Unverhofft kommt oft von taiyo83 ================================================================================ Kapitel 3: Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück ------------------------------------------------ Kapitel 3 – Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück Seit sie die Wohnung wieder verlassen hatten, war Sanji am rumquengeln. Wie ein kleines Kind! Zorro hätte sich gern die Ohren zugehalten, weil er mittlerweile begriffen hatte, dass der Blonde Kohldampf ohne Ende schob und ganz dringend gefüttert werden musste. Aber die Stimme, die ihn gerade zum x-ten Mal informierte, dass er Hunger hatte, war leider laut genug, um durch seine Hände hindurch zu dringen. „ICH HABS JA GESCHNALLT!!“ fuhr er den Koch schließlich an und griff sich danach an die hohe und braungebrannte Stirn. „Ich habs geschnallt… sobald wir angekommen sind, kriegst du was.“ Was Zorro auch ehrlich meinte. Er hatte am Morgen am eigenen Leib erfahren müssen, was es bedeutete, Sanji nüchtern Sport treiben zu lassen. Eine schnelle Blutzuckerbestimmung im Wohnzimmer, nachdem er den sterbenden Schwan auf der Couch abgelegt und ihm eine Flasche Wasser in die Hand gedrückt hatte, hatte auch prompt das Ergebnis angezeigt, mit dem er eigentlich hätte rechnen müssen: Sanji hatte einen extrem niedrigen Blutzuckerspiegel. Kein Wunder, dass er ihm knapp hinter der Haustür ohnmächtig geworden war. „Was Frühstückst du eigentlich normalerweise?“ wollte der Grünhaarige wissen. Sanji blinzelte und wich dem fragenden Blick aus. „Naja… uhm, nicht viel… manchmal…“ stotterte er leise. Zorro seufzte. „Also nichts. Wird dir denn nicht schlecht, wenn du so lange am Herd stehst, ohne Frühstück? In der Hitze? Mit einem so niedrigen Blutdruck und Blutzuckerspiegel müsste es dich doch regelmäßig umhauen…“ – „Manchmal frühstücke ich Schokolade.“ murmelte der Koch ein wenig trotzig, und der Mann neben ihm seufzte erneut, diesmal etwas tiefer. „Kein Wunder…“ brummte Zorro und erntete prompt ein giftiges „Spar dir denn Rest, ich weiß schon, was du sagen willst!“ von Seiten Sanjis. „Musst du immer gleich eingeschnappt sein?“ polterte es nun aus dem Fitnesstrainer heraus. „Musst DU permanent an mir rumkritteln?!“ gab sein Gegenüber bissig zurück. „Einer muss es dir ja mal sagen!“ – „ICH WEIß DAS SCHON SELBER!!“ – „SO SIEHST DU ABER NICHT AUS!!“ – „WENN ICH HEUTE NOCH EINEN DUMMEN SPRUCH ZU MEINEM AUSSEHEN HÖREN, DANN KANNST DU DIR DEIN GEHALT IN DIE… oh…“ Sanji blieb sein wütender Schlagabtausch glatt im Halse stecken, als ihn eine hübsche junge Frau von weitem grüßte und dann auf die beiden Männer zugeschlendert kam. Sie hatte lange blaue Haare, die sie in einem sportlichen Pferdeschwanz trug, und große dunkle Augen. Über der Schulter trug sie eine Sporttasche, aus der eine Gymnastikrolle hervor lugte. Sie bewegte sich mit federnden Schritten und auf langen Beinen, die für diese Jahreszeit recht gut gebräunt waren. Zorros Kennermiene sah sofort, dass sie regelmäßig Sport machte. „Vivi-chan, was machst du denn hier?“ begrüßte Sanji das Mädchen und umarmte sie flüchtig. Die Blauhaarige lachte schelmisch. „Das müsste ich dich eigentlich fragen! Seit wann gehst du denn ins Fitnessstudio? Ich dachte immer, dir graust es vor sportlicher Betätigung…“ neckte sie den Koch. Sowohl ihr Tonfall als auch ihre Herzlichkeit machten deutlich, dass sie gut mit Sanji befreundet war, und langsam fragte sich Zorro, wie um alles in der Welt ein Typ wie Sanji bloß so viele attraktive Frauenbekanntschaften haben konnte! Vermutlich lag es daran, dass er schwul war. Warum sonst sollte sich eine Frau wie Nami oder ein Mädel wie diese Vivi mit ihm abgeben? Nicht, dass er es dem Koch geneidet hätte – Zorro fand Frauen je nach ihrer Art launisch, nervig, langweilig oder anstrengend, was der Grund dafür war, dass sie bislang keinen Platz in seinem Leben gefunden hatten. „Vivi-chan, das ist Lorenor Zorro. Er ist… er arbeitet hier im Studio.“ stellte Sanji den Grünhaarigen in aller Höflichkeit vor. Vivi streckte ihm gut gelaunt die Hand hin. „Ich glaube, ich habe sie schon mal gesehen. Freut mich, sie kennen zu lernen! Ich arbeite zwei Straßen weiter in der kleinen Konditorei – sie kennen bestimmt die Auslage mit den riesigen Hochzeitstorten.“ – „Allerdings. Sanji ist bestimmt ein treuer Kunde.“ Mit einem halbseitigen Grinsen ergriff Zorro die zarte Frauenhand und drückte sie kurz, während er aus den Augenwinkeln und sehr zu seiner Zufriedenheit sah, wie die Zornesröte in das Gesicht des Blonden kroch. Oder war es eher peinliche Berührung? Immerhin schien er ins Schwarze getroffen zu haben, denn Vivi meinte schmunzelnd: „Oh ja, einer meiner Treusten. Wir sind beides richtige Naschkatzen…“ Die Röte in Sanjis Gesicht nahm alarmierende Ausmaße an. Musste Vivi das denn jetzt so breittreten? Er hatte keine Lust, gleich den nächsten Spruch von Zorro gedrückt zu bekommen, zum Thema Ernährung und ihre Stolperfallen. Doch zum Glück schien das peinliche Gespräch ein Ende zu nehmen. Vivi sah auf die Uhr, stieß ein erschrockenes „Oh!“ aus und wandte sich dann zum Gehen. „Ich muss los, mein Kurs fängt gleich an. – Finde ich gut, dass du jetzt auch was tust, Sanji! Schwitzen wir gemeinsam!“ Und mit einem letzten Lächeln über die Schulter lief sie die Treppen hinauf und durch die Eingangstür das Fitnesscenters. „Da hörst du’s. Alle deine Freunde unterstützen dich.“ Zorro schulterte seine Sporttasche und kniff Sanji einmal beherzt in die Seite. „Also nichts wie ran an den Speck!“ – „Halt bloß den Mund, du Graskopf…“ >>>> >>>> <<<< <<<< Verbissen stemmte Sanji die 1,5-Kilo-Hantel nach oben und ächzte leise. Es war wohl sehr blauäugig gewesen, zu denken, Gewichtetraining wäre einfacher als das Joggen. Gut, ihm war nicht mehr so schlecht, was wohl auch daran lag, dass Zorro sein Versprechen gehalten hatte und er tatsächlich was zu essen bekommen hatte. Einen kalten Teigfladen mit Salat, Tomaten und kaltem Rindfleisch – nicht gerade die Krone der Kochkunst, aber für jemanden, der kurz vorm Verhungern stand, ein Geschenk Gottes. Viel Zeit zum Verdauen hatte Zorro ihm allerdings nicht gelassen. Kaum, dass der letzte Happen des Wraps in Sanjis grummelndem Magen verschwunden war, hatte der Grünhaarige ihn in den Geräteraum geschleift, wo er ihm einen individuellen Trainingsplan aufgestellt hatte, um jede seiner kleinen und großen „Problemzonen“ zu bearbeiten. „Du wirst vielleicht nicht aussehen wie Mr. Universum, aber wenn du das konsequent einen Monat lang durchziehst, wirst du schon den Effekt sehen.“ hatte Zorro voller Überzeugung gemeint. Sehen konnte Sanji noch nichts, außer seinem knallroten verschwitzten Gesicht in den großen Spiegeln an der Wand, aber spüren dafür umso deutlicher. Und wenn er eines wusste, dann war es, dass er in knapp 24 Stunden den Muskelkater seines Lebens haben würde! „Tiefer in die Knie, sonst bringt die ganze Übung nix! Und den Bauch dabei anspannen! Oberkörper gerade!“ kommandierte Zorro, der neben ihm stand und mit Argusaugen über sein Training wachte. Man hätte glatt das Gefühl bekommen können, er hätte Spaß an der Herumkommandiererei. Da war es lediglich ein schwacher Trost, dass wohl auch alle anderen seiner Kunden damit leben mussten. „Ich hab keine Bauchmuskeln, die ich anspannen könnte!“ keuchte Sanji atemlos. Im selben Moment wusste er auch schon, was gleich kommen würde. Zorro grinste. „Von Muskeln war nie die Rede… spann halt dein Waschbärbäuchlein an.“ Es war ja so klar gewesen – ein dummer Spruch. Und wie um seinen Worten mehr Aussagekraft zu verleihen, legte der Grünhaarige eine Hand auf die kleine Wölbung unter Sanjis T-Shirt und gab ihr einen dreisten Klaps. Vor Schreck – und auch ein bisschen vor Wut – ließ der Koch daraufhin eine Hantel fallen, die nur wenige Millimeter neben Zorros rechtem Fuß auf dem Hallenboden aufschlug. „Scheiße, pass mit den Dingern auf! Ich brauch meine Zehen noch!“ fluchte Zorro verärgert. Sanji schaffte trotz seiner Erschöpfung ein herausforderndes Grinsen. „Vielleicht sollte ich sie dir dann das nächste Mal, wenn du unerlaubt grabschst, an deinen hohlen Schädel werfen. Dein Gehirn brauchst du ja nicht sonderlich viel!“ – „Jetzt pass mal auf, du Rotzlöffel!“ Fest packte Zorros Hand Sanji am Kragen des nassgeschwitzten T-Shirts und zog den Koch näher. „Ich lass mir auch nicht alles von dir gefallen, also hör endlich auf, die Zicke zu spielen!“ – „Ach, und ICH muss mich von dir befummeln und permanent verarschen lassen, oder was? Kehr mal vor deiner eigenen Haustür, Mr. Testosteron!“ fauchte der Blonde kein bisschen beeindruckt zurück. Sollte dieser Gorilla ruhig versuchen, ihn einzuschüchtern, da konnte er lange warten! In seiner Ausbildung hatte er oft genug von seinem alten Chefkoch Ohrfeigen gefangen und Drohungen zu hören bekommen. Da war dieses Platzhirschgehabe doch gar nichts! Es verblüffte Zorro schon ein wenig, dass Sanji so ganz und gar keine Zeichen von Nervosität zeigte, wenn er ihn anschnauzte. Die meisten, die er auch nur aus Spaß am Kragen packte, wurden sofort weiß wie die Wand und wichen zurück, soweit er sie ließ. Mit einem Schnauben lockerte er den Griff um den T-Shirtkragen. Sanji würde sich schon noch umgucken… vielleicht war er mit Worten nicht ruhig zu kriegen, aber mit Taten auf jeden Fall. Zorro wusste, wie man übermütigen jungen Kerlen am schnellsten den Wind aus den Segeln nahm. „Anscheinend hast du ja noch mehr als genug Puste für Beleidigungen.“ Ein arrogantes Grinsen legte sich auf die Lippen des Älteren, und mit einem Mal schwante Sanji nichts Gutes. „Ich würde sagen, du strampelst jetzt erst mal ne Runde auf dem Crosstrainer, vielleicht liegt dir das ja mehr als das Joggen. – Was nicht heißt, dass du da drum herum kommst. Ich werde dich jeden Morgen scheuchen, bis du die 10 Kilometer packst. Und wenn ich dich an der Leine hinter mir her schleifen muss!“ Noch während Sanji ihm quer durch die Halle zu den Crosstrainern folgte, dämmerte es ihm, dass er Zorro wohl besser nicht so hätte reizen sollen. Was dem Grünhaarigen an Eloquenz fehlte, würde er mit sadistischen sportlichen Foltermethoden wieder wett machen. Der Blonde hatte nicht den geringsten Zweifel daran, dass Zorro seine Drohung wahr machen würde. Er hätte wetten können, dass sein Trainer insgeheim auf solche Sachen wie anleinen stand. Es sah Nami absolut sowas von ähnlich, ihm ein besonders fieses Exemplar als Fitnesscoach zur Seite zu stellen. Während Sanji nun auf Anfängerstufe gegen leichten Widerstand strampelte und sich dabei wie ein Hamster im Laufrad vorkam, vermerkte Zorro seine bisher gesammelten Daten in einer Tabelle. Die ersten Ergebnisse des Fitness-Tests waren niederschmetternd. Selbst wenn er den zu niedrigen Nüchternblutzucker mit einrechnete, fiel Sanji in sämtlichen Kategorien durch. Kondition und Muskelkraft waren nahezu nicht vorhanden, und die körperliche Belastbarkeit damit auf einem Minimum. Er konnte nur hoffen, dass Sanji zu dem Typ gehörte, der zwar auf einem lausig niedrigen Level lag, aber ungeahnt schnelle Fortschritte machte. „Puh, was für miese Werte! Gehören die zu dem Blondschopf da hinten?“ Einer von Zorros Kollegen, ein Südländer mit schmalem Oberlippenbart, lehnte sich neben den Grünhaarigen an den Tisch und schielte auf das Klemmbrett, auf dem Sanjis Daten vermerkt waren. Zorro brummte lediglich und zog das Brett aus dem Blickwinkel des anderen. Er mochte den Spanier nicht sonderlich, was daran lag, dass dieser älter und erfahrener war – und damit quasi sein Vorgesetzter. Eine Tatsache, die er ihn auch oft genug spüren ließ. „Ich würde ihm an seinem ersten Tag nicht gleich so viel zumuten. So wie der Junge aussieht, kippt er dir gleich nach hinten weg, weil entweder seine Beine nachgeben oder sein Kreislauf.“ – „Danke für den Hinweis, aber ich komme schon alleine zurecht.“ murrte der Jüngere ungehalten. Die Worte des Spaniers waren der Wahrheit näher gekommen, als ihm lieb war, und das ärgerte ihn. „Ich meine es nur gut, reagier nicht immer gleich zickig auf Kritik.“ entgegnete der Schwarzhaarige ruhig und rieb sich dabei über das Kinn, wo ebenfalls ein kleiner Spitzbart wuchs. Zorro jedoch schob ruckartig den Stuhl zurück und zog sein Klemmbrett mit einem lauten Scharren vom Tisch. „Du hast doch garantiert noch genug Leute, um die du dich kümmern musst, oder?!“ blaffte er seinen Gegenüber an, ehe er mit zorniger Miene hinüber zu den Crosstrainern stapfte. Wie ihm dieser arrogante Sack doch auf den Senkel ging mit seiner Besserwisserei! Der tat ja gerade so, als würde ihm der Laden gehören… und auf seine langjährige Karriere sollte er sich besser mal nicht so viel einbilden. Zorro war jung und noch lange nicht auf seinem Zenit angekommen, während der Andere sich schon wieder davon entfernte. Bald schon würde er zu alt sein, um sich noch derartige Töne vor ihm erlauben zu können. Von der Seite sprang ihn plötzlich eine Dame im mittleren Alter an, bremste ihn auf seinem Weg zu Sanji aus und plapperte sofort rege drauf los. „Wissen sie, wann Fräulein Tashigi wieder kommt? Ihre Urlaubsvertretung gibt sich ja Mühe, aber der Kurs ist nicht dasselbe wie sonst… viel zu anstrengend und zu wenig für Gesäß und Hüfte, immer nur Liegestütze und Situps und Ausdauer!“ beklagte sie sich und stemmte die Arme in besagte Hüften, während sie den jungen Mann herausfordernd ansah. Zorros Miene, sowieso schon angespannt, verdüsterte sich bei dem Namen „Tashigi“ noch um etliche Schattierung mehr. Dieser Name bedeutete nichts Gutes, oder andersrum gesagt: Es wäre ihm nichts eingefallen, was er über sein Kollegin Gutes hätte sagen können. Absolut nichts! Außer, dass sie einen recht netten Arsch hatte. Deshalb knurrte er die wissbegierige Dame unfreundlich an: „In zwei Wochen. Dann kann sie wieder ihr Bauch-Beine-Po-Weichspülertraining machen.“ Eigentlich war es direkt schade, dass Tashigi nicht noch länger wegblieb. Dafür, dass sie weitere 2 Wochen kein Chaos im Studio verbreitete und ihm auf den Wecker fiel, hätte er ruhig ein paar Nachfragen ihrer Kursteilnehmer in Kauf genommen. Seit dem ersten Tag an, als dieses aufgescheuchte Huhn mit der riesen Brille auf der Nase hier hereingeschneit war, hatten sie sich nicht ausstehen können. Und aus irgendeinem Grund war das Mädchen der festen Überzeugung, sie und Zorro stünden in eine Art heimlichen Wettstreit oder so. Dass er nicht lachte! Den Wettstreit, in dem diese wandelnde Katastrophe ihn schlug, wollte er erst mal sehen! Das einzige, was Tashigi Zorros Meinung nach besser konnte, war elegant das Bein bei der Aerobic heben. Und selbst das sah noch aus wie der sterbende Schwan mit Hüftschnupfen. Mit deutlich gedämpfter Laune stand Zorro endlich neben Sanji, der mittlerweile klatschnass geschwitzt war und sich mehr vorwärtsschaukelte als alles andere. Sogar die Trainingshosen waren feucht geworden, und die blonden Haare klebten nassgeschwitzt an der knallroten Stirn des Koches. Zorro hatte einen Anflug von Mitleid und erbarmte sich. „Alles klar, das reicht für heute.“ Meinte er und schlug Sanji auf den Rücken, woraufhin diesem die Knie wegsackten und er vom Gerät herunter rutschte. Keuchend und zusammengekauert saß der Blonde auf dem Hallenboden, große Schweißtropfen platschen von seiner Stirn. „Durst…“ krächzte er, ohne den Blick zu heben. „Komm mit an die Bar, ich geb dir was aus.“ Da er mittlerweile abschätzen konnte, wie gehfähig Sanji nach ungewohnter Belastung war bzw. nicht war, zog Zorro ihn auf die Beine und legte einen Arm um seine Hüfte. Den Blick aus schmalen Augen, den ihm sein spanischer Kollege zuwarf und der unerträglich mahnend war, ignorierte er gekonnt. Schön, dann sah Sanji eben aus wie nach einem 40-Kilometer-Marathon durch die Sahara, er würde es schon überleben. „Und… und das wars für heute…?“ murmelte der Jüngere, nachdem er ein paar hastige Schlucke seines isotonischen Sportgetränks heruntergebracht hatte. Er klang erleichtert, aber leider zu Unrecht. Zorro zog die Augenbrauen hoch. „Wie kommst du denn darauf?“ – „Du sagtest doch eben, es reicht für heute…“ – „Damit meinte ich den Crosstrainer. Wir sind noch lange nicht am Ende mit unserem ersten Trainingstag.“ >>> >>> <<< <<< Wie Wackelpudding fühlten sich seine Beine an, als sie den Weg zurück zu Sanjis Haus liefen. Liefen, nicht fuhren – Zorro hatte darauf bestanden, zu Fuß zu gehen statt den Bus zu benutzen. Sämtliche Proteste von Seiten Sanjis, dass er unmöglich aussah und seinen Mitmenschen keinen derartig erbärmlichen Anblick bieten wollte, hatten nichts bewirkt. „Jeder Gang macht schlank!“ hatte Zorro unerbittlich geantwortet und den Koch von der Bushaltestelle weggescheucht. Der Heimweg kam Sanji vor wie eine Ewigkeit, dreimal so lang wie der Weg zum Fitnessstudio hin. Logisch betrachtet konnte es nur an dem langsamen Tempo liegen, dass seine Gummibeine vorgaben. Zorro, der gerne einen dynamischen Trab eingelegt hätte, beschwerte sich zwar, aber als Sanji ihn mit dem letzten bisschen verbliebener Kraft anfauchte, ob er ihn denn nochmal tragen wollte, schwieg er schließlich. Innerlich bemitleidete der Blonde sich aus vollem Herzen. Womit hatte er das denn bloß verdient? Diese Qual stand in keinerlei Relation zu sämtlichen Sünden, die er in seinem Leben bisher begangen hatte. Ganz im Gegenteil! Litt er denn nicht schon genug? Waren sein gebrochenes Herz und sein dezimiertes Ego denn keine ausreichende Buße für seine kleinen Laster? Nein, sowas hatte er mit Sicherheit nicht verdient!! Endlich, nach gefühlten 2 Stunden zu Hause angekommen, steuerte Sanji auf direktem Weg und immer noch zittrigen Beinen die Dusche an. Warmes Wasser, Duschzeug, Shampoo… was für ein Luxus! In der siffigen Kabine im Fitnessstudio hatte er sich nicht duschen wollen. Mal ganz davon abgesehen, dass er sich vor all diesen gestählten Muskelpaketen, die mit in der Gemeinschaftsdusche standen, niemals hätte entkleiden wollen. Die Gewissheit, dass er absolut unmöglich aussah, war erfolgreich in seinem Kopf festgepinnt worden. Für kein Geld der Welt hätte er sich vor irgendeinem Bürger Japans, der ihn am Ende vielleicht noch erkannte, unverhüllt gezeigt. Das warme Wasser tat unendlich gut und löste sogar ein paar der Verkrampfungen in Rücken, Beinen und Armen. Er seufzte auf. Niemals zuvor hatte sich duschen so gut angefühlt, es war wie eine Erlösung. Großzügig rieb Sanji sich mit seinem Duschzeug ein und drehte den Massagestrahl eine Stufe härter. In kleinen weißen Schaumbahnen floss es an seinem Körper herab in den Gulli, und der Koch sah dabei zu. Er hätte noch Stunden hier stehen können… „Oi, Sanji! Bist du unter der Dusche eingepennt oder ohnmächtig geworden?!“ dröhnte es leicht ungeduldig durch die Badezimmertür. Der Blonde seufzte tief. „Bin gleich soweit!“ rief er missmutig zurück. Dieser Zorro gönnte ihm ja kein Bisschen Entspannung… schnell schob Sanji den Gedanken, dass sein Trainer mit weiterer sportlicher Aktivität gedroht hatte, beiseite und griff nach einem Handtuch. Elender Sklaventreiber, der hatte er wohl längst vergessen, wie man eine wohlverdiente Pause einlegte! Beim Abtrocknen dann erhaschte Sanji einen kurzen Ausblick auf sein Spiegelbild, und sank ein wenig in sich zusammen. Egal wie viel er motzte und sich beschwerte und beteuerte, dass er diesen ganzen Fitnessquatsch nicht wollte – nötig hatte er es wahrhaftig. Es wäre ein glatte Lüge gewesen, zu behaupten, er würde sein schmächtiges Kreuz und seine Eiscremewampe nicht gerne gegen Zorros breite Schultern und das knallharte Sixpack eintauschen, welches sich unter dem engen weißen Shirt des Grünhaarigen deutlich abgezeichnet hatte. Mit einer Figur wie Zorro hätte Ace ihn wohl kaum so auflaufen lassen… Der Blonde nagte an seiner Unterlippe herum. Ob Ace auf Muskeln stand? Ein durchtrainierter Körper schien dem Fernsehstar ja wichtig zu sein, und so wie er ihn kritisiert hatte, musste er wohl von seinen Partnern erwarten, dass diese ebenso auf sich achteten wie er. Wenn er nun etwas schlanker und fitter wäre – ob Ace dann…? „Wie lang brauchst du denn noch??“ Von der anderen Seite der Badezimmertür her riss Zorro ihn erneut und ziemlich unsanft aus seinen Träumereien. „IST JA GUT! ICH KOMME SCHON!“ Genervt zerrte Sanji seinen Bademantel vom Haken, schlüpfte hinein und verknotete ihn fest um die Taille, ehe er die Tür öffnete. Er wollte gar nicht wissen, was jetzt schon wieder so dringend war, dass Zorro ihm nicht mal 20 Minuten Körperpflege zugestand. „Na endlich!“ begrüßte ihn der Größere, als Sanji ins Wohnzimmer kam, wo er sich schon wieder breit gemacht hatte. In seiner Hand hielt er einen großen Müllsack, in den er einige bunte Packungen geworfen hatte. Gerade durchwühlte er Sanjis Wohnzimmerschrank und förderte eine weitere leuchtend bunte Schachtel zu Tage, die nach einem kurzen missbilligenden Naserümpfen ihren Weg in den Müllsack antrat. Der Koch traute seinen Augen kaum. „Wa… was zum Geier… tust du da?!“ rief er perplex. Nicht nur, dass Zorro die grenzenlose Dreistigkeit besaß, einfach seine Schränke zu öffnen und darin herum zu schnusen, er warf auch einfach seine Sachen weg, als hätten sie ihn kein Geld gekostet und wären damit wertlos! „Müll entsorgen.“ gab der Grünhaarige knapp und äußerst selbstgefällig zur Antwort. „Diesen ganzen Kram da drinnen brauchst du nicht mehr.“ – „Das entscheide ja wohl immer noch ich!!!“ Mit zwei großen und zornigen Schritten war Sanji bei dem Älteren angekommen und versuchte, ihm den Müllsack aus der Hand zu reißen und einen Blick hinein zu erhaschen, obwohl er sich schon denken konnte, was er enthielt. Zorro rollte die Augen und gewährte ihm tatsächlich einen kurzen Ausblick auf die bunten Schachteln. Kekse, Schokolade und andere Knabberzeug, Nuss-Nugat-Creme und Marmelade, sogar eine unschuldige Packung Aufbackbrötchen hatte er eingesackt. Sanji fehlten fast die Worte – aber eben nur fast. „Sag mal hast du denn nicht mehr alle Latten am Zaun?! Kannst du mir verraten, wer dir das verdammte Recht gibt, meine Sachen wegzuschmeißen? Das ist die reinste Verschwendung!! Ich hab für das Geld, mit dem ich alles das gekauft habe, arbeiten müssen, und du entsorgst es einfach?! Schämst du dich nicht, Lebensmittel so zu behandeln?!“ – „Wenn es solche Lebensmittel sind, kein Stück! Für dein Geld hättest du dir besser mal was anderes gekauft als so nen Scheiß! Du bist der letzte Mensch in Tokyo, der sich diesen Süßkram kaufen und reinschieben sollte! Und mach mir bloß kein schlechtes Gewissen von wegen Verschwendung! Selbst wenn morgen die nächste Hungersnot ausbrechen sollte, dauert es mal mindestens noch 5 Jahre, bis DU mit deinen Reserven verhungerst!“ Mit herausfordernd funkelnden Augen band Zorro den Sack mit einem großen Knoten zusammen und warf ihn sich über die Schulter wie der Weihnachtsmann. Mit dem Unterschied, dass es für Sanji wohl keine Bescherung gab – zumindest keine schöne. Fassungslos musste der Koch mitansehen, wie Zorro seine geliebten Süßigkeiten durchs Treppenhaus und die Haustür hinaus trug, um ihn den Müllmännern, die just in dem Moment mit ihrem Wagen anrückten, in die Hände zu drücken. Ein Albtraum… das musste ein Albtraum sein! „IST DIR EIGENTLICH KLAR, DASS ICH JETZT ABSOLUT NICHTS MEHR ZU ESSEN IN MEINEM HAUS HABE??!!!“ – „Wunderbar, dann ist endlich Platz für die richtigen Nahrungsmittel. Was du als Koch eigentlich bestens wissen müsstest! – Also zieh dich an, wir gehen einkaufen!“ Zorro zeigte sich unbeeindruckt von Sanjis Stimmgewalt, und der Blonde klappte den Mund wieder zu. Was da für einen Horrotrip auf ihn zukam, wollte er sich lieber noch nicht ausmalen. Aber vor seinem geistigen Auge sah er sich schon unter Tüten voller Eiweiß-Produkte, Tofu, Gemüsepaletten und Vollkorn begraben. Der Albtraum wollte kein Ende nehmen… >>> >>> <<< <<< Das letzte Mal, dass er ein Reformhaus betreten hatte, war vor etwa einem Jahr und auch das allererste Mal gewesen. Sanji hatte ein paar Rezepte ausprobiert und dafür Zutaten benötigt, die er im normalen Supermarkt nicht hatte finden können. Das, was bei dieser Experimentiererei heraus gekommen war, hatte weder ihn noch seinen Chefkoch vom Sockel gehauen, und der Trip in die Öko- und Leinsamenwelt war ein einmaliges Erlebnis geblieben. Bis heute. „Es gibt einen Grund, warum ich mich nach Feierabend von Pizza und Eis ernähre…“ murrte der Koch vor sich hin, als Zorro ihn durch Gänge voller Getreideprodukte und Sojamilchzubereitungen schob. „Ach, und der wäre?“ – „Es geht schnell. Ich hab keine Lust, abends auch noch am Herd zu stehen und irgendwelche Körner abzuzählen, wenn ich den lieben langen Tag schon im Restaurant gestanden habe.“ Mal ganz davon abgesehen, dass Leinsamen und Trockenobst seinen Liebes- und Lebensfrust nicht so leicht verdaubar machten wie sein geliebtes Häagen-Daszs. Aber das getraute Sanji sich dann doch nicht laut auszusprechen. Er konnte sich lebhaft vorstellen, was Zorro zum Thema „Frustfressen“ zu sagen hatte. „Von Körnerzählen war auch nie die Rede. Es gibt auch normales Supermarktessen, dass du dir zubereiten kannst und was nicht lange braucht, das weißt du selbst genau. Bequemlichkeit ist keine gute Ausrede, wenn man vom Fach ist. – Aber momentan hast du ja mehr als genug Zeit, auf deine Ernährung zu achten. Jetzt, wo du Diät hältst, musst du umso mehr drauf gucken, dass du alles notwendige zu dir nimmst.“ Energisch bog Zorro in einen weiteren Gang ein, wo es Gemüse zu kaufen gab. Sanji erkannte nicht zuletzt an den gesalzenen Preisen, dass das hier Premiumqualität war. Sämtliche Ware war in Topzustand und frisch, und beim Anblick des Blumenkohls der knackig und bunt vor ihm lag, eingerahmt von Möhren und Tomaten, rumorte es in Sanjis fast leerem Bauch. „Na siehst du – wenn der Hunger nur groß genug ist, sucht sich dein Instinkt schon das richtige aus!“ meinte Zorro zufrieden und griff nach dem Blumenkohl. Sani sparte sich die Bemerkung, dass sein armer Magen wohl auch beim Anblick eines fett-triefenden Döners oder eine Schwarzwälder Kirschtorte zu grummeln begonnen hätte. Stattdessen drehte er sich zum Obstsortiment um – und erstarrte mitten in der Bewegung. Das durfte nicht wahr sein. Das… nein, das KONNTE nicht wahr sein! Keine 10 Meter von ihm entfernt, hinter dem Regal mit Cerealien und Müsliriegeln, stand Ace und las sich den Inhalt einer Obstschnitte durch. Sanji erkannte ihn trotz tief ins Gesicht gezogener Kapuze sofort. Diese Nase, die schwarzen Locken, die unter dem weinroten Stoff hervorlugten, diese sexy Sommersprossen auf sonnengebräunter Haut… unverwechselbar sein Ace. Bis zum Hals hinauf schlug Sanjis Herz, und seine Beine fühlten sich weicher an als nach dem Horrortrip auf dem Crosstrainer. Wieso bloß sah Ace so unverschämt gut aus? Und wieso war er in diesem Reformhaus?! Gerade noch so schaffte der Blonde einen Hechtsprung in den nächsten Gang hinein, wo er sich hinter einer Wand aus Suppenzusätzen verschanzte, bevor sein Schwarm ihn sah. Zorro sah sich irritiert um. Eben noch war der Blondschopf bei ihm gewesen, und jetzt verriet nicht mal mehr der knurrende Magen seinen Standort. Hatte Sanji die Flucht ergriffen, oder hatte draußen in dem Moment der Eiswagen halt gemacht? Es dauerte ein paar Sekunden, bis Zorro seinen Schützling aufgestöbert hatte und auf sein merkwürdiges Verhalten ansprechen konnte. „Was treibst du denn da? Interessiert es dich nicht, was wir einkaufen? DU musst das später essen, nicht ich. Ich seh schon gut aus…“ – „Er ist hier.“ Murmelte Sanji mit blassem Gesicht und verspannter Miene. „Was?“ – „Ich hab gesagt, er ist hier!“ – „Ja wer denn?!“ Zorro verstand nur Bahnhof. Vorsichtig spähte der Koch um die Ecke und deutete dann in die Richtung, dorthin, wo Ace mittlerweile stand und sich gedämpft mit einer Verkäuferin unterhielt. Dem roten Kopf der Frau nach zu urteilen, hatte sie den Fernsehstar auch erkannt und konnte kaum mehr einen klaren Gedanken fassen. Ganz so, wie es Sanji auch ergangen war, als Ace zum ersten Mal sein Restaurant betreten hatte. Zorro musterte den Schauspieler einmal ungeniert von oben bis unten. Die Serien, in denen Ace spielte, waren nicht sein Ding, aber gehört hatte er auch schon von dem jungen aufstrebenden Star. Live und in Farbe sah er allerdings nicht mal annähernd so schillernd aus, wie er immer beschrieben wurde. Er hätte gut und gerne Zorros Nachbar sein können, ein normaler Typ, der ganz ok aussah. Zorros Blick wanderte zu Sanji und dessen roter Nase und dem verklärten Schmachten in den großen blauen Augen. Er seufzte leise. Geschmäcker waren ja bekanntlicherweise und auch zum Glück verschieden. Sein Typ war dieser Ace nicht. „Willst du jetzt die nächste halbe Stunde hier Mäuschen spielen?“ brummte der Grünhaarige und wartete auf eine Antwort, die nicht kam. Verlegen starrte Sanji abwechselnd zu Boden und das Regal vor ihm an, sorgsam darauf bedacht, aus Ace‘ Sichtfeld heraus zu bleiben. Von der Seite kam ein junger Mann auf Ace zu. Er war mittelgroß, vielleicht 1,65, leicht gebräunt und sah geradezu zerbrechlich aus in seinen engen schwarzen Röhrenjeans , dem weißen Tanktop und der kurzen Jeansjacke. Über seine Schultern fiel ihm glattes brünettes Haar, das im hellen Licht des Ladens glänzte. Er steuerte direkt auf Ace zu, und als er nur noch eine Armlänge entfernt war, zog der Schwarzhaarige ihn zu sich und legte lachend einen Arm um die winzige Taille des Jungen. Das Bild schnitt Sanji ins Herz, und er schluckte hart. Was hatte er denn erwartet? Dass Ace sich den Namen jedes x-beliebigen Trottels merkte, der ihm mit der Bitte um ein Date seine wertvolle Zeit stahl? So abwertend, wie Ace ihn beurteilt hatte, hatte der sich doch bestenfalls sein klägliches Erscheinungsbild gemerkt, wenn überhaupt. Zorro, der die Szene ebenfalls beobachten konnte, fühlte sich mit einem Mal unwohl. Vermutlich war das der Zeitpunkt, um etwas Aufbauendes zu sagen, etwas Tröstendes, irgendetwas, um Sanjis Moral, die er förmlich neben sich auf dem Boden zerspringen hören konnte, hoch zu halten. Und genau da lag das Problem. Wenn es um seinen Job ging, konnte Zorro durchaus reden. Aber bei allem was darüber hinausging, und vor allem, wenn es um komplexe Gefühlsdinge ging, fehlten im regelrecht die Worte. So etwas Hohles wie „SO toll ist der jetzt auch nicht!“ oder „Wenn sein Bubi mal nicht Minderjährig ist!“ wollte er jetzt auch nicht gerade bringen… Doch ein Blick zur Seite entband den Grünhaarigen zumindest für den Moment von einer Aufmunterung. Zum zweiten Mal in den vergangenen 10 Minuten war Sanji nicht mehr neben ihm, sondern wie vom Erdboden verschluckt. Der Anblick war wohl doch mehr gewesen, als sein angeknackstes Gemüt hatte ertragen können. „Sanji…?“ ~ Ende Kapitel 3 ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)