Sie drehte sich um und erblickte Mayora, der sie leicht anlächelte. „Guten Morgen.“, machte er dann und schritt zum Tisch, „Isst du mit mir oder soll ich lieber weg gehen?“ Sie blinzelte. Nach all dem, was sie zu ihm gesagt hatte, war er noch so lieb...? Was wunderte sie sich, langsam sollte sie es ja gewohnt sein... „Ich esse mit dir.“, antwortete sie deshalb freundlicher Weise und gesellte sich zu ihm, sich ein Brötchen-ähnliches Teil greifend und dann mit Kaliri-Aufstrich zubereitend. Er tat es ihr gleich und überlegte eine Weile, ob es wohl besser war, still zu sein, entschied sich dann aber doch dagegen. Wenn er schon einmal nicht allein frühstücken musste, dann wollte er auch etwas davon haben. „Hast du etwas Schönes geträumt?“, fragte er sie deshalb freundlich und sie schnaubte, wie sich herausstellte aber nicht über ihn, sondern eher über den Inhalt seiner Frage und hielt im Streichen inne. „Schön war das nicht!“, machte sie, „Ich hab von Pinita und dir geträumt!“ „Das ist schlimm.“, bestätigte er todernst und sie schüttelte energisch den Kopf. „Nein, das meine ich nicht, nicht direkt!“ Der Junge sah auf. Es war nicht schlimm, von ihm zu träumen? Das war ja fast schon ein Kompliment... er hatte plötzlich so gute Laune... „Was denn dann?“, bohrte er neugierig weiter und sie verzog das Gesicht und wandte den Blick verlegen ab. „Leck meine Stiefel, du Wurm!“, machte sie und beide erröteten. „Was soll ich? Ich meine, du trägst doch Sandalen...“ Mayora schaute sie naiv und peinlich bewegt an. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, dass er tatsächlich dazu bereit gewesen wäre, der „Forderung“ nachzukommen und schüttelte sich vor Kram. „Nicht meine, du Idiot!“, grummelte sie, „Pinitas. Pinitas Lackleder-Stiefel, ja...“ Der Grünhaarige blinzelte benommen. Was sagte sie? „Pinitas Lackleder-Stiefel? Oh... oh, wir haben doch nicht etwa unanständige Sachen gemacht?!“, nun überkam auch ihn eine Gänsehaut, „Für sowas bin ich doch nicht der Typ...“ Choraly hielt es für besser, darauf nicht mehr zu antworten. Gleichzeitig kam sie sich ziemlich seltsam vor, von so einem Traum hätte sie in Wakawariwa niemals jemandem erzählt, noch nicht einmal Atti. Was die wohl von ihr gedacht hätte? „Ich schwöre, ich werde niemals an Pinitas Stiefeln lecken, die würde mir bloß auf die Zunge treten...“ Der 17-jährige murmelte unterdessen leicht traumatisiert vor sich hin. Jetzt würde er der Blonden die nächsten drei Monate nicht ins Gesicht blicken können, ohne dabei Nasenbluten zu bekommen, ganz toll. Dass er den Satz vielleicht ein klein wenig zu wörtlich nahm, kam ihm dabei nicht in den Sinn... da war es ihm fast schon Recht, dass seine Mitbewohnerin das Thema plötzlich wechselte. „Sag mal...“, machte sie und stützte ihr Gesicht auf den Händen ab, sich etwas über den Tisch beugend, „Ich hab ja schon gemerkt, dass Imera und du euch nicht besonders mögt aber ich denke mal, du als Obermacker weißt doch sicher, wo er wohnt? Ich würde ihn gerne einmal besuchen gehen... wir sind jetzt zusammen.“ Er blinzelte und dachte plötzlich gar nicht mehr an die Blondine, vor der er im Übrigen ein wenig Angst hatte. Sie war größer als er... „Ihr seid jetzt also zusammen.“, wiederholte er ernst, „Na meinetwegen, ich zeige dir, wo er lebt.“ So ging sie dahin, die gute Laune... -- Imeras Haus war weder besonders groß, noch besonders klein und weder besonders hübsch, noch besonders hässlich. Neben dem Eingang stand ein großer dürrer Baum, der dürftigen Schatten spendete und ein Schild, das abermals mit seltsamen Schriftzeichen beschrieben war, mit seinen Zweigen fast überdeckte. Das Mädchen seufzte. Analphabet zu sein war ätzend... „Imeras Onkel ist Schreiner.“, erklärte ihr Begleiter ihr da und sie sah zu ihm auf, „Er lebt bei ihm und seiner Familie.“ „Wie du bei deiner Tante?“, wollte sie wissen und er nickte. „Ich werde jetzt...“ Noch ehe er den Satz zu Ende sprechen konnte, öffnete sich die Haustür und eine Frau, eindeutig ein Mensch, blinzelte die Beiden mit großen Augen an. Mayora seufzte innerlich. Zu langsam... „Guten Morgen!“, wurden sie von ihr begrüßt, „Was für eine seltene Ehre.“ Der Grünhaarige schenkte der Dame einen seltsamen Blick und die zog kurz die Brauen zusammen, dann nickte sie unmerklich, so leicht, dass Choraly glaubte, sie habe sich versehen. Schließlich lächelte sie. „Und du bist sicherlich Choraly Magafi, Imeras kleine Freundin? Er war ganz stolz, als er nach Hause kam...“ Das Mädchen nickte errötend. Der kleine Kura hatte die Augen seiner Mutter, fiel ihr nebenbei auf... „Mein Name ist Kahana.“, die Frau verneigte sich, „Mein Mann ist im Moment nicht da und mit meinem Sohn hast du sicher schon Bekanntschaft gemacht?“ Abermals nickte die Jüngere, lächelte dieses Mal aber. „Ja. Er ist sehr niedlich!“ Kahana lachte. „Das ist er!“, sie kehrte ihnen den Rücken, „IMERA!“ „Ich gehe jetzt.“, murmelte Mayora unterdessen gedämpft und seine Mitbewohnerin musste grinsen. Er ging dem Streit so gut wie möglich aus dem Weg. Eigentlich war er ganz amüsant. „Und ihr vertragt euch immer noch nicht?“, fragte Kuras Mutter da und lehnte sich an den Türrahmen, auf ihren Neffen wartend. Der Junge schüttelte den Kopf. „Das werden wir nie mehr.“, antwortete er ihr dumpf und sie senkten zeitgleich den Blick. Das Stadtmädchen kam sich ein wenig ausgeschlossen vor und schnaubte. Wie gemein. Aber Imera würde ihr sicherlich erzählen, was vorgefallen war. War so wie so die Schuld des Kräuterheinis... „Ich bin da!“, schallte es da von drinnen und nach ein wenig unschönem Gerumpel erschien der brünette Junge altbewährt grinsend neben seiner Tante, die aufsah und ihm zunickte, sich dann abwandte und im Reingehen noch etwas von „Hübsche Freundin!“, murmelte. „Liebster!“, quiekte die 16-jährige und stürzte sich in seine Arme, nicht bemerkend, wie er ihrem Mitbewohner über ihre Schulter hinweg einen schadenfrohen Blick zuwarf und der sich darauf abwandte. „Auf Wiedersehen.“, kam nur noch, da verschwand er ohne auf eine Erwiderung zu warten. Das Paar kicherte bloß. „Dummer Junge.“, machte Choraly, „Er lässt sich wirklich alles gefallen.“ „Alles.“, bestätigte ihr ihr Freund, „Ausnahmslos alles. Gehen wir irgendwohin, wo wir ganz alleine sind?“ -- Der Himmelsblüter schritt derweil monoton zurück nach Hause. Er hatte heute nicht viel zu tun und das Mädchen aus der großen Stadt war auch unterwegs, wie langweilig. Vielleicht sollte er Pinita suchen? Er hielt inne und verzog einen Moment das Gesicht, spürte dann plötzlich eine kalte Hand, die von hinten nach ihm griff und drehte sich überrascht um. „Shakki.“, machte er kurz perplex, kehrte dann aber wieder in seine Monotonie zurück, „Was führt dich in diesen Tagen aus dem Haus? Das bedeutet sicher nichts Gutes, nehme ich an?“ Die junge Frau schüttelte keuchend den Kopf. Hätte das Stadtmädchen sie nun so gesehen, hätte sie sie nicht mehr für eine Göttin gehalten. Ihr an sich recht ansehnliches Kleid hatte sie sich bloß notdürftig übergeworfen und sie trug weder ihren wertvollen Schmuck, noch die edle Schminke und ihr langes lockiges Haar hatte sie sich auch einfach bloß weggesteckt, was den unschönen Blick in ihr fahles Gesicht mit den tiefschwarz unterlaufenen Augen freigab. „Ich finde die richtige Antwort nicht.“, erklärte sie dennoch überraschend gefasst und strich sich über ihr Antlitz, „Aber ich habe etwas anderes herausgefunden, dass ich unbedingt der Öffentlichkeit erzählen muss.“ „Und das wäre?“, fragte der junge Mann und sie blinzelte ihn bedrohlich an. „Der Sandsturm wird kommen.“ Aber erst in ein paar Tagen und so hielt er es für besser, seine Tante nicht von ihren 'Angelegenheiten' wegzuholen, sondern sich erst am Abend mit ihr zu beraten. Shakki nahm er inzwischen einfach mit zu sich, um ihr einen speziellen Tee zu kochen. „Ich weiß nicht, ob er wirkt.“, sagte er ihr ehrlich, als er die Tasse vor ihr auf dem Tisch abstellte und sie nicht aufsah, ihm aber trotzdem aufmerksam lauschte, „Rein theoretisch schon. Er hemmt dein magisches Blut und so die Fähigkeit, die Stimmen zu hören, damit du nicht auch noch wahnsinnig wirst.“ „Und was ist, wenn mir etwas wichtiges entgeht?“, fragte die Schwarzhaarige bloß gedämpft ohne aufzusehen und er setzte sich zu ihr und lächelte leicht. „Dann wird dir das niemand übel nehmen, glaub es mir.“ Sie seufzte. Ihre Vernunft sagte ihr, sie solle es bleiben lassen. Mayora hatte ein ausgeprägtes Talent, wenn es darum ging, neue Medikamente zu erfinden und herzustellen und so zweifelte sie auch kaum an der Wirkung des Gebräus, ganz davon abgesehen, dass eine der tausend Stimmen in ihrem Kopf das auch bestätigte. Aber schließlich erlag sie doch der Versuchung, eine Zeit lang aus diesem Alptraum namens „Das Leben der Seherin“ zu entfliehen und trank ein paar Schlücke, dann fiel ihr etwas auf. Die Gedankengänge ihres Gastgebers waren wie immer so leicht zu durchschauen, vermutlich hatte sie es bloß noch nicht bemerkt, weil sie so benebelt war und sie wünschte sich, die Stimmen und auch ihr logisches Denken würden sich irren. „Mayora Timaro.“, sprach sie ihn mit vollem Namen an und violette Iriden trafen auf rote, „Du arbeitest doch nicht etwa an einem Medikament, das die Kräfte des Himmelsblutes für immer komplett aufhebt... und aus den Kindern der Götter normale Menschen macht?“ Er blickte ertappt zur Seite. „Ich enthalte mich einer Antwort, du kennst sie so wie so schon.“ Fragen von Shakki waren immer so überflüssig, fand er. Sie vergrub das Gesicht in den Händen. „Das kannst du nicht machen!“, kam dann leise, „Du kannst dein himmlisches Blut doch nicht einfach wegwerfen, es ist ein Geschenk!“ Er schnaubte und sah sie wieder an. „Ein Geschenk, dass dich seelisch und auch körperlich krank macht. Und ein Geschenk, dass uns fast ausgerottet hätte. Im Großen und Ganzen und rein biologisch gesehen sind wir alle normale Menschen mit einem völlig kranken Gendeffekt, der uns seltsame Dinge vollbringen lässt.“ Shakki sah wieder auf und keuchte. „Wie kannst du nur?“, fragte sie, „Und was ist mit den Stimmen?“ Er grinste verzerrt. „Wahrscheinlich haben wir einfach alle einen Dachschaden...“ Wie kannst du uns so verleugnen, Sohn?, wurde er im selben Moment von einer traurigen Stimme in seinem Inneren gefragt, doch er ignorierte sie. Er war sauer. Es machte ihn traurig, die arme Shakki so zu sehen, die seit ihrer Geburt so gequält war. Normale Himmelsblüter entwickelten ihre Fähigkeiten erst mit dem Eintritt in die Pubertät, Seher hingegen hatten sie schon wenige Tage, nach dem sie zur Welt gekommen waren. Es war ein Jammer, wie die junge Frau immer im Mitte des Augusts litt, seit sie ganz klein gewesen war. Nein, ein einziges Mal hatte der junge Mann einen Traum, nämlich die 'Krankheit', wie er es heimlich für sich nannte, an der sie alle 'litten', zu besiegen. Das war auch schon als kleiner Junge sein einziger Wunsch gewesen und er würde es auch schaffen, obwohl er sich ein Leben als Mensch überhaupt nicht vorstellen konnte. Er würde das angenehme Gefühl der Mondenergien in seinem Inneren sehr vermissen... aber darauf würde er verzichten können. Ganz sicher und egal, was alle anderen sagten. Bloß ein einziges Mal wollte er egoistisch sein. Nur einmal. -- „Ist das schön!“ Choraly strahlte. Blumen, überall waren Blumen! Niemand war hier, bloß sie und ihr Liebster, dieser Anblick gehörte allein ihnen! „Ja, mir gefällt es auch.“, bestätigte der junge Mann da und lächelte verträumt, „Deshalb habe ich dich ja hierher gebracht. Hierhin gehörst du, in das Blütenmeer. Dieses hässliche Dorf beißt sich doch mit deiner Schönheit.“ Sie warf sich in seine Arme um ihn zu knuddeln und er lachte. Sie war so süß. Und sie war nur ihm. „Du bist so lieb!“, quiekte sie unterdessen, „Du bist so nett und hübsch und... ach, ich weiß nicht.“ Sie sah zu ihm auf. „Wenn ich wieder zurück nach Wakawariwa gehe, dann kommst du doch mit, oder?“ Sich einer Antwort enthaltend beugte er sich einfach zu ihr und küsste sie zärtlich auf den Mund. Was für eine überflüssige Frage... „Und wie gedenkst du, von hier wegzukommen?“, wollte Imera dann wissen, als sie sich wieder gelöst hatten und schaute sie ernst an. Sie senkte traurig den Blick. „Ich weiß nicht.“, gestand sie, „Auf jeden Fall musst du mir helfen und immer zu mir halten, ja?“ Grinsend nickte er. Vielleicht war es einfacher, als sie es sich vorstellte. „Wenn ich dir einen Tipp geben darf...“, machte er deshalb leicht grinsend, „Du bist schön und intelligent, hast Charakter und weißt genau, was du willst. Behalte es dir vor Augen und beiße in den sauren Apfel!“ Sie blinzelte. „Wie meinst du das?“ Das waren zwar alles nette Komplimente, aber sie wusste nicht, was er ihr damit mitteilen wollte. Der Junge seufzte leise. „Stell dich gut mit möglichst vielen Leuten. Je mehr du auf deiner Seite hast, desto leichter wird die Flucht. Und sobald du Mayora und Pinita gewonnen hast, hast du so gut wie gesiegt.“ Sie würde für ihn Intrigen schmieden müssen, dachte er sich, sie hätte die Macht dieses ganze Dorf gegen einander aufzustacheln und gerade dann, wenn es für diesen verfluchten Ort zu Ende ging, würde er mit ihr in die große Stadt gehen. Sie war reich, er müsste niemals einen Finger krumm machen (mal davon ab, dass er so wie so in so ziemlich allen handwerklichen Bereichen total talentfrei war). Sie würden total modern leben, wenn sie seine Frau war konnte sie ihr Politik-Ding durchziehen und er wäre dann den Rest seines Lebens damit beschäftigt, die Kinder aufzuziehen. Mindestens drei. Höchstens sechs. Er hatte eine genaue Wunschvorstellung, aber damit wollte er das arme Mädchen jetzt noch nicht überrumpeln. Ihre Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. „Und wie kann ich mich mit den Beiden gut stellen? Ich hasse sie...“ Als ob das ein Problem gewesen wäre. Er grinste. „Die meisten Leute, mit denen ich gezwungener Maßen zu tun habe, hasse ich. Man lernt es schnell zu verdrängen, glaub mir. Außerdem bin ich ein guter Beobachter...“, er zwinkerte ihr zu, „Bei Pinita kannst du Punkte machen, wenn du sie anhimmelst, ihr ein wenig nachrennst und dich herumkommandieren lässt. Sie ist halt so eine Domina...“ Choraly hustete. Sie hatte es gewusst, so absurd waren ihre Gedanken also gar nicht! „Und bei Mayora ist es noch einfacher.“, erklärte er weiter, „Sei einfach nett zu ihm. Ein paar liebe Worte können Wunder bewirken. Du kannst ihn auch zu deinem Privat-Sklaven machen, ganz einfach, indem du besser zu ihm bist, als Chatgaia.“ Sie starrte ihn erstaunt an. „Du kennst dich aber aus.“, kam dann und er blinzelte, „Wie kommt das denn?“ „Ganz einfach.“, seufzte er, „Ich habe einfach Dafi über Jahre hinweg beobachtet, wie sie ihre Cousine an sich bindet. Und bei Mayora hab ich schon selbst die Erfahrung machen dürfen.“ -- Shakki starrte in ihre leere Tasse. „Höllentrank!“, sprach sie und ihr Gastgeber grinste leicht. „Hat geklappt, oder?“ Sie nickte. „Es ist ganz still in meinem Schädel und vor deinen Gedanken hängt ein dunkler Schleier.“ Eine Weile herrschte Schweigen und das Mädchen fragte sich, was in dem Kopf des Grünhaarigen nun vorging. Es war ungewohnt, so blind und taub durch das Leben zu gehen. Wie die Anderen es wohl empfinden würden, wenn man ihnen ein paar Minuten lang seherische Fähigkeiten schenken würde...? „Liebste...“ Sie schreckte auf. Ihr Gegenüber starrte auf die Tischplatte. „Ich denke, das ist die richtige Gelegenheit, um sich zu unterhalten, oder?“ Sie nickte vorsichtig. Das war sie ihm schuldig, ja. Aber wie sollte sie ihre Entscheidung erklären?! „Es ist drei Jahre her!“, machte sie deshalb abwehrend und schnaubte, „Wir waren noch kleine Kinder, nenn mich nicht mehr Liebste!“ Er sah einen Moment entsetzt auf, dann fasste er sich wieder. „Sag mir gefälligst, was ich falsch gemacht habe!“ Sie senkte den Blick. Ja, genau das war es ja – nichts. „Es hat nicht an dir gelegen...“, machte sie leise und starrte wieder in die Tasse, „Aber ich wusste zu viel. Ich hab versucht, zu ignorieren, was man mir andauernd zugeflüstert hatte, aber es ging nach einer gewissen Zeit einfach nicht mehr. Du warst zu leicht zu durchschauen, ich hab es nicht ausgehalten! Ich bin nicht für eine Beziehung, ich werde für immer allein bleiben müssen, ansonsten werde ich wirklich noch wahnsinnig!“ Er fixierte sie, ohne ein Gefühl andeutungsweise zu zeigen. „Ich bin also zu leicht zu durchschauen... danke, Liebste, dass du mir das noch gesagt hast. Es ist so schade um so eine schöne Frau wie dich.“ Sie lächelte traurig. „Andere Mütter haben auch schöne Töchter.“ -- „Was soll der Terz?!“, schrie Uda Magafi und fegte mit einem Schlag alle Papiere, die vor ihm auf dem Tisch lagen, zu Boden. Seine Kollegen, der Senat von Noboka., der sich aus jeweils einem Vertreter jeden Landes und einem der Kontinentalhauptstadt zusammenfügte, schauten ihn bloß feindselig an. „Gut gemacht.“, grummelte der Vertreter von Goina-Reâ ironisch, „Sie haben Kamake beleidigt, indem sie vorzeitig abgereist sind und Sie haben einen schwerwiegenden Vertragsbruch mit Mon'dany begangen, indem Sie einfach Wachtruppen in die Wüste geschickt haben! Ist Ihnen eigentlich klar, dass wir wegen Ihren komischen Launen vor einem erneuten Weltkrieg stehen?“ Choralys Vater sagte nichts und schnaubte nur. Ja, er hatte Fehler gemacht, aber es war doch um seine Familie gegangen! „Takama und Fokua haben ihre Neutralität erklärt.“, sprach Wakawariwas Senator missmutig, „Was glauben Sie, wer sich gegen uns verbünden wird?“ Er antwortete nichts. Sie malten den Teufel an die Wand, aber wenn er seine Klappe zu weit auftat, riskierte er vielleicht seinen Beruf... „Nun übertreiben sie aber nicht!“, die Vertreterin Vetewas, einem winzigen Land des Südens, gab dem Mann überraschend Rückendeckung, „Noch haben wir nichts Weiteres als zwei Beschwerdebriefe, ja?“ Genau dieser Meinung war Uda Magafi auch. Himmel... „Ja, aber daraus kann ratz-fatz noch etwas ganz ganz Schlimmes werden!“, flötete der Herr für Arika, einer kühlen Nordregion, und spielte mit einem pinken Stift. Atti hatte immer gesagt, er sei so schwul, das ging schon gar nicht mehr... „Ach, das bringt doch jetzt alles nichts!“, schaltete sich Wakawariwas Senator wieder ein und räusperte sich, „Wir müssen jetzt erst einmal eine Weile beobachten, wie sich die Lage entwickelt. Und wir müssen den Süd-Kontinenten in die Ärsche kriechen...“ Den letzten Satz hatte er leiser zu sich selbst gemurmelt, aber die, die ihn dennoch verstanden hatten, gaben ihm stumm recht. Schöne Sauerei. „Und Sie!“, der Mann von Goina-Reâ zeigte auf Magafi, „Sie geben sich jetzt besonders viel Mühe! Schließlich sind sie der Alleinverantwortliche! Sie haben ganz schönes Glück, dass Sie uns sonst immer so treue Dienste geleistet haben, sonst würden Sie sich schon längst in der Gosse wieder finden!“ Choralys Vater seufzte. Hatten die denn kein Privatleben? Irgendjemanden musste es doch geben, der ihn verstand? Er hatte seine komplette Familie verloren! Oder auch nicht, dachte er. Den Leichnam seiner Tochter hatte man nicht gefunden. Vielleicht lebte sie ja noch, irgendwo? Wer wusste es schon? Vielleicht war sie ja auf Nomaden getroffen oder etwas in der Richtung und saß nun irgendwo ganz weit weg fest, ohne Kontakt mit zu Hause aufnehmen zu können? Er grummelte. Was sollte er sich wünschen? Dass es so war und sie nun für den Rest ihres Lebens allein bei Wilden leben musste oder dass sie irgendwo tot im Sand lag? Ihm gefiel irgendwie keine der beiden Varianten... ---- Shakki-Action, einself+9 ^o^ Btw. lustig, hier werden die Regeln auch jeden Tag geändert "XD Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)