Winterwächter von Nickimitama (Magisches Herz) ================================================================================ Kapitel 1: Kira --------------- Connor trabte mit weit ausgeholten Schritten um Kira herum und hatte ihr sein inneres Ohr zugewandt. Er wartete auf ein Zeichen von ihr, auf irgendetwas das sie von ihm verlangte. Eine andere Gangart, einen Richtungswechsel. Die junge Frau drehte sich auf der Stelle um das Pferd im Auge zu behalten und beobachtete jede seiner Bewegungen. Das rechte Vorderbein schwang er beim zurücknehmen ein wenig nach außen und hin und wieder stolperte er leicht als er es aufsetzte. Es trübte ein wenig die eigentlichen eleganten Bewegungen eines Friesen, doch dieses Handicap hat er einem Menschen zu verdanken, der zu viel von ihm verlangt hat. Sein Bein würde nie mehr richtig verheilen, was seine Karriere als Reitpferd schon in seinen kurzen fünf Lebensjahren beendet hatte. Kira hob die linke Hand und gab mit tiefer Stimme ein "Hoooooo" zu hören, woraufhin der Wallach kurz in den Schritt viel und dann zum stehen kam. Kira wusste das man von Pferden verlangen konnte aus dem Trab sofort zum stehen zu kommen, doch Connor sollte selbst entscheiden wie es für ihn am angenehmsten war. Sie trat an seine Seite und griff unter die lange gewellte Mähne um seinen kräftigen Hals zu streicheln. Das schwarze Pferd erzitterte unter ihrer Berührung, doch er rührte sich nicht von Fleck. Dann ließ sie ihre Hand über seine Brust gleiten, fuhr hinüber bis zu seiner Schulter und lies sie am Ende auf seinem Widerrist ruhen. Connor drehte ihr wider ein Ohr zu. "Das hast du gut gemacht Junge" sagte sie und graulte ihn kurz bevor sie sich wieder einige Schritte von ihm entfernte. In diesem Moment schien ein Blitz durch den Körper des Pferdes zu fahren und er war mit wenigen Galoppsprüngen am anderen Ende der Halle. Kira wusste nicht was die plötzliche Flucht hervorgerufen hatte, und folgte so der Richtung in die die zitternden Ohren des Wallachs zeigten Sie drehte sich also zum Tor durch das man nach draußen gelangte und sah dort den Grund für Connors Angst, die ihr aber wiederum ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Raven stand neben dem Tor an die Wand gelehnt und hatte eine Hand zum Gruß gehoben. Sein schwarzes Haar war weiß vom Schneesturm der draußen tobte und seine Lederjacke schien steif von der Kälte. Kira lies Connor in dem Eck in das er sich unsicher zurückgezogen hatte stehen und rannte auf Raven zu um ihn um den Hals zu fallen. "Schön dich zu sehen, was machst du hier?" trällerte sie und hätte sich zugleich dafür Ohrfeigen können. Sie war Neunzehn Jahre alt und hörte sich immer noch wie ein Schulmädchen an wenn sie sich freute. Er lachte sein unverkennbares lachen und löste sie von sich. "Ich war grad auf den Weg nach Schwabmünchen und dachte ich komm mal vorbei und jage deinem Pferd panische Angst ein." Er wies mit dem Kopf in Connors Richtung der nun feindselig die Ohren angelegt hatte. Wenn Pferde Angst hatten und keine Möglichkeit zur Flucht sahen, konnten sie richtig unangenehm werden. Vor allem auf Connor, traf dies gleich doppelt zu. Kira sah ihren Vierbeiner fragend an als könnte er sagen was er an dem Besucher so derart erschreckend fand, doch er schlug nur unzufrieden mit dem Schweif. "Ich werde nie verstehen warum du auf Pferde so furchterregend wirkst. Wenn sie nur wüssten das sogar die Fliegen rettest die in deinem Kaffe zu ertrinken drohen" sagte sie warf Raven einen amüsierten Blick zu woraufhin dieser eine Augenbraue hob. "Hey, dass nennt man Nächstenliebe" sagte er und Kira konnte sich nur schwer einen Lachanfall verkneifen. "Ok, alles klar. Aber jetzt mal ehrlich, was willst du?" Während sie sprach schnappte sie sich Halfter und Führstrick die sie vorsorglich über den Griff des Tors gehangen hatte. Eigentlich lief ihr Connor hinterher wie ein Hund, doch dank Raven würde er jetzt wohl bei der nächstbesten Gelegenheit das Weite suchen. Raven gab ihr auf die Frage keine Antwort. Während sie sich auf den Weg zu ihrem Pferd machte blieb ihr unerwarteter Besucher da wo er war und rief ihr nach: "Sollte ich vieleicht besser woanders hin bis du ihn untergebracht hast?" Er hatte schon eine Hand auf den Griff des Tors gelegt, doch Kira schüttelte den Kopf. Sie stand nun seitlich des Wallachs und strich ihm das Halfter über. "Nein. Er soll endlich mal lernen dass du keine Gefahr für ihn bist" Sie wendete Connor dem Rücken zu und machte sich auf den Weg zum Tor woraufhin das Pferd ihr unsicher folgte und Raven nicht aus den Augen lies. Er hatte bereits das Tor geöffnet und zu tritt traten sie hinaus in den Schnee. Connor schmiss den Kopf hoch als ihm der Wind die Flocken ins Gesicht peitschte und die Nähe zu Raven ließ ihn unruhig hin und her tänzeln was Kira aber gezielt ignorierte. Sie stapften durch den Schnee zum Stall und hatten alle Mühe gegen den Wind anzukämpfen. Zu Winteranfang schien es als würde der Schnee noch lange auf sich warten lassen und selbst vor ein paar Tagen schien es noch viel zu warm für diese Jahreszeit was sich jetzt, eine Woche vor Weinachten schlagartig änderte. Der Schnee lag an manchen Stellen Hüfthoch und während es im restlichen Deutschland ein schlechter Winter war, versank Bayern im Schneechaos. Die Nachrichten berichteten zurzeit vor nicht anderen mehr und die Metrologen waren Ratlos was langsam ziemlich beunruhigend wurde. Raven war vorausgeeilt um Kira das Tor offen zu halten und versteckte sich leicht hinter einem der Torflügel damit Connor ohne Zicken zu machen an ihm vorbei ging. Im Stall wurde im Winter eigentlich nicht beheizt, doch vor zwei Tagen hat der Stallbesitzer das Heizsystem anwerfen müssen. Connor hätte die Kälte vieleicht nichts ausgemacht und auch die beiden anderen Pferde die hier untergestellt waren hatten ein dickes Winterfell, doch die Elektrik hatte vor kurzem wegen der Kälte den Geist aufgeben und die Leitungen an den Tränken der Tiere waren eingefroren was für dir Pferdebesitzer untragbare Bedingungen waren. Als Kira bei Connors Box angekommen war konnte er es kaum erwarten sich vor Raven in Sicherheit zu bringen und seiner Besitzerin half nur ein schneller Satz zur Seite um nicht umgerannt zu werden. Sie zog seinen Kopf mit dem Halfter zu sich und streifte es ihm ab bevor sie die Box verlies und die Schiebetür zuschob deren Schloss mit einem lauten Krachen einrastete. "War es das?" fragte Raven und wendete sich bereits den Ausgang zu als Kira den Kopfschüttelte und in der Sattelkammer verschwand wo sie das Halfter ablegte und mit einer Pferdedecke zurückkehrte. "Ich decke ihn noch schnell zu. Er hat zwar nicht geschwitzt aber sicher ist sicher" sagte sie und schob noch einmal die Tür auf um dann in der Box zu verschwinden. Fünf Minuten später rastete das Schloss erneut ein und Kira gesellte sich an Ravens Seite. "So Rave, was wolltest du? Ich glaub dir nicht ganz dass du um die Zeit noch nach Schwabmünchen wolltest" Er hasste es wenn sie ihm bei seinen Spitznamen ansprach. Er fühlte sich dann jedes Mal entwaffnet und so blieb ihm nur die Augen zu rollen ehe er sagte: "Na gut. Deine Mutter hat mich angerufen und mich darum gebeten dich nach Hause zu bringen" Nun rollte Kira mit den Augen. "Ich bin selbst mit dem Wagen da. Wenn ich ihn jetzt stehen lasse muss ich ihn eh spätestens morgen irgendwie holen und du glaubst wohl kaum dass das Wetter morgen anders ist" sagte sie genervt und drängte sich an Rave vorbei zur Tür. Er folgte ihr. "Du hast seit gerade mal Sechs Monaten deinen Führerschein Kira. Sie macht sich eben Sorgen" Sie nahm ihre Jacke und ihre Strickmütze vom Hacken neben der Stalltür und hatte ihre Hand bereits auf dem Griff als sie sagte: "Dan hätte sie dafür sorgen können das unser eigener Stall nicht zur Pferdeuntauglichkeit verkommen währe so dass ich nur fünf Schritte ums Haus hätte gehen müssen um mich um mein Pferd zu kümmern!" Nun sah sie Rave in die Augen. Sie waren von einem fast unmenschlichen rot das an Blut oder Wein erinnerte. "Bitte Rave, du bist mein bester Freund. Vertrau mir ein wenig" Mit diesen Worten drehte sie sich von ihm Weg und riss die Tür auf. Sofort peitschte ihr der gnadenlose Wind ins Gesicht und trieb ihr die Tränen in die Augen. Mit hochgezogener Jacke marschierte sie zusammen mit Raven über den Hof zu den Parkplätzen wo sie ihren Mini geparkt Hatte. Das rote kleine Auto war komplett mit Schnee bedeckt, so als wäre es schon seit Monaten nicht mehr bewegt worden. Der schwarze Fiat daneben mit dem Rave gekommen war schien ihrem eigenen Auto schon bald Konkurrenz zu machen obwohl er erst vor kurzem hier geparkt worden war. "Schau, selbst dein Auto scheint dich nicht fahren lassen zu wollen" lachte Rave und Kira versuchte ihm durch ihre mit eisbedeckten Wimpern einen vernichtenden Blich zu zuwerfen. Da er sich nicht regte war ihr dies wohl gründlich misslungen und sie machte sich daran mit ihrem Arm den Schnee von der Windschutzscheibe zu schieben. Raven hatte sich derweil an sein eigenes Auto gelehnt und sah ihr grinsend zu. "Du kannst mir gern helfen" fauchte Kira als sie seine amüsierten Blicke spürte als sie bis zur Heckscheibe vorgedrungen war. Wenigstens hat der ganze Schnee dafür gesorgt dass sich auf den Scheiben keine Eisschicht bilden konnte "Tut mir leid, aber ich stehe nur als Fahrer zur Verfügung" sagte er und tätschelte mit der Hand das Dach seines Autos als wäre es ein Pferd. Wütend fegte sie eine Handvoll Schnee in seine Richtung doch der Wind wehte ihn davon ehe er seine Haut berührte. Als sie bei ihrer Fahrertür angekommen war schloss sie die Tür auf was ihr nur mit Mühe gelang da das Schloss eingefroren war. Allerdings war das aufkriegen der Tür wieder eine ganz andere Sache. Als sie nach mehrmaligen ruckeln immer noch nicht aufging und es auch nichts half gegen das Schloss zu treten funkelte sie Raven über das Dach ihres Wagens böse an. Er sah interessiert (und immer noch grinsend) zurück. "Wenn dir irgendwas daran liegt dass wir Freunde sind und dass man deine Leiche nicht von mir zur Unkenntlichkeit zusammengeschlagen im Pferdemist findet, dann hilf mir diese Tür auf zu machen." Während sie sprach hatte auch sie ihr bestes Grinsen aufgesetzt und das von Raven schien nur noch breiter zu werden. Doch nun bewegte er sich und kam zu ihr um ihren Platz an der Tür einzunehmen. Er zog an dem Griff, stemmte wie sie zuvor seinen Fuß an den Rahmen und fing ebenfalls das ruckeln an. Dann knackte es und die Tür schwang auf. "Dann wünsche ich ihnen eine gute Fahrt" sagte er knapp und die plötzliche härte in seiner Stimme überraschte sie." "Bist jetzt beleidigt weil du mich nicht fahren darfst oder was?" Sie klang aggressiver als gewollt, doch langsam ging er ihr auf die Nerven. Seine roten Augen suchten die ihren und nun konnte sie die Sorge in ihnen sehen. "Ich will einfach nicht das dir was passiert ok?" Er strich ihr mit der Hand über ihren Kopf so dass ihr ihre Wohlmütze in die Augen rutschte. "Ruf mich bitte an wenn du daheim angekommen bist" Mit diesen Worten drehte er sich um und ging zu seinem Auto dessen Türen ohne zu zicken aufschwangen und verschwand in dessen inneren. Als Motor und Scheinwerfer angingen und der Wagen sich in Bewegung setzte kam Kira der plötzliche Gedanke sich bei Rave entschuldigen zu wollen. Es ging nicht nur um die Sorge ihrer Mutter, sondern auch um seine eigene. Doch der Fiat war bereits auf der Straße und verschwand kurze Zeit später im Schneesturm. Das fahren erwies sich als der reinste Höllentrip. Schon die Hinfahrt zum Stall war nicht gerade angenehm, aber es war im Vergleich hierzu ein Spaziergang. Dass es bereits nach 20 Uhr und damit stockfinster war, trug nicht unbedingt zu Besserung bei. Ihr Fernlicht schien auf eine weiße Mauer zu stoßen als sie ihren Mini ungelenk durch den Sturm lenkte der die Schneeflocken wie Geschosse gegen das Blech des Wagen peitschen lies. Da die Lichtreflektoren an den Pinguinen von den aufgehäuften Schneemassen am Straßenrand verdeckt waren, hatte sie bis auf den ein oder anderen Baum und die eben genannten Schneeberge keinen Anhaltspunkt ob sie sich noch auf der Straße befand. Zwischen Hiltenfingen und Schwabmünchen lagen kaum 3 km, doch diese schienen nun länger gefährlicher als jemals zuvor, was sie sich insgeheim wieder an Ravens Seite wünschen lies. Dass dieser verdammte Mistkerl auch immer recht haben musste! Genervt ging sie aufs Gas um dann festzustellen dass ihre Reifen durchdrehten. Der Wagen stellte sich quer und schlitterte ein Stück die Straße entlang ehe Kira ihn weder unter Kontrolle bekam und ihn in gerader Richtung zum stehen brachte. Ihr Herz schlug ihr wie ein Hammer gegen die Brust, doch sie ging wieder langsam aufs Gas und der Wagen bewegte sich langsam vorwärts. Nun konnte sie zu ihrer linken die Lichter des *Hiltenfinger Keller* sehen, einem Lokal das genau zwischen Hiltenfingen und Schwabmünchen stand, und in ihr keimte die Erleichterung auf. Bald hatte sie es geschafft! Sie traute es sich zu mehr Gas zu geben und die Räder des Wagens gaben ihr bestes um auf dem Schnee Halt zu finden. Die Freude darüber, dieser Hölle bald entfliehen zu können ließ Kira ihre Vorsicht vergessen und so sah sie das Tier zu spät was plötzlich auf die Fahrbahn lief. Die Reifen blockierten als sie auf die Bremse ging und das Lenkrad herumriss, doch der Wagen drehte sich nur zur Seite und traf das Tier mit kaum verminderter Geschwindigkeit. Es ging alles so schnell das Kira nur noch sah wie das Geschöpf vom Schnee verschluckt wurde als die Wucht des Aufpralls es wegschleuderte und dass sein Blut an ihre Windschutzscheibe spritze, um anschießend von den auf Hochtouren laufenden Scheibenwischern hin und her geschmiert zu werden. Der Mini drehte zweimal um die eigene Achse bevor er in einen aufgetürmten Schneehaufen am Straßenrand prallte und zum stehen kam. Der Wagen war abgesoffen, doch das nahm das zu Tode erschrockene Mädchen erst gar nicht war. Sie klammerte sich am Lenkrad fest als wäre es ein Rettungsseil und ihr Fuß stand immer noch auf der Bremse weil sie Angst hatte der Wagen würde sich sonst wider bewegen. Als sie sich endlich langsam beruhigte versuchte sie angestrengt ihre Gedanken zu ordnen. Sie hatte gerade ein Tier überfahren. Sie konnte nicht sagen was es war, es könnte ein großer Hund gewesen sein, oder vieleicht auch ein Schaf. Irgendetwas Helles auf jeden Fall, den es hatte sich kaum vom Schnee abgehoben. Ihr Wagen stand nun seitlich an der Straße, ob nun mit der Nase Richtung Hiltenfingen oder Schwabmünchen war in diesem Moment nicht ganz klar. Doch einer Sache war sie sich mehr als bewusst: Sie würde sich nicht trauen auch nur einen Meter weiter zu fahren. Also griff sie zum Handy, und wählte die Notrufnummer der Polizei. Die Frau am Telefon klang ein wenig genervt, jedoch nicht unfreundlich als sie Kira zuhörte. Sie fragte nach dem Ort ihrer Panne und versicherte ihr das ein Polizeiwagen, der Abschleppdienst und ein Wildhüter auf dem Weg zu ihr waren um sich um sie, das Auto und um das Tier zu kümmern dass sie angefahren hatte. Kira bedankte sich ehe die auflegte und lehnte sich anschießend in ihren Sitz zurück. Sie hasste sich für ihre eigene Dummheit und hätte sich jetzt dafür Ohrfeigen können das sie nicht auf Raven gehört hatte. Selbst wenn sie mit ihm in die gleiche Situation geraten wäre hätte sie sich doch nicht ganz so verlassen gefühlt wie jetzt. Seit er vor 3 Jahren plötzlich in der Tierhandlung ihrer Mutter aufgetaucht war um Katzenfutter zu kaufen war er ein Teil ihres Lebens geworden. Er hatte keine eigenen Tiere, kümmerte sich aber stets um die streunenden Katzen die nahe seiner Wohnung lebten und schien im Allgemeinen einen sanften gutmütigen Charakter zu haben was Kira schon immer sehr an ihm gefallen hat. Sie hatte ihn einmal zu einer seiner nächtlichen Fütterrungaktionen begleitet um sich die Tiere anzusehen und sich seitdem regelmäßig mit ihm getroffen. Nicht selten sprachen Leute über sie und begannen zu tuscheln wenn sie das ungleiche Paar sahen, doch Kira hatte nie den Gedanken gefasst für Raven mehr als nur Freundschaft zu empfinden. Die Gegenwart des dunklen gutaussehenden jungen Mannes war für sie so selbstverständlich geworden wie die Sonne am Tag und der Mond in der Nacht was ihn für sie mit einem Bruder gleichstellte. Und als währen ihre Gedanken ein Hilferuf gewesen, stand er plötzlich da. Dunkel und still stand er im Licht der Scheinwerfer und sah erschrocken durch ihre Windschutzscheibe ehe er zur Beifahrertür eilte um sich zu ihr in den Wagen zu setzen. "Respekt meine Liebe. Zweihundert Meter währen es noch bis zu dem Ortschild gewesen." sagte er ohne sie dabei anzusehen. Kira ging auf seine Neckerei nicht ein. "Wieso bist du mir nachgefahren" Eigentlich wollte sie sich bei ihm entschuldigen und ihm danken. Ihm sagen wie froh sie war ihm zu sehen doch gleichzeitig war sie wütend darüber dass er ihr nicht vertraut hat. Nun sah er zu ihr herüber und sie konnte in seinen Augen sehen das er sich ernsthafte Sorgen gemacht hatte was sofort das schlechte Gewissen in ihr erweckte. "Weil mir an unserer Freundschaft etwas liegt" Seine Worte trafen sie wie ein Faustschlag, und ehe sie sich versah lag sie in seinen Armen und drückte ihr Gesicht an seine Schulter. Es war wohl seine Antwort darauf was sie ihn vorher am Stall gefragt hatte um ihn dazu zu bringen ihm beim öffnen der gefrorenen Tür zu helfen, doch jetzt waren seine Worte wie eine Erlösung. Sie wusste nicht genau wie lange sie ihn festhielt, doch nach einiger Zeit löste sie sich von ihm und lehnte sich in ihren Sitz zurück. "Rave, ich glaube ich habe ein Tier getötet. Die Windschutzscheibe war voller Blut" Sie wusste nicht wieso sie plötzlich von dem Tier sprach, doch sie hatte das Gefühl irgendetwas sagen zu müssen. Rave sah hinaus in das Schneetreiben, als würde er nach dem Opfer Ausschau halten, doch natürlich konnte er in der Dunkelheit nichts sehen. "Weist du was es war?" fragte er und Kira versuchte sich an den Moment zu erinnern, an dem Das Blut an die Scheibe spritzte. "ich weiß es nicht. Vieleicht ein Hund oder so etwas Ähnliches. Ich habe nicht nachgesehen" Sie wusste dass ihre Mutter sie immer davor gewarnt hatte nach einem Wildumfall das Auto zu verlassen. Ein verletztes Wildschwein oder ein Fuchs waren nicht ungefährlich. "Wenn du willst kann ich schnell nachsehen" sagte er und Kira griff nach seinem Jackenärmel. "Nein, was ist wenn es ein Wildschwein ist?" Der Gedanke Rave würde jetzt von einem Wildschwein aufgefressen werden das Sie wohlmöglich angefahren hatte jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Wäre das nicht sowas wie fahrlässiger Mord? Noch ehe Rave daraufhin etwas sagen konnte sahen sie das Blaulicht auf sich zukommen. Rave sah sie an. "Ich nehme an du hast dein Warndreieck nicht aufgestellt oder?" Sie sah erschrocken auf den Polizeiwagen der vor ihnen gehalten hat. "Nein... daran hab ich nicht gedacht" Die Sache mit den Beamten war dank Raven keine allzu große Sache. Dass sie das Warndreieck nicht aufgestellt hatte und zu allem Übel auch kein Warnblinklicht eingeschaltet hatte würde wahrscheinlich noch irgendeinen bitteren Nachgeschmack haben, doch wenigstens war ihr bei der ganzen Sache nichts passiert. Den Abschleppdienst schickten sie unerfüllter Dinge wieder zurück das Rave sich dazu bereit erklärt hatte, seinen eigenen Wagen auf dem Parkplatz des Hiltenfinger Kellers zurück zu lassen und sie samt ihrem Auto nach Hause zu bringen. Die Sache mit dem Wildhüter der sich als ein genervter Jäger herausstellte der wohl mehr als nur verärgert darüber war das man ihn um diese Uhrzeit noch hier her beordert hatte, war dagegen etwas unschöner. Den das Tier was sie erwischt hatte war nirgends zu finden und der Schneefall hatte bereits sämtliche Spuren und Blut unter sich begraben. Nur an ihrem Auto waren noch ein paar Bluttropen zu sehen was zumindest mal als Beweis reichte, das wirklich ein Tier für den Umfall verantwortlich war. Der Jäger beschwerte sich einmal ausgiebig darüber dass die jungen Leute heutzutage ihre Autos viel zu sorglos fuhren und das es keinen Respekt mehr vor der Natur gab, ehe er sich kurz mit den Polizisten unterhielt und dann in seinem Wagen wieder das Weite suchte. Rave ließ sie kurz bei den Beamten zurück um seinen Wagen zu parken während Kira mit den Polizisten noch die letzten Einzelheiten besprach und darauf wartete, das Raven wider durch den Schnee stapfend zu ihr zurückkehrte. Sie verabschiedeten sich von ihren Helfern in der Not, und begaben sich zurück in den Mini der von Raven sicher wider Richtung Schwabmünchen (Er stand wirklich mit der Nase nach Hiltenfingen) gebracht wurde, und fuhren los. Irgendwie schien Rave mit dem fahren genauso wenig Probleme zu haben als würde er an einem Sommertag unterwegs sein. So dauerte es kaum fünf Minuten bis in die Hofeinfahrt zu ihrem Haus fuhren. Im obersten Fenster brannte noch Licht was ein Zeichen dafür war das ihre Mutter wach geblieben war um auf sie zu warten. Um diese Zeit lag sie eigentlich schon lang im Bett. "Ich nehme an das du heute bei mir bleibst oder?" fragte Kira als Rave den Schlüssel zog und sich ausschnallte. "Wenn es der Lady genehm ist. Aber ich kann auch zurück zu meinem Auto laufen" Sie wusste dass er es ernst meinte, doch sie wusste auch dass er nicht damit rechnete dass sie dies von ihm verlangen würde. Und sie würde es auch nicht. "Quatsch. Ich lass doch nicht zu dass das Tier das ich angefahren habe Rache an dir nimmt." scherzte sie und Rave lächelte wieder. Doch diesmal war es ein aufrichtiges lächeln, und kein neckendes. Zusammen stiegen sie aus und begaben sich ins Haus aus dem ihnen sofort die einladende Wärme und der Geruch nach Kaffe entgegenschlugen. Ihre Mutter musste einen aufgesetzt haben um sie damit zu empfangen wenn sie heim kam. In dem Moment wurde ihr schmerzlich bewusst dass sie Sie hätte anrufen können, doch der Gedanke war ihr nicht gekommen. Sie schlenderte durch den Flur um sich ihrer Jacke und Mütze zu entledigen und Rave tat es ihr gleich. Unter seiner Lederjacke trug er nur ein schwarzes Hemd und Kira konnte kaum glauben das ihm dies bei dem Wetter nicht zu kalt war. Dann machten sie sich auf dem Weg nach oben um ihre Mutter zu begrüßen. Sie saß in einem Sessel vor dem Kamin und drehte langsam den Kopf in ihre Richtung als sie mit Rave das Zimmer betrat. Als sie ihre Mutter da so sah, glaubte sie in ihr Spiegelbild zu blicken. Sie hatten das gleiche Braune glatte Haar und die großen Rehbraunen Augen. Doch die ihrer Mutter hatten ihr Lebenslicht schon vor langer Zeit verloren. Das Licht das einst in Karolin Satin brannte, erlosch zusammen mit dem Leben ihres Sohnes der vor fünf Jahren bei einem Unfall ums Leben lamm. Kira und Karolin sprachen nie über diesen Vorfall um die Narben die dieses Thema immer wieder aufriss ruhen zu lassen. Doch immer wenn Kira ihre Mutter so sah, voller Sorge um ihr verbliebenes Kind, fühlte sie sich an ihren Bruder erinnert. Sie sprang aus dem Sessel und zog ihre Tochter in ihre Arme. "Wo warst du, ich hab mir Sorgen gemacht!" sagte sie tadelnd. Kira bemerkte wie wieder Wut in ihr aufstieg und sie hasste sich dafür. Sie wusste das ihre Mutter sich immer Sorgen um sie machte, und das es nicht ihre Schuld war das ihre Tochter ein Problem damit hatte wie ein Kleinkind behandelt zu werden. Deshalb blieb Kira einfach still und lies ihre Mutter gewähren. Als diese sie wieder freigab machte sie rasch einen Schritt zurück falls ihre Mutter nun auch noch auf den Plan kommen sollte sie in einen Sturm von Küssen untergehen zu lassen. "Es ist ja nichts passiert Mama. Ist es in Ordnung wenn Raven bei uns bleibt?" Sie zog Rave an seinem Ärmel weiter ins Zimmer hinein und Karolin schien erst jetzt zu bemerken dass er da war. "Guten Abend Rave. Musst du morgen nicht zur Arbeit?" fragte sie und Raven nickte. "Ja, aber meine Schicht beginnt mit der von Kira. Ich werde also mit ihr zusammen das Haus verlassen" Seine Antwort kam Kira ganz gelegen, denn sie hatte sich schon gefragt wie er sonst wieder an sein Auto gekommen wäre. So konnte sie ihn natürlich mitnehmen und gleich dort absetzen. "Von mir aus. Ich geh jetzt eh ins Bett dann kannst du es dir auf dem Sofa gemütlich machen" Karolin nickte Rave zu und gab Kira einen Kuss auf die Wange ehe sie sich an den beiden vorbei drängelte und in einem Zimmer am Ende des Flures verschwand. "Na gut. Ich würde sagen wir tun es deiner Mutter gleich und legen uns ebenfalls hin. Wir müssen beide morgen früh raus" Raven packte sich die Wolldecke die über der Lehne des Sessels hing und warf sie auf Sofa. "Alles klar. Dann sehen wir uns morgen früh. Schlaf gut Rave" sagte Kira und warf ihm noch schnell einen Blick zu ehe sie sich zum Badezimmer begab. Raven war heute echt ihr Retter gewesen und sie hatte irgendwie das Gefühl noch etwas sagen zu müssen. Doch sie wusste nicht was. Von hundertmal Danke hatte er auch nicht viel und um den Hals gefallen war sie ihm bereits im Auto. Trotzdem war da das Gefühl das noch etwas fehlte und es lies ihr einfach keine Ruhe. Sie betrat das Badezimmer und schloss die Tür hinter sich. Das Wasser mit dem sie ihr Gesicht wusch, wärmte wohltuend ihre Haut und lies einen angenehmen Schauer durch ihren Körper wandern. Es war alles gut. Ihr war nichts geschehen und sogar das Auto war noch in einem Stück. Selbst das Tier schien noch davon gekommen zu sein, auch wenn das Blut an ihrer Windschutzscheibe wenig Hoffnung machte das es sich von seinen Verletzungen erholte. Der Gedanke an dieses Erlebnis wird sie sicher noch eine Weile begleiten, und als sie sich In ihr Zimmer begab um dort müde ins Bett zu fallen hoffte, das zumindest in ihren Träumen kein Schnee auf den Straßen lag. Kapitel 2: Roter Schnee ----------------------- Als der Wecker Kira aus dem Schlaf riss fühlte sie sich müde und ausgelaugt. Die Nacht war zu kurz um das Geschehene richtig zu verdauen und jeder Muskel ihres Körpers schien aufzuschreien als sie sich aufrichtete. Der Blick aus dem Fenster war nicht gerade einladend, doch der Schneesturm hatte ein wenig nachgelassen. Im Licht der Straßenlaternen konnte sie die kleinen Flocken tanzen sehen die vom Wind hin und her getrieben wurden. Es war noch stock finster, doch um 5 Uhr morgens war dies kein Wunder und Kira quälte sich aus dem Bett. Sie schnappte sich ihre Klamotten und schlürfte Richtung Badezimmer als ihr auf halben Weg der Geruch von gebratenem Speck und Kaffe in die Nase stieg. Ihre Mutter war wohl schon aufgestanden und hatte sich um Frühstück gekümmert. Ihr Magen machte einen freudigen Salto was zu einer halbherzigen Katzenwäsche und einem unordentlich gebundenen Pferdeschwanz führte nachdem sie das Bad verlies um sich mit schnellen Schritten zur Küche zu begeben. Raven saß bereits schon an dem runden Esstisch während ihre Mutter am Herd stand und ein paar Eier in eine Pfanne schlug. "Guten Morgen" grüßte Rave sie und stocherte in seinem mit Speck versetzten Rührei herum. Es sah ebenfalls Müde aus, doch nicht schlimmer als es jeder um diese Uhrzeit täte. "Dir auch einen guten Morgen" sagte sie und setzte sich auf den Stuhl neben ihm während ihr Karolin ebenfalls einen Teller mit dem duftenden Frühstück reichte. "Geht es dir gut Schatz? Du siehst nicht gut aus" fragte ihre Mutter besorgt und Kira fiel plötzlich ein das sie ihr gar nicht erzählt hatte was gestern passiert war. Wenn sie so darüber nachdachte, war dies wohl auch besser so. Wenn ihre Mutter wüsste dass sie einen Wildumfall hatte, würde das in Karolin nur schmerzliche Erinnerungen wecken. Wahrscheinlich würde sie sogar versuchen ihr das Autofahren zu verbieten. "Mir geht es gut Mama. Habe nur nicht sonderlich gut geschlafen" versuchte sie sie zu beruhigen was ihr Augenscheinlich auch gelang da ihre Mutter lächelte und sich wieder den Herd zuwandte. Rave warf ihr einen vielsagenden Blick zu, doch Kira beschloss nicht darauf einzugehen. Sie konnte nur hoffen dass ihm kein Kommentar zu gestern heraus rutschte. Aber er sagte für den Rest des Frühstücks nichts dergleichen und so konnte sie in Ruhe ihr essen genießen und an ihrem Kaffee schlürfen ehe sie sich zur Arbeit fertig machten. Rave bedankte sich bei Karolin für das Essen und Kira drückte ihrer Mutter einen Kuss auf die Wange ehe sie zusammen das Haus verließen. Der Mini war wieder mal kaum zu erkennen unter dem ganzen Schnee was mit Ravens Hilfe aber schnell in den Griff bekommen wurde und sie somit kurze Zeit später auf der Straße unterwegs waren. Kira hatte ihren Führerschein zwar noch nicht lange, doch sie hatte sich bis heute noch nie schlecht hinterm Lenkrad gefühlt. Doch nun erwischte sie sich immer wieder dabei wie sie ängstliche Blicke zu den Straßenseiten warf als könnte plötzlich etwas auf die Straße springen. Rave der neben ihr saß entging das nicht. "Entspann dich mal ein bisschen. Du musst nur ruhig bleiben dann wird auch nichts passieren" hörte sie ihn sagen und spürte dabei den Blick seiner Augen auf sich ruhen. Sie hasste es wenn er sie so anstarrte! "Ich hatte gestern einen Umfall Rave! Ist doch klar dass es mir jetzt ein wenig unwohl ist!" Sie wollte eigentlich nichts sagen, das sie genau wusste dass es etwas Gemeines wäre. Doch da war ihre Zunge wieder mal schneller als ihr Verstand. "Das sollte keine Kritik sein. Es hat nur keinen Sinn wenn du dich jetzt verrückt machst" Sie wusste dass er es gut meinte und zwang sich ein Lächeln ab. "Das weiß ich doch Rave. Ich muss nur wieder mit mir ins Reine kommen." Dies schien ihn zufrieden zu stellen der er sagte nichts mehr dazu. Als sie bei seinem Auto waren lehnte er sich zu ihr rüber und nahm sie wortlos in die Arme. Diese Geste hatte so etwas Warmes und tröstendes an sich das Kira nicht anders konnte als ihn ebenfalls in ihre Arme zu schließen. Sie war ihm für gestern so unglaublich Dankbar dass sie es ihm wohl niemals in Worte ausgedrückt hätte zeigen können. Doch dies hier schien ihr der beste Weg zu sein. Nach einer gefühlten Ewigkeit lösten sie sich und Raven verabschiedete sich während er aus dem Auto stieg und zu seinem eigenen durch den Schnee stapfte. Im Laden ihrer Mutter wo Kira als Verkäuferin arbeitete war an diesem Tag nicht viel los. Kaum jemand wollte bei diesem Wetter das Haus verlassen und so hatte sie Zeit Stressfrei die Regale einzuräumen, eine Bestandaufnahme zu machen und allgemein ein wenig für Ordnung zu sorgen. Das kleine Geschäft für Haustierbedarf war das einziger seiner Art in Schwabmünchen und konnte daher einen recht guten Umsatz machen. Früher wurde es von Kiras Vater und ihrer Mutter zusammen geführt, was sich aber nach dem Tod ihres Bruders änderte. Das Jahr nach dem schrecklichen Unfall hatte ihre Familie gespalten. Die Trauer und die Last der daraus folgenden Probleme wurden für Karolin so unerträglich das Kiras Vater ihrem Leid nicht länger zusehen konnte. Er verließ seine Familie und zog zurück nach Hamburg, wo er und Karolin sich einst kennengelernt hatten. Früher glaubte Kira dass er eines Tages zu ihnen zurück kommen würde, doch heute war ihr klar das ihr Vater sie im Stich gelassen hatte. Ein Mann der nicht die nötige Stärke besaß seiner Familie zu helfen wenn es ihr am schlechtesten ging. So versuchte Kira ihrer Mutter die meiste Last im Laden abzunehmen und hatte hierfür sogar ihren Traum Pferdetherapeutin zu werden aufgeben um in den Einzelhandel zu gehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)