Das Wolfskind von der Kaisermühle Schwalbheim von Jaberwocky ================================================================================ Kapitel 2: Wolfische Abnormalitäten ----------------------------------- Sein neues Umfeld… Solch eine Kreatur hatte Adrian noch nie gesehen, obwohl er direkt am Wald wohnte und schon so einige Tiere, in seinem Leben, gesehen hatte, welche andere Menschen nur von Bildern kannten. Doch dieses Tier war ihm neu! Zu fern es ein Tier war. Das Wesen hatte ungefähr die Größe eines ausgewachsenen Wolfes und lief, wie ein Wolf, auf allen Vieren. Die Pfoten des Tieres, vor Adrian waren, so schätzte er, größer als die von einem Wolf, vor allem aber waren sie dicker. Auch die Vorder- und Hinterläufe waren bei diesem Exemplar deutlich dicker und kräftiger. Der Schwanz war wieder vergleichbar mit dem eines Wolfes, zumindest von der Länge. Doch ab einem guten Viertel des Schwanzes schien sich ein weiterer Schwanz abzuspalten, welcher nicht so lang wie der Primärschwanz war, dafür aber mehr abstand. Die Schnauze der Kreatur war deutlich kürzer als bei einem ‚echten‘ Wolf und auch etwas breiter als bei diesen Tieren üblich. Es zeichnete sich auch kaum eine Nase ab, weil diese komplett mit einem kurzen Fell bedeckt war. Nur die Nasenlöcher fielen auf. Am Kopf wurde das Fell dann länger und war am Körper, sowie dem Schwanz am Längsten. Für ein Raubtier war das Fell relativ lang, jedoch nicht so lang, dass es herunter hing und beim Jagen störte. Die Ohren waren fast nicht zusehen, weil sie sehr klein und rund waren. Sie lagen relativ weit oben am Schädel und ähnelten mit dieser Größe keinem bekannten Raubtier. Auch die Augen lagen für ein Raubtier sehr merkwürdig. Für Raubtiere war es üblich, dass ihre Augen, wie bei Menschen, vorne im Schädel angesetzt waren, doch bei diesem Wesen lagen sie seitlich im Schädel, wie bei Eidechsen. Im schwachen Licht seiner Taschenlampe konnte Adrian sogar die Fellfarbe des Tieres erkennen. Wie bei einem Frischling war diese hellbraun, es zogen sich jedoch dunkelbraune Wellen und Punkte über das lange Fell. Vorsichtig strahlte Adrian die Kreatur an, doch diese schien zum Glück kein Interesse an ihnen zu zeigen, dafür aber diesem Jungen! Adrian bekam sofort Angst um das Kind. Diese Kreatur würde den Jungen sicherlich verspeisen! Er musste das verhindern! Sofort drehte er sich zu seiner ängstlichen Begleitung um und hielt ihr die Taschenlampe hin. „Der kleine Junge ist ihn echter Gefahr! Er hält dieses Vieh bestimmt für einen Hund oder so, ich denke nicht, dass die Kreatur das versteht!“ „Ist doch scheißegal! Lass uns wieder reingehen! Das ist Schicksal! Ich will nicht auch auf der Speisekarte von diesem Monster landen.“ „Ich hab jetzt keinen Bock mit dir zu diskutieren, du Egoistin! Halt mir einfach die Lampe und wenn es gefährlich wird, dann hau einfach ab!“, flüsterte Adrian leise. Sabrina schüttelte ungläubig den Kopf und richtete den Strahl der Lampe wieder auf das Tier. Doch sofort erschrak Sabrina, als das Licht das Maul des Wesens erhellte und schwang deswegen direkt den Strahl auf den Boden zwischen dem Tier und dem Jungen. „Du bist verrückt.“, zischte sie ängstlich, doch tief in ihrem Inneren schätzte sie Adrians Mut sehr. Doch das würde sie NIE zugeben. Adrian hatte sehr große Angst, doch sein Wille den Jungen zu retten war deutlich größer. Vorsichtig ging Adrian in die Hocke und griff mit seiner rechten Hand in den Kies. Langsam schob er seinen Fuß vorwärts und zog den Anderen nach. Er bewegte sich so sehr langsam vorwärts, sammelte dabei aber auch Kies und Sand mit seiner Hand auf. Ganz langsam näherte er sich den Beiden. Die Kreatur schien Adrian genau im Blick zu haben, er spürte deutlich die durchbohrenden Blicke der Kreatur. Doch sie blieb ruhig, hingegen der Junge schon Anstalten machte auf den Rücken des Tieres zu klettern. „Das darf doch nicht wahr sein!“, zischte Adrian leise. Er wollte diesen kleinen Kerl retten und was tat der? Kletterte einfach auf die Bedrohung seines Lebens! Adrian bekam ein großes Zeitproblem. Doch wofür sollte er sich noch Anschleichen? Das Tier hatte ihn doch schon bemerkt. Verzweifelt biss Adrian die Zähne zusammen und schloss kurz die Augen. „WAAAAAAHAAAAAAA!“, schrie Adrian urplötzlich laut auf und stieß sich aus der Hocke ab, um schneller auf eine hohe Geschwindigkeit zukommen. Mit seinem Schrei wollte er das Tier erschrecken, ob das klappte sah er nicht, weil er sich vollkommend auf seinen Plan konzentrierte. Immer schneller näherte er sich der Kreatur und dem Jungen. Wütend knurren drehte diese ihren Kopf zu Adrian, um ihn abzuschrecken. Damit hatte der Jugendliche gerechnet. Sofort bremste er ab und nutzte die übliche Kraft, um den Dreck in seiner Hand genau in die Augen des Tieres zuwerfen. Die Kreatur brüllte kräftig und wütend auf, als sie die Ladung Kies und Sand in ihre Augen bekam. Reflexartig wandte sie ihren Kopf ab und gab so den Weg zu dem Jungen preis. „PERFEKT!“ Ohne weiter auf das Monster zu achten, ergriff Adrian den Jungen, warf ihn sich über die Schulter und rannte zurück zu Sabrina. „SCHNELL INS HAUS!“ Adrians Beute war sichtlich überrascht. „Grahm!“, gab sie, wie ein kleines, junges Brüllen von sich und fing an zu zappeln. Dabei gab er Laute von sich, welche sich wie die Laute der Kreatur anhörten, nur, dass seine viel leiser und höher klangen, wie die eines jungen Tieres. Mit seinen Händen trommelte er auf Adrians Brust und mit seinen Füßen trat er ihn. Das erleichterte dem Jugendlichen das Tragen nicht, was wegen seiner Flucht schon schwer genug war. Um den Kleinen besser zuhalten griff Adrian um, dabei strich er über den vermeintlichen Rücken des Jungen, spürte aber nur seine Haare, bis er schon seinen nackten Hintern fühlte und etwas Merkwürdiges, was sich wie Plastik anfühlte. So sehr sich Adrian über den Jungen wunderte, warf er doch keinen Blick auf ihn, sondern richtete diesen abwechselnd auf Sabrina und den Weg, sowie auf die Kreatur. Diese reagierte nämlich auf die Schreie des Jungen und schüttelte deswegen hastig ihren Kopf. Dadurch wurde sie aber noch nicht den ganzen Sand in ihren Augen los, doch es musste reichen. Noch geblendet von Adrians Angriff nahm die Kreatur sofort die Verfolgung auf. Sie war zwar deutlich schneller als ein Mensch, doch musste sie erst einmal Fahrt aufnehmen und die Menschen hatten schon einen ordentlichen Vorsprung. Auch machte ihre eingeschränkte Sehkraft der Kreatur zu schaffen. „Adrian! Sie kommt!“, rief Sabrina panisch, als sie zurück sah. Tatsächlich hatte das Wesen bereits aufgeholt, bedrohlich aufgeholt. Vorsichtig riskierte auch Adrian einen Blick und erschrak fürchterlich. Zwischen ihm und dem offenem Gebiss des wilden Tieres lagen nur noch wenige Zentimeter. Adrian spürte förmlich den Atem dieser Bestie. „DIE TÜR!“, brüllte Adrian voller Todesangst zu Sabrina, welche die offene Haustür soweit öffnete, wie es die Wand hergab. Gleich! Nur noch ein Stück! Adrians Angst stieg. Diese Kreatur machte keine Späße, da war er sich sicher, nicht bei diesen Zähnen. Es wurde knapper und knapper, doch kaum war Adrian durch die Tür gerannt, stieß Sabrina diese unverzüglich zu. Der dumpfe Schlag danach signalisierte eindeutig, dass das Tier gegen die Tür gerannt war. Doch nachdem Schlag blieb es ruhig vor der Tür. „I-Ist es tot?“ „Nein, vielleicht nur bewusstlos! Wir sollten im Flur bleiben, weg vom Fenster.“, meinte Adrian und achtete nicht auf den weiterhin strampelnden und schreienden Jungen. Von der Flucht war Adrian schwer geschafft, doch noch konnte er sich nicht ausruhen. „Weg vom Fenster…Sabrina! Schließ schnell die Haustür ab und mach das Licht an!“ Adrian traute dieser Wolfs-Kreatur durchaus zu, dass sie die unabgeschlossene Tür aufstoßen könne. „Klar!“ Sabrina stand noch direkt bei der Tür und schloss diese sofort mit dem steckenden Schlüssel ab, ehe sie den Lichtschalter betätigte und schwer durchatmete. „I…Ist das immer so bei euch?“ Erschöpft lies sie sich an der Wand heruntersinken und sah zu Boden. Sie hatte Angst gehabt! Große Angst! „Nein…“, seufzte Adrian und schnaufte ebenfalls noch einmal durch, ehe der zappelnden Jungen langsam zu Boden lies. „Jetzt wird alles gut mein Kleiner.“ Kaum hatte der Junge Boden unter den Füßen, riss er sich von Adrian los und sprang ein gutes Stück zurück, ehe er eine merkwürdige Haltung einnahm. „Was?“ Unsicher betrachtete der Jugendliche das Kind nun genau. Es war splitternackt und zudem unglaublich dreckig und schmutzig. Auch seine Körperhaltung, welche der Junge sofort angenommen hatte, unterschied sich von den möglichen, normalen Körperhaltungen eines Kindes. Er stand im Vierfüßlerstand vor ihm, doch im Gegensatz zu den Kindern die Adrian kannte, winkelte dieser Junge seine Beine leicht an. Dadurch nahm sein Rücken eine ordentliche, waagrechte Haltung an. Würde er knien, läge sein Rücken deutlich tiefer, würde er seine Beine durchstrecken, wäre sein Rücken nicht so gerade. Schon bei dem Anblick dieser Körperhaltung taten Adrian seine Beine weh, er könnte seinen Körper niemals mit angewinkelten Beinen halten, doch dem Jungen schien dies nichts auszumachen. Doch die Kuriositäten stoppten nicht bei der Haltung, seine Haare waren unglaublich lang und reichten ihm bis zu seinem Hintern. Seine Haare waren hellbraun, wobei sich, wie bei dem Fell der Kreatur, ein dunkelbraunes Frischlingsmuster abzeichnete. Adrian verstand nicht, wie die glatten Haare von dem Kleinen so ordentlich auf seinem Rücken liegen konnten, so ordentlich, dass das Muster aus Wellen und Punkten nicht unterbrochen wurde. Im Gesicht schien das Kind jedoch normal zu sein, grüne Augen waren nichts ungewöhnliches, doch seine Zähne sollten wieder eine Besonderheit bilden. Wie ein Hund biss der Junge sein Gebiss aufeinander und zeigte dabei, mit einem knurrenden Laut, seine Zähne. Durch den hellen Flur konnte Adrian genau erkennen, dass der Braunhaarige am oberen Kiefer gleich vier Eckzähne hatte, ein Paar links und ein Paar rechts. Auch die Länge unterschied sich zu den Eckzähnen normaler Kinder, seinen schienen viel länger zu sein und reichten bis zum Zahnfleisch des Unterkiefers. Eine letzte Besonderheit zeigte sich direkt an des Kindes Hintern. Direkt über seinem Steißbein war ein großes Palmenblatt mit einem Seil festgebunden. Der Stiel des Blattes lag dabei akkurat auf seiner Wirbelsäule auf, hingegen das Blatt an sich über seinen Hintern hinaushing, wie ein Schwanz. Nun begriff Adrian auch, was er vorhin Plastikartiges erfühlt hatte. „Hey beruhig dich doch.“, lächelte Adrian den Jungen lieb an. Trotz all der Kuriositäten die er bot, hielt Adrian das Kind für ein normales Menschenkind, wenngleich es sich doch wie ein Hund aufführte und ihn anknurrte. Dabei schien er auch nicht seinen Blick von Adrian zulassen. Adrian hielt das Auftreten des neuen Gastes für ein normales Kinderverhalten. Der Junge war im Begriff gewesen von einem wilden Tier gefressen zu werden, bestimmt war es ein Schutzmechanismus, dass er sich jetzt wie ein Tier benahm. „D-Das ist kein Mensch!“, gab Sabrina schockiert von sich. Sie war mittlerweile wieder aufgestanden und hatte sich neben Adrian gestellt. Auch die Schwarzhaarige hatte den Kleinen ausgiebig beobachtet. „Ach Quark! Das ist nur ein Schutzverhalten.“ „Was ist daran Schutz?“ „Naja ein wildes Tier wollte ihn fressen, also tut er so als wäre er ebenfalls ein wildes Tier und wird verschont.“ „Hä? Das ist doch Blödsinn.“ Wie üblich lies Adrian Sabrina einfach wieder stehen und lief einige Schritte auf den Jungen zu. „Magst du mir sagen wie du heißt?“ „Grrrr!“, bedrohlich knurrend ging der Junge mit seinem Körper zurück, lies dabei aber seine Hände und Füße stehen. Gleichzeitig hob er auch sein Gesäß in die Luft, bis sich sogar die Handflächen, welche vorher Bodenkontakt hatten, etwas anhoben. „Du spielst wohl gerne wilde Bestie oder? Ich tue dir nichts.“, versicherte Adrian lächelnd. „Das… sieht nicht gut aus! Komm zurück!“, forderte Sabrina gequält. Sie würde es zwar nie zugeben, doch sie hatte Angst um Adrian. Sie traute diesem komischen Kind nicht über den Weg und das nicht nur weil es wie ein Stinktier stank. „Man Sabrina! Labber doch keinen Müll!“, gab Adrian genervt von sich und drehte sich wieder zurück zu seiner Gefährtin. Bei dieser Drehbewegung hob Adrian seine Arme etwas an, als würde er um sich schlagen. Eine Geste die Sabrina nicht falsch verstand, dafür aber der Junge aus der Nacht! Er dachte Adrian würde ihn angreifen und stieß sich kräftig mit seinen weniger stark angewinkelten Beinen ab. Er sprang regelrecht auf Adrian zu und streckte seine Arme dafür weit nach vorne aus. Seine Finger nahmen dabei eine Krallenform an, wodurch seine längeren Fingernägel gut zum Vorschein kamen, welche eine stärkere Rundung hatte, als bei anderen Kindern und viel spitzer waren. „ADRIAN! VORSICHT!“, rief Sabrina panisch, als sie sah wie sich das kleine Kind plötzlich abstieß. „Was?“ Im Gegensatz zu Sabrina sah Adrian natürlich nicht, was hinter seinem Rücken geschah und drehte sich auf Sabrinas Geschrei sofort in die Richtung seines Angreifers, als dieser ihn schon erreichte. Der kleine Junge war erstaunlich hochgekommen und hätte sich versucht an Adrians Bauch festzukrallen, doch dieser hatte im Reflex seine Hände schützend vor seinem Bauch gekreuzt. So stieß das Kind gegen Adrians Abwehr und versuchte sich hastig irgendwo an ihm festzukrallen, leider hatte er keine Möglichkeit sich festzuhalten und bewegte sich, dank der Schwerkraft, Richtung Boden. „Gaaahhh!“, rief er, als ihn plötzlich Adrian an der Seite packte und hoch hob, mit deutlichem Abstand zu seinem Körper. „Grah! Grah!“, knurrte das Kind wütend und schlug mit seinen spitzen Fingernägeln um sich. Dummerweise war er zu klein um die Distanz zwischen ihm und Adrian zu Überbrücken, um ihn im Gesicht zu erwischen. Auf dieses zielte er besonders, merkte aber nicht, dass er es nie erreichen würde. Auch kam es ihm nicht in den Sinn Adrians Arme anzugreifen, obwohl diese viel näher waren und ihm ebenfalls einen Weg in die Freiheit hätten ermöglichen könnten. „Beruhig dich!“, forderte Adrian verzweifelt von dem kleinen Mann, welcher einfach nicht aufhörte um sich zu kratzen. Sabrina sah dem Treiben schockiert zu. Für sie war klar, dass dieses Kind kein Kind war! Es war ein Monster! Ein Mischling zwischen Monster und Mensch. Für ein Menschenkind benahm sich der Kleine viel zu seltsam. Er imitierte Tierlaute, welche wohlmöglich von einem Hund oder Wolf stammten. Hatte ein unmögliches Muster auf seinen viel zu langen Haaren. War viel zu dreckig für einen Menschen und trug ein Palmenblatt als Schwanz. „Adrian! Lass uns den vor die Tür setzen! Ich glaube der ist kein Mensch!“ Obwohl das vermeidliche Monster zappelte wie ein Weltmeister und noch viel mehr um sich schlug, hatte Adrian kein Problem damit den Jungen festzuhalten. Immerhin wackelte er nur sehr stark, weil er seine Arme nicht angriff und offensichtlich immer noch versuchte sein Gesicht zu attackieren. Doch der Jugendliche bildete sich ein, dass das Gezappel immer schwächer wurde, je länger es dauerte. „Der ist gewiss ein Mensch!“, versicherte Adrian und drehte seinen Kopf, leicht gekippt, zu Sabrina. „Er hat klar abgegrenzte Arme und Beine, kann bestimmt auf zwei Beinen laufen, hat ein menschliches Gesicht und ist definitiv ein Junge.“ „Aber wie er sich verhält!“ „Ich denke er macht einfach nur ein Trauma durch und braucht jetzt einfach etwas Liebe.“ „Etwas Liebe? Was ist DAS denn fürn Geschwätz?“ „Ich meine das wirklich so! Kleine Kinder brauchen Liebe.“ „Schon klar, aber…“ „Dann ist ja gut.“ „Hey ich wollte noch was sagen!“ Einmal mehr lies Adrian Sabrina mitten in ihrem Satz stehen und drehte sich zurück zu seinem Zappelfisch. Während der Jugendliche den Jungen betrachtete und nachwievor gut festhielt, dachte er darüber nach, wie er dem Kind am Besten ‚Liebe‘ vermitteln könne, ohne ihn zu nahe zukommen. Adrian fürchtete nämlich, dass er bei einer Umarmung schmerzliche gekratzt werden würde und darauf hatte er keine Lust. „Hey mein Kleiner! Beruhige dich! Der böse Wolf ist weg! Und heute Nacht bleibst du bei uns. Morgen bringen wir dich dann zu deiner Mami und dann ist wieder alles in Ordnung!“, strahle Adrian vor sich hin. Ärgerlicherweise glaubte er, dass seine herzerweichenden Worte den Jungen nicht berührt hätten, doch urplötzlich hörte dieser mit seinem Theater auf und sah Adrian, mit einem leicht gequälten Blick an. Die grünen Augen des Jungen wurden richtig riesig und seine Arme hingen schlaff herunter. Für Adrian war der Fall klar! Der Junge würde jeden Moment anfangen zu weinen. „Nicht weinen!“, tröstete Adrian direkt den Jüngling. „Weinen?“ Sabrina sah der Situation skeptisch zu. Adrians Worte waren keine Herzerweichenden gewesen, sondern ihrer Meinung nach ganz normale 0-8-15-Trostworte. Außerdem hörte der Junge viel zu schnell mit seinem Gezappel auf, ohne Anzeichen davon, dass er sich beruhigt hätte. In Sabrinas Augen wirkte der kleine Kerl nämlich sehr angespannt und gar nicht getröstet. Sie glaubte eher, dass der Kleine Adrian eine Falle stellte. Doch das wollte sie ihm nicht auf die Nase binden, sie freute sich schon darauf, wenn der Junge Adrian kratzen oder gar beißen würde. Das wäre ihre persönliche Rache für die ganze harte Arbeit. Vorsichtig zog Adrian den Braunhaarigen an sich heran. Jetzt wo er sich ja beruhigt hatte, ging von ihm keine Gefahr mehr aus und nach einer herzlichen Umarmung wäre der Junge wieder glückliche und würde reden. Daran glaubte Adrian fest! „Hab keine Angst.“, flüsterte Adrian leise und drückte das nackte Kind fest an sich. „Grah?“ Einen etwas merkwürdigen Ton gab der Junge von sich, doch das störte den Jugendlichen nicht weiter. Der Junge aus der Nacht lies sich zwar umarmen, schien aber nicht auf die Umarmung einzugehen. Wie ein Brett blieb er ganz steif und lies sich einfach umarmen. „Graaa…“, knurrte er leise vor sich her, doch Adrian blieb bei seiner Überzeugung. Scheinbar sollte Adrian recht behalten, denn er merkte deutlich, wie sich die Ganzkörperspannung des Kindes auf einmal auflöste und er in seiner Umarmung hing, wie ein Sack Kartoffeln. Für Adrian ein klarer Fortschritt, doch er sollte schnell merken wieso der Junge plötzlich so entspannt war. „Bäääääääääh! Scheiße! Das darf doch nicht wahr sein!“ „Hahahaha! GENIAL!“, lachte Sabrina gehässig, aber aus tiefstem Herzen über Adrian. Sie hatte sich in dem Jungen getäuscht, er wollte Adrian wohl nicht verletzen, war aber offensichtlich aus anderen Gründen so angespannt gewesen. Während Adrians aufrichtiger Umarmung hatte der Junge offensichtlich nicht mehr die Kraft gehabt seine Natur zurückzuhalten und lies ihr einfach freien Lauf, direkt auf Adrians Bauch. „Bah! Du bist ein böses Kind!“, schimpfte Adrian wütend mit dem Kind, welches ihn aber nur unschuldig anglubschte. Er war sich offensichtlich keiner Schuld bewusst. Adrian war nicht nur genervt, weil sein Schlafanzug nun kalt war und nach Urin roch, sondern auch weil seine Umarmung nicht gefruchtet hatte. Kaum war das Kind fertig mit seinem Geschäft, wandelte sich sein Blick von niedlich zu böse. „Grrrrr!“, knurrte er wieder gefährlich Adrian an, welcher sofort reagierte und das Kind wieder von sich streckte. „Sabrina! Wenn du irgendwann mal fertig bist dich über mich tot zulachen, dann hohl meine Mutter! Das wird sonst nichts!“ „Der hat dich angepieselt! Wie geil ist das denn? Du mit deinem Hauch von Liebe!“ Sabrina konnte sich kaum noch vor lachen halten. Dieser Moment versüßte ihr den ganzen Tag. Adrian ging das natürlich gegen den Strich. Er musste einen kleinen Jungen festhalten, welcher nicht dicht ist und versucht ihn zu kratzen und Sabrina lacht ihn einfach aus. „SABRINA! Weck meine Mutter auf! Die wird sonst nicht wach! Und ich komme alleine nicht zurecht!“ „Jaja!“, presste Sabrina, durch ihr Lachen gehindert, hervor und machte sich auf den Weg zu den drei Türen. „Angepieselt~“ Tatsächlich schlief Adrians Mutter immer so tief, dass man problemlos im Haus rumschreien konnte, ab 23Uhr wurde sie einfach nicht mehr wach. Adrian verstand nie wie das möglich war, wunderte sich nach einiger Zeit aber auch nicht mehr darüber. Angeblich hatte er als Kind auch einen sehr tiefen Schlaf gehabt, vielleicht lag das in der Familie? Wollte man in der Nacht etwas von Nikola, musste man schon in ihr Zimmer gehen und das Licht anknipsen. Das garantierte zwar, dass sie aufwachte, hieß aber nicht, dass ihr Verstand auch schon voll da war. Diese Erfahrung musste auch Sabrina machen. Sie schaffte es zwar Nikola aufzuwecken, doch schaffte sie es nicht Nikola den Ernst der Lage zu vermitteln. Immerhin hatten sie einen fremden Jungen vor einem Wolf gerettet. Sabrina wurde dann klar, dass die Geschichte für die Uhrzeit viel zu kompliziert war und fasste sie noch einmal in einem kurzen Satz zusammen: „Adrian braucht Hilfe!“ Diese drei magischen Worte ließen die Mutter sofort aufwachen. „Was? Was ist los?“ „Kommen Sie einfach!“ Schnell schwang sich Nikola aus dem Bett und folgte Sabrina zügig ins Erdgeschoß, wo sie direkt Adrian sah, welcher den um sich schlagenden Jungen von seinem Körper weghielt. Sofort schüttelte die Mutter ihren Kopf. Hielt Adrian gerade wirklich ein Kind vor sich? Wo kam es her? Hatte er es entführt? Nein! Unmöglich! Wieso sollte er? Dann fiel Nikola die fehlende Bekleidung des Kindes auf. ‚Wurde er etwa vergewaltigt und dann im Wald ausgesetzt? ‘, waren ihre Gedanken, ehe sie schon auf Adrian zulief. „Ach du meine Güte!“, rief sie besorgt und hob den zappelnden Jungen aus Adrians Armen. „Was ist bloß mit dir passiert?“ Als plötzlich Nikola auftauchte und ihn aus den Armen des Fremden hob, hörte der Junge erneut auf zu Zappeln. So viele neue Gesichter waren auch für ihn zu viel und so sah er auch dieses neue Gesicht einige Zeit an. In Nikolas Gesicht lass der Junge mit den auffälligen Haaren Besorgnis, aber auch Liebe und Vertrauen. „Grahm…“, knurrte er leise und leicht traurig, ehe ihm Tränen in die Augen stiegen. Dieses Gesicht sah seiner Mama nicht ähnlich, doch er fühlte sich bei Nikola so geborgen, wie bei seiner Mutter. Er vermisste sie sehr! Viel zu sehr! Ehe ihm schon die ersten Tränen über die Backen liefen, warf er sich Nikola um den Hals um sich feste an sie zu kuscheln. „Gra! Gra!“ Nikola sprach nicht weiter zu den Jungen, viel zu überrascht war sie über dessen plötzlichen Gefühlsausbruch. Sie streichelte ihm erst über die Haare, merkte dann aber, dass er es lieber mochte, wenn sie seine Backe an seinem Gesicht rieb. Kurz unterbrach sie das friedliche Kuscheln und flüsterte zu Adrian, wobei sie großen Wert auf die Mundbewegungen legte: „Hohl mir ein Handtuch und Wäscheklammern. Und… du riechst komisch.“ Dann rieb sie sich weiter an dem schmutzigen Jungen aus dem Wald. Adrian nickte hastig und rannte schnell an den Beiden vorbei, zu seinem merkwürdigen Duft äußerte er sich nicht, er würde sich nachher umziehen. Adrian war überrascht von dem Verhalten des Jungen, war aber froh, dass er nun Ruhe gab. Er glaubte, dass der Junge bei Nikola so ruhig wurde, weil sie eine Frau war. Vielleicht hatte er mit Männern schlechte Erfahrungen gemacht? Im Bad angekommen schnappte sich Adrian das erste Handtuch auf dem Halter und sah sich hastig um. Wäscheklammern? Wo gab es die? Eigentlich fanden sich alle Wäscheklammern draußen bei der Wäscheleine. Doch bei Nacht rauszugehen wäre blanker Selbstmord! Im Zweifel lag der Wolf noch bewusstlos vor der Tür oder er streife jetzt über den Hof. „MIST!“ Wo sollte er jetzt Wäscheklammern herbekommen? Doch dann kam ihm eine Idee. Mit dem Handtuch über der Schulter eilte der Braunhaarige in sein Zimmer. Über seinem Bett hing eine Kordel, welche er durch mehrere Wäscheklammern gezogen hatte. An den Wäscheklammern hingen Fotos von Freunden und Bilder. Adrian fühlte sich gestresst, er hatte das Gefühl, dass seine Mutter eine wichtige Idee hätte und je länger er brauchen würde, desto eher würde der Junge vielleicht wieder austicken und sie eventuell noch verletzen. Deswegen stieg er schnell auf sein Bett und löste die Kordel. Er zog die ersten zwei Wäscheklammern ab und legte das Foto seines Freundes und eines Wasserfalls auf sein Bett. Fertig ausgerüstet machte er sich auf den Rückweg. Im Erdgeschoß hatte sich die Situation mehr und mehr beruhigt. Nikola rieb ihren Kopf nicht mehr an dem des kleinen Mannes. Von der ungewöhnlichen Situation gestresst war dieser nämlich sehr müde geworden und konnte endlich auf Nikolas Arm seine Ruhe finden. Damit Adrian den Jungen nicht wieder aufwecken würde, stellte sich Sabrina in den Türrahmen und hielt sich den Zeigefinger vor die Lippen. „Psst! Das Monster schläft.“ „Oh! Okay!“ Vorsichtigen Schrittes lief Adrian zu seiner Mutter und tippte ihr auf die Schulter. „Ich hab alles.“ „Gut. Leg das Handtuch auf den Boden.“ Der Braunhaarige nickte kurz und legte dann ordentlich das Handtuch auf den Boden. Langsam hob Nikola den Jungen von ihrem Arm und legte ihn so auf das Handtuch, dass sie die vordere Hälfte über seine Taille legen konnte. Zuletzt nahm sie noch die zwei Wäscheklammern und fixierte so die jeweils aufeinander liegenden Handtuchecken. „Fertig!“ Jetzt hatte der Junge endlich eine Windel an. Auch wenn Nikola nicht verstand warum er ein Palmenblatt trug, hatte sie den Jungen so auf das Handtuch gelegt, dass dessen ‚Windel‘ unter dem Blatt lag. „Was machen wir jetzt mit ihm?“ „Er ist doch ein Findelkind oder? Dann Polizei.“, flüsterte Sabrina leise und stellte sich zu den Beiden. „Nein! Keine Polizei.“, entgegnete Nikola sofort. „I…“ „Was? Mama! Wir können doch nicht.“ „Lass mich bitte ausreden! Sabrina hat mir erzählt was Sache ist! Wenn wir jetzt die Polizei rufen, ist das zu viel für ihn. Morgen ist Samstag, auf dem Sommerfest fällt ein weiteres Kind nicht auf. Wir haben alle ein Auge auf ihn und sehen zu, dass wir ihn in einen stabilen Zustand bekommen. Dann rufen wir die Polizei.“ „Vielleicht hast du recht…“ „Was? Was ist das für ein Geschwätz? Wollen Sie den behalten? Je schneller der weg ist, desto besser.“ Nikola sah Sabrina entgeistert an und wurde leicht wütend auf sie. „Ich will ihm keinen Stress machen und dir kann es egal sein ob es hier eine Person mehr oder weniger im Haus gibt.“ „Das ist Entführung!“ „Entführung? Was bildest du dir ein? Du spielst dich hier ganz schön auf.“, entgegnete Nikola wütend und wirkte dabei sehr arrogant. Sie lies sich von dem Mädchen so etwas nicht unterstellen. „Niko hat recht Sabrina! Wenn der Junge so bei der Polizei ausflippt…erschießen sie ihn vielleicht noch.“ Bei dieser Vorstellung verstummte Sabrina sofort. Ihr war der Junge unheimlich, doch sie wollte nicht haben, dass er erschossen wird. „Ich werde mit dem Jungen im Wohnzimmer schlafen. Ich schließe die Tür von innen ab, falls er aufwacht, dass er nicht wegrennt. Wenn er aufwacht soll er mich sehen, sonst bekommt er eventuell noch mehr Angst.“ „Ich bleibe bei dir!“, forderte Adrian sofort und machte einen Schritt auf seine Mutter zu, „Wenn er dich angreift will ich dich beschützen!“ „Adrian! Er ist ein kleines Kind.“, versicherte Nikola lächelnd und hob den schlafenden Jungen auf. Sie war stolz auf Adrian, dass dieser sie sofort beschützen wollte, doch ging er offensichtlich etwas zu weit. „Nagut.“, gab sich Adrian geschlagen und sah dennoch besorgt seine Mutter an. Er würde es zwar nicht zugeben, doch er hatte etwas Angst vor dem Kind, weil es so wild war. Natürlich kannte Adrian wilde Kinder, doch keine welche auf allen Vieren liefen und dann auch noch schnell waren. Irgendwas stimmte mit diesem Kind nicht. „Gut!“, lächelte Nikola und öffnete die Tür zum Wohnzimmer. „Nun dann! Schlaft gut!“ „Ja danke!“ „Schlafen Sie auch gut.“ Gemeinsam mit Sabrina ging Adrian wieder nach oben. Im Flur blieb er noch stehen und sah seine Mitbewohnerin an. „Was denkst du über dieses Kind?“ „Es ist komisch.“, sagte Sabrina und schüttelte ihren Kopf. „Das weißt du doch!“ Sabrinas Tonfall war leicht vorwurfsvoll, immerhin hatte sie ihren Standpunkt doch mehr als deutlich gemacht, oder nicht? „Ja ich weiß… aber dieser Wolf… oder was des war. Glaubst du er wollte das Kind wirklich fressen?“ „Frag das doch gleich! Ich weiß es nicht! Fressen Wölfe denn Menschen?“ „Glaube nicht…“ „Dann wollte er ihn wohl nicht auffressen.“, gab Sabrina besserwisserisch von sich und gähnte kräftig. „Sonst noch was?“, fragte sie leicht genervt und hob ihre Hand zum Abschied, ehe sie bereits zu ihrem Zimmer lief. „…Schlaf du auch gut…“ So zog sich auch Adrian in sein etwas enges Zimmer zurück. Er hing schnell seine Bilderleine wieder auf, ehe er sich in sein Bett legte und die Decke anstarrte. Natürlich hatte er zuvor sein Oberteil gewechselt, immerhin roch dieses noch sehr eigenartig. Hatte er nun einen wilden, neuen kleinen Bruder bekommen? Was war diesem Kind wiederfahren? Vielleicht wurden seine Eltern brutal ausgemerzt und durch ein Trauma glaubt er nun ein Tier zu sein? Oder war es wirklich nur ein Schutzverhalten gegenüber dem Tier? Was hatte es mit diesem Palmenblatt auf sich? Der Knoten war sehr fest und das Seil sehr dreckig. Alleine hat er es sich garantiert nicht umgebunden. Vielleicht war alles auch nur ein großes Missverständnis oder gar ein Traum! War das ein Traum? Morgen würde er es wissen. --- --- --- Wie üblich war Nikola als Erste wach. Sie hatte den kleinen Jungen in der Nacht auf das Sofa gelegt und sich selbst auf das benachbarte Sofa, welches rechtwinklig auf das erste Sofa traf. Einige Zeit sah sie dem wilden Jungen beim Schlafen zu, wie ein Tier, oder mancher Mensch, hatte er sich ganz eng zusammengerollt, doch wie jedes Kind wirkte er im Schlaf sehr niedlich und friedlich. Sollte sie ihn wecken? Nikola war unsicher. Wenn sie den Jungen jetzt aufwecken würde, wäre es sicherlich etwas verwirrt und überrumpelt. Anderseits konnte sie auch nicht warten, bis er von sich wach werden würde. Dann kam ihr jedoch eine Idee. Vorsichtig versuchte Nikola den Jungen auf ihre Arme zu hieven, doch plötzlich wurde dieser wach! „Uahm?“, fiepte der kleine Kerl wie ein Eichhörnchen und sah direkt in Nikolas Gesicht. Diese lächelte sofort und begrüßte den Kleinen mit einem freundlichen: „Guten Morgen!“ Ehe sie nicht Drumherum kam ihn nach seinem Namen zu fragen. Sie war sich sicher, dass er jetzt seine Tierlaute abgelegt hätte und wieder normal sprechen würde. „Wie heißt du denn, mein Kleiner?“ „Grahm!“, gab er jedoch nur von sich, mit einem weitaufgerissenem Mund. Nikola seufzte schwer. Der Junge war wohl noch nicht über dem Berg. „Mhh! Grahm also? So kann ich dich ja schlecht nennen! Ich nenne dich erst einmal ‚Wölfchen‘! Das passt zu dir.“ „Grah!“ Wölfchen schien seinen Namen zu mögen, denn er strahlte Nikola vergnügt an, ehe er schon vom Sofa sprang und direkt auf allen Vieren stand, wie gestern Abend. Nikola war über diese Körperhaltung sehr erstaunt, vor allem weil Wölfchen damit sehr sicher stand. „Grah! Grah!“ Neugierig stapfte der kleine Junge durch das Wohnzimmer, als hätte er noch nie eines zuvor gesehen. Als Erstes setzte er sich vor den Fernseher und sah zu diesem hoch. „Uh?“ Er wirkte etwas ratlos. „Das ist ein Fernseher.“, erklärte Nikola vom Sofa aus und bewunderte dabei die Sitzhaltung des Kindes. Wie ein Hund hatte er einfach seinen Hintern abgesengt. Er saß zwischen seinen Beinen und berührte mit seiner Windel nicht den Boden. Praktischerweise schob sich das Palmenblatt nachhinten auf, ohne dabei zu brechen. „Was bist du bloß?“, fragte sich Nikola leise. Wenn der Junge nur Tier spielte, dann hatte er für sein Alter wirklich ein immenses Durchhaltevermögen. Mit einem langgezogenem Laut griff der Junge vorsichtig zum Fernseher, erreichte ihn aber nicht, weil er auf einem kleinen Schrank stand. Dadurch verlor der Neugierige das Interesse an dem Fernseher und schwang sich wieder auf alle Viere, um weiter durch das Wohnzimmer zu stolzieren. Das Wohnzimmer war kein Zimmer, welches viel bot. Es bot legendlich die zwei Sofas, einen Tisch vor den Sofas und eine große Fensterzeile dahinter. Die Sofaecke stand mit dem Tisch auf einem schönen, roten Teppich, welcher jedoch nur die Sofaecke begrenzte, weswegen außerhalb des Teppichs der Holzboden wieder zum Vorschein kam. Gegenüber der Sofaecke standen zwei hohe Schränke. Zwischen den Schränken stand der Fernseher auf seinem kleinen Schrank. In einer der Ecken stand noch eine Stehlampe, zu welcher Wölfchen als nächstes tapste. Doch er erreichte diese nicht, weil er in der Ecke, zwischen Schrank und Tür einen alten Kachelofen entdeckte. „Uh! Uh!“, gab der Junge begeistert von sich und tapste auf diesen zu. „Das ist Omas alter Kachelofen. Im Winter macht der gut warm.“ Ob der Junge wirklich verstand, was sie sagte, bezweifelte Nikola. Sie war sich nicht einmal sicher, ob er sie überhaupt gehört hatte. Vergnügt kletterte Wölfchen, mit Hilfe seiner Fingernägel, geschwind auf den Kachelofen und setzte sich vergnügt auf diesen. Dabei gab er wieder merkwürdige Laute von sich, welche von einem Wolf oder einem Hund hätten stammen können. „Wölfchen! Komm da runter.“, sprach Nikola ruhig und stand von der Couch auf, um dem Kachelofen einen Besuch abzustatten. „Da legt man sich nicht drauf! Hast du keinen Hunger? Na komm! Deine Mama wird bestimmt wütend sein, wenn du nichts im Magen hast, wenn sie dich abholt.“ Es war ein Bluff, natürlich hatte Nikola noch keine Schritte unternommen um ‚Wölfchens‘ Eltern zu finden. Doch mit diesem Satz wollte sie ihm nicht nur Hoffnung machen, sondern auch gefügig. „Komm!“, forderte sich noch ein Mal und ging von dem Ofen weg. Wieder gab Wölfchen ein Art Bellen von sich und sprang mit einem Satz von dem Ofen. Natürlich landete er wieder auf allen Vieren und folgte, wie ein braver Hund, Nikola durch die Tür in die Küche. Kaum hatte Nikola die Tür geöffnete, rannte der Junge, wie von einer Biene gestochen, auf den Kühlschrank zu. Wieder setzte er sich vor diesen, streckte jedoch seinen Oberkörper und kratzte mit seinen Fingernägeln gegen die Tür. „Grrr!“, knurrte er dabei, wirkte aber nicht bedrohlich, eher hungrig. Dieses Verhalten gab Nikola sehr zu hoffen! Der Junge wusste also eindeutig, dass es im Kühlschrank Essen gab. Das war doch ein Zeichen von Zivilisation! Begeistert von diesem Gedanken ging sie zum Kühlschrank und öffnete die Tür. „Na was magst du den haben? Einen Jogurt vielleicht? Oder ein Käsebrot?“ Weil Nikola zum Aufzählen des vorhandenen Essens ihren Kopf in den Kühlschrank steckte, merkte sie sofort, wie Wölfchen in den Kühlschrank stieg und über die eingelegten Gitter nach oben kletterte. „Was machst du da?“ Unsicher sah Nikola dem Treiben des Kleinen zu, ehe dieser mit seinem Mund nach einer Ringwurst biss und sie so aus dem Kühlschrank zog. Kaum war die Schnauze aus dem Fach, lies sich der Junge zurück auf den Boden fallen und rannte mit der Wurst unter den Tisch. „Hey! Wenn du ein Stück Wurst willst sag das doch einfach!“ Doch Wölfchen hörte nicht. Mit seinen Händen drückte er die Wurst zu Boden und riss mit seinem Mund Stücke aus dem Ring, welche er sofort verspeiste. Um einen besseren Blick auf das Geschehen zu haben, ging Nikola in die Hocke und sah dem Jungen beim Essen zu. Er aß wirklich wie ein wildes Tier. Was war bloß mit ihm geschehen? „Mh?“ Unsicher richtete Nikola ihren Blick auf Wölfchens Zähne. Sie war sich nicht sicher, doch irgendetwas schien nicht zustimmen. Doch was? Sie war sich einfach nicht sicher und tendierte langsam dazu, dass sie durch das merkwürdige Verhalten des Jungen dazu verleitet wurde in ihm noch mehr abnormale Dinge zusehen, als bei ihm vorhanden waren. Je länger Nikola dem Jungen zusah, desto öfter beschlich sie das Gefühl, dass mit seinen Zähnen etwas nicht stimmte. So ging sie näher zu dem Tisch und klopfte vor sich auf dem Boden. Wie erhofft sah der kleine Junge sofort zu ihr. „Grahum?“ „Wölfchen! Mach mal so!“ Mit einem leichten Knacken biss Nikola ihre Kiefer aufeinander und zog die Lippen hoch, damit man ihre Zähne gut sah. Der kleine Dreckspatz verstand nicht ganz, zeigte aber dennoch, wie Nikola, seine Zähne und fing dabei noch an zu knurren. Sofort fiel Nikola das auf, was sie zuvor nicht glaubte gesehen zu haben. Die Eckzähne des Jungen waren anders, als bei normalen Menschen. Im Oberkiefer folgten auf die ersten Eckzähne direkt ein Weiter. Somit hatte er vier Eckzähne allein im Oberkiefer. Auffällig war dabei auch, dass der vordere Eckzahn deutlich länger als bei Menschen war und auch länger als der hintere Zahn, welcher ebenfalls noch länger war als bei Kindern seines Alters. Im Unterkiefer glaubte Nikola keine Anomalie zu entdecken. Bei diesem Anblick entspannte die Mutter ihre Lippen wieder und schüttelte ungläubig ihren Kopf. „Was bist du?“ --- --- --- „Alles nur wegen Sabrina!“, fluchte Adrian leise vor sich her und betrachtete die Auswahl an Windeln, in dem Regal vor ihm. „Öhh…3-6 Kilo? Meinen die damit das Gewicht von dem Haufen?“ Adrian war einfach überfordert. Was war bloß geschehen? Heute war Samstag und statt das er sich auf das Sommerfest freute, stand er im Astro-Markt von Schwalbheim und betrachtete sich Windeln. Als er am Morgen aufgestanden war, sich gewaschen und gefrühstückt hatte, bat ihn Nikola mit seinen Schülerticket nach Schwalbheim zu fahren, um Wölfchen Windeln zukaufen. Sabrina wollte sie diese Aufgabe nicht zuteil werden lassen, weil Nikola sie für nicht fähig genug hielt. Dabei war ER nicht fähig! In seinem ganzen Leben hatte er noch keine Windeln gekauft und seine Mutter konnte natürlich nicht mit, weil sie auf den Bürgermeister und die Hüpfburg warten musste. „Kann ich dir vielleicht helfen?“ „Was?“ Adrian erschrak, als ihn plötzlich Jemand von der Seite ansprach. Der Sechzehnjährige hatte das Mädchen nicht bemerkt, weil er in seinen Gedanken festhing. Umso deutlicher betrachtete er sie jetzt, mit klarem Verstand. ‚Oh Gott! Wie peinlich! ‘, schoss Adrian sofort in den Kopf, als er das Mädchen als eine Jugendliche in seinem Alter identifizierte. Sie war hübsch, keine Frage, doch sicher war die Windelabteilung nicht der rechte Ort zum Kennenlernen. Sicherlich hielt sie ihn schon für einen Erwachsenen, der gerade sein erstes Kind bekommen hat. „Ähm…Ähm… Ich kaufe…eh…für einen Freund…Windeln!“ „Für einen Freund?“ Das Mädchen mit den kurzen Haaren musste bei dieser Ausrede unweigerlich kichern. Adrians Peinlichkeit stand ihm deutlich in sein Gesicht geschrieben und sie glaubte zu verstehen, was dieser Junge für eine Sorge hatte. Weil sein Verhalten sie amüsierte, entschloss sie sich Adrian noch nicht von seiner Qual zu erlösen und ging deswegen auf seine Ausrede ein. „Dein… Freund? Wie alt ist der denn?“ „Eh…Ehm… V-Vier? Trägt man mit Vier überhaupt noch Windeln?“ „Manche Kinder schon.“, erklärte die Jugendliche und fing an zu grinsen, „Manche brauchen noch eine Windel und sind schon 15,16 oder gar 17.“ Diese Aussage war sicherlich nicht gelogen, doch wollte das Mädchen Adrian nicht aufklären, sondern ihn weiter verunsichern. „Was?! Ich… nein! Ich brauche doch keine Windel…Ich meine…Ich bin schon lange trocken! Wirklich!“ Nun konnte sich die Rothaarige vor Lachen nicht mehr halten. Adrian war genau in ihre Falle getapst. Das freute sie sehr, aber noch mehr belustigte sie Adrians peinliches Getue. „I-Ich…Ich weiß doch! Das du… bestimmt keine Windel brauchst.“, presste sie lachend hervor und sprach erst weiter, als sie sich wieder beruhigt hatte. Adrian war das Alles natürlich endlos peinlich und er hätte sich am Liebsten in ein Loch verzogen. Doch leider bot der Astro-Markt keine Löcher-Abteilung. „Windeln kaufen ist doch nichts Schlimmes! Du scheinst aber nicht so Ahnung zu haben. Kaufst wohl das erste Mal, oder?“ „J-Ja…“, gab der Braunhaarige von sich und klang dabei wie ein beschämtes Kind. „Also für vier Jahre?“ „Oder drei… Ich weiß das nicht so genau!“ „Mh… Wie groß ist dein Freund denn?“ „So bis da!“ „Ah! Okay… Das ist schwierig, dass kann ein etwas größerer Dreijähriger sein, oder ein etwas kleinerer Vierjähriger. Ist er dick?“ „Nein! Ziemlich dünn.“ „Das ist gut! Hier Nimm die!“ Das Mädchen mit den hellroten Haaren griff aus dem Regal eine Packung Windeln, einer bekannten Marke und reichte sie Adrian. „Ich kenne die, nur kleiner, von meinen Babysitter-Kindern. Die sind echt gut.“ „Boah! Vielen Dank! Du hast mich gerettet!“, rief Adrian fast und sah begeistert die Packung mit den Windeln an. Er hatte es geschafft! Er hatte Windeln gekauft! „Oh! Ich bin übrigens Adrian! Wie kann ich dir für deine Hilfe danken?“ „Ich bin Viktoria! Und du brauchst mir nicht zu danken! Aber die Windeln waren dir schon wichtig, oder?“ „Ja sehr! Meine Mutter hat mich extra losgeschickt, weil sie mir es zugetraut hat, die richtigen Windeln zu finden.“ „Sind das denn die Richtigen?“ „Es sind Windeln und sie könnten Wölfchen passen! Also wird’s richtig sein!“ „Wölfchen?“ Über diesen Namen war Viktoria keinesfalls erstaunt. Sie ging davon aus, dass ‚Wölfchen‘ der Spitzname des Kindes war, was an sich nicht ganz falsch war. Natürlich interessierte sie sich sofort für die Geschichte hinter dem Spitznamen, „Wölfchen? Klingt ja echt niedlich! Wie kommt dein Freund denn zu diesem Namen?“ Wieder einmal machte sich in Adrian Panik breit. Er mochte Viktoria zwar, doch war sie nachwievor nur eine Fremde. Er konnte ihr schlecht erzählen, dass sie einen Jungen in ihrem Planschbecken gefunden haben, der sich wie ein Wolf verhält und wie ein ganzes Rudel riecht. ‚Wölfchen… Wölfchen…‘ Hastig ging Adrian alle Szenarien durch, welche einem kleinen Kind den Namen ‚Wölfchen‘ einbringen könnten. Je länger Adrian still dastand und nachdachte, desto nervöser wurde er. Er war sich sicher, dass selbst ein Blinder merken würde, dass er gerade wieder dabei war eine Ausrede, beziehungsweise Lüge zu erfinden. Viktoria hatte gerade eben schon seine Ausrede durchschaut. Das stimmte Adrian wenig optimistisch und sah dabei von ab, dass seine vorige Ausrede wirklicher Mist war. MIST! Er überlegte schon viel zu lange! Jetzt musste er etwas sagen. „Also ja! Wölfchen!“, mit einem verlegenem Lachen unterbrach Arian seine Erklärung nur kurz, konnte so aber noch etwas Zeit gewinnen. „Ja das ist eine witzige Geschichte! Weißt du… ich…naja es war spät abends und ich habe was über Hunde gelesen und so… Naja er konnte nicht schlafen und weil meine Mutter nie wach wird, ist er halt zu mir ins Bett gekrochen. Da habe ich ihm etwas über Wölfe vorgelesen und da war er so begeistert, dass er fortan gerne Wolf spielte. Deswegen heißt er ‚Wölfchen‘“. Adrian war verdammt stolz auf seine Geschichte, weil sie sich nach nicht so viel Stuss anhörte und doch sehr plausibel klang. Doch die Unsicherheit blieb. Würde Viktoria ihm diese Geschichte abkaufen? Er hoffte es sehr. „Uh! Wie süß! Da macht der Spitzname wirklich sinn! Du hast also einen kleinen Bruder? Ist er sehr anstrengend?“ „Eh…N-Nein… eigentlich ist er sehr lieb… und manchmal wild…Wenn er Wolf spielt und so, verstehst du?“ „Ja das glaube ich! Sag Adrian… Heute ist doch das Sommerfest bei der Kaisermühle… Ehm… Nun… ich wollte dich fragen…Kommst du auch?“ Bei dieser doch sehr spontanen Einladung zum Sommerfest stockte Adrian ungläubig. Lud ihn Viktoria gerade zu einem Date ein? Oder überinterpretierte er gerade diese Einladung? Zumindest wollte sie ihn wiedersehen. Und zugegeben, er wollte das eigentlich auch! Viktoria war sehr nett und auch, nicht das es wichtig wäre, fürs Auge eine Schönheit. Adrians ungläubiges Stocken brachte Viktoria direkt in Verlegenheit. War sie zu direkt? Mochte Adrian sie etwa nicht? Verstand er ihre Frage vielleicht sogar falsch? „Weißt du!“, fing Adrian dann an und musste dabei ein wenig lachen, „Ich wohne auf dem Bauernhof, meine Mutter veranstaltet das Sommerfest, also bin ich auf jeden Fall da!“ „Wirklich? Du wohnst in der Kaisermühle?“ Viktoria nutzte die Gunst der Stunde um direkt das Thema zu wechseln. Die Einladung sorgte auf beiden Seiten für Unbehagen und so war auch Adrian über den Themenwechsel froh. „Ja!“ „Erzähl mal! Wie ist das so?“ --- --- ---- „Verdammt Adrian wo bleibst du?!“ Nervös stand Nikola auf dem großen Platz ihrer Hofeinfahrt. Sie erwartete schon sehnlichst die Ankunft ihres Sohnes. Sie wollte Wölfchen nämlich schnell seine Windel anziehen und dann direkt in Adrians Obhut übergeben. Er solle den Jungen erst einmal verstecken, bis so viele Menschen da sind, dass er nicht mehr auffällt. Doch von Adrian war weit und breit nichts zusehen und das obwohl gerade erst ein weiterer Bus die Straße entlang fuhr. Der kleine Mann freute sich riesig darüber wieder draußen zu sein. Vergnügt spielte er mit einem kleinen Ball, welchen Nikola aus dem Keller geholt hatte. Der Ball war schon sehr alt und bestand aus einem synthetischen Gewebe. Nikola hatte diesen geholt, weil der Ball nicht aufgepumpt werden musste und gut zusammendrückbar war. Damit lief Wölfchen nämlich nicht Gefahr den Ball zu zerbeißen und hätte so länger Freude daran. Die er offensichtlich auch hatte! Vergnügt schuppste er den Ball mit seinen Händen nach vorne, um sich dann auf den Ball zu werfen. Dafür beugte er seinen Oberkörper etwas nachhinten, um sich dann kräftig mit seinen Beinen abzustoßen. Manchmal apportierte er den Ball auch zu Nikola, die ihn dann wieder weg warf. Sie achtete, mit einem Auge, darauf, dass der Junge in ihrer Nähe spielte, doch machte er auch keine Anstalten zu fliehen. Er blieb freiwillig in der Nähe von Frau Gerst. „Adrian! Wenn du nicht gleich kommst! Grah! Scheiße noch eins! Wenn Herr Burgo kommt sind wir am Arsch!“, fluchte sie wütend. „Uhm…“ Gerade hatte Wölfchen den Ball wieder apportiert, da bekam er Nikolas Wut mit und winselte traurig, wobei er sich sofort flach auf den Boden legte. Trotz ihrer Wut hörte Nikola das Winseln und hockte sich zu dem Jungen. „Wölfchen! Ich bin nicht wegen dir sauer! Nur wegen deinem Bru… Wegen Adrian! Der kommt und kommt nicht bei.“, seufzte sie und streichelte den Jungen über sein langes Haar, wie ein Schoßhündchen. Allzu sehr achtete sie nicht auf den Kleinen, sonst wäre ihr aufgefallen, dass er wieder komplett nackt war. Wölfchen hatte beim Spielen sein Handtuch verloren, weil sich durch seine Sprünge die Wäscheklammern gelöst hatten. „Frau Gerst! Ich bin dann fertig mit dem Bad.“ Tatsächlich lies sich Sabrina dazu überreden das Bad sauber zumachen. Doch freiwillig traf sie nicht diese Entscheidung. Den ganzen Morgen war Nikola schon sehr angespannt und Sabrina fürchtete ein größeres Drama, wenn sie sich jetzt querstellen würde. Sie hatte für das Reinigen des Bades ewig gebraucht, weil sie gar nicht wusste, wie man ein Bad sauber macht. Die einzige Person die es ihr hätte erklären können war aber mit dem kleinen Jungen beschäftigt und Adrian war schon auf dem Weg zum Astro-Markt. Sie hatte dann einfach den Reiniger genommen, auf dem ein Badezimmer abgebildet war und hatte es auf die Armaturen gesprüht. Danach hatte sie mit einem Lappen den Schaum verteilt und trocknen lassen. Dabei entstanden merkwürdige Wasserflecke, doch das bekam Sabrina nicht mehr mit, weil sie in der Zwischenzeit in ihrem Zimmer war und sich noch einmal neu einkleidete, weil ihr, ihr voriges Outfit nicht mehr gefiel. „Das Bad? Oh Gut! Aber wir haben ein Problem! Adrian kommt nicht bei! Und ich weiß nicht was wir mit Wölfchen machen sollen!“, verzweifelt dachte Nikola nach, während sie wieder aufstand. Wieso hätten sie ein fremdes Kind? Pflegekind? Adoptiert? Gast? Ja! Das Kind wäre wie Sabrina ein Gast! Doch warum ist es so merkwürdig gekleidet und so dreckig? Es hat viel gespielt? Es ist Sommer und sehr heiß? Es ist in den Matsch gefallen? Es spielt Haustier? Ja! Das ist es! „Sabrina!“, rief Nikola begeistert und lief, fast sprintend, auf Sabrina zu. „Du musst mir helfen mit Wölfchen!“ „Was? Ich? Nein!“ „Doch! Hör zu! Du bist Gast! Das weiß man! Wir erzählen den Anderen, vor allem Herrn Burgo, dass Wölfchen dein Cousin ist und gerade Wolf spielt.“ „Vergiss es! Die Leute kennen mich! Ich bin eine Atelli! Wenn ich das erzähle, habt ihr gleich Presse hier!“ „Verdammt! Du hast recht!“ Langsam bekam Nikola ein dickes Zeitproblem, was ihr deutlich aufs Gemüt schlug. Um 10 Uhr wollte Herr Burgo mit der Hüpfburg und den Arbeitern vorfahren und jetzt war es schon 9:54 Uhr. Sie brauchte eine Lösung! Und dann kam ihr doch noch eine mögliche Verwandtschaft. „Dann ist Wölfchen das Kind einer Bekanntin! Das ist perfekt! Warte kurz hier.“ Die Ideen blieben Nikola nicht aus. Sie erklärte dem Jungen noch schnell, dass er warten solle und rannte dann schon zu der Scheune in der Nähe des Hauses. Lange war sie nicht weg und so konnte Sabrina sehen, wie ihre Gastmutter mit einem Hundehalsband und einer alten Hundeleine zurück kam. „Was haben Sie vor?“, fragte Sabrina unsicher. „Wölfchen spielt doch Wolf! Wir behaupten er spielt Hund! Und ein echter Hund braucht ein Halsband. Jeder würde das als Teil seines Spiels sehen und keinen Verdacht schöpfen.“ „Verdachte worauf?“ „Das mit ihm etwas nicht stimmt. Außerdem können wir ihn dann etwas zügeln und verstecken. Solange wie Herr Burgo da ist, musst du die Leine halten und ihn verstecken. Das ist keine BITTE! Du musst! Wenn mehr Leute da sind, kann man die Leine wieder abmachen. Ein Kind mehr fällt dann nicht auf. Aber wenn er Jemanden auffällt… Dann haben wir ja eine Ausrede parat! So machen wir das!“ „Aber… das ist doch…Na gut! Okay! Sie haben recht.“ Kurz hatte Sabrina Bedenken, doch dann merkte sie schnell, dass alles Andere ein Risiko wäre. Sie wollte nicht in die Sache mit reingezogen werden, falls der Junge ‚entlarvt‘ werden sollte. Nachwievor verstand sie aber nicht, warum Nikola nicht die Polizei rief. Kannte sie den Jungen etwa? Der Junge schien ihr ja zu vertrauen und wurde in ihren Armen auch ruhig. Irgendetwas stimmte dort doch nicht! Doch aus Eigeninteresse müsse sie nun mitspielen. Während Sabrina sich noch Gedanken über ihre Verschwörungstheorien machte, ging Nikola wieder vor Wölfchen in die Hocke. „Hey Kleiner! Ich muss dir dieses Band mal kurz ummachen, sonst bekommen wir einen riesen Ärger und du müsstest vielleicht sogar weg von hier! Und ich weiß doch, dass du hier bleiben musst.“ Mit einem freundlichen Lächeln öffnete Nikola das Hundehalsband. Unsicher schnupperte der kleine Junge an dem Band, ehe er plötzlich seinen Kopf anhob um seinen Hals zu präsentieren. Mit großer Erleichterung machte Nikola ihm sofort das Band um, lies es aber sehr locker. Danach klinkte sie noch die Hundeleine ein und rief Sabrina zu sich. „Komm her!“ „Du musst dich jetzt sehr benehmen, bis ich dir wieder das Band abmache. Solange spielst du mit dem Ball, achtest aber auf die Leine!“, erklärte die Mutter noch dem Kind, ehe sie die Hundeleine an Sabrina übergab. „Ich denke er versteht, dass er sich jetzt benehmen muss.“ „Wieso hört er so sehr auf sie?“ „Er hört nicht auf mich. Ich glaube eher, dass er keine Angst hat.“ „Hä?“ „Ein Halsband ist eine Einschränkung der Freiheit, dass fühlt er auch. Aber er hat keine Angst seine Freiheit zu verlieren.“ „Warum haut er dann nicht ab?“ „Das habe ich mich auch schon gefragt! Ich glaube er muss hier bleiben. Irgendetwas hier gewährt ihm dieses Gefühl von Freiheit…“ „Me…“ „Herr Burgo kommt! Schnell verdrück dich mit Wölfchen hinter die Scheune. Pass auf, dass euch keiner sieht und halte ihn von den Tieren fern. Wenn euch doch Jemand sieht kennst du deinen Text oder?“ „Kind einer Freundin. Spielt Haustier.“ „Ja! Nun geh schon!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)