Jumays Kinder von -Izumi- (Part 5: Kinder des Wassers - Verloren im Sand) ================================================================================ Kapitel 33: Geständnis ---------------------- Dafi hastete geschockt aus der Station. Frische Luft, das war alles, was sie im Moment brauchte, auch wenn die Wüstensonne eher den Effekt eines Nudelholzes auf dem Kopf hatte. Aber alles war besser als sich jetzt in ihrem stickigem Zimmer zu verschanzen. Pinita hatte da doch nicht etwa auf Thilia angespielt? War das nicht unlogisch, wo doch ihr Freund und ihre Tochter da waren? Oder am Ende gerade deshalb wahrscheinlich?! Wollte sie sie vielleicht los werden? Wer wusste es schon, bei dieser Intrigantin war sich die kleine Magierin bei nichts mehr sicher. Es war so ernüchternd, wenn sie bedachte, dass sie ihr komplettes Leben für so einen Menschen weggeworfen hatte. Einfach so aus blinder Liebe. Dabei hätte es ihr damals doch komisch vorkommen müssen, als sie sie so unmittelbar nach dem Tod ihrer Familien, noch im Angesicht der Flammen um diese furchtbare Sache gebeten hatte. Und sie hatte einfach so zugestimmt... verdammt, wie hatte sie so dämlich sein können?! -- In Thilia ahnte man im Moment noch nichts von Dafis Sorgen. Was natürlich nicht hieß, dass alle gut gelaunt, durch die Gegend hüpften. Nein, Choraly zum Beispiel ging es ziemlich schlecht, als sie am Küchentisch saß und ein mit Blut gefülltes Glas anstarrte. Genauer, ein mit ihrem Blut gefülltes Glas, Chatgaia hatte es ihr auf ihre Bitte hin abgenommen. „Und was passiert jetzt?“, fragte sie beunruhigt und das Dorfoberhaupt setzte sich zu ihr und schenkte beiden jeweils eine Tasse Tee ein. Chatgaia seufzte leicht und hob das Glas an, um es gegen das Licht zu halten. Sie war aufgeregt, aber das zeigte sie der Freundin ihres Neffen im Moment lieber nicht, wo die schon nervös für zwei war. Im Laufe der letzten Monate hatte sich das Stadtmädchen tatsächlich verändert, sie hatte ihren Charakter zwar behalten, aber hatte sich angepasst und präsentierte sich dem Dorfoberhaupt immer wieder, meist sogar ungewollt, in gutem Licht. Und mehr verlangte dieses mittlerweile auch nicht mehr. Ja, sie hatte die Kleine fast schon ein wenig lieb gewonnen. Vor allen Dingen, sie machte Mayora sehr glücklich. Und vielleicht bald auch sie. Ihr Blut würde es verraten. „Wenn sich nichts tut, war es falscher Alarm, wenn es dunkler wird, bekommst du ein Baby, ganz einfach. Meine Großmutter hat dieses Verfahren erfunden, sie war eine wahrlich weise Frau.“ Sicherlich, aber das war dem Mädchen jetzt recht egal. In den letzten Wochen war ihr ständig übel gewesen, sie hatte sich komisch gefühlt und ihre Regel war mehrmals ausgeblieben, Himmel, dabei konnte sie doch noch nicht einmal für einen Hund sorgen! Sie wollte zu Atti... „Ich fürchte mich!“, gab sie weinerlich zu und vergrub die Hände im Gesicht. Die Ältere stellte das Glas wieder ab und hob eine Braue. „Nun weine doch nicht schon im Voraus.“, machte sie erstaunlich mütterlich und schob ihr die für sie gedachte Teetasse auffordernd etwas näher. Sie verstand sie und verstand sie auch nicht. Ja, sie konnte sich gut vorstellen, dass ein solch verwöhntes Mädchen wie Choraly sich vor einer solchen Verantwortung fürchtete, das war sicher nicht besonders leicht. Zumindest würde ihr Charakter es schwerer haben als Lilli, wobei sie zum Ausgleich einen Mann an ihrer Seite hatte. Und Mayora würde ein guter Vater sein, das wusste sie einfach. Jetzt galt es bloß noch, wenn es denn wirklich so war, wie es schien, ihr klar zu machen, welch ein Glück ein Kind bedeutete. Natürlich auch viel Stress und Sorgen, aber in erster Linie machte so ein kleines Baby Freude. So war es der Magierin zumindest selbst gegangen. Genauer genommen bloß bei Taranii, ihre Tochter war zu schnell tot gewesen, als dass sie sie hätte glücklich machen können, ihr ganzes Leben hatte quasi aus sterben bestanden... „Ich habe aber solche Angst!“, schluchzte die Jüngere da und sah sie aus geröteten Augen wieder an, „Ich komme nicht von hier, ich bin zu jung für ein Kind! Ich kann das nicht, ich komme ja noch nicht einmal alleine klar, ich brauche immer Hilfe! Und ich habe Angst vor der Geburt, hier gibt es ja noch nicht einmal Krankenhäuser und richtige Ärzte, nichts für Ungut...“ Ansichtssache, nach der Meinung des Dorfoberhauptes, das jetzt genüsslich selbst Tee trank. Vielleicht lag ihre Heulerei zu einem gewissen Teil auch einfach an den Stimmungsschwankungen, die so eine Schwangerschaft gelegentlich mit sich brachte? An sich hatte sich die Kleine doch sonst verhältnismäßig gut unter Kontrolle... „Du bist nicht zu jung für ein Kind.“, versuchte sie ihr dennoch Mut zu machen und legte tatsächlich einen Arm um sie. Dabei war sie doch eigentlich so distanziert... „Niemand verlangt von dir, dass du das alles allein schaffst. Mayora ist da. Ich bin da. Deine Freunde sind da. Wir helfen dir doch und...“, sie schielte zum Glas, „Freue dich jetzt lieber, ich freue mich!“ Statt sich zu freuen begann das Mädchen nur herzergreifend weiter zu weinen. „Ich hab solche Angst!“, jammerte sie immer zu und die Ältere zog sie dichter zu sich heran. Ja, hatte sie. Aber es würde in Ordnung gehen, das spürte sie, die Kleine war bloß geschockt. Sie hatte ein gutes Herz, das hatten ihr die Götter des Feuers oft genug zugeflüstert, wenn sie wieder einmal wütend auf sie gewesen war, was besonders zu Beginn ihres Aufenthaltes in ihrem Haus sehr häufig vorgekommen war. Jetzt eher selten und dann nie lange. Und nun hatte sie sie mit einem Mal noch lieber gewonnen, sie schenkte ihrem Neffen ein Kind! „Und wie soll ich das... wie soll ich...“, sie schluckte schwer und sah zitternd in das Gesicht der Grünhaarigen, „Wie soll ich das denn Mayorachen sagen?“ Die Frau lachte. Das war das Leichteste! -- Dafi hatte den Entschluss gefasst, eine Verräterin zu werden. Theoretisch konnte man sie dafür töten, man musste sie dafür erst einmal in die Finger bekommen und so leicht würde sie sich nicht fangen lassen. Ihr Grundsatz galt noch immer; ihre Freunde waren wichtiger als ihre Arbeit. Und so würde es auch bleiben. So ging sie nun, nachdem sie sich vom ersten Schock erholt hatte, nach Thilia. Ursprünglich wollte sie direkt zu Chatgaia, entschloss sich dann jedoch sich zuerst irgendwo ausheulen und da ihr Haus ohnehin auf dem Weg lag, kamen ihr Lilliann und Tainini ganz Recht. Letztere war wirklich kugelrund, als sie die Tür öffnete und sie mit einem fragenden „Hallo?“ begrüßte. Sie sah unheimlich hübsch aus, die Schwangerschaft stand ihr ungemein. Fast schon schade, dass es jetzt bald schon vorbei war. „Ich bin es, Dafi, hallo!“ Und damit wurde sie ausgiebig geknuddelt, was ihr bei dem Schmerz, den ihre Cousine ihr bereitet hatte, plötzlich unheimlich gut tat... Und den gewünschten Trost fand sie bei ihren Gastgeberinnen schließlich auch, als sie ihnen alles erzählt hatte und diese sie erbleichend musterten, sofern sie es konnten. „Wie furchtbar!“ Tai, als kleines Sensibelchen, schluchzte. Lilli seufzte auch. Sie war gerade dabei, den kleinen Genda zu stillen, der mittlerweile immerhin wieder völlig gesund war. So lag er als einziger gut gelaunt in Mamas Arm und trank genüsslich, ab und an schielte er auch zu ihrem Gast, aber seine Hauptaufmerksamkeit lag bei seiner Mutter. Wobei von ihm auch niemand Anteilname erwartete. „Wein doch nicht gleich, so schlimm ist es nun auch wieder nicht.“ Die Magierin kratzte sich aufgesetzt lächelnd am Kopf. Sie hatte sich doch die Seele leicht reden wollen und nicht ihre Freundin derart bekümmern, das ging doch nicht. „Und was machst du jetzt?“, erkundigte sich Lilli jedoch ebenfalls besorgt und ihr Gegenüber senkte den Blick. „Ich dachte daran, Chatgaia zu warnen, ich meine, wenn ich mich nicht sehr irre, könnte das Dorf in großer Gefahr sein...“ Sie war immerhin das Dorfoberhaupt und eine sehr mächtige Magierin des Feuers. Wie Dafi, eigentlich. Ja, eigentlich war sie auch eine Magierin, eigentlich sprachen auch die Götter zu ihr, aber sie hasste das Feuer. Die Flammen hatten ihr die Familie gestohlen. Sie verabscheute sie dafür und versuchte, ihre Ohren für die sanften Stimmen zu verschließen, dabei konnte sie der Versuchung, den lieben, Mut machenden Worten zu lauschen, nicht immer widerstehen. Und dafür schämte sie sich ziemlich, aber das war eine andere Geschichte... Ihr Gegenüber riss sie aus ihren Gedanken. „Und was soll die machen?“ „Wie, was soll die machen?“, wunderte sich Tai und Dafi sah wieder auf, als die Gastgeberin sie ernst musterte und ihr Baby von der Brust nahm, um es so zu legen, dass sie ihm behilflich auf den Rücken klopfen konnte. Musste ja sein... „Nun ja, Chatgaia ist zwar unsere Chefin, eine Magierin ohne gleichen und eine weise und meiner Meinung nach etwas pervers angehauchte Frau... aber was soll sie tun?“, sie rückte Genda zurecht und ihr Gast hob verwirrt beide Brauen, „Wenn die Thilia wollen, geht es ihnen um... lebende Ziele, um es dezent auszudrücken. Evakuiert werden können wir nur nach Morika und dann kommen sie meinem halbwegs logischen Denken nach eben einfach dahin, oder? Und was gibt es sonst? Die Himmelsblüter sind nicht mehr das, was sie einmal waren, die kommen doch nicht gegen Schusswaffen oder so etwas an!“ Betretenes Schweigen. Ja, selig waren die, die weiter als bis zum Mittagessen denken konnten. Himmel sei Dank war sie nicht sofort zum Dorfoberhaupt gerannt, am Ende hätte sie sich noch blamiert... wobei sie das ja ohnehin jeden Tag tat. Sie lehnte sich seufzend im Stuhl zurück und schloss die Augen. Sie fühlte sich einfach nur mies und leer, alles war unwirklich. Sie vermisste ihre Cousine, obwohl sie sie auch hasste. Es war seltsam... Ein Klopfen an der Haustüre riss die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich und ließ die Gastgeberin seufzen, als sie ihren Sohn seiner runden Tante übergab und in den Flur zum Öffnen eilte. „Was hat sie?“, machte Dafi und setzte sich wieder anständig hin, damit sie ihr nachsehen konnte. Tainini lachte leise und wiegte ihren kleinen Neffen sanft hin und her. „Das ist Imera.“, antwortete sie, „Er kommt jeden und jeden Tag und sie ist von seiner und ihrer Verliebtheit reichlich genervt.“ Ihrer Verliebtheit? „Ach, sie ist auch...?“, weiter kam sie nicht, da betrat die Gastgeberin, tatsächlich gefolgt von dem brünetten jungen Mann, den Raum. „Hi!“, machte der gut gelaunt und kam sich reichlich bescheuert vor, als ihm niemand antwortete, „Na gut, dann setze ich mich halt und schau euch beim Schweigen zu, mir Wurst.“ Er tat, was er ankündigte und Lilli wandte sich wieder an Dafi. „Die wissen aber noch nicht, dass du sie verraten hast, nicht? Dann kannst du dich doch theoretisch noch frei in der Station bewegen, oder?“ Ja, das war wahr. Sie nickte. Ihr Gegenüber nahm die Teekanne und schenkte sich noch ein, trank jedoch nicht selbst, sondern schob ihre benutzte Tasse über den alten Tisch zu Imera, der sie kommentarlos annahm und trank, obwohl zu erkennen gewesen war, dass sie das Geschirr zuvor benutzt hatte. Auf den perplexen Blick der Magierin hin lächelte der Ältere nur errötend. „Nun gut.“, sprach die junge Mutter da weiter, „Soweit ich weiß hat der Kontinent, von dem unsere liebe Choraly stammt, die meiste Macht auf unserem kleinen Planeten. Du könntest doch heimlich versuchen, dahin zu funken? Dann könnten die uns helfen und die Prinzessin könnte wieder nach Hause, wäre doch ideal.“ Imera trank sein ohnehin erkaltetes Getränk aus und mischte sich dann verwirrt ein. „Lilli, Liebes, Moment mal! Ich habe zwar keinerlei Ahnung, wovon ihr hier redet, aber... Noboka anfunken? Hackts?! Die würden uns umbringen! Mal ganz davon ab, dass mir diese Anfunk-Pläne etwas suspekt sind, ich denke, wir wissen alle, was beim letzten Mal passiert ist...“ Er sprach lieber nicht weiter, als Tai geschockt die Luft einzog und den kleinen Genda etwas dichter an sich drückte. Sie hatte ihn ziemlich lieb. Ob das Dorfoberhaupt ihren Neffen auch so lieb hatte? „Wir sind nicht alle Himmelsblüter!“, widersprach die Jüngere da und sah ihn empört an. Wie konnte er es wagen, ihre Worte in Frage zu stellen, der Mistkerl?! Immerhin schaute er schuldbewusst. Oder blöd. Oder beides. „Klar, es besteht ein gewisses... großes... Risiko... aber! Das große Aber, überlegt mal, was mit uns passiert, wenn diese Deppen, und danach sieht es momentan ziemlich aus, uns tatsächlich mit irgendwelchen gruseligen Wunderwaffen beballern?! Und dieses Mal, mein liebster Imera...“, ihre Tonlage klang nicht wirklich liebenswürdig, als sie ihn finster anvisierte, „Werden wir Chatgaia oder Mayora um ihr Einverständnis bitten, es geht schließlich um das Wohl des Dorfes. Wenn die uns ihr okay geben, denke ich nicht, dass jemand zu Schaden kommt.“ „Und wenn nicht...?“, fragte die von Lillianns Initiative überwältigte Dafi und ihre Gegenüber senkte den Blick. „Dann wird es etwas komplizierter...“ „Soll ich mal meinen Bruder oder meine Tante hier her zitieren?“, lenkte Imera die Aufmerksamkeit wieder auf sich, „Ich meine, ich weiß immer noch nicht, wovon ihr hier richtig redet, ich kann das nicht weiter geben, mal ganz davon ab, dass ich die Hälfte bereits wieder vergessen habe und von dir als Mutter eines kleinen Kindes wird wohl keiner verlangen, dass du quer durch das Dorf rennst...“ Die Jüngere nickte, ehe sie sich erhob und begann, den Tisch abzuräumen. Es war altes Geschirr, dass Jiros Mutter irgendwann einmal besorgt hatte, als sie noch Kinder gewesen waren. Sie wusste nicht, warum sie plötzlich daran denken musste, wie sie zum ersten Mal aus einer solchen Tasse getrunken hatte. Damals hatte sie auch den Tisch abgeräumt. Aber das war jetzt nebensächlich. „Ich hasse Mayora...“, fiel ihr plötzlich ein und ihr Verehrer erhob sich. „Soll ich ihn trotzdem herbringen, wenn Chatgaia nicht da ist?“ Sie nickte. Für Dafi und das Dorf. -- „Moment mal, du... du kannst ihn mir jetzt nicht wegnehmen, ich muss ihm doch etwas wichtiges sagen!“ Wegnehmen hielt Imera für übertrieben ausgedrückt, als er eine halbe Stunde später in der Küche seiner... Tante stand und seinen kleinen Bruder gerade gebeten hatte, ihn zu Lilli zu begleiten, was Prinzessin Choraly scheinbar nicht so besonders gefiel. So zeterte sie ihn auf die einfache Bitte hin schon circa fünf Minuten lang an, ohne ihren Freund auch nur ein einziges Mal zu Wort kommen zu lassen. Dabei hätte er eigentlich gleich lieber das Dorfoberhaupt persönlich mitgenommen, aber das war ja leider außer Hause. War er an sich bedauerlicherweise ja gewohnt... „Wenn ich mich kurz einmischen dürfte...“ „Du bist still!“ Das brünette Mädchen riss ihn aus seinen Gedanken, als es seine Arme entnervt vor der Brust verschränkte. Apropos Brust, war er jetzt ganz blöd oder waren ihre Brüste fülliger geworden? Na ja, musste ihn nicht scheren, er hatte ja eh nichts davon... „Konnten Lilli oder Dafi nicht schnell hier her kommen und das klären? Warum soll er zu ihnen, am Ende haben sie sich noch gegen ihn verschworen und wollen ihn umbringen oder so!“ Die Zwillinge warfen sich einen gleichermaßen doofen, wie auch verwirrten Blick zu, als sie ohne Vorwarnung zu weinen begann. „Ich dachte, ihr seid Freunde, warum verdächtigst du sie dann so schlimm?“, wagte der Grünhaarige den Mund aufzutun und sein Bruder fuhr sich entnervt durchs Haar. Irgendetwas war hier falsch, oder kam ihm das nur so vor? Er kannte die Prinzessin doch, seit wann war sie so krankhaft besorgt? Und ließ etwas über Lilli oder Dafi kommen? Moment, war das überhaupt Choraly?! „Aber Lilliann hasst dich, Mayorachen, sie haut dir bestimmt die Pfanne auf den Kopf, sobald du ihr Haus betrittst!“ Sie flennte herzerweichend und ihr Freund nahm sie verwirrt in den Arm und drückte sie zärtlich an sich. „Aber Süße...“ „Nicht doch!“, empörte sich auch Imera und schnaubte etwas beleidigt darüber, dass sie seiner Liebsten solche Schandtaten zutraute, „Es geht um Leben und Tod, um das Schicksal dieses Dorfes, ja, vielleicht... wenn man es genau nimmt sogar um das Schicksal dieser Welt...!“ Der Junge schauderte, als ihm mit einem Mal das Ausmaß der Katastrophe bewusst wurde. Thilias Zerstörung wäre sicherlich bloß ein harmloser Anfang. Er dachte an die vielen Menschen in großen Städten wie Wakawariwa und Fides, wenn man es genau nahm hing in diesem Moment möglicherweise ausgerechnet von ihm deren Schicksal ab. Wie gruselig... Choraly scherte das wenig, sie heulte hemmungslos weiter. „Mir geht es nicht gut, verstehst du das nicht, du Rüpel?! Ich will jetzt nicht alleine hier sein!“ Sie drückte sich erzitternd an Mayoras Brust und der zuckte bloß mit den Schultern, als er sich einen perplexen Blick von seinem Bruder fing. Der seufzte darauf. „Lilli hat ein kleines Baby und Dafi geht es im Moment nicht gut, es wäre schon toll, wenn Missgeburt mitkommen könnte!“ Man hatte ihn, ehe er losgegangen war, noch einmal in alles eingewiehen, von daher war ihm auch klar, wie wichtig das jetzt war und da durfte er sich von einer flennenden Göre nicht ewig aufhalten lassen, bei seiner Liebsten wartete man schließlich ungeduldig. „Ich will aber, das er hier bleibt, du Arschloch, geh und stirb!“ Und etwas Stolz hatte er dann auch. Chatgaia hatte ihm einmal gesagt, wenn er etwas stolzer war, würde man ihn auch ernster nehmen, das musste er mal testen. Ganz davon ab, dass er tatsächlich etwas genervt von ihrem zickigen Gehabe war und etwas impulsiver reagierte, als eigentlich geplant. So riss er seinen Bruder grob am Arm zu sich, dass er gezwungen war, seine unglückliche Freundin los zu lassen und diese schrie empört auf. Dass das nicht so viel mit Stolz zu tun hatte, scherte ihn nicht sonderlich... „Hallo?!“, fuhr auch der Grünhaarige ihn an und versuchte, ihn abzuwimmeln, was sich leider als schwieriger erwies, als gedacht, weil der Depp irgendwie ziemlich stark war. Nun gut, körperlich war er ihm schon immer überlegen gewesen. „Seid ihr beiden echt so hohl?! Wie oft komme ich denn bitte an und sage, es geht um Leben und Tod, dass ihr mich nicht ernst nehmt? Es ist wichtig, verdammt!“ Der Jüngere zappelte weiter. „Ist mir so hoch wie breit, es muss warten, ich kümmere mich jetzt zuerst um meine Freundin... und verdammt, fasse mich nicht an!“ Statt los zu lassen, hielt er ihn nur noch fester. Warum konnte er nicht einfach ja sagen und ihm folgen? War das denn SO viel verlangt?! Also bei Choraly war doch wirklich eine Sicherung durchgebrannt... Langsam wurde er echt sauer. „Oh, musst du weinen?!“, blaffte der Junge seinen Zwilling deshalb an und zog ihn ein Stück Richtung Tür, „Früher hast du doch immer so gern kuscheln wollen!“ Mayora errötete. „Ja, kuscheln, aber doch nicht Arm ausreißen lassen, du Spast!“ Er schaffte es mit einem Ruck, sich zu befreien, landete aber unsanft auf dem Hintern und ehe er sich wieder hätte erheben können, hatte der Ältere ihn wieder gefasst und hob ihn mit einiger Bemühung zu seiner Empörung einfach hoch wie ein kleines Kind und warf ihn sich über die Schulter. Das Mädchen hörte perplex auf zu weinen. „Boah, bist du sauschwer geworden, dir geht’s wohl zu gut?!“ Der Brünette schwankte etwas hin und her, der Magier war zu geschockt, um irgendeine Regung von sich zu geben. Das glich ja annähernd einer Entführung, aber zur Not eben mit Gewalt, ihm sollte es Recht sein. Auch wenn er körperlich leider wirklich nicht der Stärkste war, das würde nicht so ganz leicht werden, aber was sein musste, musste sein und so drehte er sich wieder gut gelaunt um und trampelte zur Haustüre, Choraly rannte ihm blöd schauend nach. Erst als er die Klinke schon in der Hand hatte, begann Mayora herum zu zappeln. „Bist du noch ganz beisammen?! Lass mich runter oder ich zieh dir das leere Hirn aus der Nase, du Wichser!“ Er zappelte und sein Bruder hatte einige Mühe, ihn festzuhalten. Vom Lachen hielt es ihn jedoch nicht ab. „Bist du aber schnell!“, lobte er ihn ironisch und knuddelte seine Beine aus Spaß an der Freude, „Wenn du artig mitkommst, darfst du auch selbst gehen!“ Er schenkte dem erbleichten Mädchen neben sich einen amüsierten Blick. Jetzt war sie gänzlich außer Fassung... „Die Prinzessin darf auch mitkommen, okay? Ich denke nicht, dass da einer ein Problem mit hat.“ Da hätte er auch schon früher drauf kommen können, aber gut, besser spät als nie. Choraly nickte sprachlos und ihr Freund seufzte und begann genervt, Imeras Hintern zu versohlen, worauf der empört schnaubte. „Geht es noch? Hör auf, du schwuler Pseudo-Sadist!“ „Dann lass mich endlich runter! Ich komm ja mit, aber erst muss ich mich übergeben, glaube ich...“ Der Himmelsblüter hatte wirklich eine bedenkliche Gesichtsfarbe angenommen, Kopf-über hängen bekam ihm wohl nicht so... Heute Abend hatte er sicher wieder Fieber, ganz toll. „Artiges Hündchen!“ Der Ältere war sichtlich zufrieden mit sich, als er den Grünhaarigen losließ und der unsanft den Boden grüßen durfte. Ja, er war schon gut, das hatte er fein gemacht. So wartete er auch geduldig, bis sein kleiner Zwilling wieder etwas kränklich aus dem Badezimmer gestolpert kam und beschwerte sich auch nicht, als Choraly ohne ersichtlichen Grund plötzlich wieder anfing, zu heulen. -- Lilliann war etwas genervt, weil es so lange gedauert hatte, begrüßte aber das aus unerfindlichen Gründen völlig aufgelöste Stadtmädchen mit einer liebevollen Umarmung, Dafi und Tai machten es ihr nach. Letztere hätte das aber lieber gelassen, denn als die Brünette ihren runden Babybauch sah, auf den die werdende Mutter doch eigentlich so stolz war, kamen ihr erneut die Tränen. „Entschuldigung!“, schluchzte sie, „Ich... ich kann nicht anders, verzeiht mir!“ Ihr Freund zuckte nur mit den Schultern, als die Gastgeberin ihm einen vernichtenden Blick zuwarf. Er war eh Schuld. War er wirklich... Sie zwang sich, ihre betrübte Freundin zu ignorieren und sich an den verhassten Magier zu wenden. Sie hätte lieber mit Chatgaia gesprochen, aber die war wohl nicht da, wie es schien. Imera hätte ansonsten sicherlich lieber die mitgebracht, glaubte sie. „Dafi hat uns interessante Dinge über ein geheimes Projekt der Station erzählt.“, begann sie, dabei im Raum auf und ab gehend. Zwischendurch hielt sie bei Genda, der in einem kleinen Korb auf der Fensterbank lag und schlief. „Kurz gefasst geht es darum, dass sie, wenn ich das richtig verstanden habe, sich auf einen Krieg vorbereitet haben, mit vielen komplizierten Strategien und neuen Schusswaffen. Und eben die wollen sie jetzt testen, an einem bewohnten Ort, um den sich aber möglichst niemand schert.“ Sie hielt an und machte eine Spannungspause. Choraly, die sie als erste verstand, begann gleich wieder zu weinen und klärte ihren Freund auf, während sie sich zitternd auf einen der bequemen alten Stühle sinken ließ. „Oh nein!“, machte sie, „Die wollen Thilia opfern...!“ Der Himmelsblüter keuchte und starrte fragend zu Lilli, die düster nickte. Thilia opfern? „Nicht im Ernst!“, war alles, was er zunächst heraus brachte und ließ sich, vom Schrecken weiter geschwächt, geschockt auf dem letzten freien Platz fallen und nahm ihn damit ungewollt seinem Bruder weg, der sich gerade hatte setzen wollen und nun verärgert die Arme vor der Brust verschränkte und sich an die nächste Wand lehnte, um nicht sinnlos im Weg herum zu stehen. „Wir haben schon etwas geplant.“, erzählte die Gastgeberin da ernst weiter und begann auch wieder mit dem hin und her Gerenne , „Dafi funkt nach Wakawariwa, das birgt ein gewisses Risiko für uns, aber ich halte es für sinnvoller, als sich mit Mistgabeln auf Granaten zu stürzen. Möglicherweise wird uns von denen geholfen, wenn wir ihnen berichten, dass Choraly bei uns lebt, die könnte dann natürlich auch wieder zu ihrem Vater, wenn sie wollte.“ Angesprochene hörte auf zu weinen. „Damit könnten wir unter Umständen sogar einen Krieg verhindern und die Welt retten, wenn man so will, und darum fragen wir dich stellvertretend für deine Tante, die ehrenwerte Chatgaia, um Erlaubnis.“ Alle Blicke ruhten auf Mayora, der nachdenklich die Augen kurz schloss. Hieß das, dass er unter Umständen seine Prinzessin verlor? Wie auch immer, wenn das Dorf wirklich in Gefahr war, musste er das in Kauf nehmen. „Ist das alles genau so, wie Lilliann das gesagt hat, wahr?“, erkundigte er sich sicherheitshalber noch einmal bei Dafi und öffnete die blutroten Augen wieder. Die nickte bestätigend. „Genau so ist es. Leider. Meine Cousine hat mich hintergangen.“, sie senkte ihr Haupt und Tai legte tröstend einen Arm um sie. Lilli für ihren Teil schnaubte leise, weil sie sich verarscht vorkam. War sie nicht glaubwürdig genug? Er erhob sich und räusperte sich etwas wichtigtuerisch, so kam es ihr vor. „Nun gut, das klingt logisch.“, gab er zu und warf einen skeptischen Blick in die Runde, „Aber das Risiko erscheint mir wirklich enorm. Ich stimme vorerst zu... auch im Namen meiner Tante.“ Er fuhr sich gestresst durch sein grünes Haar und überlegte wieder kurz. „Sie lässt sich vermutlich nicht so schnell überzeugen, weil sie nicht so viel Vertrauen zu euch hat, wie ich. Ganz ehrlich, ich habe auch keine Ahnung, was da auf uns zukommen würde und was gut oder schlecht ist, aber es klingt mir ungemütlich ernst. Und ich denke Choraly hätte uns auf einen möglichen Denkfehler hingewiesen, neben Dafi hat sie vermutlich die meiste Ahnung von solchem Zeug.“ Er schenkte ihr einen ersten Blick und sie erschauderte, als sie sich vorstellte, was geschehen würde, wenn man das arme Dorf mit diesen gruseligen Waffen angreifen würde. Als Kind hatte ihr Vater ihr mal welche gezeigt, die Noboka auf Vorrat hatte und ihr erklärt, was welche machte, das hatte ihr gereicht. Das waren Höllen-Dinger, und dabei waren die von damals schon völlig veraltet gewesen, wenn das jetzt etwas ganz neues war... schrecklich! Sie wollte nicht daran denken, der Gedanke, ihren Vater wieder zu sehen, gefiel ihr viel besser... nach so langer Zeit. Ob er sich wohl verändert hatte...? „Also ich würde mal sagen, macht, was ihr da geplant habt. Imeras Drängen vorhin hat schon etwas angedeutet, dass es wohl dringend ist, also sollten wir wohl keine Zeit verschwenden, was? Ich kümmere mich schon um meine Tante.“ Und das würde vermutlich nicht sonderlich leicht werden. Aber was Lilli gesagt hatte klang logisch, die Menschen aus den großen Städten hatten ganz fürchterliche Waffen, gegen die der beste Magier der Welt nicht ankommen konnte. Das grenzte schon fast an künstliche Magie... Die junge Mutter seufzte und schenkte dem, in ihren Augen, Mörder ihres Verlobten tatsächlich ein leichtes Lächeln. „Ich bin nicht viel schlauer als du, was das betrifft.“, gab sie zu, „Aber das war in meinen Augen eine ziemlich kluge Entscheidung, hätte nicht gedacht, dass du dich darauf einlässt, wo deine Tante doch so darauf achtet, dass niemand uns verrät.“ „Es erscheint mir als einzig logischen Weg... Angst macht es mir dennoch.“ Ja, er hatte ziemlich schnell zugestimmt, aber ihm fiel nichts ein, was dagegen spräche. Und auch kein anderer Weg, was war ihm da anderes übrig geblieben? Er wollte das Dorf in Sicherheit wissen! Hoffentlich verstand Chatgaia das... Dafi räusperte sich, und errötete, als sie die gewünschte Aufmerksamkeit bekam. Sie hatte die ganze Zeit überlegt, ob sie es sagen sollte... „So viel Zeit muss jetzt sein.“, machte sie, ohne aufzusehen, „Ich will euch von dem Tag erzählen, an dem ich meine Familie in den Flammen verlor. Es gibt etwas, das wisst ihr nicht, jetzt, wo ich nicht mehr für die Station arbeite, kann ich es endlich sagen. Und ich will es endlich los werden.“ Tainini riss die blinden Augen weit auf. „W-willst du das wirklich?!“ Sie nickte und wieder einmal fiel Lilli auf, wie viel Vertrauen die Beiden doch zueinander haben mussten, wenn die Tante ihres Sohnes sogar etwas relevantes für den Berufsweg der Himmelsblüterin wusste. „Leg los.“, forderte Imera da halbherzig gespannt und die Jüngere atmete einmal tief ein. „Wir drei Kinder sind an dem Morgen ganz normal zum Spielen gegangen, wie wir es oft getan haben, wenn wir keinen Unterricht hatten.“, begann sie und senkte ihr Haupt noch tiefer, „Aber etwas war anders, die Götter waren unruhig und... Pinita auch, wir haben am Rand der Oase gespielt, aber sie ist ständig zurück nach Hause gerannt, um etwas zu holen oder nachzusehen, wie auch immer...“ Die Familie von Dafi und Maigi Tebettra und Pinita Ferras war etwas privilegiert. Sie hatten ein eigenes Gebäude, außerhalb der Sichtweite des Dorfes Thilia und auch dem Hauptgebäude der Station. Sie hatten eigene Arbeitsräume, so dass die Eltern die meiste Zeit zuhause waren, was eigentlich dem Familienleben dienen sollte, denn sie waren die einzigen Angestellten an der Militärischen Forschungsstation, die Kinder mitgebracht hatten. Pinitas Vater war Unteroffizier, aber gehörte so ziemlich zu den wichtigsten Persönlichkeiten der Wüste, denn er trieb ein hoch geheimes Projekt voran. Der Vater der Zwillinge war nicht ganz so wichtig, sein Schwager hatte ihm den Job als Koordinator verschafft, er war aber mehr dessen Handlanger und arbeitete ziemlich schwer. Und so war es auch an diesem Tag, denn da auch die beiden Frauen als Assistentinnen beschäftigt waren, hatten sie nur wenig Zeit für ihre Kleinen und warfen sie gerne einfach mal raus, um ihre Ruhe zu haben. Im Dorf warf man ihnen schon vor, sie seien nicht gut zu ihren Kindern, was vorrangig an Maigi lag, dessen Haar zeitweise fast so lang war, wie das seiner Schwester, weil Mami ständig vergaß, ihn zum Friseur zu schicken und er selbst meistens einfach zu strudelig im Kopf war, um von selbst so weit zu denken. Ihm waren seine Haare auch reichlich egal und das was die Leute in Thilia meinten schon zwei Mal, die ging das gar nichts an, sagte sein Vater immer. Und da hatte er Recht. Er hatte seinen Vater im übrigen sehr lieb. An diesem Morgen war es aber anders, weil die Älteste der Dreien, Pinita, ständig weg rannte und die Geschwister allein ließ. „Was hat die denn?!“, empörte sich Maigi darüber auch irgendwann, als er mit seiner Schwester unter einem Kaliri-Baum saß und auf die Blonde wartete. Nebenbei strich er sein mal wieder recht lang gewachsenes Haar genervt hinter seine Ohren. Was wuchs das denn so schnell?! „Durchfall vielleicht?“, war die nicht ganz ernst gemeinte Antwort des Mädchens, das sich darauf erhob, als seine Cousine sich kreidebleich durch irgendwelche Hecken kämpfte. Die Beiden warfen sich einen Moment lang einen seltsamen Blick zu und der Junge rappelte sich ahnungslos ebenfalls auf, als die Älteste ihnen wieder den Rücken kehrte. „Ihr müsst ganz schnell mitkommen.“, machte sie und Dafi erzitterte bei ihrer ungewohnt eisigen Stimme und nahm erschrocken die Hand ihres Bruders in ihre. Der Jüngste verstand nicht, was die beiden Mädchen so erschreckte, ließ sich aber bereitwillig von seinem Zwilling mitziehen. „Spürst du es, dieses komische Pochen?“, fragte sie ihn und er wusste zwar, was sie meinte, aber nicht, dass es so schrecklich war, dass es sie so erbleichen ließ. „Was ist los?“, wollte er wissen, bekam aber keine Antwort. Als sie zwei Minuten durch die Morgenhitze gerannt waren, erkannte er Rauch. „Dein Vater hat nicht zufällig wieder das Labor gesprengt?“, erkundigte sich seine große Schwester und ihre Cousine zuckte während dem Rennen mit den Schultern. „Ich weiß es nicht, es erschien mir nach etwas zu viel Rauch dafür, ich habe mich nicht gewagt, herein zu gehen, denn ich befürchte... Flammen!“ Sie rannte schneller und Dafi schnappte immer mehr nach Luft, Maigi schien nicht recht zu verstehen, was das bedeuten konnte. Er war nicht ganz so begabt darin, die Worte seiner Götter zu deuten, aber im großen und ganzen bekam er dann auch mit, was geschehen war, als sie vor ihrem zuhause ankamen. „Es brennt!“ Sie standen versteinert da. Was war mit ihren Eltern, wo waren sie? Und warum kam niemand? Es war ein wahrlich seltsamer Morgen. Und Dafi begann als Erste, zu weinen. „Warum hast du nichts getan?“, machte sie und schluchzte, ohne die grünen Augen von den Flammen abzuwenden, „Pinita, vorhin... warum hast du nichts gemacht, du wusstest, dass sie... da drin... warum hast du keine Hilfe geholt, warum hast du uns... warum?“ Die Blonde antwortete nicht und der kleine Junge keuchte verzweifelt. Klein war gut gesagt, er war schon zwölf. „Mach doch etwas!“, forderte er dennoch von seiner älteren Cousine, doch die rührte sich nicht. Stattdessen brach seine Zwillingsschwester zusammen. „Ich kann das nicht!“, keuchte sie zitternd, „Ich kann nicht zusehen!“ Das blonde Mädchen war noch immer versteinert. Es blinzelte noch nicht einmal, als ihr Funken das Gesicht zu verbrennen drohten. Dafi erhob sich derweil stauchelnd wieder. Ihr Bruder warf ihr einen besorgten Blick zu, den sie jedoch ignorierte. Sie ignorierte alles um sich herum. „Ich kann das nicht.“, keuchte sie wieder und erst als sie begann, los zu rennen, löste sich Pinitas Starre. „Dafi, was machst du?! Komm zurück!“ Sie schrie ihr ohne Vorwarnung aus Leibeskräften nach, wagte aber nicht, ihr nachzusetzen, weil sie sich vor der Hitze fürchtete. Das Mädchen rannte, es rannte, ohne sich noch einmal umzusehen und verschwand plötzlich in den Flammen. Ihr Bruder schlug sich keuchend die Hände vor den Mund, ehe auch seine Knie nachgaben. Was zum Teufel war hier los, Himmel! „Du blöde Kuh, du miese Schlampe!“, kreischte Pinita weiter und ihr vom Ruß verschmiertes Gesicht verzog sich zu einer wütenden Grimasse, „Wie konntest du das tun, Dafi?!“ Sie atmete schwer, dann warf sie ihrem kleinen Cousin am Boden neben ihr einen tödlichen Blick zu. Er zitterte und schaute der Ohnmacht nahe zu ihr auf, auf seinen Fingernägeln kauend. „Nun hör zu!“, befahl die Ältere barsch und er nickte apathisch, „Deine wahnsinnige Schwester wollte mit unseren Eltern gehen, das hast du gesehen, nicht?“ Er reagiert nicht, aber sie wusste, dass er ihr lauschte. Sie fuhr sich leicht zitternd durchs Haar. „Wir werden jetzt zur Station rennen und Hilfe holen! Aber davor habe ich eine Bitte, ja?“ Sie wandte sich ab, weil sie ihm dabei nicht in die Augen sehen konnte. „Deine Schwester war mir wichtiger als du!“, machte sie offen und klang fast schon etwas empört. Die Flammen verschlangen das Gebäude in ihrem Angesicht noch immer. Es war der pure Tod. Und Maigi wusste nicht, wie ihm geschah, es passierte einfach zu schnell. „Ich will in die Fußstapfen meines Vaters treten und ich will nicht, dass du das tust, bloß weil du ein Junge bist, weil du bist ein Idiot. Ich will das, klar?“, sie blinzelte eisig über ihre Schultern hinweg, „Ich bitte dich, kannst du solange, bis diese Narren erkannt haben, wie genial ich bin, so tun, als seist du deine Schwester? Dann liebe ich dich für immer!“ Sie liebte ihn für immer? Er begann, Rotz und Wasser zu heulen. „Aber ich sehe doch ganz anders aus!“, jammerte er hilflos, „Und ich weiß nicht wie man meine Schwester ist... wo ist sie hin?“ Die Cousine drehte sich schnaubend wieder um und verschränkte die schmutzigen Arme vor der Brust. „Die ist längst gar, du Depp! Und du siehst genau so aus wie deine Schwester, bis auf eine bestimmte Stelle, glaub es mir. Bitte! Bitte, für mich, nur so lange, bis ich den Job meines Papis mache, bitte! Ich will ihn so gern stolz machen!“ Sie faltete flehend die Hände und der Jüngere sah vernebelt zu ihr auf. „Damit du mich immer lieb hast... dann mach ich das dafür...“ Dann wurde er ohnmächtig. In Lillis Küche herrschte eisernes Schweigen. ----------------------------- Jetzt sind alle überrascht! XDDD Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)