Jumays Kinder von -Izumi- (Part 5: Kinder des Wassers - Verloren im Sand) ================================================================================ Kapitel 30: Nachwuchs --------------------- 6 Monate später. „Wo bleibt sie denn?“ Dafi rannte genervt in der Flughalle der Forschungsstation im Kreis herum. Ein halbes Jahr war vergangen, ein halbes Jahr hatte sie gewartet. Heute würde ihre Cousine wieder kommen. Endlich. „Es kann sich nur noch um wenige Minuten handeln, die werden Sie ja jetzt wohl noch durchhalten, oder?“ Karna, ein einfacher Angestellter, sah seufzend zu dem Mädchen. Die war ja völlig wahnsinnig ohne die Frau Unteroffizierin, schlimm. Ohnehin, sie hatte sich völlig verändert ohne die Blonde, war die denn unfähig, allein zu leben? Sie war nicht mehr so fein wie zuvor, trug einfachere Klamotten und hatte ihre wieder etwas länger gewordenen Haare simpel zusammen gebunden, dabei war sie kaum geschminkt. Hässlich war sie auch so nicht... „Trotzdem, ich habe keine Geduld mehr! Ich...!“ Ihre aufgeregte Stimme versagte. Der junge Mann hob eine Braue. „Wird Ihr Hals denn irgendwann wieder?“ Die Frage war halbherzig gewesen und so hielt die junge Frau es auch nicht für nötig, darauf zu antworten. Ihr Hals ging den einen Dreck an, echt mal. „Aber Ihre Frau Cousine ist im Anflug.“, sprach der Ältere weiter und sie zuckte zusammen, als sie die kleine Flugmaschine auf der nicht all zu weit entfernten Landebahn landen sah. Sie war da. Sie war da! „Entschuldige mich!“, krächzte Dafi eilig und rannte los, um die Blonde gebührend zu empfangen. Sie kam genau rechtzeitig, als sich die Türe öffnete und Pinita Ferras mit einem kleinen Korb in der Hand über die Verbindungstreppe zum ersten Mal seit langer Zeit wieder Wüstenboden betrat. Und sie sah so hübsch aus, war Dafis erster Gedanke. Sie hatte etwas abgenommen, auch wenn sie die Figur ihrer besten Zeit nicht wieder erreicht hatte und ihre Haare waren ein wenig gewachsen, etwa schulterlang. Und sie strahlte so hell wie die Sonne. Und mit ihrem ersten, rührenden, weltbewegendem Satz sprach sie Karna, der der kleinen Himmelsblüterin nachgerannt war, an. „Hol mal mein Gepäck, du nutzloser Arsch!“ Ja, sie war wieder da. Und ihre zierliche Cousine war bei ihrem Anblick versteinert. So lange hatte sie ihr gefehlt, so lange hatte sie sie nicht ansehen können und jetzt war sie einfach ganz plötzlich wieder bei ihr. Das war... seltsam... Pinita wandte sich ihr grinsend zu. „Ich weiß, ich sehe gut aus.“, begrüßte sie sie breit grinsend und stellte sich direkt vor sie, „Ich fühle mich auch gut. Und du siehst seltsam aus und hast mich vermisst, nicht?“ Die Kleinere brachte nur ein Nicken fertig. Natürlich. Den Korb vorsichtig abgestellt schloss die Ältere sie in ihre Arme. Sie hatte sie auch vermisst, sehr sogar. Manchmal war sie sehr einsam gewesen. Und ängstlich... Dafi begann zu schluchzen, als sich in der Umarmung endlich ihre Starre löste. „Oh Himmel, du bist wieder da!“, jammerte sie mit schwacher Stimme, „Tu mir das nie wieder an. Ich bin fast gestorben!“ „Ich auch.“, gab die Blonde ungewohnt leise zu, „Ich hab dich sehr vermisst.“ Sie schob die Jüngere ein Stück von sich weg und grinste dann seltsam. „Schau in den Korb, da ist meine Überraschung drin.“ Während die Magierin dem Geflecht zum ersten Mal Aufmerksamkeit schenkte, trug Karna etwa eine Million Koffer und Taschen aus der Flugmaschine in die Station, in denen etwa genau so viele Souvenirs und Andenken waren, da konnte sich die Jüngere später auch noch freuen. Aber erst einmal die Hauptüberraschung, wegen der sie überhaupt so lange in Fides geblieben war. In dem Körbchen waren Decken. Und irgendwo am Ende ragte ein kleines... Etwas heraus. Das Mädchen hob den weichen Stoff neugierig hoch und blinzelte das Ding darunter einen Moment lang an, ehe sie sich ganz sicher war, richtig zu sehen. Dann schaute es erbleicht zu seiner Cousine auf, die stolz vor sich hin lächelte. „Das ist ja...“, krächzte sie und Pinita errötete etwas und nickte. „Sie heißt Kirima.“ In dem Korb lag ein scheinbar ziemlich müdes, aber bildhübsches kleines Baby. Es wackelte leicht mit dem rechten Füßchen und auf seinem kleinen Köpfchen fand man einen zarten Flaum von hellblondem Haar. Und obwohl es noch so winzig klein war, dachte Dafi, einen Hauch von Ähnlichkeit mit ihrer Cousine in dem runden Gesichtchen zu finden. „Es ist... deins?!“, fragte sie ungläubig und die Ältere nickte leicht. „Ja, sie ist mir. Ich hielt es für besser, sie nicht hier in der Wüste zu bekommen, die Stadt erschien mir für ihre Geburt einfach ein... geeigneterer Ort.“ Sie war verlegen, das merkte die kleine Himmelsblüterin sofort. Himmel, ja, natürlich, wäre sie an ihrer Stelle auch! „Warum hast du mir denn nicht gesagt, dass du schwanger bist?!“ Dass sie den Säugling zärtlich auf den Arm nahm, machte ihre eigentlich etwas erboste Frage nicht gerade glaubhafter. Aber verdammt, bei kleinen Kindern wurde sie schwach! Und das war Pinitas Kind, folglich liebte sie es vom ersten Augenblick an, ob sie wollte, oder nicht. Die Blonde räusperte sich darauf. „Nun ja... ich meine, was hättest du von mir erwartet? Vermutlich, dass ich es weg mache, oder? Oder dass ich eine schlechte Mutter werde, nicht?“, sie seufzte, „Ich weiß, dass du mich lieb hast, aber ich weiß auch, was du von mir denkst... was alle von mir denken. Und das war mir recht! Ich weiß nicht, ich fand es weniger hart mit meiner kleinen Überraschung hier anzukommen, als zu gestehen, dass ich seit über einem Jahr einem Mann treu bin und die ganze Zeit mit anderen bloß Schein-Beziehungen geführt habe, damit man nicht auf die Idee kommt, ich sei plötzlich zähmbar geworden! Dass... nein, so ist es besser.“ Sie schüttelte sich und Dafi blinzelte sie noch immer etwas überrumpelt lächelnd an. „Wer ist denn ihr Papa?“ -- Ja, Kirima hatte einen Papa, dieses Privileg konnte nicht jedes Baby genießen. Zu diesen armen kleinen Wesen gehörte auch Genda, Lillianns inzwischen zwei Monate alter Sohn. Noch war ihm das aber recht egal. „Wo ist der süße kleine Junge? Wo? Daaa!“ Choraly kitzelte das Kind am Bauch, worauf es zu glucksen und strampeln begann. Seit der Kleine da war, hing das Stadtmädchen, das eigentlich schon längst keines mehr war, andauernd bei Jiros Familie herum. Sie konnte nicht anders, dieses zuckersüße Geschöpf wirkte auf sie wie Licht für eine Motte, sie musste es einfach andauernd sehen und lieb haben. Seine Mutter schien damit auch nicht wirklich Probleme zu haben. 'So lange dein Freund da bleibt, wo er ist, kannst du so viel hier sein, wie du magst.', hatte sie dazu gemeint, 'Ich bin froh, mich nicht ganz allein um Gendachen kümmern zu müssen.' Und sie versuchte so viel zu helfen, wie sie nur konnte, auch wenn sie nicht wirklich ein Naturtalent darin war. Aber ihres Gastgeberin wusste ihre Hilfe und auch ihre Gesellschaft durchaus zu schätzen. Im Moment hatte sie nämlich auch das ganz große Bedürfnis, ganz viel über Tainini, das blinde Mädchen, das irgendwann mal fast ihre Schwägerin geworden wäre, zu lästern. Und die Brünette konnte sie durchaus verstehen. Und so kam es auch an diesem schönen Mittag, an dem Pinita unbemerkt heimgekehrt war. „Privatsphäre hin oder her, ich habe doch ein Recht darauf, es zu erfahren, nicht?!“ Die beiden jungen Frauen hockten zusammen mit dem Baby in der Stube auf einer Decke und unterhielten sich, wobei Choraly immer wieder zwischendurch den Kleinen Jungen lieb haben musste. Ging nicht anders, der guckte schon so auffordernd. Im Moment lauschte sie jedoch dem Redeschwall ihrer Freundin. „Sicherlich.“, war ihre knappe Zustimmung deshalb. Ihr Gegenüber schnaubte aufgebracht. „Ich meine, zu Beginn war ich völlig besorgt, ich meine, es hätte ja auch sein können, dass ihr ein Unheil geschehen ist und sie nicht mit mir darüber reden möchte, aber mittlerweile bin ich mir doch sicher, dass es nicht so ist, sie ist schließlich viel zu gut gelaunt!“ Das war wahr. Ohnehin, Lilli hatte in der Sache so wie so in allen Punkten Recht, so ging das doch wirklich nicht, fand sie. Die Ältere strich sich entnervt eine Strähne aus dem Gesicht. „Mal unter uns, ich gönne es ihr ja, ich gönne es ihr mehr als allen anderen Menschen dieser Welt, denn es macht sie so unsagbar glücklich und dann muss ich mir immer, wenn ich nach ihrem Freund frage anhören, es wäre nicht so und ich würde sie nicht verstehen und bla...“ Genda unterbrach seine Mutter, indem er beleidigt quiekte. „Aww, bekommst du nicht genügend Aufmerksamkeit?“ Choraly kitzelte seinen Bauch, worauf er wieder mit Ärmchen und Beinchen wackelte und seine Mama weiter sprechen ließ. „Weißt du, wenn ich es ihr nicht gönnen würde, dann hätte ich es ihr doch gar nicht erlaubt. Nach dem Tod ihrer Mutter habe ich jetzt die Verantwortung für sie, meine Güte, sie ist erst 14 und blind und dass Naga sie jetzt nicht mehr will ist ja wohl klar, Himmel. Hand aufs Herz, sie wird ihr Baby lieben, aber ich bin doch die, die mich um es kümmern muss, nicht? Da könnte die Kuh mir doch wenigstens sagen, wer sie geschwängert hat, meine Fresse, dann kann der Arsch sich auch um sein Kind sorgen!“ Die Braunhaarige senkte frustriert den Kopf. Ja, irgendwann hatte Tainini begonnen, sich zu verändern und schließlich war Lilli dann aufgefallen, dass ihr Bauch begann, sich zu runden. Aus welchen Gründen auch immer weigerte sich die Kleine jedoch strickt zu verraten, wer der Vater ihres Babies war und die Mutter ihres Neffen war völlig ratlos, denn das blinde Mädchen hatte kaum allein das Haus verlassen und es war ihr nie ein männlicher Besucher aufgefallen. Aber irgendwo her musste das Kleine in ihr ja kommen, so war es ja nicht. Die Schwangerschaft hatte so einige Nachteile mit sich gebracht, so hatte sich Naga einfach dezent geweigert, dem Versprechen, das er seinem besten Freund vor einiger Zeit gegeben hatte, nachzukommen. 'Mal ehrlich, wir wissen doch Beide, was geschehen wäre, wenn ich sie zu mir genommen hätte, oder?', hatte er bei Lilliann verlegen gemeint, 'Und es ist einfach unter meiner Würde, eine Frau zu nehmen, die bereits ein Kind hat. Erst recht nicht, wenn ich noch nicht einmal weiß, von welchem Bastard sie sich hat schänden lassen.' Das waren harte Worte gewesen, mehr für die junge Mutter als für Tai. So konnte sie nicht zu ihren Eltern zurückkehren, sie konnte das jüngere Mädchen schließlich nicht einfach fallen lassen. Von Naga hatte sie sich seit dem abgewendet, sie waren immer gute Freunde gewesen, aber dass er so altmodisch eingestellt war und deshalb die Solidarität zu Jiro vernachlässigte, verletzte die junge Frau sehr. Und das hatte wiederum ihn beleidigt, so dass er sich auch nicht mehr weiter um sie scherte. Ihre Freundschaft war daran zerbrochen. Choraly und Dafi kümmerten sich seit dem umso mehr um die beiden Mädchen, sie waren schließlich wirklich zu bemitleiden, das Leben hatte ihnen in höchsten Maße übel mitgespielt. „Mal nebenbei.“, riss Lilli die Jüngere wieder aus ihren Gedanken, „Bist du nicht die allerbeste Freundin auf der ganzen weiten Welt von Dafilein?“ Die Angesprochene nickte. Worauf wollte sie hinaus? „Irgendwie schon, ja. Warum?“ „Die tuschelt oft mit Tai, die weiß sicher was, was wir nicht wissen. Die Beiden kennen sich schon lange, sie haben schon miteinander gespielt, da konnten sie sich noch ansehen, weil Tainini mir nicht traut wäre es doch wahrscheinlich, dass sie es ihr erzählt hat, oder?“ Klang logisch. „Und ich soll Dafi jetzt aushorchen oder was?“ Die Ältere nickte betrübt lächelnd. „Ja, das wäre nett. Meine Güte, Jiro hatte Recht, ich bin definitiv zu neugierig!“ Irgendwie schon. Dennoch, Choraly interessierte es ja auch. Sie würde sich bei der Himmelsblüterin erkundigen. -- Dafi hatte im Moment ganz andere Gedanken. Sie saß in einem kleinen Sessel in Pinitas Zimmer, das sie im Übrigen wenige Tage zuvor wunderschön hergerichtet hatte und starrte etwas geistesabwesend auf die Szene vor sich am Bett der Blonden. Die Ältere hatte sie wenig zuvor geschickt, um den Vater ihrer Tochter in die Station zu beten, während sie sich wieder etwas einrichten konnte. Ihre Räumlichkeiten mussten schließlich provisorisch auf ein Kind ausgerichtet werden. Und, sie hatte es kaum glauben können, der Gute hatte überhaupt nichts von seinem Glück gewusst und es gerade erst vor wenigen Sekunden erfahren. Jetzt saß er da auf dem Bett und hielt zum ersten Mal sein Baby auf dem Arm, Pinita stand bleich und mit gesenktem Haupt daneben. „Sprich doch.“, bat sie irgendwann, als sie fand, dass ihr heimlicher Freund lange genug apathisch gestarrt hatte und die kleine Himmelsblüterin begann nervös an ihrem Oberteil herum zu fummeln. Eigentlich wollte sie in diesem Moment gar nicht hier sein und eigentlich gehörte sie in diesem Moment auch sicher nicht hier her, so gern sie die 18-jährige auch hatte, das war nicht ihre Sache, aber man hatte sie ausdrücklich darum gebeten. Die Ältere hatte Angst. Verständlich, wenn auch für eine Person wie sie sehr untypisch. Genau so sehr wie die ganze Sache an sich, sie war Mutter, Himmel... Der junge Mann sah langsam zu ihr auf. „Was soll ich sagen?“, machte er, „Ich bin... verwirrt und ehrlich gesagt... etwas enttäuscht von dir, ich meine... warum hast du mir nichts davon gesagt?“ Irgendwie erschien das Paar gerade bemitleidenswert. Die junge Frau ließ sich ebenfalls auf das Bett sinken und hielt verlegen das Gesicht gesenkt. „Weißt du... ich habe gefürchtet, du würdest mich dann nicht mehr wollen. Ich dachte, wenn ich das Baby erst einmal habe, wirst du mich nicht so leicht fallen lassen können, weil... verdammt, sieh dir dieses bildhübsche Kind an!“ Weniger wegen ihrer Aufforderung als von selbst tat er, wie ihm geheißen und strich dem kleinen Mädchen sanft über sein Köpfchen. Es hielt die Augen geschlossen und schlummerte friedlich vor sich hin. „Ich hätte dich niemals im Stich gelassen. Niemals im Leben. Wie wunderschön das Kleine wird, stand ja ohnehin außer Frage bei der Mutter.“ Die Blonde sah überrascht auf und er lächelte sie sanft an. „Hey.“, grinste er da sogar, „Ich bin älter und reifer als du, Püppchen, eigentlich solltest du wissen, dass ich zu dir halte, nicht?“ Sie schnappte nach Luft und Dafi in ihrem Sessel erstrahlte. Das hatte sie sich jetzt so gewünscht! „Ich war mir nicht sicher!“, schluchzte die junge Mutter verwirrt, „Du hast mir nie gesagt, dass... dass... dass du mich liebst, nie!“ Er errötete ebenfalls. „Ich liebe dich.“ „Wie süß!“, die Cousine schlug sich die Hände vor den Mund, „Ich habe nichts gesagt, verzeiht!“ „Ja, klar....“ Vom frisch gebackenen Vater bekam sie kaum Aufmerksamkeit, aber das ging in Ordnung, denn stattdessen beugte er sich zu seiner Freundin und küsste sie zärtlich und tröstend auf den Mund, denn sie weinte. „Bist du mir sehr böse?“, fragte diese darauf und er schüttelte leicht den Kopf. „Ich bin zugegebener Maßen etwas... überrumpelt und wie gesagt, ich kann auch nicht ganz nachvollziehen, weshalb du mir oder jemand anderem nicht davon erzählt hast, das muss schließlich eine ziemliche Belastung für dich gewesen sein, aber... ich freue mich. Ich freue mich sehr über unser hübsches, süßes Mädchen!“ Seine blauen Augen begannen zu strahlen. „Du glaubst ja gar nicht, was ich ihr schöne Sachen nähen werde, sie wird herum rennen wie eine kleine Prinzessin!“ Als er die Kleine vorsichtig an sich drückte, lächelte Pinita gerührt. Das hatte sie ihm nicht zugetraut, wirklich nicht. Aber sie war den Göttern sehr dankbar, an so einen guten Mann geraten zu sein. Und sie war glücklich. „Ich liebe dich auch, Tafaye.“ -- „Du weißt, ich warte nicht mehr ewig.“ Mayora sah überrascht von seiner Arbeit auf. Er reparierte zum wiederholten Male die Dusche im Badezimmer und war gerade von Kopf bis Fuß nass, was ihm allerdings herzlich wenig ausmachte. Vorsorglich hatte er sich auch schon bis auf die Unterhose entkleidet. Wie schlau er doch war. In der Tür stand nun im Übrigen seine Tante, die vermutlich aus Solidarität zu ihm bloß ein Hauch von nichts trug. Nun gut, zugegebener Maßen war es äußerst unwahrscheinlich, dass sie wegen ihm in einem Mini-Kleid herum rannte, aber der Gedanke war doch einmal nett und lies den Jungen lächeln. „Worauf warten, Tantchen?“ Sie verschränkte die Arme vor der recht dürftig bedeckten Brust und funkelte ihn aus ihren bösartigen orangenen Augen an. Er legte perplex den Kopf schief. „Du bist inzwischen bereits 18 Jahre alt, Neffe, erinnerst du dich? Du bist ein Mann und deine Freundin ist eine Frau... kommt dir dabei was?“ Er schnappte nach Luft, doch ehe er sich empören konnte, senkte sie ihr Haupt ein wenig und sprach weiter. „Ich... habe nachgedacht, ich will nicht zu viel von euch beiden verlangen, so weit seid ihr einfach nicht... jedoch, denkst du nicht, zumindest eine Verlobung wäre drin?“ Verlobung? Der Junge errötete über und über. Heiraten sollte er, was dachte sie sich? Er war doch noch ein Kind oder fühlte sich zumindest so. Konnte sie ihn nicht einfach in Ruhe lassen? „Tante, ich will das nicht!“ Auf seine Antwort hin schloss Chatgaia einen Moment lang die Augen. Ich will nicht, Tante, ich mag das jetzt nicht, hat das nicht Zeit bis später? Ich mache das nicht, ich kann das nicht, ich finde das nicht gut... wer war das und wo war Mayora Timaro, das kleine, treu-doofe Kind, das vor Jahren zu ihr gekommen war? Einmal ließ sie sich das noch gefallen, zwei Mal auch, drei Mal vielleicht aber in letzter Zeit nahm es Überhand! Sie atmete tief ein. Ruhig bleiben. „Entweder, du tust einmal in deinem verfluchten Leben etwas sinnvolles, oder du kannst deine Sachen packen und ausziehen. Und Choraly wird hier bleiben, die werde ich mir dann schon so erziehen, wie ich sie brauche.“ Dieser Trottel brachte sie tatsächlich zum Zittern, das durfte doch nicht wahr sein. Er seinerseits ließ sein Werkzeug fallen und erbleichte. „Du möchtest mich... raus werfen?“ „Allerdings.“, sie öffnete ihre Augen wieder und verengte zu schmalen Schlitzen, „Ist ja nicht so, dass du noch nicht allein für dich sorgen könntest.“ Auch wenn das stimmte, er wollte nicht allein leben! Nicht ohne seine Tante und schon gar nicht ohne seine Prinzessin, das war doch nicht gerecht! „Tante, aber... das geht doch nicht!“, er fuhr sich nervös durch das nasse Haar, „Ich meine, was... warum denn? Ich liebe euch!“ „Und wenn schon!“, die hübsche Frau stemmte die Hände in die Hüften und warf ihr Haar zurück, „Ich kann dich zu fast nichts mehr gebrauchen! Du hörst nicht auf mich, dann brauche ich dich auch nicht!“ ... dann brauche ich dich auch nicht. Er drängte sich mit gesenktem Haupt an ihr vorbei und in sein Zimmer, die Dusche und das Werkzeug sich selbst überlassend. „Was soll das?!“ Während er sich mit einem einfachen Zauber abtrocknete, setzte ihm das Dorfoberhaupt nach und fand sich einen Augenblick später stirnrunzelnd in der Tür zum Raum des Jungen wieder. Er zog sich in Ermangelung seiner Kleider aus dem Badezimmer frische an und würdigte sie mit einem Mal keines Blickes mehr. „Ich rede mit dir!“ Er ignorierte sie weiter und begann, nun angezogen, weiter Klamotten aus seinem Schrank zu räumen. Ehe die Frau wieder fragen konnte, gab er die aufklärende Antwort. „Ich packe, damit du mich los wirst.“ Sie hob beide Brauen. „Ach, daher weht der Wind, sprich doch. Dass du nicht vorhast, meiner Aufforderung nachzukommen, wundert mich nicht wirklich, dass du freiwillig gehst, jedoch schon.“, gab sie mit eingebildeter Miene zu und er wandte sich ihr zu und grinste abwertend. „Ich brauche dich auch nicht, Chatgaia. Du hast Recht, ich bin längst ein Mann, ich sehe es nicht länger ein, mich von dir benutzen zu lassen wie ein Werkzeug. Ersetze mich doch durch Imera, den scheinst du in letzter Zeit ohnehin lieber zu haben als mich, nicht?“ Monatelang war dieser Depp dauernd im Haus gewesen und hatte genervt, es war zum Haare ausreißen. Die Grünhaarige lachte schallend auf. „Meine Güte!“, tat sie gespielt amüsiert, „Das ist nicht dein Ernst, oder? Ich bin deine Tante, ich habe dich freiwillig bei mir aufgenommen und aufgezogen, da werde ich doch etwas erwarten können, oder? Davon abgesehen ist Imera dein Bruder, er hat mir in der letzten Zeit bewiesen, dass ein kein Nichtsnutz ist und ich gebe zu, ich habe ihn tatsächlich etwas lieb gewonnen, welche Schande!“ Er zischte. „Ja, klar. Und erwarten, natürlich. Wäre es nur eine kleine Gegenleistung, würdest du mich nicht sofort heraus werfen, wenn ich mal nicht nach deiner Pfeife tanze, oder? Dann... hättest du mich lieb und würdest das auch zeigen.“ All die Jahre lang war er so blind gewesen, er hätte auf seinen dümmlichen Zwilling hören sollen. Oder auf Choraly. Oh Himmel. Die konnte er doch nicht hier lassen! Das würde sie nicht aushalten, außerdem würde er vor Sehnsucht sterben. Jetzt waren sie schon ein halbes Jahr fast unzertrennlich, er wollte nicht, dass sich das ändert. Er liebte sie. „Im Gegenteil, ich glaube, ich hatte dich sogar zu viel lieb, du bist ja verweichlicht wie ein Baby.“, riss seine Tante ihn da aus seinen Gedanken und er erschauderte bei ihrem spöttischen Ton, „Mal ernsthaft. Ich war dir eine gute Ersatz-Mutter, das wissen wir doch beide.“ Ja. Ob man es glaubte oder nicht, diese Frau konnte durchaus liebevoll sein. Aber wie lange war es her, dass sie zum letzten Mal miteinander gekuschelt hatten? Natürlich war er jetzt viel zu alt für sowas, dafür gab es jetzt seine Prinzessin, aber mit der Zeit war ihre zärtliche Seite zumindest für ihn verschwunden und er vermisste sie. Einmal ganz davon ab, sie verstand etwas falsch. „Ich hatte bloß eine Mutter und die ist längst tot. Du bist meine Tante, nicht mehr.“ Er erwiderte ihren Blick ernst und sie zuckte mit den Brauen. Dann veränderte sich ihr Blick mit einem Mal. „Du wolltest nie mein Sohn sein.“, stellte sie richtig fest und wandte sich zum Gehen, „Übel nehmen kann ich es dir nicht. Nur so viel, mit der Hoffnung ersterben auch die Bemühungen, Neffe.“ Dann ging sie und überließ es ihm selbst, ob er tatsächlich ausziehen wollte oder nicht. -- „Ja, ich weiß, wir hatten nie viel miteinander zu tun, aber hey, ich bin wieder da und wollte bloß hallo sagen! Und euch meine bezaubernde Tochter Kirima vorstellen.“ Nach der liebevollen Bestätigung ihres Freundes war Pinita wieder bester Laune und voller Elan und so hatte sie beschlossen, ihr Baby in seinen Korb zu packen und mit ihm ins Dorf zu rennen, um es allen möglichen Leuten, die es eh nicht interessierte, zu zeigen. Auf Dafis Drängen hin führte ihr Weg sie auch zu Lilli und damit auch zu Choraly und Tai. Letztere berührte das Neugeborene vorsichtig, um sich ein Bild von ihm machen zu können. „Es ist sehr hübsch!“, stellte sie fest und strahlte. Dabei streichelte sie gut gelaunt auch über ihren eigenen runden Bauch. „All zu lange dauert das aber auch nicht mehr...“, fiel der Blonden darauf auf und das ansonsten zierliche Mädchen nickte gut gelaunt, „Und wer ist der glückliche Papa?“ Lilli antwortete für sie. „Das ist das ganz große Geheimnis. Sie sagt es nicht.“ „Ist doch völlig egal!“, spielte die Schwangere die Worte der Älteren herunter, „Er wird jedenfalls der aller netteste, liebste Papi der Welt werden!“ Sie war bester Laune. Dafi zog die Stirn in Falten. „Na ja, ob das so stimmt...“ „Hoffen wir es, sonst bekommt er was in die Fresse, sobald mir auffällt, wem das Kind ähnelt...“, stimmte auch Lilliann mit ein und Choraly begann mit Kirima zu kuscheln. „Wie dem auch sei, ich wäre mal dafür, dass die werte Prinzessin selbst mal was Kleines bekommt, sie ist ja völlig Baby-fanatisch.“ Auf Pinitas Feststellung hin legten sich die Blicke auf das Stadtmädchen und das sah auf und errötete etwas. „Bloß nicht!“, machte es, „Ich bin viel zu doof dazu! Das kann ich nicht...“ Die Gastgeberin widersprach ihr. „Mit Genda kommst du doch prima zurecht, also warum denn nicht?“ Sie antwortete nicht und senkte den Blick. Das war etwas völlig anderes. Genda konnte sie besuchen und wenn er sie nervte, was bisher allerdings noch nie geschehen war, konnte sie wieder gehen. Natürlich konnte sie sich um ihn kümmern, aber sie hatte keine wichtigen Entscheidungen zu treffen, bei denen sie falsch liegen konnte und somit auch keine große Verantwortung. Davon abgesehen fand sie es auch seltsam, mit Mayora ein Baby zu bekommen. Er war doch die Missgeburt... „Und wer ist Kirimachens Papi, wenn ich fragen darf, obwohl ich auch dir meine Antwort verwehre?“, fragte Tai da und die Blonde errötete etwas. „Nun ja... es ist... ach, Dafi, sag du doch mal etwas!“ Die Cousine lachte. „Tafaye Alhatfa, unser allseits beliebter Schneider und ihr heimlicher Freund.“ Allgemeine Überraschung. Die frisch gebackene Mutter nickte zustimmend. „Im Ernst?“, gackerte Lilli darauf, „Da wäre ich jetzt nicht drauf gekommen, cool.“ -- Tafaye fand das auch cool. Leider hatte er nicht länger bei seiner Familie bleiben können, die Arbeit wartete schließlich nicht, aber so hatte er auch die Gelegenheit, jedem, der vorbei kam, von seiner Tochter zu erzählen. Gerade war Imera an der Reihe. „D-du bist Vater geworden?!“, machte der perplex, „Von Pinitas Kind?! Was hab ich denn da verpasst, Himmel?!“ Der Blonde grinste breit. „Nichts. Es soll ja auch Leute geben, die es wirklich schaffen, ihre Beziehungen geheim zu halten, auch wenn es anders als bei anderen nicht nötig wäre.“ Der Kunde war doch schlauer als vermutet. „Danke für den Seitenhieb.“, schnappte er, „Und jetzt habt ihr ein kleines Töchterchen oder wie?“ Wobei er doch etwas schwer von Begriff war, aber der Schneider kannte ihn ja seit Kindheitstagen. Nun gut, nochmal. „Ja, genau so ist es, du hast es volle Kanne erfasst, meinen Glückwunsch. Und bitte, Seitenhiebe gebe ich gern.“ Und oft, überlegte sich der Brünette, behielt es jedoch für sich. Der wusste irgendwie mehr, als er sollte, so kam es ihm vor. „Und wie macht ihr das jetzt?“, erkundigte er sich einfach weiter und sein Gegenüber lächelte wieder gutmütiger. „Pinita ist eine Karriere-Frau.“, erklärte er, „Sie arbeitet seit sie 14 ist an einem geheimen Projekt, an dem zuvor ihr Vater und davor ihr Großvater gearbeitet haben, sie will es unbedingt zu Ende bringen. So lange wird sie mit meinem kleinen Mädchen noch in der Station bleiben, so sehr ich sie auch vermisse. Aber ich will mir ja nicht nachsagen lassen, ich würde jemandem seine Freiheit stehlen...“ Er spielte gedankenverloren an einem Stück Kaliri-Stoff vor sich auf der Theke herum. Oh ja, er vermisste sie unheimlich. Sie hatte ihn sehr glücklich gemacht. „Und dann?“, erkundigte sich der Jüngere weiter. Das konnte er natürlich nicht wissen. „Na ja, wir haben noch nicht so genau darüber gesprochen, aber wenn sie das geschafft hat, habe ich vor, um ihre Hand anzuhalten und sie zu mir zu nehmen, damit wir zu einer richtigen Familie mit eventuell noch mehr Kinder werden. Mal sehen, was sie dazu meint, aber so habe ich mir das vorgestellt. Cool, oder?“ „Beneidenswert. Nun ja...“ Imera griff nach dem Stapel Kleider, der vor ihm auf der Theke lag und den Tafaye für ihn angefertigt hatte und wandte sich zum Gehen. „So leicht hat es nicht jeder, wie du weißt. Ich meinerseits werde mir was anderes überlegen müssen...“ So sah es aus. Frau und Baby, so ein Angeber aber auch. -- Choraly guckte recht blöd, als sie am Abend in Mayoras Zimmer kam, um wie so oft bei ihm zu schlafen und ihm die Neuigkeiten zu erzählen. Der Junge saß auf gepackten Koffern und starrte verbiestert aus dem Fenster. „Was... hab ich denn jetzt schon wieder verpasst...?“ Er schnaubte. Ja, was eigentlich? Er hatte seine verdammte Tante durchschaut. Mehr oder weniger. Wofür sie eigentlich nichts konnte, seine geliebte Prinzessin. So erhob er sich seufzend. „Ich... werde wohl ausziehen müssen. Meine Tante und ich... wir... verstehen uns nicht mehr, weißt du? Aber du solltest vorerst hier bleiben.“ Er verschwieg, weshalb es so weit gekommen war, sie war auch so schon geschockt genug. „Was, ausziehen?! Und mich allein hier lassen? Hackt es?!“ Wie zu erwarten verstand sie ihn so nicht und warf sich geschockt in seine Arme. Er konnte sie doch nicht zurücklassen! „Ich werde selbstverständlich mit dir kommen, Liebster!“ Was diese alte Hexe wohl gemacht hatte, dass ihr Neffe von ihr weg wollte? Unglaublich! „Ich liebe dich, lass mich nicht allein.“ Er erwiderte ihre Umarmung sanft. Es tat ihm ja so furchtbar Leid... „Glaub mir, ich tu es nicht gern, aber es ist so, dass...“ „Ihr bleibt hier, alle beide, niemand zieht aus.“ Das Paar sah auf und zur Tür, wo das Dorfoberhaupt stand und die Arme abermals vor der Brust verschränkte. Die Frau sah irgendwie gerändert aus... „Bitte?!“, machte ihr Neffe perplex und sie drehte sich um und wandte sich wieder zum Gehen. „Du wirst hier bleiben. Tut mir Leid, ich... hab dich gern.“ -------------- Juhuu, Babies! >////< Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)