Außenwelt von Memphis (Multistabile Separatrizenmatrix) ================================================================================ Elf Dimensionen am Morgen ------------------------- Auf wachen dafür um so weniger. Erste Erkenntnis: Mein Hintern tat immer noch. Zweite Erkenntnis: Das lag daran, dass ich Sex mit Chris hatte. Dritte Erkenntnis: Ach, du Scheiße. Ich mein, oh mein Gott, dass.. dass... WARUM?! Irgendwie... das kam mir gerade so unheimlich abwegig vor. Was war da mit mir los gewesen? Oder mit uns... Ich war mir ganz sicher, dass ich das nicht im Sinn gehabt hatte, als ich ihn wütend anschrie. Okay, was ich mir da eigentlich gedacht habe, weiß ich auch nicht mehr... Aber ich bilde mir ein, es ging um Freundschaft. Nicht um Sex. Ich mein, mit seinen Freunden hatte man keinen Sex! Zumindest ich nicht... aber was war er dann? Ich mochte ihn. Diese Erkenntnis blieb selbst von mir nicht unentdeckt. Aber mehr auch nicht. Mögen und Lieben war nicht dasselbe. Es gehört zur Liebe mehr Vertrauen dazu... Vertrauen, das ich in niemanden hatte, auch nicht in ihn. Ob er das wusste? Vermutlich. Er kannte mich gut. Langsam kroch ich aus meinem Bett, noch immer geplagt von diesen Gedanken. Aber ich wollte unter die Dusche. Ich fühlte mich, als würde man den Sex förmlich an mir riechen können. Das war mir irgendwie... peinlich. Generell, wenn ich an das in der Umkleide zurück dachte. Wie konnte ich mich nur vor einer anderen Person so gehen lassen?! Und dann auch noch vor Chris... Aber vielleicht war es auch gut, dass es Chris war... bei jemanden anderen hätte ich nicht die Sicherheit, dass er nichts weiter erzählen würde. Ein bisschen beruhigte das, machte aber nichts besser. Scheiße... Warum musste eigentlich alles so schrecklich kompliziert sein?! Als ich in die Dusche steigen wollte, fiel mir beim Blick in den Spiegel – ihr wisst schon, die Gewohnheit – auf, dass ich einen kleinen Knutschfleck am Hals hatte und ein leuchtend roten, großen am Schlüsselbein. Ach, du Schande! Das nicht auch noch... Beweise. Beweise sind dumm, damit ließ sich soviel... beweisen. Okay, ich bin heute irgendwie auch nicht die Intelligenz in Person, aber ich finde, man muss Verständnis haben, man wird schließlich nicht alle Tage von einem Freund... Ich konnte es nicht einmal mehr im Gedanken aussprechen, so beschämend war die Tatsache für mich. Vertrackte Situation. Hoffentlich wurde das die nächsten Tage wieder besser, schließlich musste ich ihn ja in der Schule sehen. Also zu meinem Leidwesen musste ich feststellen, dass es nicht besser wurde, nur anders. Peinlich war es mir nach wie vor, aber es kam noch etwas dazu. Die Erkenntnis, dass ich zum ersten Mal richtigen Sex hatte und das es gar nicht mal so übel war. Ich war somit keine Jungfrau mehr. Das gab mir ein kleines Hochgefühl, was aber sofort wieder die Peinlichkeit nach sich zog. Und erzählen konnte ich es auch niemand, wem auch? Aber angenommen ich hätte jemand, dann könnte ich es auch nicht. Ich mein, wie klingt das denn?! Ja, ich hatte gestern meinen ersten Sex. In der Jungenumkleide. Mit einem Typ, mit dem ich eigentlich nur befreundet sein will. Weil... weil... mir meine Hormone sowas von durchgegangen sind. So eine Scheiße. Der küsst mich einfach, und dass nicht mal sonderlich nett, und schon geh ich ab wie ein Flitzebogen. Fuck... Ich fühlte mich wie ein richtiger Vollidiot. Wir hatten ja nicht ein Wort gewechselt, obwohl, doch, er hat gesagt, ich solle mich umdrehen... und ich hab es auch noch getan. Args! Noch sein Punkt, ich hab unten gelegen. Ich hatte irgendwie immer gedacht... naja, ich würde der Kerl in der Hinsicht sein, einfach weil ich ein Kerl bin. Klingt unlogisch, aber so denkt man einfach. Ich sollte besser nicht mehr dran denken, das erledigt sich sicher alles von alleine. So wie es das immer tat. Zumindest meistens... Den restlichen Samstag verbrachte ich ziemlich unüblich. Ich lag in meinem Bett und schaute fern. Ich wusste gar nicht mehr, wie lange das her war und am Samstagabend wusste ich auch, wieso ich das jahrelang nicht mehr gemacht habe. So ein Schwachsinn. Aber was sehr erstaunlich war, es lenkte tatsächlich ab... auch wenn ich spüren konnte, wie mit jeder Minute neue Gehirnzellen ab starben. Ich hatte fast Mitleid mit ihnen... anderseits, dumm macht glücklich. Bei mir in dem Fall zwar eher lethargisch, aber das war auch okay. Ich glaub, den Sonntag verbrachte ich ganz ähnlich, möglicherweise war ich schon so hirntot vom Fernsehen, dass ich das nicht mehr mitbekommen habe. In jedem Fall war der Montag viel zu schnell da. Gleich beim Aufstehen würde ich mit allerhand psychosomatischen Unsinn belagert, wie Kopfschmerzen, Bauchweh und Schwindel. Ja... mein Körper liebt mich, ich merk schon. Trotzdem allem wollte ich in die Schule. Irgendwie war ich etwas gespannt, wie es jetzt war. Ob sich wirklich was geändert hatte, oder nicht. Also eigentlich hatte sich ja GEWALTIG etwas verändert, mein Hintern war nicht mehr jungfräulich. Ich mein, wenn das nicht mal eine Veränderung war, dann wusste ich auch nicht. Okay, ich war vor ihm in der Klasse, also da schon mal keine Veränderung. Falls sich mal jemand gefragt hat, warum ich immer vor ihm da war und das obwohl wir nicht weit von einander weg wohnten. Das lag einfach daran, dass er morgens nie aus dem Bett kam, richtig übler Morgenmuffel. Hatte ich deutlich mitkommen, als er noch ab und an bei mir übernachtet hatte wegen DVD-Abende oder kleinen Privat-Lans. Etwas ungeduldig starrte ich zur Türe. Ich wollte wissen, was sich verändert hatte! Und der Sack kam einfach nicht. War ja mal wieder so typisch gewesen. Auch als es gegongt hatte, war er noch nicht da und die erste Stunde tauchte er auch nicht mehr auf. War eh nur Geschichte... In der zweiten Stunde kam er dann mitten in den Unterricht geplatzt. Gerötete Wangen, er keuchte noch leicht. War wohl gerannt. Kurz schaute er in meine Richtung. Wirkte aber etwas abgehetzt. Ich wurde rot. Fuck. Nein. Das ist so... so entwürdigend. Dass ich dann auch sofort den Blickkontakt abbrach und aus dem Fenster schaute, übrigens auch. Scheiße, natürlich hatte sich was verändert, aber hab ich wirklich gedacht, das Veränderung was Gutes ist? Verdammt... jetzt seh ich Chris und denke an... Sex. Was für ein Beschiss. Und ich hatte da wirklich keinen Bock drauf, deswegen vermied ich es die restliche Unterrichtszeit irgend einen Blickkontakt mit ihm aufzubauen. Er versuchte auch seinerseits nicht in den Pausen mit mir zu reden. Die Angelegenheit schien ihm so unangenehm zu sein, wie mir. Wenigstens waren wir uns mal wieder in einem Punkt einig. Und etwas spukte noch im meinem Kopf herum. Der Gedanke, dass unsere Freundschaft wirklich einen toten Punkt erreicht hatte. Ich wollte mich nicht mehr bemühen, er auch nicht. Es hatte wirklich keinen Sinn mehr... und das hatte überraschenderweise nicht mal mit der Sexsache zu tun. Es war einfach viel zu anstrengend geworden. Ich wollte keine Energie mehr rein investieren. Es führte doch zu nichts. Außer vielleicht zu Unsinn. Wir haben uns deswegen geprügelt und wir haben deswegen miteinander geschlafen... Und wo sind wir jetzt? Immer noch am Dead End. Da ging es einfach nicht weiter. Mittlerweile konnten wir uns ja nicht mal mehr in die Augen sehen. Vielleicht war Chris zu ähnlichen Schlüssen wie ich gekommen, in jedem Fall ließ er mich auch die ganze restliche Woche in Ruhe. Er kam nicht in den Pausen an. Er schaute nicht in meine Richtung, jedenfalls nicht, dass ich es mitbekommen hätte. Was manchmal nicht ganz einfach ist, wenn man selbst nicht allzu oft zu ihm schauen wollte. Nur am Freitag wartete er in der Umkleide bis ich fertig war. Manu hatte er wieder zu Sarah geschickt. Worüber der Kerl wieder sehr maulig wurde, was auch daran lag, dass ihm Chris wohl nichts von letzten Freitag erzählt hatte. Aber wenn sich Chris noch mal sowas erhoffte, hatte er sich gewaltig geschnitten. Ich stopfte meine stinkenden Sportsachen in meine Tasche und stapfte ohne ihn weiter zu beachten aus der Umkleide. Mal wieder einer der letzten. Ich neigte zum Trödeln. Ich zog mich einfach lieber um, wenn nicht mehr soviel los war. Der Braunhaarige folgte mir, holte mich schließlich ein um dann neben mir her zu gehen. Sagte aber nichts. Ich auch nicht. Er begleitete mich sogar bis zu meinem Haus, was für ihn aber auch nur einen kleinen Umweg ausmachte. Ihn noch immer ignorierend, schloss ich die Haustüre auf, schlüpfte hinein und schloss sie wieder hinter mir, ohne mich zu verabschieden. Warum zum Henker hatte er das gemacht? Ich war so... überfordert damit. Und der Weg zurück hat mich so an den Freitag erinnert... wollte er das bezwecken? Warum?! Args... verdammt, ich hätte vielleicht doch mit ihm reden sollen. Es ist so ätzend so viele unbeantwortete Fragen zu haben. Das Wochenende verbrachte ich weiterhin damit mich zu verdummen oder etwas für die Schule zu machen. Zu viel denken war auch nicht gesund. Ich hatte es zu dem wirklich satt, dauernd darüber nachdenken zu müssen. Es kotzte mich an. Ich hatte doch besseres mit meiner Zeit anzufangen... wie zum Beispiel lernen. Ha. Das hatte ich schon ewig nicht mehr getan. Montagmorgen war erst Mal ein Schock. Als ich die Haustüre öffnete, wäre ich beinahe über einen sitzenden Chris gestolpert. OMFG! Was saß der auf meiner Treppe rum?! Und dann auch noch so früh. Aber wieder sagte ich nichts, am Freitag dachte ich mir noch, dass ich gerne Antworten hätte... aber im Moment war ich mir nicht so sicher. Vielleicht wären es Antworten, die ich nicht hören wollte. Er trottete neben mir her, summte leise. Als ich durch meine Haarsträhnen zu ihm schielte, konnte ich sehen, dass er sogar leicht lächelte. Er war früh wach und auch noch gut gelaunt?! Irgendwie, es lief was falsch. Da war ich mir sicher. Etwas lief hier sowas von falsch. Zumindest hatte ich in den Pausen wie gewohnt meine Ruhe. Am Ende hätten, die wieder zu tratschen angefangen und das war das letzte was ich jetzt gebrauchen konnte. Vor allem, weil die Gerüchte ja diesmal sogar wahr wären. Scheiße... Die sechste Stunde endete. Gemeinschaftskunde... bah... Politik, damit konnte ich noch nie was anfangen, dafür war ich einfach zu sehr auf mich selbst bezogen... Und gedanklich war ich sowieso nur halb so anwesend, wie es mein Körper vermittelte. Chris fing schon wieder an, alles kaputt zu machen, mich zu verwirren und so ganz und gar nicht das zu tun, was er sollte. Dreckskerl, dass machte er doch mit Absicht. Da ich die Stunde so ziemlich verpennt hatte, schreckte ich vom Schulgong auch auf. Verwirrt schaute ich mich um. Die meisten hatten schon ihr Zeug gepackt. Gut die Hälfte meiner Mitschüler strömten auch schon aus dem Raum. Naja, vermutlich sollte ich auch mal mein Zeug zusammen sammeln. Lustlos stopfte ich meine Stifte, die ich dafür gebraucht hatte tollte Muster auf meinen Block zu kritzeln, in mein Mäppchen und schmiss es mitsamt den Block in meinen schon etwas lädierten Rucksack. Es war erst Montag und ich war schon total angefickt, von der Woche. Das Chris und Manu als einzige noch an der Türe standen, machte es auch nicht besser. Manu sah wütend aus, aber mal so richtig. Chris ignorierte ihn, starrte aus dem Fenster. Mist. An den beiden komm ich doch nicht vorbei, ohne dass sie es merken. War vielleicht sogar Sinn der Sache. Naja, in jedem Fall versperrten sie mir den Weg, also machte ich mit einem Räuspern auf mich aufmerksam. „Könnte ich vielleicht durch?“ Args, der Blick von Manu löste bei mir fast schon körperliche Schmerzen aus. Gott, war der sauer und jetzt schien er ein neues Opfer gefunden zu haben. Warum auch immer ich?! „Gut, wenn der Kerl hier nicht mit mir reden will, dann frag ich halt dich.“, Manu schrie mich förmlich an und ich zuckte erschrocken zusammen. Der Typ machte mir manchmal... etwas Angst. So ein Temperament war nicht normal. Und wehe, der kam wieder auf die Idee seinen dummen Zeigefinger in meine Brust bohren zu wollen. Und nur mal ganz nebenbei, der hatte mich gar nichts zu fragen! Aber im Moment hatte ich nicht den Mumm, ihm das zu sagen. „Also was zum Henker ist am Freitag passiert?“ War ja klar... was hätte er auch sonst fragen sollen? „Hö?“ Mensch, manchmal mochte ich es so dumm zu sein. Das klang sogar glaubhaft. „Tu nicht so... ich weiß genau, dass da irgendwas war.“ Mist, okay, Manu war cleverer als er aussah. Was vielleicht auch kein Kunststück ist... „Aha.“ An mir beißt der sich die Zähne aus. Ich wusste recht gut, dass ich IHM sicher nichts zu erzählen hatte. Wütend schnaubte Manu auf. Man musste ihn nicht mal sonderlich gut kennen, um zu bemerken, dass er gerade alles andere als gut gelaunt war. „Dann erklär mir wenigstens, warum der Trottel da, dir wie ein verliebtes Schulmädchen nachtinkelt...“ Also das wüsste ich selber ganz gerne. „Und seit dem Freitag da, einem sabbelten Idiot gleicht, wenn du dich mal bequemst kurz zu ihm zu schauen.“ Und das hatte ich noch nicht mal bemerkt. Ach, du Schande... Ich schaute ihn wohl so ehrlich konfus an, dass er es mir sogar verzieh, dass ich nichts weiter als ein „Äh...“ stammelte. Chris schien es jetzt mal für die richtige Zeit zu halten, um auch wieder aktiv zu werden. Er legte seine Hand auf Manus Schulter und taxierte ihn aus dem Klassenzimmer. Was auch zugleich bedeutete, dass ich freie Bahn hatte. Wunderbar. Manu los und auch noch einen angenehmen Nachhauseweg. Als ich nun auch endlich das Klassenzimmer verlassen konnte, sah ich die beiden, wie sie etwas weiter im Gang standen und diesmal leise diskutierten. Also waren sie abgelenkt. Das nutzte ich in meiner allgegenwärtigen Intelligenz, um in einem etwas schnelleren Schritttempo als gewöhnlich gen heimatliches Gefilde zu wandern. Okay, hab ich mal irgendwann erwähnt, dass Chris etwas sportlicher ist als ich? Na gut, ein ganzes Stückchen mehr als ich, er hatte es wirklich geschafft mich einzuholen und dass noch nicht mal auf der Hälfte der Strecke. Der musste gerannt sein wie ein Blöder. Dummkopf... Was versprichst du dir davon? Ich hatte seine rennenden Schritte schon auf dem Kiesweg gehört, aber ich hatte irgendwie gehofft, dass es nur ein Jogger war. Aber als ich dann eine Hand auf meine Schulter spürte, und das stoßweise Atmen direkt hinter mir hörte, wusste ich, dass mir das Glück wohl doch nicht so hold war. Ich blieb stehen. Ich wollte diesmal Antworten, egal wie sie ausfielen. Und wenn nicht jetzt, wann dann? Also drehte ich mich zu ihm um. Args. Ja, er war ja wieder gerannt. Rote Wangen, Keuchen das über seine Lippen kamen und er hatte seine Hände auf seine Knie gestützt, so linste er durch seine braune Haarsträhnen zu mir auf. Dann grinste er. Frech, glücklich und so total Chris, dass ich es erwiderte. Aber nur solange bis ich es selbst bemerkte. Ich schüttelte kurz von mir selbst verwirrt den Kopf. Schaute, dann wieder zu ihm, mittlerweile war er auch wieder etwas zu atmen gekommen. „Warum machst du das?“, fragte ich schließlich. Ich hatte alles Recht darauf es zu wissen. „Was?“, er lächelte und ging dann weiter. Ich folgte ihm. „Na das!“ Er wusste genau was ich meinte... Hmpf. „Nach hause gehen? Naja, ich find jetzt Schule nicht so toll, um da ewig sein zu wollen.“ „Chris...“, meine Stimme klang leicht vorwurfsvoll... ich hatte nicht allzu viel Lust jetzt rumzublödeln, die Frage war mir wichtig. Er grinste schief, verzog etwas das Gesicht. Was er tat, wenn er etwas nicht unbedingt verraten wollte, weil es ihm peinlich war. „Naja...“, er dehnte das Wort künstlich lange, „Ich wollte in deiner Nähe sein.“ Er versuchte wieder zu grinsen, was ihm aber nicht wirklich gelang. Er hatte wohl Angst vor meiner Reaktion... Und ich, naja ich wurde erstmal einfach rot. Ich freute mich, irgendwie. Der Satz war für mich, als hätten wir gerade diesen dämlichen toten Punkt überwunden. Ich konnte nicht genau sagen, warum, aber mir schien es so. Ich lächelte ihn an. Erleichtert atmete er aus. Ich schien wohl besser reagiert zu haben, als er gehofft hatte. Ja, auch in mir steckten kleine Überraschungen. Aber dann schwiegen wir wieder. Ich wollte den Satz nicht kaputt machen, in dem zu viel gesagt wurde. Und ich wusste, dass es noch viel zu besprechen gab. Aber nicht jetzt. Auch heute morgen saß Chris wieder vor meiner Türe. Hey, der wird doch jetzt nicht etwa für mich zum Frühaufsteher?! Wäre ja schrecklich, wenn ich auch noch einen guten Einfluss auf ihn nehmen würde. „Morgen.“, grüßte ich ihn schließlich. Da er mich gerade nur anstarrte. Naja, geistig schien er trotz allem noch nicht ganz wach zu sein. „Morgen...“, nuschelte er schließlich, um dann aufzustehen und sich imaginären Staub von seiner Hose zu klopfen. „Gedanklich noch in deinem warmem Bett, ne?“ Diesmal war ich es der zur Abwechslung grinste. Er sah so verpennt aus. Seine Haare standen noch mehr ab als sonst, er trug ein viel zu großes T-Shirt von seinem großen Bruder, was man auch daran erkennen konnte, das ist es zumindest etwas Geschmack verriet und seine Schnürsenkel waren beide nicht gebunden. Irgendwie... putzig. „Mhm...“, murmelte er und winkte dann mit der Hand ab. Er wollte wohl sagen, dass er gerade dran arbeitet, wacher zu werden. Was noch dauern könnte. „Hast du heute nachmittag mal n bisschen Zeit?“ Ah... das Wachwerden hat wohl funktioniert. Naja, zumindest versuchte er es jetzt mit Konversation. „Kommt drauf an, für was.“ Ich wollte schließlich keine voreiligen Zusagen machen. „Für mich.“ „Ich denk schon.“ Glaub ich, also im Moment war ich nicht sicher, ob ich wirklich etwas dachte. Aber hey, wir hatten den toten Punkt überwunden, dass heißt es war auch okay, wenn wir uns auch nach der Schule ab und an trafen. Es war sogar wichtig, eigentlich war das genau einer dieser Punkte, die ich wirklich vermisst hatte. Jemand mit dem ich einfach Zeit verbringen konnte. Und ich bin mir mittlerweile ziemlich sicher, dass sich kaum jemand dafür so gut eignete wie Chris. Das klingt gerade so unheimlich... unlogisch. Die letzten Monate hatten wir schließlich fast nichts anderes gemacht, als uns zu ignorieren. Wenn man mal von den paar... Unterbrechungen absah. Aber irgendwie... er tat mir gut. Vielleicht lag es auch einfach daran, jemand um sich zu haben, der einen ehrlich mochte. Hätte mir eigentlich auch früher aufgehen können... aber ich neigte einfach nicht dazu, es mir einfach zu machen. „Gut, kommst du dann mit zu mir? Ich hab letztens n paar coole Filme gesaugt, die dir sicher gefallen würden... und meine Mutter ist nicht da... und naja... es wär sicher mal wieder cool.“ Man konnte echt sehen, wie sehr er sich über meine Antwort freute. War toll jemand so einfach glücklich zu machen, und wenn es dann auch noch Chris war... „Klar, klingt toll... Jetzt muss ich nur noch Englisch überleben. Bah, die Frau hat mich sowas von auf den Kieker und ich hab die Hausaufgaben nicht gemacht...“ Ich konnte sie jetzt schon bildlich vor mir sehen, wie sie mich dann auf englisch zu schwallte, wie wichtige diese Sprache doch war und das ich mir das gar nicht leisten konnte, keine Hausaufgaben zu machen. Tz... dumme Kuh. Chris lachte nur. „Du machst das schon... und wenn nicht, werde ich deinen Eltern dein tragisches Ableben mitteilen.“ „Oh, aber ich will dann auch Rache! Blutige, fürchterliche Rache!“ Ehrlich, die Frau kann mich doch nicht ungestraft abmetzeln. Und für sowas hatte man doch schließlich... Chris. „Na gut, dann räch´ ich dich halt noch... Pah, nichts als Arbeit hat man mit dir.“ Er knuffte mich in die Seite. Gott, es tat einfach gut, ihn wieder zu haben. „Zu gütig...“ Ich war irgendwie... so richtig richtig glücklich. Nicht mal die fehlende Englischhausaufgabe macht mir groß Sorgen. Auch nicht mehr, was Chris für mich war. Es war alles okay so, nein, eigentlich mehr, es war einfach schön. Als dann das Schulgebäude in Sicht gab, seufzte ich deprimiert. Ich hatte keine Lust auf Schule... okay, dass hatte ich nie, aber im Moment noch viel weniger als sonst. Zum ersten Mal wünschte ich mir, dass der Schulweg länger sein könnte. „Also auf in den Kampf, ne?“, mit den Worten betraten wir dann auch das Klassenzimmer. Und naja, wir waren überraschenderweise einer der letzten. Wir hatten wohl doch etwas getrödelt. Ich grinste noch zu ihm, um mich dann zu meinem Platz zu begeben, der Englischdrache müsste nämlich auch gleich kommen. Aber Chris hielt mich zurück, in dem er mich an der Hand nahm. Kurz schaute ich ihn irritiert an, dann küsste er mich auch schon. Vor der ganzen Klasse. Args! Der war sicher noch am Pennen, der Trottel. Und ich vielleicht auch. Ich erwiderte kurz. Ich mein, im Prinzip war es ja jetzt eh schon scheißegal, die dachten doch sowieso alle, ich sei schwul. Und irgendwie war mir Chris mittlerweile zu wichtig, als das ich ihn schon wieder von mir stoßen wollte. „Idiot.“, flüsterte ich leise und lächelte. Ende. Anmerkung des Autors: Für die Leute, die bei diesem Ende empört aufschreien: Es gibt eine Fortsetzung in Comicform, gezeichnet und erdacht von Onichanjo. Es wird aus der Sicht von Chris geschildert und man kann es als nahtlose Fortsetzung der Geschichte sehen. Ich selber habe daran nur noch in der Form mitgewirkt, dass ich Oni Fragen betreffend der Charaktere beantwortet habe. Allerdings bin ich mir sehr sicher, dass ich die Charaktere in gute Hände gegeben habe. Ich hoffe natürlich sehr, dass ihr es lest, es lohnt sich nämlich extremst. http://animexx.onlinewelten.com/doujinshi.php/datum/2006-12-01/output/23480/ Memphis Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)