Das perfekte Drama von GOTTHEIT ================================================================================ - und die fragwürdige Kompatibilität ------------------------------------ Das perfekte Drama – und die fragwürdige Kompatiblität       Wichtige Anmerkung der Redaktion: Das nachfolgende Schriftstück ist für Leser mit Anforderungen an Realismus nicht geeignet. Die Behindertheit dieses Oneshots übertrifft alle vorangegangenen Werke. Und nun viel Vergnügen mit dieser Ausgeburt eines Hirndurchfalls. – Es war einmal … – Wenn es eine Sache gab, der kein nennenswerter Nebencharakter dieser verrückten Geschichte glaubte, dann war es die wundersame Art und Weise, wie Aomine Daiki und Kise Ryōta sich kennengelernt hatten. Besonders erstaunlich war es allerdings nicht, denn allein die Umstände ihres Kennenlernens waren schon so verrückt, dass man sie als besonnenes Menschenwesen nicht nachvollziehen konnte. Die beiden waren auf den ersten, zweiten und auch den dritten Blick so inkompatibel wie zwei entgegengesetzte Himmelsrichtungen. – Ein treffender Vergleich, den Kuroko Tetsuya einmal hinter ihrem Rücken bei einer der vielen Zusammenkünfte des Freundeskreises leise ausgesprochen hatte. „Ja, wie zwei Himmelsrichtungen, die auf der anderen Seite des Globus leider trotzdem aufeinander treffen“, antwortete Midorima Shintarō altklug und leicht gereizt darauf, während er dabei war, seine Brille zum dritten Mal zu polieren. „Eher wie zwei tektonische Platten, die ununterbrochen aneinander reiben und für Naturkatastrophen auf unserem Planeten sorgen“, meinte Momoi Satsuki mit einem resignierten Seufzen, ehe sie den Rest ihres Biers exte. Fast schon noch unbegreiflicher für alle Beteiligten war es jedoch, dass Aomine und Kise es bereits ganze sechs Jahre miteinander ausgehalten hatten. Wovon das erste Jahr in einer offenen Fernbeziehung verlief, ein weiteres in einer festen Fernbeziehung, zwei Jahre in derselben Stadt und die letzten beiden dann im gemeinsamen Haushalt. Das zur Trennung führende Beziehungsdrama, mit dem der Freundeskreis jedes Jahr aufs Neue rechnete – es wurden sogar Geldwetten abgeschlossen – ließ jedoch immer noch auf sich warten. Und ob das gut oder schlecht war, konnte niemand mit Gewissheit sagen. Angefangen hatte alles mit einer unauffälligen Anzeige im Internet. Die Seite, auf der die Anzeige platziert worden war, gehörte zur absolut unbedenklichen Sorte – nichts Skandalöses also. Eine Seite, auf der man sich ganz unspektakulär eine Mitfahrgelegenheit suchen konnte. Also bot sie eigentlich keinen Nährboden zur Entwicklung eigenartiger Beziehungen. Jeden Tag suchten immerhin Unmengen an Menschen jemanden, der mit ihnen mitfahren würde. Jedenfalls war Kise bei der Aufgabe der Anzeige wohl prompt die Vorstellung über realistische Preise entglitten. Vielleicht nicht nur die … Auf 0:30 Uhr nachts war die Reise angesetzt. Der Treffort – eine eher schlecht erreichbare Raststätte am Rande der Stadt, zwischen Flughafen und einer Autobahnausfahrt. Das Endziel – ein Parkplatz neben Kise Ryōtas 5-Sterne-Hotel. Der Spaß kostete unverschämte 80 Euro pro Person für eine höchstens anderthalbstündige Fahrt. Dafür durften die Mitfahrer allerdings den Luxus einer äußerst bequemen Reise auf den sandfarbenen Ledersitzen von Kises AMG genießen. Das stand sogar wortwörtlich SO neben einem Foto des Autos in der Anzeige geschrieben, um es den potentiellen Mitfahrern so richtig schön unter die Nase zu reiben. Es fuhr sich eben nicht umsonst in einer schicken Sportlimousine, die aus mehr Technik als Mechanik bestand. Außerdem war das erlesene Design künstlerisch wertvoll und das allein sollte doch wohl den hohen Fahrtpreis rechtfertigen, oder? Das gute Teil war darüber hinaus noch lange nicht abbezahlt. Bei dem Preis musste selbst ein gut verdienendes Model wie Kise Ryōta zu einem Kredit greifen. Auch da war es nur allzu verständlich, dass er eine extra Absicherung haben wollte, bevor er einem wildfremden Menschen das teuer verarbeitete Leder seines Traumwagens zur Verfügung stellen würde. Realistische Preise sollte sich also doch bitte jemand anderes ausdenken – Kise jedenfalls nicht. „Scheiße!“, zischte Aomine, der nicht fassen konnte, was der Bildschirm seines Handys ihm da bot. Die Anzeige konnte doch nicht ernst gemeint sein! „Was’n?“, fragte Nebya Eikichi seinen Kumpel, den er vor etlichen Jahren bei der Absolvierung des Wehrdienstes kennengelernt hatte. Jetzt lebten sie in unterschiedlichen Städten und hatten nicht so viele Gelegenheiten, miteinander abzuhängen. Deswegen nutzten sie die gemeinsame Zeit auch sehr effizient. Während Aomines Besuch hatten sie ganz schön auf die Kacke gehauen, waren durch den Wald gesprintet, hatten sich im Fitnessstudio gegenseitig zu eigenen Rekordbrüchen angestachelt und sich allgemein übertrieben männlich aufgeführt. Zum krönenden Abschluss hatten sie es sich noch in einer Kneipe gemütlich gemacht, nachdem der ganze Tag mit produktivem Muskelaufbautraining verbracht worden war. Jetzt war das Drama allerdings groß, denn Aomine hatte viel zu spät mitgekriegt, dass er noch gar keine Rückfahrt gebucht hatte, obwohl er morgen zur Arbeit musste. Demzufolge hatte er ein paar Minuten der wertvollen Saufzeit entwenden müssen, um sich der Suche nach einer passenden Mitfahrgelegenheit zu widmen. „Fuck, es gibt nur noch ’ne einzige aktive Anzeige, aber der Typ hat echt nicht alle Tassen im Schrank! Lies dir den Bullshit doch mal durch!“ Nebuya nahm das ihm gereichte Handy entgegen und versuchte sich trotz seines Bierrausches auf den Text zu fokussieren. Dann lachte er laut schallend auf. „Alter, das ist so einer, der zum Frühstück Koks in sein Müsli mischt. Scheint ja ein ganz Abgehobener zu sein“, kommentierte er schließlich, während er noch das Bild des Autos im Großformat bestaunte. „Pft, wenn der so viel Kohle hat, dann soll er gefälligst nicht so viel für ’ne scheiß Mitfahrgelegenheit verlangen!“ „Musst die ja nicht nehmen.“ „Und wann soll ich dann fahren? Morgen früh oder was?“ „Keine Ahnung, lass dich halt mit nem Heli abholen.“ „Sicher. Mein Chef liebt mich so innig, dass er mir auch glatt ’nen Privatjet vorbeischicken würde.“ „Tja, dann hast du wohl keine Wahl. Entweder blechst du dem Snob oder der Bahn – deine Entscheidung.“ Nebuya gab Aomine sein Handy zurück, das dieser vorerst mit einem genervten Seufzen weglegte, um anschließend dem bärtigen Kellner zu signalisieren, dass sie die nächste Runde bestellen wollten. Sie blendeten das Dilemma fürs Erste wieder aus, aber je mehr Biergläser geleert wurden, desto alberner und heiterer wurde die Stimmung. Da konnte man schon auch mal auf wahnwitzige Ideen kommen.   „Okay, pass auf.“ Aomine hielt beide Zeigefinger vor Nebuya in die Luft. „Ich werde es diesem kleinen Pseudo-Prinzen zeigen.“ „Lass hören, lass hören!“ „Ich schwöre, ich werde ihm die Laune so krass vermiesen – der wird nie wieder in dieses Auto steigen!“ „Traumatisches Erlebnis, haha!“ Aomine lachte auch. Er war wirklich sehr angetan von seiner eigenen Idee. Außerdem kostete ein kurzfristig gebuchtes Ticket mit der Bahn dann doch mehr. Und auf diese Weise konnte Aomine vielleicht noch eine „gute Tat“ für die Menschheit am heutigen Abend vollbringen. Wirklich, er wollte nur so viel Kohle in eine verfickte Mitfahrgelegenheit investieren, um diesem K. R. am Ende den Stinkefinger in den Arsch zu schieben! Schön tief rein, bis der Typ heulte und um Vergebung bettelte! Oh, was freute er sich schon darauf! Währenddessen hatte K. R. – alias Kise Ryōta – keinerlei Gewissensbisse. Immerhin war er derjenige, der um ganze anderthalb Stunden Schönheitsschlaf in der Nacht beraubt werden würde. So eine Autofahrt kostete ja auch jede Menge Nerven! Sein Stylist würde am nächsten Tag gefühlte zwei Tonnen mehr kostspieligen Makeups benutzen müssen. Und er bestand schon auf das erlesene Bio-Import-Zeug ohne Tierversuche, das in Sachen Nachhaltigkeit und Fairtrade nicht zu überbieten war. Nicht zu vergessen, dass in der sorgfältigen Kalkulation des Fahrtpreises auch ein Aufschlag für eine Spende an eine Umweltschutz-Organisation drinsteckte. Man denke doch nur mal an die Abgase, die bei der Fahrt entstehen würden! Kise Ryōta war eben ein sehr umweltbewusster Mensch! Außerdem wusste man ja nie, wie so ein Mitfahrer drauf sein würde. Schlimmstenfalls würde Kise die ganze Zeit lang der Monotonie der Autobahn ausgesetzt sein oder wahlweise ermüdenden Gesprächen über die Ex. Wenn es also nach ihm ginge, passte ihm entweder jemand mit Humor und einem Talent für Unterhaltung, oder aber ein Typ, der es sich auf der Rückbank gemütlich machen würde, um auf der Fahrt durchzuschlafen, wie es jeder vernünftige Mensch um diese Uhrzeit für gewöhnlich tat. Doch der Kerl, der fast eine ganze Stunde zu spät kam, nach Zigaretten und Bier stank und aussah wie der letzte Penner, blieb auf dem Beifahrersitz nicht nur wach, sondern verhielt sich auch unerwartet so sehr daneben, dass Kise fast das Kotzen bekam. Schon als er gemächlich mit seiner versifften Reisetasche auf Kise zuging, präsentierte er ein ganzes Arsenal an manierlichen Abgründen, indem sich sein kleiner Finger den Weg in die Untiefen seiner Nasenhöhle bahnte und eine grünlich schimmernde Schleimkugel ans Licht zauberte. Diese wischte er sorgfältig an seiner zerschlissenen Jeans ab, welche von fragwürdigen Flecken nur so übersät war … Es würden schon bald viele weitere Verhaltensentgleisungen folgen.     Aomine Daiki hatte sich dafür den ganzen Abend lang extra von Nebuya inspirieren und beraten lassen. Er hatte in weiser Voraussicht weder geduscht, noch versucht, sich anderweitig in soziale Ordnung zu bringen, denn genau damit konnte man so einen Snob wie K. R. sicherlich gut auf die Palme bringen. Von dieser meisterhaft durchdachten Arschigkeit ahnte Kise hingegen nichts und verzog daher bloß das Gesicht bei dem Anblick. Jackpot! – Aomine grinste jähzornig in sich hinein. Die Fahrt würde ein reines Vergnügen werden. „Mann, du siehst ja gar nicht mal so gut aus“, gab er zur Begrüßung von sich, während er direkt vor Kise stehen blieb. „Auf dem Foto hattest du noch keine asymmetrischen Augenbrauen“. Der Angesprochene hatte abweisend die Arme vor der Brust verschränkt und eine der erwähnten Augenbrauen voller Skepsis in die Höhe gezogen – was selbstverständlich überhaupt erst der Grund für die Asymmetrie war! Denn wenn es eines gab, das bei Kise Ryōta perfekt war, dann waren es die Augenbrauen! „Bitte packen Sie die Tasche in den Kofferraum und steigen Sie einfach ein, ansonsten fahre ich ohne Sie los. Sie sind echt spät dran“, zischte er unbeeindruckt aber mit einer nicht zu überhörenden Herablassung in der Stimme. Dann setzte er sich in sein Auto und brachte den Motor zum Laufen. Bis heute wusste er nicht, was ihn damals davon abgehalten hatte, im nächsten Moment das Gaspedal durchzudrücken und mit quietschenden Reifen diesen Widerling einfach hinter sich zu lassen, bevor dieser das Auto auch nur berühren konnte. Stattdessen hoffte Kise inständig, dass sich der abartige Typ für die bequeme Rückbank entscheiden würde, die ihm genügend Platz für das übergroße Gorilla-Ego lieferte. Aber dieser „Licht85“, wie er sich online genannt hatte, pflanzte sich nicht nur neben Kise und verstellte den Beifahrersitz mit einem ruppigen Ruck ganz nach hinten, sondern zog auch noch seine von getrocknetem Schlamm überzogenen Boots aus, um all den facettenreichen Gerüchen auch noch die intensive Duftnote von Käsefuß zu verleihen. Wow – Kise durfte hier gerade wirklich die tiefsten Abgründe der menschlichen Spezies ergründen. Auf der anderen Seite versetzte jede Abneigung äußernde Reaktion des Autofahrers Aomine in einen exquisiten Rausch der Genugtuung und er konnte kaum mehr die nächste Möglichkeit abwarten, diesen ekelhaften Bilderbuchschönling noch mehr außer sich zu bringen. Selbst auf die Gefahr hin, irgendwo auf einer gottverlassenen Autobahnraststätte ausgesetzt zu werden und morgen nicht zum Dienst erscheinen zu können. Totally worth it! Kaum setzte sich das Auto in Bewegung, da holte Aomine auch schon eine Zigarettenpackung raus. Er war sich dessen vollkommen bewusst, dass in der Onlineanzeige ein expliziter Vermerk zum Rauchverbot im Wagen stand, aber er hatte nicht einmal die Intention sich eine anzuzünden. Viel eher wollte er Kise zu der gestellt höflichen Bitte treiben, es zu unterlassen. Er wurde nicht enttäuscht. „Alter, was bist du denn für ’ne verklemmte Schwuchtel?“, kommentierte er Kises vorhergesehene Aufforderung, während er die Packung wieder wegsteckte und aus den Augenwinkeln schadenfroh beobachtete, wie Kises Kiefer sich anspannte. Was? – War er ernsthaft schon dabei, mit den Zähnen zu knirschen? Ging ja schnell! Oder … hatte Aomine da etwa einen wunden Punkt getroffen? War dieser K. R. etwa …? – Auf einmal verstand er! Seine grimmige Miene hellte sich etwas auf und er lobte sich innerlich für seine kognitive Glanzleistung. Wenn er sich den Typen so ansah, dann lag es klar auf der Hand: gepflegt, Ohrstecker mit einem kleinen, funkelnden Steinchen, kein Bartwuchs, relativ gut trainierter Körper, nicht sonderlich männlich (bis auf die Körpergröße) – der war keinesfalls hetero, sondern viel eher eine Schwulette wie es im Buche stand! Sexuell ausgelastet war er sicherlich auch nicht. Das sah man schon allein an seiner angespannten Körperhaltung. Bei seiner Körpergröße war bestimmt nicht so schnell jemand zu finden, der ihn vögeln wollte! Entweder das, oder aber er war wirklich schon ziemlich angepisst wegen Aomines Fehlverhalten. – Nur dass die Fahrt gerade erst begonnen hatte und der Polizist es ihm auf jede nur erdenkliche Art und Weise noch schwerer machen würde, sich zu entspannen. Jackpot Nummer zwei. „Ich möchte Sie darum bitten, weitere Kraftausdrücke sein zu lassen, Herr-“ „-Aomine Daiki“, stellte sich der Angesprochene nonchalant vor. „-Herr Aomine. Und schnallen Sie sich bitte an.“ „Warum? Kannst’e nicht fahren, oder was?“ Kise verdrehte daraufhin die Augen. „Ich fürchte eher um Ihr Wohlergehen“, antwortete er schnippisch, „nicht, dass ich bei 200 Km/h aus Versehen gegen die Leitplanke fahre und Ihrem elendigen Dasein ein Ende bereite.“ Man konnte schon fast heraushören, wie Kise es sich genüsslich vorstellte – so liebreizend hatte seine Stimme geklungen. Okay, Aomine musste zugeben, dass das durchaus ein wenig schlagfertig war. Doch es kratzte nicht einmal im Geringsten an seiner harten Schale der absoluten Coolness. Er lachte laut mit seiner tiefen Stimme auf. „Angeschnallt oder nicht – bei 200 Sachen sterben wir beide. Zeig mal lieber, was dein Baby draufhat“, entgegnete er frech, ging aber zumindest der Aufforderung nach, sich anzuschnallen, (sicherheitshalber) aus einem minimalen Anflug an Mitleid. Kise dachte jedoch nicht im Traum daran, Aomines Wunsch zu erfüllen. Als dieser sich deshalb nach kürzester Zeit aus Langeweile ein Modemagazin aus dem Seitenfach des Autos nahm, ließ er einen ohrenbetäubenden Pfiff verlauten. „Ach so? – K. R. steht also für Kise Ryōta? – Das berühmte Model, auf das die Teens heutzutage so abfahren? Ist mir auf den ersten Blick gar nicht aufgefallen. Muss wohl viel Photoshop im Spiel sein“, stichelte er, aber Kise hatte sich offenbar dazu entschlossen, ihn einfach zu ignorieren. Schade. Aomine hatte gehofft, ein bisschen mehr Frustration und Rumgezicke aus ihm rauszukitzeln. Sie fuhren geschätzte zehn Minuten in völliger Stille, dann bediente sich Aomine ungefragt des Bluetooth an der Musikanlage in der Hoffnung, wenigstens mit ein paar Liedern von seinem Handy zu nerven, und da Kise beide Hände gewissenhaft am Lenkrad hielt, konnte er auch nicht schnell genug eingreifen. Aomine rieb sich innerlich schon die Hände, da er wusste, dass sein Musikgeschmack eher unkonventionell war und er Kise damit ordentlich die Laune weiter vermiesen konnte. Sicher hörte dieser in seiner Freizeit eher Interpreten wie Justin Bieber und Lady Gaga. Pft! Großartig! – Aomine hatte auch schon gleich den perfekten Interpreten ausgesucht. Tom Wats schallte mit seiner rauchigen, verruchten Stimme aus den Boxen. Aomine musste die Lautstärke sogar von sich aus wieder runter regeln, damit die Bässe der teuren Musikanlage das Auto nicht noch ins Schleudern brachten. „Geil! So muss das!“, schrie er halb, damit man sein asoziales Verhalten auch ja durch die Musik hindurch vernahm. Aber als er zu Kise sah, um sich zu vergewissern, dass diesem schon die regenbogenfarbene Kotze aus dem Mund lief, musste er leicht verwirrt blinzeln. Genauso wie der Autofahrer selbst, der zwar weiterhin aufmerksam nach vorne auf die Straße schaute, aber sichtlich überrascht wirkte. War da sogar ein kleines Schmunzeln, oder täuschte sich Aomine? „Hä, du magst Waits?“, hakte er noch sicherheitshalber nach. „Ich hätte eher von einem ungebildeten Ekelpaket, wie Ihnen nicht erwartet, Tom Waits zu mögen“, erwiderte Kise darauf und stieß noch ein leicht arrogantes ‚Hm‘ durch die Nase aus. „Mann, lass endlich das Siezen – wir sind jetzt Best Buddies, klar?!“, brummte der Polizist gut gelaunt, woraufhin Kise unerwarteterweise sanft auflachte. „Meinetwegen.“ Aomine ertappte sich dabei, es irgendwie ganz süß zu finden. War ja nicht so, als würde dieser eingebildete Schnösel rein optisch völlig nahtlos in sein Beuteschema reinpassen … oder so … Gott bewahre! Verdammt! Diesen Sympathiepunkt hatte sich dieser schwule Wichser von einem Neureichen gar nicht verdient! Es folgten weitere Lieder anderer Interpreten, von denen Aomine hoffte, dass sie Kise nervten, aber er griff damit völlig ins Klo, denn auch die nächsten Musikstücke schienen den Blonden nicht weiter zu stören. Ganz im Gegenteil – offenbar gab es da diese eine heimtückische Gemeinsamkeit zwischen ihnen beiden, die Aomines Vorhaben komplett vereitelte. Ganz zu seiner Frustration. Resigniert stützte er einen Ellenbogen auf den Vorsprung am Autofenster und bettete seine Wange in die Handfläche, um leicht verwirrt nach draußen zu starren und die vorbeiziehenden, dunklen Bäume am Straßenrand anzuschmollen. Von allen Dingen, die sie hätten gemeinsam haben können, musste es ausgerechnet so etwas Wichtiges wie der Musikgeschmack sein – blöd gelaufen! „Halt' mal bei der nächsten Raststätte an, ich muss pissen“, knurrte Aomine verstimmt. So langsam gingen ihm die Ideen aus, während Kises Laune sich hingegen zu bessern schien. Nicht gut, gar nicht gut … Gesagt, getan. Kise hatte es eigentlich gar nicht eingeplant, eine Pause zu machen, aber das Auto konnte dringend ein ausgiebiges Stoßlüften vertragen – trotz Klimaanlage!. Aomine benutzte indes draußen einen Busch, um sich zu entleeren und blieb noch kurz draußen, um eine Zigarette zu rauchen. Einen positiven Nebeneffekt hatte das Ganze: Aomine musste beim Rausgehen die Schuhe wieder anziehen und Kise konnte sich kurz entspannen und seine Nase und Lunge mit frischer Luft füllen. Er saß bei offenen Autotüren auf dem Fahrersitz und linste zu Aomine, der mit dem Rücken zu ihm gekehrt auf dem Parkplatz ein paar Schritte auf und ab spazierte. Dabei fiel ihm auf, dass der Typ – von dem Geruch und den ranzigen Klamotten mal ganz abgesehen – gar nicht mal so übel aussah. Die definierten Muskeln an seinen Oberarmen und das breite Kreuz ließen auf eine gute Form und routinierte Körperarbeit schließen. Vielleicht war der Typ ja ein Bauarbeiter oder so … Die kehrten ja von der Arbeit bekanntlich immer in einem schrecklich verwahrlosten Zustand zurück. Verschwitzt, verraucht, mit einer Bierfahne und der Gossensprache frisch aus dem Ghetto – das hier war wohl auch so ein ähnlicher Fall. Ryōta ertappte sich dabei, diesem Aomine Daiki ein kleines bisschen das Benehmen zu verzeihen, wenn er schon so einen vortrefflichen Musikgeschmack aufwies. Es konnte ja nicht jeder eine hohe Bildung oder einen guten Job genießen. Trotzdem war Kise kein großer Fan von solch einer Armut an Stil. Besonders nicht, wenn es darum ging, sich in der Öffentlichkeit aufzuhalten. Bei aller Liebe zum guten Musikgeschmack! Aomine grübelte derweil scharf über den weiteren Verlauf der Fahrt nach. Es konnte doch nicht schon das Ende vom Lied sein, oder? Dabei wollte er doch nur, dass dieser Tag in Kise Ryōtas My-Little-Pony-Kalender als der schlimmste Tag im Leben rot eingekreist werden würde. Und dafür musste ihm schleunigst einfallen, wie er es verhindern konnte, Kise immer attraktiver zu finden. Alleine schon wie dieser ihn herablassend vom Auto aus musterte – was Aomine mit einem flüchtigen Blick über die Schulter festgestellt hatte – musste doch ausreichen, um ihn wieder total scheiße zu finden, oder? Für solche dämlichen Blicke gehörte Kise ohne Umschweife in die Hölle! Leider erhaschte Aomine durch den kurzen Blick jedoch auch die herrliche Aussicht auf das bis zum Erbrechen harmonische Bild Kises im erhellten Luxusauto, als würde dieser grade exklusiv für ihn zu der erstklassigen Musik posieren. Es fehlte nur noch ein Fotograf und schon wären ein paar hochwertige Mercedes-Werbebilder entstanden. Zugegeben – zum Model taugte Kise Ryōta schon irgendwie. Dieses Meisterwerk des Zufalls konnte man zu Aomines Leidwesen nicht mehr unter Photoshop verbuchen. Komm schon! Gib mir einen weiteren Grund dich zu hassen! dachte sich Aomine leicht verzweifelt. Er stieg nach einigem Hinundherwandern und Füßevertreten wieder ins Auto und vergaß sogar vor lauter Verwirrung, seine Schuhe wieder auszuziehen. Ganz zu Kises Gefallen, der es sich vorgenommen hatte, den Rest der Fahrt nett ausklingen zu lassen, denn auf weiteren Stress hatte er so gar keine Lust, während sich Aomine deswegen innerlich immer mehr ärgerte. Irgendetwas musste es doch geben, womit er Kises verdammte Ruhe noch einmal so richtig stören konnte! Doch erst als Kises Hotel und damit das Endziel in Sichtweite waren, fiel es Aomine wie Schuppen von den Augen. Natürlich! DAS WAR ES! Selbst der Parkplatz vor dem Hotel war so fancy, dass Aomine wieder klar wurde, warum er diesen widerlichen Snob so hasste. Dieser verfluchte Bastard! dachte sich der Polizist angewidert. Bescheidenheit war wohl echt nicht die Stärke dieses Models. Aber was erwartete er auch? Schließlich musste Aomine ganze 80-fucking-Euro blechen. Dieser Preis war exorbitant! Höchste Zeit, die Trumpfkarte auszuspielen, die er noch im Ärmel trug. „Da wären wir.“ Kise seufzte tiefenentspannt und lehne sich kurz im Autositz zurück, die Hände immer noch am Steuer, als wäre er erleichtert darüber, dass es gleich vorbei sein würde und er diesen Rüpel nie wieder sehen müsste. Wie schön, dass Aomine da ganz andere Pläne verfolgte, die jede vorangegangene Dreistigkeit um Weiten überstiegen. Sagen wir einfach, dass es auf einer Skala von Eins bis Zehn die stolze 100 erreichte. Nicht dass sich Aomine tatsächlich einen Erfolg erhoffte, aber für den heftigsten Schock von Kises bislang friedlichem Leben würde es allemal reichen. Sie saßen ein paar Minuten still im Auto, als würden sie auf die Initiative des jeweils anderen zum Aussteigen warten, dann machte Kise den ersten Schritt und verließ das Auto. Die Tür fiel ins Schloss und just in diesem Moment breitete sich auf Aomines Mund ein spöttisches, finsteres Grinsen aus. Zu schade, dass er nicht aufnehmen konnte, was gleich passieren würde. Erst dann stieg er mit wieder eingekehrter Ausdruckslosigkeit im Gesicht aus, als liefe noch alles nach Kises Plan. Letzterer holte gerade seine Luxusreisetasche aus dem Kofferraum und wartete hinter dem Auto auf den Besitzer des zweiten Gepäckstücks, das sich dort noch befand und welches er aus Ekel nicht einmal im Traum wagen würde, anzufassen. Sein Auto musste Kise auf jeden Fall nach dieser Reise reinigen lassen. Aomine ließ nicht lange auf sich warten und hängte sich seine Tasche um die Schulter. Und als wäre es eine Geste der grenzenlosen Dankbarkeit für die wunderbare Fahrt, hielt er Kise seine Hand hin als Zeichen dafür, dass er ihm zuvorkommend die Tasche ins Hotel tragen würde. Nicht dass es den Blonden nicht überraschte, aber offenbar war er naiv genug, doch noch an das Gute im Menschen zu glauben. Mit einem Lächeln reichte er Aomine sein Gepäck, schloss den Kofferraum und verriegelte das Auto mit dem Knopfdruck auf dem eleganten, elektronischen Schlüssel. Er dachte sich nicht einmal etwas dabei, als sie gemeinsam zur Rezeption gingen. Wie gut für Aomine, der sich bereits im Kopf die Worte zurechtlegte, die er gleich verlauten lassen würde. Als sie vor dem Tresen aus weißem Marmor angekommen waren und Kise sich mit auffordernd abwartendem Blick zu ihm drehte, war die Bühne für Aomine vorbereitet. Vorhang auf – It’s Showtime! „Uhm, willst du nicht langsam mal den Schlüssel holen?“, fragte Aomine wie selbstverständlich. Kise legte mit leichter Verständnislosigkeit den Kopf schief. „Schon gut, ab hier kann ich meine Tasche auch selber tragen. Ist ja nicht schwer“, antwortete er. „Hä? Was hat’s mit der Tasche zu tun?“, gab Aomine gespielt fragend zurück. „Ich bin einfach nur müde und will langsam pennen.“ Der verwirrte Ausdruck auf Kises Gesicht verschaffte Aomine beinah freudige Gänsehaut. „Ach so? Du übernachtest hier auch? Das wusste ich gar nicht.“ „Warum sollte ich deine Tasche denn sonst auf unser Zimmer schleppen?“ Unser Zimmer? – das stand gleich darauf in Kises bernsteinfarbenen Augen geschrieben und war unheimlich befriedigend. „Moment mal – WAS?!“ „Wie – ‚was‘? Ich dachte, das ist in dem Preis mit drin, so viel wie die Fahrt kostet.“ „Das … das ist doch nicht dein Ernst!“, sagte Kise mit vor Empörung entgleisten Gesichtszügen. Genau der Anblick, den Aomine bei ihm hatte hervorrufen wollen. Genau der! Jackpot Nummer drei! Aomine seufzte theatralisch genervt und kramte anschließend in seiner hinteren Hosentasche, um seine Dienstmarke rauszuholen. Damit drehte er sich zu der ebenso verwirrten Frau an der Rezeption, die nicht wusste, was sie jetzt erwartete, und hielt das Abzeichen vor sich gut sichtbar in die Luft. Daran war nichts gefälscht, schließlich war er ja wirklich Polizist. Die junge Frau machte große Augen und sah dann etwas aufgeregt zu Kise, als hätte er etwas verbrochen. „Spaß beiseite“, sagte Officer Aomine Daiki. „Ich ermittle außerdienstlich im strafrechtlichen Fall – Paragraf §575x6. Was mich dazu berechtigt, dieses Individuum hier – besser bekannt als Kise Ryōta“, er deutete mit dem Daumen über seine Schulter auf das Model, „auf sein Zimmer zu begleiten und ihn einer Untersuchung zu unterziehen. Behandeln Sie es bitte mit Diskretion. Wir wollen schließlich keine Rufschädigung hervorrufen“, leierte Aomine runter, als wäre es völlig normal. In Wirklichkeit aber log und erfand er, was das Zeug hielt. Der ganze Bullshit, den er gerade von sich gegeben hatte, existierte gar nicht, aber Hauptsache war doch letzten Endes, wie überzeugend er es darstellte. Und so lange er sein arbeitstechnisches Pokerface aufsetzte und professionell klingende Worte wählte, war er mit seiner waschechten Dienstmarke äußerst authentisch. Selbst Kise fehlten gerade die Worte, so autoritär wie Aomine auf einmal wirkte. Er stand mit vor Empörung und Sprachlosigkeit leicht offenem Mund da und wusste nicht, was er in so einer Situation unternehmen konnte. Die Hotellangestellte nickte hingegen nur zustimmend – wenn auch leicht besorgt – und sehr überzeugt davon, dass das Ganze der Wahrheit entsprach. Anschließend rückte sie ohne weitere Fragen den Zimmerschlüssel raus. Etwas mitleidig sah sie zu dem völlig geschockten Schönling, dem sie wohl jede Straftat verzeihen würde. Doch auch sie verstand, dass sie gegen das Machtwort eines Polizeibeamten nichts ausrichten konnte. Einige Minuten später standen sie auch schon im Hotelzimmer. Während Kise immer noch der Sprache und des Durchblicks beraubt war, ließ Aomine einen langen, anerkennenden Pfiff verlauten. Das Zimmer war schlicht, aber dafür umso stilvoller. Aomines schmuddelige Reisetasche, die er kurzerhand auf einer Sitzgelegenheit deponierte, wirkte hier mehr als nur fehl am Platz. „Kannst du mir jetzt bitte erklären, worum es hier geht?“, konnte Kise nun endlich hervorbringen, weil er sich halbwegs zusammengerissen hatte. „Personenschutz“, antwortete Aomine lustlos und spazierte durch den Raum auf Erkundungstour. „Ich verstehe gar nichts mehr! - Erst ist die Rede von Untersuchung, jetzt ist’s Personenschutz? Was zur Hölle?“ „Entspann dich Kise. Das hast du deiner Agentur zu verdanken, nicht mir. Also stell dich schon mal drauf ein, dass ich die Nacht hier verbringen werde.“ „WAS?!“ „Du hast mich gehört.“ Wie schön, dass es schon so spät war und Kise sich bei seinem Manager nicht so einfach erkundigen konnte, ob es auch wirklich der Wahrheit entsprach. Jedwede Beschwerden mussten also bis morgen warten. „Das reicht jetzt! Davon weiß ich nichts! Raus hier, oder ich-“ „- Was?“, unterbrach Aomine ihn sofort, „- Oder du rufst die Bullen, ja? Brauchst du nicht, hier bin ich. Aber wenn du unbedingt den teuren Einsatz aus eigener Tasche später zahlen willst – bitte. Ich halt’ dich nicht auf.“ Und wieder nahm er Kise damit die Worte. Selbstgefällig und völlig von sich überzeugt ging Aomine zu seiner Tasche zurück um sie zu öffnen und darin zu kramen. Ans Licht kamen einige Sachen, die zu seinem gut konzipierten Pennerlook stilistisch überhaupt nicht mehr passten. Eine saubere Traningshose, Vernünftig aussehende Unterwäsche, ein Kulturbeutel, der angenehm nach Aftershave roch. Kise wäre positiv überrascht, wenn er nicht gerade dabei wäre, immer noch vor Empörung versteinert zu sein. Aomines Selbstverständlichkeit gegenüber der Situation war gerade das, was ihn völlig aus der Bahn warf und einfach nicht darauf klarkommen ließ, was hier und jetzt vor seinen Augen geschah. „Ich bin dann duschen. Ist schon spät, solltest du also dann auch mal machen. Du hast doch morgen was vor“, bluffte Aomine weiterhin. Dann verschwand er ohne Weiteres im stilvollen Badezimmer, um kurze Zeit darauf, das Wasser über seinen Körper prasseln zu lassen. Fuck – das lief ja viel besser als geplant! Um ehrlich zu sein … sogar beängstigend besser. Bis hierhin hatte Aomine nicht einmal spaßeshalber erwartet, vorzudringen. Und abgesehen davon wurde es langsam doch etwas gefährlich! Wenn diese Vorzeigeblondine heute noch einen klaren Kopf bekam und dahinter stieg, was für eine heftige Lügengeschichte hier aufgetischt worden war, dann war Aomine eigentlich so ziemlich geliefert! Sollte Kise jetzt wirklich die Polizei rufen, könnte er suspendiert werden. Und das war noch das Mindeste! Eigentlich war er ja nur darauf aus gewesen, dem Model einen Schreck einzujagen und ihm den Tag damit zu vermiesen, sodass er am Ende aus der Haut fahren würde. Doch dies nahm nun unerwartete Ausmaße an. Aomine hatte keineswegs eingeplant, hier wirklich zu übernachten! Er wollte doch bloß sehen, wie Kise in einem hysterischen Heulkrampf ausrastete. Es blieb ihm also eigentlich nur noch übrig, das Ganze smooth durchzuziehen und keinen Verdacht zu erwecken. Morgen würde er Kise dann das Geld auszahlen und sich nochmal mit einem schelmischen Augenzwinkern für den Gag entschuldigen, in der Hoffnung, dass der Musikgeschmack nicht die einzige Gemeinsamkeit zwischen ihnen war, sondern auch noch der gute, alte Humor … Er musste sich peinlich berührt eingestehen, dass er doch echt zu weit gegangen war. Viel zu weit. Als er das Bad in seiner Trainingshose, oberkörperfrei mit dem Handtuch um den Nacken und endlich wieder wohlduftend verließ, fand er Kise auf dem Sessel sitzend und seiner Körperhaltung nach darüber sinnierend, was er in seinem Leben alles falsch gemacht hatte, um diesen Tag zu verdienen. Er war vorgelehnt und stützte sich mit den Ellenbogen auf seinen Oberschenkeln ab, das Gesicht pathetisch in eine Hand gebettet, als wäre er der Darsteller in einem Theaterstück von Shakespeare. „Bin fertig“, gab Aomine zu wissen, woraufhin Kise ohne Worte aufstand und an ihm vorbei ins Bad schritt. Ob er sich wohl seinem Schicksal nun ergeben hatte? – Aomine hoffte es inständig. Er trocknete seine Haare nochmal ab und machte es sich dann auf dem Bett bequem. Jetzt gab es auch keinen Weg mehr zurück. Das schien auch Kise verstanden zu haben, der das Bad einige Zeit später ebenfalls verließ. Er machte sogar das Licht überall aus, ehe er sich zu Aomine auf das Doppelbett gesellte. Auf ein entschärfendes „gute Nacht“ wartete Letzterer vergebens. Aber was soll’s? Sei’s drum. Jetzt kehrte die willkommene Ruhezeit nach dem großen Durcheinander ein und Aomine beschloss, sich einfach zu entspannen und nicht mehr nachzudenken. Nicht jedoch Kise. Sie lagen Rücken an Rücken auf dem für zwei ausgewachsene Männer ihrer Körpergröße etwas zu klein geratenem Bett. Es gab keinen Platz, um den eigenen persönlichen Freiraum zu bewahren und daher spürte Kise Aomines Präsenz hinter sich sehr deutlich, obwohl sie sich strenggenommen nicht einmal berührten. Seine Sinne waren geschärft wie bei einem Tier, das gerade auf der Hut vor einem Jäger war. Jeder Versuch, das abzustellen scheiterte kläglich und Kise begann nach und nach Dinge wahrzunehmen, die seine misophonischen Züge triggerten. Aomine schien davon hingegen nicht wirklich etwas mitzukriegen. Seine Atemzüge waren tiefer und hörbarer geworden, und wenn es eines gab, dessen sich Kise jetzt wirklich sicher sein konnte, dann war es, dass der Polizist in den Schlaf abgedriftet war. Es vergingen keine zehn Minuten (die sich anfühlten als wären es mindestens drei Stunden), da verstand Kise erstmals in seinem Leben wie es war, wirklich mit der Natur eins zu werden … Vielleicht nicht auf die Art wie es buddhistische Mönche in der Meditation taten – nein, das war zweifellos ausgeschlossen – sondern eher als wäre Kise ein wahrhaftig irdischer Bestandteil. Er lag da, in unbeweglicher Verkrampfung wie ein steinerner Berg. Genauer gesagt ein aktiver Vulkan, und noch genauer gesagt – der leibhaftige Vesuv, der von einem auf den anderen Tag dazu fähig war, eine ganze Stadt auszulöschen. Ja, so fühlte er sich gerade. In ihm brodelte eine vernichtende Lava aus Mordlust, die jeden Moment drohte aus ihm herauszubrechen und Aomine Daiki wie die Stadt Pompeji unter sich todbringend zu begraben. Es fehlte nur noch ein kleiner Anstoß, ein winziger Schubs, und Aomines Schicksal würde besiegelt sein. – Was im nächsten Moment selbstverständlich auch geschah. Es begann erst leise. Bei jedem anderen Menschen dieses gottverdammten Planeten hätte Kise es vermutlich sogar eher niedlich gefunden. Nicht aber bei Aomine Daiki, der doch tatsächlich die Dreistigkeit besaß, zu SCHNARCHEN! Es mochte vielleicht nicht einmal ansatzweise der Klang einer Kettensäge sein – noch nicht –, aber das reichte in dieser Situation völlig aus, um das Fass, beziehungsweise den Vulkan zum Überlaufen zu bringen. Im nächsten Augenblick hatte sich Kise erhoben, die Lampe auf dem Nachttisch angemacht, sein Kissen gepackt und sich zu Aomine kniend herumgedreht. Ohne zu zögern holte er aus und schlug das Kissen voller Wucht gegen Aomines Schläfe. „DU VERFICKTER BASTARD! ICH BRING DICH UM!“, schrie Kise, in seinem explosionsartigen Wutausbruch. „ICH BRING DICH SO WAS VON UM!“ Ein weiterer Kissenschlag landete erbarmungslos auf dem nunmehr völlig verwirrten Aomine, der selbstverständlich schon längst aus dem Schlaf aufgeschreckt war und desorientiert versuchte, sich irgendwie gegen die hagelnden Kissenschläge zu schützen. Davon kamen auf ihn nämlich noch einige mehr zugerast, ehe Kise das Kissen wutentbrannt in irgendeine Ecke des Hotelzimmers schmetterte und anschließend seine baren Hände benutzte, um Aomine anzugreifen. „Was zur-“, konnte Letzterer nur verwirrt aus sich herauspressen, während er einer Ohrfeige auswich, indem er sich auf den Rücken drehte und den nächsten versuchten Schlag gekonnt mit seiner Elle abwehrte. Dass er als Polizist wusste, wie man Angriffe verhinderte, musste man ihm lassen. „Krieg dich wieder ein, verdammt!“, blaffte Aomine, während er halbherzig versuchte nach Kises Handgelenken zu greifen, aber dieser war nicht ruhigzustellen, schließlich konnte man einen Vulkan ja auch schlecht stoppen, nur weil man es gerade doof fand, dass er ätzende Lava spuckte. „HALT DIE SCHNAUZE, DU WIDERLICHES SCHEUSAL!“, schrie Kise hingegen und drosch immer weiter gnadenlos auf Aomine ein, um ja nichts unversucht zu lassen. „VERFLUCHTER MISTKERL!“ Kise beabsichtigte es zwar nicht, Aomines Nase zu brechen, aber er wollte wenigstens ordentlich Dampf ablassen und deutlich machen, wie abstoßend er Aomine fand. Diesem begann das Ganze jedoch so ziemlich gegen den Strich zu gehen, doch Kise ignorierte es souverän. „HERRGOTT, WAS HABE ICH GETAN, UM DAS HIER ZU VERDIENEN, HÄ?!“, keifte er weiterhin. „DU ELENDER WICHSER!“ Mit jedem weiteren Schimpfwort und jedem weiteren Schlag, von denen einige ihr Ziel auch nicht verfehlten, begann Aomines Friedfertigkeit langsam zu kippen. „BESCHISSENER BULLE!“ Noch hatte er schließlich nicht viel Eigeninitiative bei diesem „Kampf“ gezeigt und sich nur den Schlägen weitgehend entzogen. „DEINE EXISTENZ IST EINE ZUMUTUNG! ICH BRING DICH UM!“ – Aber das ging jetzt entschieden zu weit. Wenn hier eine Existenz eine Zumutung war, dann doch wohl die dieser todes-nervigen, blonden Furie! „Es reicht.“ Aomines Stimme hatte sich plötzlich gewandelt. Nicht dass er sich wieder autoritär anhörte, wie ein richtiger Polizist, oder dass er sich ganz im Gegenteil etwa auf Kises lautes und wutentbranntes Niveau begab. Nein – er blieb offenbar völlig ruhig und leise. Seine Hände hatten Kises Handgelenke endlich zu fassen gekriegt und verminderten das lästige Zappeln. Jeder weitere Angriff wurde jetzt also unterbunden. Er durchbohrte Kise erstmals mit einem Blick, den man schon beinah als gefährlich bezeichnen konnte. „Wenn du mich noch einmal schlägst, bereust du es.“ Selbst in seiner völlig überspitzten Rage, kam die Message bei Kise an. Er hielt für einige Momente inne, während er so auf Aomines Hüfte draufsaß – nur, weil er ihn auf diese Weise besser ermorden konnte, versteht sich –. Leider wurde diesem Vorhaben mit der herrischen Drohung jedoch ein Abbruch getan. Was nicht hieß, dass er Aomines finster wirkendem und stechendem Blick nicht standhielt! Nur, weil Kise nicht mehr versuchen würde zuzuschlagen, bedeutete es ja schließlich nicht, dass er sich unterordnen würde. Irgendetwas in diesen dunklen Augen provozierte ihn nämlich. Vielleicht war es gerade die in der Luft schwirrende Gefahr, die Kise dazu veranlasste, auf die unbeabsichtigte Provokation einzugehen, den Kopf etwas schiefzulegen und die Augenbrauen leicht zu heben. Auf seinem Gesicht zeigte sich ein arrogant-unschuldiger Ausdruck der mitleidigen Herablassung. „Okay, dann kannst du mich ja jetzt loslassen, du minderbemitteltes Stück Scheiße.“ Es war schon beinah ein liebliches Säuseln, so wie Kise diese Worte Silbe für Silbe aussprach. Auch wenn er noch etwas außer Atem von seinem dramaturgischen Wutausbruch war, machte er nicht den Anschein, dass er vorhatte, vor Aomine zu kuschen. „Mir gefällt’s nicht, wie du mit einem Beamten redest“, zischte Aomine mit unterdrückter Stimme. Seine Hände schlossen sich noch etwas fester um Kises Handgelenke. „Und mir gefällt’s vielleicht nicht, dass ein Beamter ungebeten in meinem Bett liegt.“ Darauf grinste der Polizist nur düster. „Was macht man nicht alles, um einem widerlichen Snob eins auszuwischen?“ Jetzt waren seine Beweggründe aufgedeckt, aber es war auch nicht mehr nötig, sie länger für sich zu behalten, also was soll’s? „Was denn, warst du etwa neidisch darauf, dass ich gut verdiene? Muss frustrierend sein, zur Unterschicht zu gehören“, entgegnete Kise von oben herab. Er verlagerte sein Gewicht ein kleinwenig nach vorne, sodass er sich jetzt ganz auf Aomines Hände stützte, die seine Handgelenke nach wie vor festhielten. „Wie ist die Luft da unten so?“ Eigentlich bezog sich Kise auf das gesellschaftliche Schichtsystem, aber Aomine nahm es mit Absicht wörtlich. „Wie wär’s, wenn du es selbst herausfindest?“ Kaum, dass es ausgesprochen war, zog er Kises Hände ruckartig über seinen Kopf und nahm ihm damit das Gleichgewicht. Der Blonde schaffte es gerade noch so, sich mit den Ellenbogen an dem Bettpolster abzustützen, um nicht zu wuchtig auf Aomine draufzuknallen, aber es änderte nichts an der Tatsache, dass er nun trotzdem fast der ganzen Länge nach auf ihm drauf lag. Er ließ mit einem geknurrten „Fuck!“ sein Gesicht auf die Bettoberfläche an Aomines Kopf vorbei sinken, während Letzterer zufrieden in Kises Ohr auflachte. Ha! Sollte der sich mal nicht mit einem Polizisten anlegen, wenn er nicht die Folgen am eigenen Leib spüren wollte! Dabei war das hier ja noch harmlos! Ja, ja, dachte sich Aomine stolz, schäm dich ruhig in Grund und Boden Blondi. Stolz auf sich war er jedoch nur solange, bis ihm Kises noch etwas rascher Atem auffiel und die Tatsache, dass dessen Brust sich unruhig hob und senkte, und bei jedem Atemzug an der Aomines rieb. Stopp! Das machte Aomine jetzt doch nicht etwa an, oder?! Er musste hart schlucken. Dieser beschissene Prinz sah nicht nur gut aus, sondern roch auch noch gut! Und verdammt – warum unternahm er noch nichts, um von Aomine runterzukommen?! Das gefiel ihm doch nicht etwa, oder?! Es musste schleunigst etwas an dieser Körperlage geändert werden, also glitten Aomines Hände fahrig zu Kises Oberarmen, an denen er ihn von sich wegstemmte und über die linke Seite auf das Bett und damit auf den Rücken beförderte. Nur landete er dabei selbst nicht gerade weiter weg von Kise, wie eigentlich beabsichtigt. Genauer gesagt befand er sich jetzt über ihm. Kise hatte bei dem … Stellungswechsel … einen überraschten Laut von sich gegeben und blickte nun direkt in Aomines Gesicht. Nicht, dass dieser zu der Sorte gutaussehender Leute gehörte, bei der jede Frau im Umkreis von fünf Kilometern Entfernung augenblicklich weiche Knie bekam, aber Aomines Attraktivität lag nicht zuletzt an seiner Ausstrahlung und der Art wie er einen ansahen konnte. Etwas, was Kise bereits klar geworden war, als er ihn vom Auto aus auf der Raststätte beobachtet hatte. Dieser Mann hatte etwas ganz Besonderes an sich. Und das war in dieser verzwickten Lage gerade sehr kontraproduktiv, denn Kise spürte, wie es viel zu angenehm in seiner Bauchregion zu kribbeln begann. Das Gefühl war kein guter Vorbote, aber wer war er denn, dass er jetzt den Schwanz einzog und nachgab? Sollte doch Aomine zuerst von ihm ablassen, was ja auch das einzig Mögliche in dieser Situation war, weil sich Kise unter Aomines Körpergewicht so gut wie kaum bewegen konnte, ohne dass es komplett unelegant aussehen würde. Stattdessen blieb ihm also eigentlich nichts anderes übrig, als den Kopf etwas schief zu legen und überheblich zu schmunzeln, denn das provozierte Aomine scheinbar eh am meisten. Dass er recht hatte, zeigte ihm Aomines fester werdender Griff um seine Oberarme … Auf der anderen Seite des Geschehens hatte der Polizist das Gefühl, mächtig verarscht zu werden. Was sollte auch dieses widerwärtige Gehabe? Konnte sich Kise nicht einfach dafür entschuldigen, dass er ihn dabei gestört hatte, friedlich einzuschlafen und sich hier darüber hinaus aufführte wie der heißeste Bettgeselle, den Aomine in seinem restlichen Leben jemals unter sich haben würde? Was bildete sich Kise bitteschön ein?! „Was gibt’s hier zu grinsen, hä?“, zischte Aomine mit leicht verengten Augen. „Versuchst du uns beiden vorzumachen, dass du die Kontrolle über die Situation hast?“ „Ich weiß nicht“, gab Kise zurück, „versuchst du es?“ Er wusste es wirklich nicht. Was er jedoch ganz genau wusste, war inzwischen, welche Wirkung er gerade auf Aomine hatte. Und das gefiel ihm sehr. Vielleicht ein wenig zu sehr … Auch Aomine mochte eine unleugbare Wirkung auf Kise haben, doch im Gegensatz zu ihm nutzte er sie gerade nicht für seine manipulativen Zwecke aus. Stattdessen wurde sein Gesichtsausdruck jetzt ernst und sein Blick ließ sich wohl am ehesten mit dem Wort „hungrig“ beschreiben. Das hier war kein alberner Machtkampf mehr, den er zuvor versucht hatte auszufechten, und Kise war für ihn auch kein abstoßender möchtegern-Promi mehr, der ihm mit einer überteuerten Mitfahrgelegenheit auf den Sack ging. – Nein, die Situation hatte sich gewandelt und dessen war sich Aomine jetzt bewusst, während er seinem Gegenüber tief in die amüsierten Augen blickte. Er ließ ihn gar nicht erst nochmal zu Wort kommen, bevor er die Karten nun offen auf den Tisch packte. „Kise“, sagte er mit gedämpfter Stimme, „lassen wir es, bevor ich dich noch flachlege.“ Das war durchaus völlig ernst gemeint und keine lustige Drohung. Das war’s – keine Spielchen mehr. Zumindest war es Aomines Bestreben, im Gegensatz zu Kise, der kurz die Augen weitete, weil ihn die Offenheit zugegeben etwas überrumpelt hatte. Dann schien er wirklich realisiert zu haben, was Aomine da gerade gesagt hatte und erneut stieg trotzige Empörung in ihm auf. Doch diesmal hatte sie ihren Ursprung nicht in Kises Machtlosigkeit. „Das wagst du nicht!“ Er lachte sogar leicht auf. Aomine schwieg ein paar Augenblicke und legte dann ganz leicht den Kopf schief. „Wetten doch, wenn du so weiter machst?“ Er spürte, wie sich Kises Arme in seinem Griff anspannten, als würde er sich dazu bereitmachen sich gleich heftig zu wehren - und schwach würde er sicherlich nicht sein, wenn er wirklich ernst meinte. Gleichzeitig glitten jedoch seine Lippen auseinander und ließen einen unruhigen Atemstoß entgleiten. Aomines Blick schwang zu Kises Mund. „Ich habe mir heute so einiges geleistet, der nächste Schritt wäre doch gelacht“, hauchte er fast schon so, als wäre es eine langersehnte Beichte und das erste kleine Anzeichen dafür, dass er sich bewusst war, wie viel Scheiße er heute gebaut hatte. „Ich zeige dich an. Wegen Amtsmissbrauch und sexueller Belästigung“, gab Kise drahtig von sich. Doch er war schon längst zwischen offensichtlichem Interesse und unmissverständlicher Erregung gefangen, die Aomine mit Sicherheit spüren konnte. „Ersteres würde wohl gehen“, murmelte Aomine philosophierend, „aber das andere kauf' nicht mal ich dir ab, so wie du gerade abgehst.“ Kise hob selbstsicher schmunzelnd eine Augenbraue. „Dafür müsstest du das hier schon filmen. Sonst hast du nachher nicht den geringsten Beweis und dann steht es Aussage gegen Aussage, Officer Aomine Daiki.“ Es fühlte sich an, als würde die tatsächliche Wut, die sich vorher angestaut zu haben schien, jetzt in Luft auflösen. Sie machte einer ganz anderen Stimmung Platz … „Oh Gott … ich wünschte ich würde es …“, zischte Aomine mit frustriertem Unterton. „Aber eher damit ich später den Beweis habe, dass ich mit ’ner Celebrity in der Kiste war.“ „Wer sagt denn, dass du mich schon rumgekriegt hast?“ Kise machte nach dieser Frage ein paar halbherzige Anstalten, von Aomine wegzukommen, beruhigte sich aber wieder schnell. Sein Gegenüber stieß nur ein Lachen durch die Nase aus, während sein Mundwinkel leicht zur Seite zuckte. Dann beugte er sich die letzten wenigen Zentimeter zu Kise hinunter, um ihn zu küssen. Er traf auf keine Gegenwehr. Keine Worte waren mehr nötig. * * * Sogar im Schlaf sah Kise so aus, als würde er für die Linse eines Fotografen posieren. Aomine konnte es nicht wirklich glauben, dass das hier – er ließ seinen Blick noch einmal über den entblößten Körper vor ihm gleiten – einen One-Night-Stand lang ihm gehört hatte. Aomine stand geduscht, komplett angezogen und fertig gepackt vor der Bettkante und sah auf den schlafenden Kise hinunter, der noch nichts davon ahnte, was seine nächtliche Gesellschaft, im Begriff war zu tun. Vielleicht war es seitens Aomine nicht die feinste Art, sich jetzt einfach zu verpissen, aber sein Dienst würde bald anfangen und er musste vorher noch seinen Kram zu Hause abliefern. Außerdem wollte er dem blonden Biest von gestern nicht noch einmal begegnen, das bestimmt wieder rumzicken würde, und sei es wegen des unbeabsichtigten Knutschfleckes auf dem Schlüsselbein … Dabei musste man zugeben, dass es schon beinah wie ein Kunstwerk auf Kises bis zur Makellosigkeit gepflegten Haut aussah. Der Polizist ließ seinen Blick noch einmal auf Wanderschaft, um sich dieses wunderschöne Gemälde gut einzuprägen. Er war zwar sonst nicht gerade bescheiden, aber ein heißes Model ins Bett zu kriegen hatte er bislang auch noch nicht geschafft. – Wäre dann jetzt auch abgehakt … Doch nun hieß es Abschied nehmen. „Na dann, mach’s gut, Kise Ryōta“, raunte Aomine noch in den Raum hinein, ehe er seine Tasche nahm und das Hotelzimmer verließ. Unten im Foyer grinste er der jungen Hotelangestellten noch mit den Worten „alles sauber“ zu und machte sich dann auf den Weg, mit der Sicherheit, Kise nie wiederzusehen, außer vielleicht auf irgendwelchen Modeplakaten. Oder im Gerichtssaal … * * * „Sie können eine Anzeige aufgeben“, schlug ein Polizist beschwichtigend aber sachlich vor. Es war sein Job, besorgte Bürger mit professioneller Ruhe und Distanz, in Richtung Ziel zu leiten und kostbare Zeit zu sparen, die man auch anderweitig verplempern konnte, als irgendwelchen aufgeregten Tiraden zuzuhören. „Anzeige?“, fragte Kise Ryōta mit einem liebreizenden und zugleich tödlichen Lächeln. Er hatte am Morgen danach, an dem er alleingelassen in dem Hotelbett aufgewacht war, um auf seinem Schlüsselbein einen Knutschfleck vorzufinden, dessen Erzeuger sich feige verpisst hatte, all seine Termine kurzerhand abgeblasen. Aus dem Hotel war er längst ausgecheckt, da er am selben Abend wieder die Rückfahrt antreten musste, und stand nun in dem Foyer eines ganz bestimmten Reviers, welches Kise erst einmal mühselig durch etliche Recherchen ermitteln musste. „Was für eine Anzeige?“, wiederholte er genauer. „Das letzte Mal, als ich nämlich eine verfickte Anzeige aufgegeben hatte, landete einer von Ihrem Revier in meinem Hotelzimmer!“, erklärte er nun wohlwissend, dass damit zwar nicht diese Art von Anzeige gemeint war, aber gepflegt darauf scheißend. „Verzeihen Sie mir also, dass ich Anzeigen nicht mehr so traue. Ich will diesen Bastard persönlich sprechen.“ Der Mann hob abwehrend beide Hände in die Luft. „Beruhigen Sie sich bitte. Wir können Ihnen auf diese Weise leider nicht weiterhelfen.“ „Ach so? Dann warte ich doch einfach so lange hier, bis Ihr Kollege von alleine auftaucht. Kein Problem, ich habe Zeit. Früher oder später wird er ja wohl Feierabend haben oder von seiner bemitleidenswert langweiligen Streife zurückkommen.“ „Hören Sie, Kise – so wie Sie sich gerade benehmen, werden wir Sie hier nicht weiter dulden. Entweder, Sie machen jetzt eine Anzeige, oder verlassen das Gebäude. Sonst müssen Sie mit Konsequenzen rechnen.“ „Schieben Sie sich Ihre Konsequenzen in ihren von Donuts aufgequollenen Fettarsch und holen Sie gefälligst Ihren Vorgesetzten, der es vielleicht etwas besser versteht, mein Anliegen ernst zu nehmen.“ Hinten im Büro im zweiten Stock saß Aomine Daiki im Stuhl zurückgelehnt an seinem Arbeitsplatz und rieb sich mit beiden Händen genervt und durchaus beschämt das Gesicht. „Was hast du bitte schon wieder angestellt?“, fragte Momoi Satsuki ihren Kollegen und Kindheitsfreund, an dessen Tischkante sie sich gerade mit ihrem knackigen Polizistinnen-Hintern anlehnte. Dass unten am Empfangsschalter gerade reges Vorgehen herrschte und es mit keinem anderen als Aomine zu tun hatte, war durch den auf laut gestellten Durchruf am Telefon bis hierhin hochgekrochen. Das um Aomines Tisch versammelte Kollegium lauschte gespannt dem wütenden Kise Ryōta und lachte ausgiebig über die Beleidigungen und Forderungen des Models. So etwas passierte nicht alle Tage und zog natürlich Neugierige an. Außerdem war Aomine nicht gerade unbekannt für seine Art. Er machte vielleicht gelegentlich einen auf cool und professionell, um sich selber wohl einbilden zu können, dass er ein geiler Typ und ein wichtiges Mitglied der Gesellschaft war, doch die Kollegen wussten um seine vielen Verhaltenspatzer und Fahrlässigkeiten. Zumindest, wenn er nicht gerade dabei war, seinen tatsächlichen Job zu machen. Darin war er nämlich ganz gut. Den Rest der Zeit, war er allerdings ein allseits bekannter Spaßvogel und wurde dafür gewissermaßen sogar geschätzt. Jetzt machten sie sich jedoch allerseits darüber lustig, was genau Aomine verbrochen haben musste, um bei einer zickigen Schaufensterpuppe so sehr in Ungnade zu fallen. „Könnt ihr damit aufhören, und euch verpissen?“, schnaubte Aomine genervt. Seine Haut im Gesicht war ein paar Töne dunkler geworden. Momoi seufzte tief und schüttelte den Kopf. „Vielleicht solltest du wirklich nach unten gehen und es klären. Der Typ scheint nicht aufgeben zu wollen.“ „Schnauze, Satsuki!“ „Na ja, ich mein’ ja nur. Bevor der Chef sich der Sache wirklich noch annimmt und du noch mehr Schwierigkeiten bekommst.“ „Ich scheiß’ gerade auf deine altklugen Ratschläge!“ „Okaaay!“ Sie hob gespielt getroffen beide Hände in die Luft und die Augenbrauen in die Höhe. „Wie du meinst. Na wenn das nicht weitere Fragen aufwerfen wird – ich drück dir die Daumen. Und jetzt zurück an die Arbeit“, wandte sie sich anschließend an die sich amüsierenden Kollegen. Auf die eifrig in die Hände klatschende Momoi hörten sie wenigstens noch, und trollten sich auch tatsächlich. Aomine machte den Lautsprecher an seinem Telefon aus und massierte sich die Schläfen mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand. Unrecht hatte Momoi ja eigentlich nicht – wie immer. Er sollte das wirklich klären und sich bei Kise entschuldigen. Dann würde er sich vielleicht wieder einkriegen und das Revier verlassen, ohne eine Anzeige zu machen, die Aomines Position ziemlich ficken und ihm jede Menge Probleme einbrocken würde. Deswegen erhob er sich hastig doch noch vom Stuhl und ging rascher Schritte zur Tür. Er nahm immer mehrere Treppenstufen auf einmal, um keine weitere Sekunde zu verschwenden, stieß stürmisch die Tür zum Eingangsbereich auf, und stellte sich umgehend an Kises Seite, der immer noch dabei war, sich am Schalter schamlos aufzuregen. Mit einem bestimmenden Griff um Kises Oberarm, machte er auf sich aufmerksam. „Hier bin ich. Reden wir draußen“, sagte er unterdrückt und versuchte dabei, sich nicht anmerken zu lassen, dass er verflucht aufgeregt war. Kise stoppte seine Flut an aggressiven Worten in Richtung des inzwischen aufgebrachten Polizisten hinter dem Glasfenster und drehte den Kopf zu Aomine, den er erst einmal einfach nur ansah. Dann wand er sich aus seinem Griff und drehte sich Aomine ganz zu. „Ach, hat ja doch gar nicht so lange gedauert“, sagte er gespielt freundlich und verzog die Lippen zu einem solch zuckersüßen Lächeln der Finsternis, dass es Gänsehaut über Aomines Arme jagte. Doch bevor dieser noch etwas dazu sagen konnte, schallte eine Ohrfeige durch den kleinen Empfangsraum. Aomines Kopf schnellte zur Seite und seine Wange pochte in stechendem Schmerz. Aber das sollte erst der Anfang von Kises mächtigem Wutausbruch sein, der den vom Hotel bei Weitem überbot. Kaum, dass die Ohrfeige verklang, stürzte sich Kise halb auf sein Gegenüber drauf, um ihm zielstrebig noch anderweitige Schmerzen zuzufügen. Darauf war Aomine wirklich nicht vorbereitet. Wer konnte auch ahnen, dass Kise sich in Anwesenheit von Polizisten und unter Videoaufzeichnung gewalttätig zeigte?! Aomine machte einen Schritt zurück und wich mit völlig verdattertem Blick dem nächsten „Angriff“ aus, während er seine schmerzende Wange mit der Hand hielt. „Sag mal, spinnst du?!“, fragte er komplett aus der Bahn geworfen. „Ich?“, hakte Kise mordlüstern nach, wobei er tatsächlich kurz inne hielt und Aomine stattdessen mit einem finster funkelnden Blick durchbohrte. Er war auf eine psychopathische Art außer Atem geraten. „Ob ich spinne?!“ „Ja, du-“ Weiter kam Aomine nicht. „Du mieses Arschloch, tischst mir die größte Lüge aller Zeiten auf, um mich ins Bett zu kriegen und die ganze Nacht lang durchzuvögeln, lässt mir als ‚Andenken‘ ein paar Geldscheine zurück, als wäre ich deine billige Hure, und hast ALLEN ERNSTES NOCH DIE DREISTIGKEIT, MICH ZU FRAGEN, OB. ICH. SPINNE?!“ Mit den abschließenden Worten „Du beschissener Schwanzlutscher!“ stürzte sich Kise wieder völlig außer sich auf Aomine, zu dessen Glück jedoch bereits einige Polizisten herbeigeeilt waren, die Kise harsch von ihm zurückrissen, um ihn bewegungsunfähig zu machen. Ganz klassisch wurden ihm die Arme nach hinten verdreht, wovon er sich im ersten Moment noch nicht einschüchtern ließ und weiterhin versuchte, auf Aomine loszugehen. Gegen zwei weitere Bullen, die ihn festhielten und ihm begannen, seine Rechte aufzuzählen und die Folgen seiner Gewaltbereitschaft zu nennen, konnte er allerdings am Ende nichts ausrichten, auch wenn er gar nicht wirklich zuhörte und sich einfach abführen ließ, nicht ohne einen stechend hasserfüllten Blick über seine Schulter Aomine zuzuwerfen, was fast schon irgendwie ganz … heiß … war. Das hätte Letzterer auch bewundert wäre er nicht komplett verwirrt und überwältigt von der Macht der Wut, die man ihm entgegenbringen konnte, wenn es um so ein Thema ging. So was hatte er nicht mehr erlebt, seit er damals in der Mittelschule Momois getragenen Schlüpfer an ihre vielen Verehrer versteigern wollte. Seitdem wusste er zumindest, dass er sich bei seiner Kindheitsfreundin nicht so viel erlauben durfte, wenn er keine Todeswünsche verspürte. Dieser Fall hier würde ihm zwar wohl nie das Leben kosten, doch möglicherweise seine ganze Karriere und einen Teil seiner mentalen Gesundheit. Vorerst war er jedoch in Sicherheit, weil Kise ein paar Stunden in die Gewahrsamszelle verfrachtet wurde, die er sich redlich verdient hatte. Er fuhr sich mit etwas zittriger Hand durchs Haar und schaute zur Seite, als er fragende Blicke auf sich spürte. Manche seiner Kollegen schüttelten nur genervt den Kopf und manche schienen überrascht darüber zu sein, dass Aomine scheinbar auch Männer beglückte, wo er doch sonst immer von großen Möpsen und runden Apfelärschen schwärmte. Einige Sekunden später wurde er jedoch aus seiner Scham herausgerissen, als eine laute Durchsage durch das gefühlt ganze Revier erschallte. „Aomine! – Sofort in mein Büro!“ Na toll – jetzt hatte sein Chef doch noch Wind davon bekommen, was gerade vorgefallen war. Großartig! „Sag mal, bist du völlig übergeschnappt?!“, schrie Wakamatsu Kōsuke – der junge Vorsitzende des Reviers – Aomine ungeniert an. Zu seinem Leidwesen hatte Aomine die ganze Geschichte auspacken müssen. Und das ausgerechnet bei dem Typen, den er am wenigsten mochte. Dass dieser gleichzeitig sein Chef war, hatte dabei rein gar nichts mit seinem Unmut zu tun. „Ist ja schon gut – bin ich jetzt endlich suspendiert, oder was?“, murrte Aomine genervt, während er im Büro saß und mit der Kopfseite auf der harten Oberfläche des Tisches seines Chefs lehnte, als wäre er ein ungezogener Schüler, der von seinem Lehrer gerügt wurde und nun kindisch schmollte. „Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe, okay? Hab’s zu weit getrieben, bla bla bla.“ „Mist gebaut?“, hakte Wakamatsu nach. „Das ist kein Mist, sondern eine Straftat, Aomine!“ „Dann halt eine Straftat, wenn du unbedingt fachsimpeln willst.“ „Dir ist schon klar, dass du deinen Job los bist, wenn der Typ jetzt ernsthaft eine Anzeige machen wird, oder?“ „Ja.“ „WIE – UM ALLES IN DER WELT – KANNST DU DICH DANN NOCH SO AUFFÜHREN?!“ Aomine stemmte sich von dem Tisch weg und stand anschließend vom Stuhl auf. „Na ja – was bleibt mir noch anderes übrig? Ich habe es so oder so verbockt. Bleibt also eh nur abzuwarten, was jetzt kommt, oder? Also warten wir einfach ab.“ Seine Hand glitt bereits in seine hintere Hosentasche, um seine Dienstmarke rauszukramen. Wakamatsu seufzte genervt, und massierte dann seine Nasenwurzel mit Daumen und Zeigefinger in tiefer Verzweiflung darüber, was er mit seinem Untergeordneten jetzt anstellen sollte. Dann winkte er ab und bedeutete Aomine, sich zu entfernen. „Ja, wir warten ab. Suspendieren kann ich dich immer noch, wenn du eine Anzeige am Hals hast. Bislang sieht es mir eher nach einem Liebesdrama aus, als nach einem ernsten Fall.“ Aomine verdrehte die Augen. Wenn das schon ein Liebesdrama war, dann wollte er nicht wissen, wie man so was nennen würde, wenn Kise und er in einer Beziehung wären. Liebesapokalypse … oder so. Er nickte Wakamatsu in einem Anflug von unfreiwilliger Dankbarkeit zu und verschwand aus dem Chefbüro. * * * Die Gewahrsamszelle voller Idioten, die im Drogenrausch gestohlen oder anderweitig die Erregung des öffentlichen Ärgernisses betrieben hatten, zeigte bereits nach kürzester Zeit schon die ersten Erfolge, Kise wieder etwas von seinem hohen Ross der Wut runterzubringen. Immerhin war er ja normalerweise niemand, der seine Probleme mit Gewalt löste. Anstatt sich also weiterhin aufzuregen, hatte sich Kise einfach nur auf der harten, abgesessenen und splitterreichen Holzbank hinter abgeriegelten Metallstäben niedergelassen und sich mit geschlossenen Augen an die Betonwand hinter ihm gelehnt, in dem Versuch den Rest der kleinkriminellen Truppe zu ignorieren. Nach vier Stunden der Warterei, wurde er allerdings endlich entlassen. Im Foyer begegnete er seinem sehr gestressten Manager, dessen Nummer er bei den Behörden hinterlegt hatte und der ihn nun abholen sollte. Schließlich lebten sowohl seine Eltern als auch seine Schwestern gar nicht in dieser Stadt. Außerdem wollte er ihnen die Sorge ersparen und es stattdessen zumindest jemandem zumuten, dem er Kohle dafür zahlte. Mit einer Handgeste bedeutete er seinem Manager, nicht weiter auf das Thema einzugehen. Kise war wirklich müde geworden, weil die ganze Geschichte – und nicht zu vergessen, die aufregende Nacht zuvor – sehr an seinen Nerven gezerrt hatte. Eigentlich wollte er bloß nach Hause, wo er sich in sein Bett werfen würde, das er gefühlt die nächsten drei Wochen nicht mehr verlassen wollte. Aber sein Zuhause war ebenfalls nicht in dieser Stadt. Die Rückfahrt wollte er sich jetzt allemal nicht antun. Selbst der Gedanke an einen Spontanuraub auf den Malediven, war ihm bereits zu anstrengend. Er verstaute seine abgeholten Papiere in seiner hinteren Hosentasche, während er den Autoschlüssel noch in der Hand behielt. Sein Auto hatte er auf dem Parkplatz des Reviers abgestellt, als er hergekommen war. Fraglich, ob es da noch stand, oder bereits abgeschleppt worden war. Als er dann seinen Kopf hob, um danach Ausschau zu halten, musste er mit sofortiger Erleichterung feststellen, dass er sich jetzt nicht durch die Abschleppdienste zu telefonieren hatte. Allerdings war das Auto nicht das einzige, was dort auf ihn wartete. Daran lehnte eine inzwischen bekannte Hinterseite eines gewissen Polizisten, den Kise gerade am wenigsten von allen ihm vertrauten Menschen sehen wollte. Er seufzte, sah kurz zu seinem Manager, der zu ihm beunruhigt und fragend zurückblickte, und verdrehte nur kurz die Augen. „Schon gut“, sagte Kise und schritt schließlich auf sein Auto und damit auf Aomine Daiki zu. Dieser hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah Kise fast schon gelassen auf sich zukommen. Nur dem fremden Typen machte er mit einem Räuspern schließlich klar, dass er kurz unter vier Augen mit Kise reden wollte. Kise nickte es ab und blieb dann vor Aomine mit dem Schlüssel in der Hand stehen. „Hey“, sagte Aomine nach einigen verflogenen Momenten der unangenehmen Stille zwischen ihnen. „Geht's dir einigermaßen wieder gut?“, fragte er anstandshalber im Anschluss. Kise zuckte mit den Schultern. „Den Umständen entsprechend“, antwortete er dann und seufzte erschöpft. „Jetzt weiß ich zumindest, wo ich auf jeden Fall kein Fotoshooting haben will.“ Dabei sah er Aomine nicht ins Gesicht. Und eigentlich wollte er das Gespräch auch so schnell es geht hinter sich bringen. Er wusste nicht, wieso er sich jetzt noch Aomine antun sollte, nach alldem, was in den letzten Stunden passiert war. „Ja, so eine Zelle sieht gar nicht mal so kinky aus, wie sie sich die Herausgeber von BDSM-Magazinen vorstellen“, pflichtete Aomine ihm bei, räusperte sich dann aber erneut. „Hör mal ...“, begann er dann. „Ich weiß, dass es blöd gelaufen ist, aber-“ Kise ließ ihm keine Möglichkeit, zu Ende zu sprechen, als er schon den Kopf schüttelte. „Schon gut. Lass es uns einfach vergessen. Ich habe auch keine Lust mehr auf das ganze Theater. Ich werde einfach meine Strafe bezahlen und es gut sein lassen, also brauchst du mich nicht darum zu bitten, keine Anzeige zu machen, die dich deinen Job kosten wird. Vorausgesetzt du hältst vor den sensationsgeilen Journalisten den Mund.“ „Darauf wollte ich eigentlich gar nicht hinaus ...“, entgegnete Aomine, der kurz den Kopf abwendete, weil ihm das Thema ebenso unangenehm war. Ganz offensichtlich war es ihm jedoch wichtig, klarzustellen, dass das hier keine Arschkriecherei seinerseits werden sollte. „Uhm … eigentlich wollte ich eher fragen, ob ich's irgendwie wieder gut machen kann.“ „So?“, fragte Kise skeptisch. „Und was lässt dich annehmen, dass ich mit dir noch irgendetwas nach der Sache zu tun haben will?“ Er hob eine seiner perfekten Augenbrauen hoch und sah jetzt Aomine direkt an. „Ich weiß nicht, vielleicht fandest du das im Hotel ja auch so nice wie ich.“ Kise lachte mit leichter Resignation auf und befeuchtete unbewusst die Lippen, während er jetzt ebenfalls flüchtig zur Seite sah, wo sein Manager indes eifrig mit irgendwem telefonierte, um die abseitige Wartezeit sinnvoll zu nutzen. „Vielleicht hättest du nicht einfach abhauen dürfen, wenn du eine Wiederholung wolltest.“ „Ja, war nicht so geistreich von mir. Aber wollte deinen wohlverdienten Schönheitsschlaf nicht stören.“ „M-hm …“ Wieder ein paar Augenblicke der Stille. „Und? Nimmst du mein Angebot an?“, fragte Aomine. „Ich meine ...“ Er stutzte kurz und ließ nun ebenfalls einen kleinen, rauen Lacher verlauten, „wir könnten das nächste Mal ja ein anderes Szenario ausspielen. Eine Entführung, oder so.“ Kise schmunzelte leicht mit nunmehr nach unten geneigtem Kopf und gab Aomine das Gefühl, dass sein Galgenhumor gar nicht mal so schlecht ankam. „Fürs erste, könntest du mich auch einfach irgendwohin fahren, wo ich mich ausruhen kann“, erwiderte Kise leise, nur um kurz darauf, den Abstand zwischen ihnen zu überwinden und sich sachte gegen Aomine zu lehnen. Er traf dabei auf keinen Widerstand. Stattdessen löste Aomine seine Arme aus der Verschränkung, um die Nähe zulassen zu können. Seine rechte Hand legte sich behutsam auf Kises Hinterkopf. „Bin leider nicht so ein Bonze wie du, um dir ein fünf-Sterne-Hotel zu spendieren. Aber meine Matratze zu Hause ist nicht übel. Hab gut investiert.“ Kise legte seine Stirn auf Aomines breiter Schulter ab und schloss die Augen. Die Energie, um sich kokett gegen die plumpen Verführungskünste des Polizisten aufzulehnen, war ihm inzwischen ausgegangen und irgendwie fühlte es sich auch ganz gut an, so mit ihm dazustehen. Dabei ahnte er natürlich nicht, dass sie aus allen, dem Parkplatz zugewandten Fenstern des Polizeireviers gerade angestarrt wurden und irgendeiner von Aomines Kollegen eine ziemlich anrüchige Blowjob-Geste simulierte, um sich über sie lustig zu machen. Das ignorierte Aomine in diesem Moment gekonnt. Darum würde er sich irgendwann anders kümmern, wenn er den Nerv dazu fand. „Okay“, willigte Kise nach einer kleinen Bedenkzeit schließlich ein. „Also zu dir.“ Er hob die Hand mit seinem Autoschlüssel und drückte sie gegen Aomines Brust, um sich der kleinen Umarmung nun zu entziehen. „Ich klär’s kurz mit meinem Manager.“ Aomine nahm den Schlüssel in die Hand, nickte, ehe er das Auto entriegelte, und versuchte sich derweil nicht anmerken zu lassen, wie scharf und voller Vorfreude er war, diesen sündhaft teuren AMG gleich selbst fahren zu dürfen. Außerdem musste Kise ja nicht unbedingt wissen, dass Aomine eigentlich gar nicht so weit weg wohnte und daher plante noch einen kleinen Umweg über die Autobahn einzulegen, um das heiße Gerät ordentlich zu verausgaben. Davon hatte er schließlich schon insgeheim geträumt, als er hergefahren wurde. Nach außen betont distanziert setzte er sich endlich auf den ‚Master‘-Sitz und wartete darauf, dass Kise seinen Manager abwimmelte und auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Dann setzte Aomine seinen Plan in die Tat um. Unnötig zu erwähnen, dass es selbstverständlich nicht dabei blieb, dass Kise sich unschuldig und keusch auf Aomines hochgelobter Matratze ausruhte. Kaum dass sie bei ihm zu Hause angekommen waren, schien das Model schon wieder fit genug zu sein, um über den Polizisten herzufallen, der es sich natürlich nicht entgehen ließ. Jackpot Nummer sechs, nach der Autofahrt und der ersten Runde im Hotelbett! Ausruhen konnten sie sich ja auch noch irgendwann einmal, wenn sie alt und runzlig geworden waren, weil das hier immerhin nur der Anfang der Geschichte war. Einer Geschichte voller zerbrochener Lieblingstassen, rosaroter Schweinchenplüschies und jeder Menge anderem, wahnwitzigen Kram, der ihren Alltag in ein waschechtes Drama verwandeln konnte. Außerdem waren sie entgegen den Behauptungen ihres Freundeskreises ja doch so ziemlich miteinander kompatibel. Zumindest was die Musik, den Humor und das heiße Techtelmechtel anging … Doch dies soll der Inhalt eines anderen Kapitels aus dem Leben von zwei ineinander verknallten Trotteln werden, sofern sich die Autorin auch mal gnädig zeigt, ein wenig mehr im Detail davon zu berichten. – … und wenn sie nicht gestorben sind, dann vögeln sie noch heute. (leben! Ich meinte LEBEN!) –     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)